Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Michael K***, Schüler, 4320 Perg, Anzengruberstraße 5, vertreten durch den Vater und gesetzlichen Vertreter Josef K***, Baumeister, wohnhaft ebendort, dieser vertreten durch Dr. Wolfgang Dartmann, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagten Parteien 1.) Walpurga R***, Pensionistin, 4311 Schwertberg, Aisting 20, 2.) Alois R***, Pensionist, wohnhaft ebendort, und 3.) I*** U***- und S*** AG, 1010 Wien, Tegetthoffstraße 7-9, alle vertreten durch Dr. Alfred Windhager, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 313.835,60 s.A. und Feststellung (Streitwert S 61.000), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 10. März 1987, GZ. 12 R 14, 15/87-9, womit der Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 20. Jänner 1987, GZ. 6 Cg 333/86-5, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Der Kläger begehrte gegenüber den Beklagten die Feststellung, daß diese ihm gegenüber zur Gänze für sämtliche Schäden und Folgen aus dem Unfallsereignis vom 6. Juni 1986 in Perg haft- und ersatzpflichtig sind.
Die Beklagten anerkannten in ihrer Klagebeantwortung das Alleinverschulden des Erstbeklagten am gegenständlichen Unfall, sie bestritten hingegen das Feststellungsbegehren, weil nicht sicher sei, ob Spät- und Dauerfolgen vorlägen.
Im vorbereitenden Schriftsatz des Klägers vom 18. November 1986 dehnte dieser das Klagebegehren unter Aufrechterhaltung des Feststellungsbegehrens um ein Leistungsbegehren in Höhe von S 313.835,60 s.A. aus. Es wurden Schadenersatzansprüche aus dem gegenständlichen Unfall geltend gemacht. Der Schriftsatz wurde in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 20. Jänner 1987 vorgetragen, die Beklagten sprachen sich gegen die Klagsänderung aus, weil in der Klage nur ein Feststellungsbegehren gestellt worden sei. Nach Vorlage und Erörterung von Urkunden anerkannten die Beklagten in dieser Tagsatzung das Feststellungsbegehren. Der Kläger beantragte daraufhin die Fällung eines Teilanerkenntnisurteiles und stellte das Begehren auf Zuerkennung einer Entschädigungszahlung nach § 408 ZPO wegen mutwilliger Prozeßführung der Beklagten. Das Erstgericht ließ die Klagsänderung nicht zu (Punkt 1 a), wies den Antrag auf Zuerkennung eines Entschädigungsbetrages nach § 408 ZPO ab (Punkt 1 b), den Antrag auf Fällung eines Teilanerkenntnisurteiles zurück (Punkt 1 c) und erließ antragsgemäß das Anerkenntnisurteil hinsichtlich des Feststellungsbegehrens. Das Erstgericht beurteilte die Klagsausdehnung als Klagsänderung, die aber gemäß § 235 Abs. 3 ZPO nur dann zuzulassen sei, wenn aus ihr eine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung nicht zu besorgen sei. Da der Beklagtenvertreter nach Verlesung der Krankengeschichte das Feststellungsbegehren anerkannte, bedürfe es keiner weiteren Erörterung darüber, daß die Zulassung der Klagsänderung sehr wohl eine erhebliche Erschwerung und Verzögerung des Prozesses mit sich gebracht hätte, zumal zum Leistungsbegehren erst sämtliche Beweise hätten durchgeführt werden müssen. Eine Klagsänderung sei aber dann nicht zuzulassen, wenn das Verfahren spruchreif sei und bei Zulassung der Klagsänderung weitere Beweise aufgenommen werden müßten. Im gegenständlichen Fall sei durch das Anerkenntnis des Feststellungsbegehrens die Sache spruchreif, sodaß die Klagsänderung nicht zugelassen werden konnte.
Aus diesem Grunde sei auch der Antrag auf Fällung eines Teilanerkenntnisurteiles nicht gerechtfertigt.
Infolge Rekurses des Klägers änderte das Gericht zweiter Instanz den Punkt 1 a des erstgerichtlichen Beschlusses dahin ab, daß die Klagsänderung durch Ausdehnung um ein Leistungsbegehren von S 313.835,60 s.A. zugelassen wurde; Punkt 1 c des Beschlusses des Erstgerichtes wurde aufgehoben; das stattgebende Feststellungsurteil (Punkt 2. der Entscheidung des Erstgerichtes) wurde als Teilanerkenntnisurteil aufrechterhalten. Das Berufungsgericht führte aus, im vorliegenden Fall handle es sich um eine Erweiterung des Klagebegehrens, also um eine Klagsänderung im Sinne des § 235 Abs. 1 ZPO. Da die Beklagten zu dieser Klagsänderung ihre Einwilligung verweigerten, sei gemäß § 235 Abs. 3 ZPO zu prüfen, ob die Klagsänderung nicht ungeachtet der Einwendungen des Gegners zuzulassen sei. Dies sei dann möglich, wenn durch die Änderung die Zuständigkeit des Prozeßgerichtes nicht überschritten werde und aus ihr eine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung nicht zu besorgen sei. Lehre und Rechtsprechung legten diese Bestimmung dahin aus, daß es im Sinne der Zivilprozeßordnung liege, eine Klagsänderung, soweit tunlich, zuzulassen, wenn sie den Parteien und den Gerichten einen zweiten Prozeß erspare und wenn durch die Klagsänderung die zwischen den Parteien streitigen Rechtsbeziehungen endgültig entschieden werden könnten. Maßgeblich sei also ausschließlich, ob die Klagsänderung ein geeignetes Mittel sei, den konkreten Streit um das Recht zu beenden.
