Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ernst W***, Bregenz, Amtsplatz 2, vertreten durch Dr. Wilhelm Winkler, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die beklagte Partei Charlotte U***, Pensionistin, Bregenz, Amtsplatz 2, vertreten durch Dr. Gottfried Waibel, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen S 82.992,-- s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes vom 18. November 1986, GZ 1 a R 397/86-33, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Bregenz vom 5. August 1986, GZ 2 C 892/85-25, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.243,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 385,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte ist Eigentümerin des Hauses Amtsplatz Nr. 2 (des ehemaligen Gasthauses "Amtstor") in Bregenz. Der Kläger hat am 15. Jänner 1981 ein im zweiten Stock dieses Hauses gelegenes Zimmer samt Küche im Gesamtausmaß von 26 m2 gegen einen monatlichen Hauptmietzins von S 1.730,-- gemietet. Er begehrt die Rückzahlung eines Zinsbetrages von S 82.992,-- s.A. für die Zeit vom 15. Jänner 1981 bis 14. Mai 1985. Nach seinem Standpunkt ist die Mietzinsvereinbarung insoweit unwirksam, als der vereinbarte monatliche Hauptmietzins den Betrag von S 4,-- je Quadratmeter der Nutzfläche übersteigt.
Die Beklagte behauptet, daß der Mietgegenstand in einem Gasthaus gelegen und vor dem 31. Juli 1925 nie in Bestand gegeben worden sei. Der Kläger habe in Kenntnis den erhöhten Mietzins bezahlt und könne höchstens den Differenzbetrag für 3 Monate zurückfordern. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Nach seinen Feststellungen war ursprünglich Kreszenzia S*** Eigentümerin des Gasthauses "Amtstor". Diese hatte das Gasthaus zuletzt verpachtet. Fremdenzimmer waren damals nicht vorhanden. Mit Kaufvertrag vom 27. November 1928 erwarben die Eltern der Beklagten das Objekt samt Konzession. Im Jahre 1929 begann der Vater der Beklagten mit Umbauarbeiten im zweiten Obergeschoß und mit der Errichtung von Fremdenzimmern. Erst ab diesem Zeitpunkt diente das Gasthaus auch der Fremdenbeherbergung. Nach dem Tode des Vaters der Beklagten im Jahre 1934 wurde das Gasthaus von der Mutter der Beklagten fortgeführt. Nach deren Ableben führte die Beklagte mit ihrem Ehemann das Gasthaus. Kurz vor dem Tode des Ehemannes der Beklagten, der im Jahre 1965 starb, war das Gasthaus in Bestand gegeben. Bis zum Jahre 1965 herrschte regelmäßiger Gasthausbetrieb. Bis zu diesem Zeitpunkt waren in den Fremdenzimmern regelmäßig auch Feriengäste untergebracht, mit Ausnahme von 4 Räumen, die vom April 1962 bis September 1985 an die Familie W*** vermietet und die vom Gang abgetrennt worden waren. Von den im zweiten Stock vorhandenen zwei Klosettanlagen wurde eine ausschließlich von der Familie W*** benützt. Erst mit der Zurücklegung der Gewerbekonzession Mitte der Sechzigerjahre begann der Ehemann der Beklagten mit der Einrichtung von Wohnungen im zweiten Stock. Bis dahin waren regelmäßig Fremdengäste untergebracht. Erst ab Mitte der Sechzigerjahre wurden Räume an Dauermieter vermietet. Auch die vom Kläger gemieteten Räume wurden im Zuge der Umbauarbeiten im Jahre 1929 geschaffen. Sie sind nur einzeln vom Gang aus betretbar und stellen keine absperrbare Wohnungseinheit dar. Die zweite nur von innen versperrbare Klosettanlage im zweiten Stock dient dem Kläger. Der Kläger hat erstmals im Zuge einer Kündigung im Jahre 1985 davon erfahren, daß der von ihm entrichtete Mietzins nicht den gesetzlichen Bestimmungen entspräche.
