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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §66 Abs4;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2003/08/0137Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse in Graz, vertreten durch Dr. Helmut Destaller, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Grazbachgasse 5, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Steiermark vom 26. Mai 2003, I. Zl. 61-26n3/3-2001 (zur hg. Zl. 2003/08/0136), betreffend Beitragsnachverrechnung, und II. Zl. 61-26x20/3-2001 (zur hg. Zl. 2003/08/0137), betreffend Vorschreibung eines Beitragszuschlages (jeweils mitbeteiligte Partei: X Zeitungsverlagsgesellschaft m.b.H. in G, vertreten durch Dr. Franz Krainer, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 19/III), zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.982,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 26. Mai 2003, gegen den die Beschwerde zur Zl. 2003/08/0136 protokolliert ist, gab die belangte Behörde dem Einspruch der mitbeteiligten Partei Folge und stellte fest, dass diese nicht verpflichtet sei, "für die in der Beitragsnachverrechnung vom 13. April 2001 ... ausgewiesenen allgemeinen Beiträge, Nebenumlagen, Sonderbeiträge und Zuschläge nach den jeweils angeführten Beitragsgrundlagen für die jeweils näher bezeichneten Zeiten im Betrag von insgesamt
S 198.075,64 (EUR 14.394,72) nachzuentrichten".
Die belangte Behörde stützte sich darauf, dass sie mit rechtskräftigem Bescheid vom 24. Februar 2003 dem Einspruch der mitbeteiligten Partei gegen Punkt 1 des erstinstanzlichen Bescheides Folge gegeben und festgestellt habe, dass ein näher bezeichneter Dienstnehmer in der Zeit vom 1. September 1995 bis 30. Juni 1996 nicht der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 2 ASVG unterlegen gewesen sei.
2. Mit dem - ebenfalls im Instanzenzug ergangenen - zur Zl. 2003/08/0137 angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde festgestellt, dass der von der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse der mitbeteiligten Partei vorgeschriebene Beitragszuschlag in der Höhe von S 98.000,-- (EUR 7.121,94) nicht zu bezahlen sei.
Auch dieser Bescheid wurde damit begründet, dass mit dem erwähnten Bescheid vom 24. Februar 2003 festgestellt worden sei, dass ein näher bezeichneter Dienstnehmer in der Zeit vom 1. September 1995 bis 30. Juni 1996 nicht der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 2 ASVG unterlegen gewesen sei. Da dieser Bescheid die Grundlage für die Nachverrechnung bzw. den Beitragszuschlag gebildet habe, habe dem Einspruch Folge gegeben und der Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse behoben werden müssen.
3. Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machenden Beschwerden, in denen darauf hingewiesen wird, dass die belangte Behörde mit Spruchpunkt 1 des Bescheides vom 24. Februar 2003 entschieden habe, dass der näher bezeichnete Dienstnehmer im Zeitraum vom 1. Juli 1996 bis 8. September 1996 gemäß § 4 Abs. 4 Z. 1 ASVG der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung nach dem ASVG unterlegen sei. Auf Grund dieses Bescheides schulde die mitbeteiligte Partei Beiträge bzw. einen Beitragszuschlag, über den die belangte Behörde daher abzusprechen gehabt hätte.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und jeweils erklärt, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand zu nehmen.
Die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung beider Beschwerden beantragt.
4. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:
Aus den vorgelegten Verwaltungsakten geht hervor, dass die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse zunächst mit Bescheid vom 12. November 2001 im Spruchpunkt I ausgesprochen hatte, dass ein näher bezeichneter Dienstnehmer auf Grund seiner Tätigkeit als Redakteur für die mitbeteiligte Partei in der Zeit vom 1. September 1995 bis 18. September 1996 der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht nach dem ASVG unterliege. Ferner hat die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse in Spruchpunkt II dieses Bescheides Sozialversicherungsbeiträge, Nebengebühren, Sonderbeiträge und Zuschläge in der Höhe von insgesamt S 198.075,64 vorgeschrieben. Mit Einspruchsbescheid vom 24. Februar 2003 gab die belangte Behörde dem Einspruch der mitbeteiligten Partei zu Spruchpunkt I des erstinstanzlichen Bescheides Folge und änderte diesen dahingehend ab, dass der erwähnte Dienstnehmer
"in der Zeit
1. vom 1.7.1996 bis 8.9.1996 gemäß § 4 Abs. 4 Z. 1 ASVG der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung und
2. vom 1.9.1995 bis 30.6.1996 nicht der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 2 ASVG unterlag."
Dieser Bescheid vom 24. Februar 2003 ist nach dem übereinstimmenden Parteienvorbringen in Rechtskraft erwachsen.
Gegenstand des Spruchpunktes II des erstinstanzlichen Bescheides war jene Beitragsnachverrechnung, die sich aus der Feststellung der Versicherungspflicht in Spruchpunkt I des erstinstanzlichen Bescheides ergeben hatte. Mit der Abänderung dieses Spruchpunktes hatte aber die belangte Behörde die Verpflichtung, auf Grund des Einspruches der mitbeteiligten Partei auch im Verfahren betreffend die Beitragsverpflichtung "in der Sache" zu entscheiden, d.h. den erstinstanzlichen Bescheid im Spruchpunkt II abzuändern und die mitbeteiligte Partei zur Zahlung jener Sozialversicherungsbeiträge zu verpflichten, die diese nur mehr auf Grund der geänderten Feststellung über die Versicherungspflicht schuldete.
Diese Verpflichtung, in der Sache zu entscheiden, hat die belangte Behörde dadurch verletzt, dass sie stattdessen den erstinstanzlichen Bescheid im Spruchpunkt II gemäß § 66 Abs. 4 AVG (somit ersatzlos) aufgehoben und damit der beschwerdeführenden Partei (auf Grund der Bindungswirkung eines gemäß § 66 Abs. 4 AVG behebenden Bescheides, vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, § 66 AVG, E 328 wiedergegebene Rechtsprechung) überhaupt die Möglichkeit genommen hat, für den festgestellten Zeitraum der Versicherungspflicht des erwähnten Dienstnehmers vom 1. Juli 1996 bis 8. September 1996 Pflichtbeiträge nach dem ASVG vorzuschreiben.
Diese Erwägungen gelten im Wesentlichen auch für den zur Zl. 2003/08/0137 angefochtenen Bescheid mit der Maßgabe, dass die belangte Behörde festzustellen hat, ob in Ansehung der Beitragspflicht der mitbeteiligten Partei für den Zeitraum der Pflichtversicherung vom 1. Juli 1996 bis 8. September 1996 die Voraussetzungen für die Vorschreibung eines Beitragszuschlages vorliegen; bejahendenfalls wäre der Beitragszuschlag in Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides neu zu bemessen. Die belangte Behörde durfte sich nicht auf die Feststellung beschränken, dass die Versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 2 ASVG für den gesamten strittigen Zeitraum verneint worden ist, und damit der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse durch die Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 66 Abs. 4 AVG das Recht nehmen, gegebenenfalls einen Beitragszuschlag vorzuschreiben.
Da die belangte Behörde somit die Rechtslage verkannt hat, waren die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 7. September 2005
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung Kassation Rechtskraft Besondere Rechtsprobleme Berufungsverfahren Verhältnis zu anderen Materien und Normen DiversesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2003080136.X00Im RIS seit
18.10.2005