Im gegenständlichen Fall sei die Klagsausdehnung auf ein Leistungsbegehren bereits am Beginn der ersten mündlichen Streitverhandlung, noch vor Erörterung des Sachverhaltes und Fassung eines Beweisbeschlusses erfolgt. Ein überflüssiger Prozeßaufwand sei nicht entfaltet worden. Der Umstand, daß das ursprünglich gestellte Feststellungsbegehren infolge Anerkenntnisses der Beklagten spruchreif wurde, biete keinen Anlaß, die Klagsänderung nicht zuzulassen. Im Falle der Nichtzulassung der Klagsänderung wäre der Kläger gezwungen, einen neuen Prozeß einzuleiten, was aber bei der gegebenen Sachlage nicht einer ökonomischen Prozeßführung entsprechen würde. Es sei daher die Zurückweisung des Antrages auf Fällung eines Teilanerkenntnisurteiles durch das Erstgericht ersatzlos aufzuheben und weiters das gefällte Anerkenntnisurteil als Teilanerkenntnisurteil aufrecht zu erhalten gewesen. Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Nichtzulassung der Klagsänderung und Aufhebung der Verweisung des Kostenrekurses des Klägers auf die Rekursentscheidung.
Das Rechtsmittel ist zwar zulässig (§ 528 Abs. 2 ZPO), aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Kläger führt in seinem Rechtsmittel aus, durch die Zulassung der Klagsänderung würde infolge Notwendigkeit weiterer Beweisaufnahmen eine erhebliche Erschwerung und Verzögerung des Verfahrens eintreten, zumal hinsichtlich des Feststellungsbegehrens durch das Anerkenntnis Spruchreife gegeben gewesen sei. Die Entscheidung des Rekursgerichtes stehe daher mit der Bestimmung des § 235 Abs. 3 ZPO in Widerspruch.
Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Wie das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, kann das Gericht gemäß § 235 Abs. 3 ZPO eine Klagsänderung auch nach Eintritt der Streitanhängigkeit und ohne Einwilligung des Gegners zulassen, wenn aus der Änderung eine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung nicht zu besorgen ist. Lehre und Rechtsprechung legen diese Bestimmung dahin aus, daß es im Sinne der Zivilprozeßordnung liege, eine Klagsänderung, soweit tunlich, zuzulassen, wenn sie den Parteien und den Gerichten einen zweiten Prozeß erspart (MietSlg. 17.774;
MietSlg. 30.729; JBl. 1973, 43; SZ 27/167;
SZ 43/35; 8 Ob 659/86 ua.). Sogar Aussichtslosigkeit des ersten Begehrens, und die Notwendigkeit einer Erstreckung der Tagsatzung sind keineswegs schon ausreichende Gründe, die Klagsänderung nicht zuzulassen, wenn diese am Beginn des Verfahrens noch vor Fassung eines Beweisbeschlusses vorgenommen wurde (SZ 43/35; JBl. 1973, 43 ua.). In derartigen Fällen besteht kein Anlaß, die Klagsänderung nicht zuzulassen, die überflüssige Entscheidung über das erste Klagebegehren zu fällen und die Kläger zu zwingen, einen neuen Prozeß zu beginnen (SZ 43/35; JBl. 1973, 43; Arb. 10.192 ua.). Werden diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewendet und berücksichtigt, daß die Klagsausdehnung um ein Leistungsbegehren, nachdem der Kläger aufgrund desselben Schadensereignisses zunächst nur ein Feststellungsbegehren erhoben hatte, bereits am Beginn der ersten mündlichen Streitverhandlung, noch vor Erörterung des Sachverhaltes und Fassung eines Beweisbeschlusses erfolgte und der Kläger im Falle der Nichtzulassung der Klagsänderung gezwungen wäre, nach der Stattgebung des Feststellungsbegehrens einen weiteren Prozeß über die Leistungsansprüche aus demselben Unfallsereignis anzustrengen, kann in der Auffassung des Rekursgerichtes, daß die Voraussetzungen für die Zulassung einer Klagsänderung nach § 235 Abs. 3 ZPO gegeben sind, keine Fehlbeurteilung erblickt werden. Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO.
Anmerkung
E11488European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0080OB00034.87.0604.000Dokumentnummer
JJT_19870604_OGH0002_0080OB00034_8700000_000