TE OGH 1987/6/3 9Os180/86

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.06.1987
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.Juni 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kleindienst-Passweg als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Charlotte O*** wegen des Verbrechens der falschen

Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 23.Juli 1986, GZ 26 Vr 3104/84-63, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufung wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die 50-jährige Charlotte O*** (im zweiten Rechtsgang) des Verbrechens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 2 StGB (1) und des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 1 StGB (2) schuldig erkannt.

Darnach hat sie vor Gericht bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt, und zwar

1. am 2.September 1983 in Kitzbühel unter Eid durch die Aussage, sie wisse nicht mehr, von wem sie erfahren habe, jedenfalls von irgendjemanden, daß Dr. G*** vorhabe, ein Haus zu bauen; es sei absolut auszuschließen, daß der "Unbekannte", der ihr die Adresse der gegenständlichen Wohnung bekanntgab, Dr. S*** gewesen sei;

2. am 28.April 1981 in Waidhofen/Ybbs als Zeugin durch die Aussage, die Adresse der Wohnung habe sie von Dr. G*** und H*** erfahren, und durch Verschweigen des Umstandes, daß der Informant Dr. S*** gewesen war.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft die Angeklagte mit einer allein auf die Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die jedoch teils offenbar unbegründet, teils nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt ist.

Soweit die Beschwerdeführerin zunächst einleitend vorbringt, daß sie im ersten Rechtsgang im Zweifel freigesprochen und das betreffende Urteil nur wegen eines vom öffentlichen Ankläger gerügten Verfahrensmangels aufgehoben wurde, wobei sich im zweiten Rechtsgang die Beweislage in keiner Weise zu ihrem Nachteil verändert habe, weshalb es "unerfindlich" und "nicht erklärlich" sei, wieso jetzt ein Gericht dennoch einen sicheren Schuldnachweis als erbracht ansehen habe können, so genügt es, sie darauf hinzuweisen, daß es im erneuerten Verfahren dem Erkenntnisgericht unbenommen bleibt, zu einer anderen Beweiswürdigung und zu anderen Tatsachenfeststellungen als im ersten Urteil zu gelangen, mag auch die Aufhebung dieses Urteils aus anderen Gründen erfolgt sein (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr. 4 zu § 293). Haben doch die jeweils erkennenden Tatrichter die Beweise stets eigenständig und ausschließlich nach ihrer eigenen, auf Grund der Verfahrensergebnisse gewonnenen Überzeugung zu würdigen (§ 258 StPO), ohne in irgendeiner Weise an deren Würdigung in einem vorangegangenen Urteil gebunden zu sein oder sich auch nur damit auseinandersetzen zu müssen. Von einer insoweit dem angefochtenen Urteil anhaftenden Nichtigkeit kann somit keine Rede sein. Ebenso versagt die Bezugnahme der Beschwerdeführerin auf die Unschuldsvermutung des Art. 6 (Abs. 2) MRK, stellt diese Bestimmung doch keine Beweisregeln auf (vgl. Mayerhofer-Rieder Nebengesetze2 ENr. 18 zu Art. 6 MRK), sondern gebietet (bloß), die innerstaatlichen Regelungen, wodurch der Schuldnachweis erbracht wird, zu beachten (Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 3 a zu Art. 6 MRK). Den weiteren Beschwerdeausführungen, die sich - eine offenbar unzureichende, unvollständige und zum Teil in sich widersprüchliche Begründung reklamierend - im wesentlichen dagegen wenden, daß das Erstgericht dem Zeugen Dr. S*** Glauben geschenkt und dessen Bekundungen daher seinen Konstatierungen zugrundegelegt hat, ist generell zu erwidern, daß zum einen das Gericht das Urteil in gedrängter Darstellung zu begründen hat (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) und nicht verpflichtet ist, sich mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen einer Nichtigkeitsbeschwerde sodann konkret erhobenen Einwand im voraus auseinanderzusetzen (Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr. 105, 134, 136 zu § 270); zum anderen kann der Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO nicht auf die Behauptung gestützt werden, daß aus einzelnen Verfahrensergebnissen auch andere, für die Angeklagte günstigere Schlußfolgerungen möglich gewesen wären, das Gericht sich aber für die ungünstigeren entschieden hat (Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 145, 147 zu § 281 Z 5), wobei im übrigen nicht nur zwingende, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse das Gericht zu Tatsachenfeststellungen berechtigen (Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 148, 149 zu § 281 Z 5). Der von der Beschwerde zur Stützung der (leugnenden) Verantwortung der Angeklagten ins Treffen geführte Schlußbrief vom 24.April 1979 zwingt keineswegs zur Annahme, es sei damals der Nichtausbau der Wohnung 3 mit Sicherheit noch nicht beabsichtigt gewesen; der Wortlaut der bezüglichen Passage in diesem Schlußbrief (ON 31/Blg. 6 Punkt 21) läßt vielmehr durchaus die (ersichtlich dem Urteil zugrundeliegende) Deutung zu, daß damit lediglich die Möglichkeit eines Nichtausbaues offengehalten werden sollte, zumal ja immerhin denkbar war, daß trotz der zu diesem Zeitpunkt bereits stattgehabten Vermittlung der Wohnung an die Angeklagte, wie sie das Erstgericht konstatiert (S 358), ein Vertragsabschluß (der ja erst am 6.August 1979 erfolgte) doch nicht zustandekommen könnte. Der Schlußbrief steht daher der bekämpften Urteilsannahme (S 358) keineswegs denknotwendig entgegen. Das gilt gleichermaßen auch für das weitere Beschwerdeargument, wonach aus der Tatsache, daß die Eheleute Dr. G*** (zunächst) als alleinige Eigentümer des Grundstücks eingetragen wurden, zu schließen wäre, im April 1979 sei noch kein Verkauf eines Wohnungseigentumsanteils an die Angeklagte beabsichtigt gewesen; wurde doch der schriftliche Vertrag mit der Angeklagten erst - wie gesagt - anfangs August 1979 abgeschlossen (S 358 iVm ON 31/Blg. 2). Mit den bezüglichen Einwänden hat sich im übrigen das Gericht ohnedies hinreichend befaßt (S 368), wobei es des weiteren auch auf die Abweichungen in dem von Dr. S*** veranlaßten Inserat vom 20.Jänner 1979 im "Kitzbüheler Anzeige" eingegangen ist, diesen jedoch beweiswürdigend nicht jene Bedeutung beigemessen hat wie dies die Beschwerdeführerin darzutun sucht (S 368). Die bezügliche Argumentation der Tatrichter ist jedenfalls nicht denkgesetzwidrig, zumal wenn berücksichtigt wird, daß der Bauplan mit der genauen Beschreibung des Bauvorhabens erst vom 12. Feber 1979 datiert. Von willkürlichen oder unlogischen Urteilsannahmen kann somit im gegebenen Zusammenhang keine Rede sein. Entgegen dem Beschwerdevorbringen bedurfte es keiner gesonderten Erörterung der Aussagen des Zeugen Dr. F***, zumal dieser bei seiner im Rechtshilfeweg erfolgten Vernehmung (ON 58, verlesen in der Hauptverhandlung S 346) bekundet hat, er könne sich zwar nicht mehr daran erinnern, daß ihm Dr. S*** auch einen Bauplatz bzw. ein "unfertiges Objekt" gezeigt habe, könne dies aber auch nicht ausschließen (S 330), welchen Teil der Aussage die Beschwerde übergeht. Ausgehend von den eingangs dargelegten Grundsätzen bedeutet es keinen Verstoß gegen die Begründungspflicht, daß sich das Urteil nicht gesondert mit den Angaben des Zeugen Dr. S*** betreffend eine Anfrage des Dipl.Ing. S*** sowie mit seinem Vorbringen im Zivilverfahren, die Angeklagte habe um Stundung der Provisionsforderung ersucht, auseinandersetzte (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO).