Nach der Auffassung des Erstgerichtes sei die Mietzinsvereinbarung der Streitteile nur so weit wirksam, als der vereinbarte monatliche Hauptmietzins den Betrag von S 4,-- je Quadratmeter der Nutzfläche der Wohnung nicht übersteige, weil die Räume im Sinne des § 3 Z 10 des Stadterneuerungsgesetzes mangelhaft ausgestattet seien und für sie am 31. Dezember 1967 nach § 16 Abs. 3 des Mietengesetzes in der Fassung des Art. I Z 11 des BG BGBl. Nr. 241/1955 eine freie Vereinbarung über die Höhe des Hauptmietzinses unzulässig gewesen sei.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab und erklärte die Revision für zulässig. Das Berufungsgericht teilt die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß eine Wohnung, in der sich kein dem Mieter zur alleinigen Benützung zustehendes Klosett befinde, als Substandardwohnung im Sinne des § 3 Z 10 des Stadterneuerungsgesetzes anzusehen sei. Für die Räume sei jedoch eine freie Vereinbarung über die Höhe des Mietzinses zulässig gewesen, weil sie gemäß § 1 Abs. 2 Z 7 MG vom Anwendungsbereich des Mietengesetzes ausgenommen gewesen seien und das ZinsstopG auf sie keine Anwendung finde.
Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Unstrittig ist, daß die Wirksamkeit der Vereinbarung über die Höhe des Mietzinses und deren Rechtsfolgen nach dem bei Vertragsabschluß geltenden Recht zu beurteilen sind (vgl. MietSlg. 35.459, 35.311/19; Würth in Rummel, ABGB, Rdz 6 zu
§ 43 MRG). Der Kläger stützte seinen Anspruch auch auf
§ 16 Abs. 3 MG, wonach ab dem 1. August 1974 geschlossene
Vereinbarungen gemäß Abs. 1 Z 2 und 3 über Wohnungen, die im Sinne des § 3 Z 10 des Stadterneuerungsgesetzes mangelhaft ausgestattet sind und für die am 31. Dezember 1967 nach § 16 Abs. 3 des MG in der Fassung des Art. I Z 11 des BG BGBl. Nr. 241/1955 eine freie Vereinbarung über die Höhe des Hauptmietzinses unzulässig gewesen wäre, nur so weit wirksam sind, als der vereinbarte monatliche Hauptmietzins den Betrag von S 4,-- je Quadratmeter der Nutzfläche der Wohnung nicht übersteigt. Nach § 16 Abs. 3 MG idF der MGN 1955 galten die Vorschriften des Abs. 2 der damaligen Fassung des MG (Zulässigkeit freier Mietzinsvereinbarung bei Neuvermietung gemäß Z 1 und bei einer Dauer von mindestens einem halben Jahr gemäß Z 2) in den Bundesländern außerhalb Wiens nur für Wohnungen, die aus mehr als einem Wohnraum samt Küche bestehen. Diese Mietzinsbeschränkung gilt nach Art. II der MGN 1974 auch für die Neuvermietung der dem Zinsstopgesetz unterliegenden Substandardwohnungen. Daß die Wohnung des Klägers eine sogenannte Substandardwohnung im Sinne des § 3 Z 10 des StadterneuerungsG ist, kann nicht zweifelhaft sein, weil schon allein der Umstand, daß sich das Klosett außerhalb der Wohnung befindet, für eine solche Einstufung ausreicht (MietSlg. 31.332/28). Da die Wohnung des Klägers nicht aus mehr als einem Wohnraum samt Küche besteht, wäre auch für sie am 31. Dezember 1967 nach § 16 Abs. 3 des MG in der Fassung der MGN 1955 eine freie Vereinbarung über die Höhe des Hauptmietzinses unzulässig gewesen. Damit ist aber für den Kläger nichts gewonnen, weil die durch die MGN 1974 geschaffene Mietzinsbeschränkung für Substandardwohnungen nur für die hinsichtlich der Mietzinsbildung dem Mietengesetz oder dem Zinsstopgesetz unterliegende Wohnungen gilt, was jedoch auf die Wohnung des Klägers nicht zutrifft. Durch § 16 MG wurden Vereinbarungen über die Höhe des Mietzinses unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise zugelassen. Für die hinsichtlich der Mietzinsbildung nicht den Beschränkungen des Mietengesetzes unterliegenden Räume bedurfte es dieser Ausnahmebestimmung nicht. Für solche Räume kann daher auch die Mietzinsbeschränkung des § 16 Abs. 3 MG nicht herangezogen werden.
Der § 16 Abs. 3 MG umfaßt überdies seinem Wortlaut nach nur Vereinbarungen, die gemäß dem Abs. 1 Z 2 und 3 abgeschlossen werden, nicht auch solche nach Z 1 (Vermietung einer Wohnung, die am 1. Jänner 1968 nicht vermietet war, vor dem 30. Juni 1968). Wie schon das Berufungsgericht hervorgehoben hat, enthält die Z 1 überdies lediglich eine Übergangsregelung für Mietgegenstände, die am 1. Jänner 1968 nicht vermietet waren, wenn der neue Mietvertrag vor dem 30. Juni 1968 abgeschlossen wird. Sie erlaubt daher keinen Umkehrschluß dahin, daß solche Objekte nach dem 30. Juni 1968 nur zum gesetzlichen Mietzins vermietet werden können. Für solche Vermietungen ist vielmehr eine freie Mietzinsvereinbarung unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Z 7 MG zulässig, soferne nicht das Zinsstopgesetz Anwendung findet (Zingher, MG18 68). Beizupflichten ist dem Berufungsgericht darin, daß auf die vom Kläger gemieteten Räume die Ausnahmsbestimmungen des § 1 Abs. 2 Z 7 MG zutreffen. Der Einwand des Klägers, das Erstgericht habe durch die Parteienbehauptungen nicht gedeckte Feststellungen getroffen, ist schon deshalb unberechtigt, weil Beweisergebnisse, die in den Rahmen des geltend gemachten Klagegrundes oder der erhobenen Einrede fallen, jedenfalls zu berücksichtigen sind (SZ 21/123; JBl. 1964, 208; 2 Ob 62/81 ua; Fasching III 228, 280). Die Revision räumt aber selbst ein, daß die Beklagte in erster Instanz geltend machte, daß der Mietgegenstand nicht dem Mietengesetz unterliege, weil er vor dem 31. Juli 1925 nicht in Bestand gegeben gewesen sei. Richtig ist, daß es bei den Stichtagen nach § 1 Abs. 2 Z 7 MG nicht darauf ankommt, auf welche Dauer ein Mietvertrag abgeschlossen wurde, sondern nur darauf, ob am Stichtag vermietet war. Aus den Feststellungen der Vorinstanzen ergibt sich aber für den hier allein in Betracht kommenden ersten der drei in Z 7 aufgezählten Fälle zweifelsfrei, daß die vom Kläger gemieteten Räume am 31. Juli 1925 überhaupt nicht vermietet und auch nicht aufgrund der gesetzlichen Vorschriften über Wohnungsanforderungen zugewiesen waren. Richtig ist auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes über die Nichtanwendbarkeit des Zinsstopgesetzes. Das Zinsstopgesetz knüpft zwar unmittelbar an die preisrechtlichen Vorschriften an. Aus der Tatsache aber, daß das Zinsstopgesetz nicht etwa die Zinsbildung einer Preisregelung unterwirft, sondern nur das Erstarren des am 1. Juni 1954 zu zahlenden Mietzinses vorsieht, folgt, daß sich dieses Gesetz auf Räume, die bis zu diesem Zeitpunkt nie als Bestandräume Verwendung fanden, nicht erstreckt (MietSlg. 17.726, 16.192). Die im zweiten Stock gelegenen Räume wurden jedoch nach den Feststellungen der Vorinstanzen bis zum Jahre 1965 vorwiegend im Betrieb des Gewerbes der Fremdenbeherbergung an Feriengäste überlassen. Daß dies auf die Wohnung des Klägers nicht zutraf, hätte der Kläger beweisen müssen, weil hier die Vermutung, daß ein Bestandverhältnis den Bestimmungen des Mietengesetzes unterliegt, nicht mehr gilt, und die Behauptungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer freien Zinsvereinbarung denjenigen trifft, der daraus Ansprüche ableitet (MietSlg. 31.330). Aus der von der Revision zitierten Entscheidung MietSlg. 34.377 ist daher für den Standpunkt des Klägers nichts zu gewinnen. Räume, die im Betrieb eines Gasthofes an Feriengäste überlassen wurden, unterlagen auch nicht den preisrechtlichen Vorschriften (vgl. Zingher, MG17 218). Die gegenteilige, auf den bloßen Wortlaut der Anlage A II Z 1 a des Preisregelungsgesetzes 1950 idF vor d. PRG-Novelle 1954 gestützte Meinung des Klägers kann nicht geteilt werden, weil für die Beherbergung von Fremden die nur vorübergehende Überlassung von Wohnräumen in Verbindung mit bestimmten Dienstleistungen typisch ist und insoweit daher nicht bloß die Vermietung eines Bestandobjektes im Sinne des Preisregelungsgesetzes vorliegt. Anhaltspunkte dafür, daß es die Absicht des Gesetzgebers gewesen wäre, alle Substandardwohnungen den Mietzinsbeschränkungen des § 16 Abs. 3 MG zu unterwerfen, lassen sich aus den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen.
Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E11607European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0070OB00560.87.0604.000Dokumentnummer
JJT_19870604_OGH0002_0070OB00560_8700000_000