Was schließlich die Aktennotiz Dris. S*** betrifft, auf welche sich das Gericht als (weiteres) Indiz für die Glaubwürdigkeit des genannten Zeugen stützt (S 363, 369, jeweils iVm 357), so übersieht die Beschwerde bei ihrem Einwand, es sei unbekannt, auf welche Weise dieses Aktenstück überhaupt Verfahrensgegenstand wurde, daß die betreffende Notiz vom Zeugen Dr. S*** im Verfahren 25 Vr 3103/84-Hv 258/84 des Landesgerichtes Innsbruck gegen Dagmar G*** wegen § 288 Abs. 1 und Abs. 2 StGB in der Hauptverhandlung vom 15. November 1984 vorgelegt worden war (S 122 iVm S 133 und 144 im bezeichneten Akt), wobei der in Rede stehende Akt in der Hauptverhandlung vom 23.Juli 1986 verlesen worden ist (S 346), womit dessen Inhalt (und damit auch die in Rede stehende Notiz) zum Gegenstand des Verfahrens gegen die Beschwerdeführerin wurde. Es wäre dieser (bzw. ihrem Verteidiger) freigestanden, hiezu gegebenenfalls sachdienliche Anträge zu stellen, was indes nicht geschehen ist, weil nach der Verlesung weder Anträge gestellt noch weitere Feststellungen begehrt wurden (s. abermals S 346). Soweit sich die Beschwerde aber dagegen wendet, daß das Erstgericht diese Notiz als beweiskräftig beurteilte, und im übrigen reklamiert, die Tatsache eines Vermittlungsauftrages Dris. G*** an Dr. S*** schließe es keineswegs aus, daß die Angeklagte auf andere Weise (als durch Dr. S***) von der Wohnung erfahren habe, bekämpft sie lediglich die Beweiswürdigung der Tatrichter, ohne einen formalen Begründungsmangel aufzeigen zu können. Das gilt gleichermaßen auch für die bekämpfte Würdigung der Aussagen der Zeugen H*** (der jedenfalls dezidiert bekundet hat, keinen Vermittlungsauftrag in Ansehung der Wohnung gehabt und diese - entgegen der inkriminierten Aussage der Angeklagten vom 28.April 1981 - nicht an die Beschwerdeführerin vermittelt zu haben; vgl. S 343 iVm S 158 ff sowie 365) und Dr. G*** (der schließlich selbst einräumte, er halte es nunmehr für möglich, daß Dr. S*** vermittelt hat; vgl. S 311 sowie 369).

Daß der Zeuge Dr. S*** vor vielen Jahren strafgerichtlich verurteilt worden war (vgl. hiezu S 317), hat das Erstgericht sehr wohl in den Kreis seiner Erwägungen einbezogen (S 369), dem Zeugen aber dennoch auf Grund des von ihm gewonnenen Eindrucks in Verbindung mit der Gesamtheit der aufgenommenen Beweise (§ 258 Abs. 2 StPO) Glauben geschenkt.

Mithin gehen sämtliche Beschwerdeeinwände fehl, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde teils gemäß § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO, teils gemäß § 285 d Abs. 1 Z 1 (§ 285 a Z 2) StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen war. Zur Entscheidung über die Berufung der Angeklagten wird ein Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung anberaumt werden (§ 296 Abs. 3 StPO).

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E11225

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0090OS00180.86.0603.000

Dokumentnummer

JJT_19870603_OGH0002_0090OS00180_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten