TE OGH 1987/6/10 1Ob568/87

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Veröffentlicht am 10.06.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*** M***, reg.Gen.mbH, Oberpullendorf, Hauptplatz 1,

vertreten durch Dr. Ernst Stühlinger, Rechtsanwalt in Oberpullendorf, wider die beklagten Parteien 1.) Johann E***, Tischlermeister, 2.) Maria E***, Geschäftsfrau, 3.) Josef D***, Tischlermeister, 4.) Friederike D***,

Hausfrau, sämtliche Raiding, Kirchengasse 6, sämtliche vertreten durch Dr. Harald Szabo, Rechtsanwalt in Wien, wegen restlicher 405.526,04 S samt Anhang infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 15. Dezember 1986, GZ 4 R 220/86-23, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 19. August 1986, GZ 3 b Cg 576/85-19, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 16.325,10 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.484,10 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Kreditvertrag vom 31. März 1980, dem die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen zugrundelagen, gewährte die klagende Partei dem Erstbeklagten einen Einmalbarkredit in der Höhe von 2,5 Mill. S. Die Zweit- bis Viertbeklagten haften für diesen Kredit als Bürgen. Die Laufzeit des Kredites beträgt zehn Jahre, der Kredit ist beginnend mit 30. Juni 1981 in 20 Halbjahresraten a 125.000 S abzustatten. Punkt 3 des Vertrages hat folgenden Wortlaut: " Konditionen: Wir stellen Ihnen bis auf Widerruf in Rechnung: 10 % p.a. Zinsen kontokorrentmäßige Verrechnung, 2 % p.a. Verzugszinsen + vierteljährliche Abschlußspesen. Die Verrechnung der Zinsen, Provisionen und Abschlußposten erfolgt vierteljährlich jeweils am 31. März, 30. Juni, 30. September und 31. Dezember eines jeden Jahres ....". Punkt 10 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen lautet: "Reklamationen gegen Auszüge über Verrechnungsperioden und gegen Rechnungsabschlüsse und die darin festgestellten Salden sowie gegen Wertpapieraufstellungen müssen der Kreditunternehmung schriftlich zugehen. Sie müssen binnen vier Wochen nach Zugang des betreffenden Schriftstückes (Punkt 14) an die Kreditunternehmung abgesandt werden. Reklamationen gegen sonstige Abrechnungen und Anzeigen müssen unverzüglich erhoben werden. Durch Unterlassung rechtzeitiger Reklamation erklärt der Kunde seine Zustimmung ...". Die klagende Partei verrechnete dem Erstbeklagten von allem Anfang an höhere als die im Punkt 3 des Kreditvertrages festgelegten Zinssätze. Eine Feststellung, daß sie den Erstbeklagten von Änderungen der Zinssätze verständigt hatte, konnte nicht getroffen werden. Die Entwicklung der Zinssätze wurde aber durch Anschläge in der Bank den Kunden zur Kenntnis gebracht; die höheren Zinsen fanden ihren Niederschlag in den dem Erstbeklagten übermittelten Kontoauszügen, in denen aber die Höhe des Zinssatzes selbst nicht angegeben war. Der Erstbeklagte erhob niemals Einwendungen gegen die ihm von der klagenden Partei regelmäßig übersendeten Kontoauszüge. Unter Zugrundelegung der von der klagenden Partei in Rechnung gestellten Zinssätze besteht per 6. März 1986 ein Rückstand von 765.690,36 S. Ginge man von den im Punkt 3 des Vertrages vereinbarten Zinssätzen aus, ergäbe sich per 31. März 1986 eine Zinsdifferenz von 405.526,04 S zugunsten des Erstbeklagten.

Die klagende Partei begehrt zuletzt den Zuspruch des Betrages von 765.690,36 S samt Anhang als offenen Zahlungsrückstand aus dem Kreditvertrag per 31. März 1986. Zu einer Änderung der Zinssätze sei die klagende Partei aufgrund des Punktes 10 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und des Punktes 3 des Kreditvertrages berechtigt gewesen. Diese Änderungen seien im angemessenen Rahmen vorgenommen worden und hätten ihre Basis in der allgemeinen Entwicklung des Kreditmarktes gehabt.

Die Beklagten bestritten die Höhe der im Rückstand enthaltenen Zinsen. Die im Kreditvertrag festgelegten Zinssätze seien dem Erstbeklagten gegenüber nie widerrufen worden. Durch die unrichtige Berechnung der Zinsen und deren Aufnahme in die Rechnungsabschlüsse sei der Erstbeklagte in Irrtum geführt worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Eine Änderung der ursprünglich vereinbarten Zinsen habe nicht nur durch schriftliche Bekanntgabe, sondern auch durch Übersendung von Kontoauszügen und durch die Verlautbarung der Höhe der Zinssätze im Kreditinstitut selbst erfolgen können. Es wäre dem Erstbeklagten freigestanden, bei allfälligen Unklarheiten eine Detaillierung der einzelnen Posten von der klagenden Partei zu verlangen. Da der Erstbeklagte keine Reklamationen gegen die ihm schriftlich zugegangenen Auszüge erhoben habe, habe er im Sinne des Punktes 10 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen seine Zustimmung erklärt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es das Begehren auf Bezahlung des Betrages von 405.526,04 S samt Anhang abwies. Ein Vorbehalt der Konditionenänderung in einem Kreditvertrag sei zulässig. Die klagende Partei sei daher berechtigt gewesen, den zu verrechnenden Zinssatz den jeweils für solche Kredite in Österreich verlangten üblichen Zinssätzen anzupassen. Sie hätte aber von einer solchen Änderung den Erstbeklagten verständigen müssen. Dies habe sie unterlassen. Sie habe dem Erstbeklagten von Anfang an höhere als die vereinbarten Kredit- und Verzugszinsen verrechnet. Anschläge über die Zinshöhe von Krediten in den Geschäftsräumen der klagenden Partei könnten die vertraglich vorgesehene individuelle Verständigung nicht ersetzen. Der Erstbeklagte habe aus solchen Anschlägen über generelle Zinssatzänderungen nicht erkennen können, ob die klagende Partei auch ihm gegenüber eine entsprechende Konditionenänderung vornehmen wolle. Der Bestimmung des Punktes 10 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen komme insofern Bedeutung zu, als durch die Übersendung und die unbeanstandete Annahme der Rechnungsabschlüsse schlüssig ein Feststellungsvertrag mit der Wirkung eines konstitutiven Anerkenntnisses zustande gekommen sei. Der Erstbeklagte habe aber darauf vertrauen können, daß ihm die klagende Partei, solange sie ihm gegenüber die Zinskonditionen nicht widerrufen habe, die vereinbarten Zinssätze verrechne. Der Erstbeklagte sei durch die Unterlassung einer Verständigung von der Änderung der Zinssätze getäuscht worden, weil die klagende Partei zu einer solchen Verständigung und Aufklärung des Erstbeklagten vertraglich verpflichtet gewesen wäre. Soweit daher in ihren dem Erstbeklagten zugemittelten vierteljährlichen Rechnungsabschlüssen jeweils nur Lastschriften über Zinsenglobalbeträge aufschienen, die aber tatsächlich auf der Basis von höheren als den vereinbarten Zinssätzen berechnet worden seien, liege eine bewußte Irreführung des Erstbeklagten vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt. Nach herrschender Auffassung schafft die Vereinbarung der Preisfestsetzung durch einen der Vertragspartner zwischen den Parteien grundsätzlich verbindliches Recht, sofern der Gestaltungsberechtigte nicht die ihm schon durch den Vertrag selbst gesetzten Grenzen (etwa gemeinsam festgelegte Abrechnungsrichtlinien) überschreitet oder das Ergebnis offenbar unbillig ist (JBl 1980, 151 mwN). Insbesondere kann sich der Darlehensgeber vorbehalten, bei einer Änderung der Geldmarktverhältnisse einen geänderten Zinssatz festzusetzen und diesen damit gemäß der allgemeinen Geldmarktsituation den jeweils für gleichartige Darlehen verlangten üblichen Zinssätzen anzupassen (SZ 58/76; SZ 56/32; SZ 55/44). Auch diese Anpassungen unterliegen der Inhaltskontrolle durch die Gerichte dahin, ob der Gestaltungsberechtigte die ihm schon durch den Vertrag selbst gesetzten Grenzen überschritten hat oder das Ergebnis offenbar unbillig ist (SZ 55/44).

Der Vertrag zwischen den Streitteilen enthält keine solche Zinsenanpassungsklausel, sondern nur die Bestimmung, daß die im Vertrag genannten Zinsen (nur) bis auf Widerruf in Rechnung gestellt werden. Dies kann gewiß ebenfalls dahin verstanden werden, daß die klagende Partei berechtigt war, den vereinbarten Zinssatz zu widerrufen und dann auch höhere Zinsen zu verlangen, soweit dies dem Üblichen, insbesondere einer höheren Bankrate (Schinnerer-Avancini, Bankverträge3 II 30), entspricht, auch wenn eine entsprechende Regelung im Kreditvertrag nicht enthalten ist (Canaris in GroßkommHGB3 III/3 2. Bearb. Rz 1328). Schon allgemein scheint es aber üblich zu sein, daß Zinsenänderungen gesondert bekanntgegeben werden (vgl. SZ 55/44). Ist aber sogar vertraglich festgelegt, daß der im Vertrag vorgesehene Zinssatz, wenn er geändert werden soll, widerrufen werden muß, ist es jedenfalls bereits vertraglich vereinbarte Pflicht der Bank, einen solchen Widerruf auch auszusprechen und selbstverständlich auch gleichzeitig bekanntzugeben, welcher neue Zinssatz aus welchen Gründen nunmehr in Rechnung gestellt werden muß; darin wird auch die Verpflichtung enthalten sein müssen, den Zinssatz wieder zu senken, wenn dies die Verhältnisse erlauben (vgl. Canaris aaO). Auf keinen Fall entspricht es hingegen dem Vertrag, einen solchen Widerruf zu unterlassen und nur die in laufenden Abrechnungen die erhöhten Zinssätze ohne jeden Hinweis auf die eingetretenen Veränderungen der Berechnungsgrundlage hineinzunehmen. Damit hat sich die klagende Partei nicht ihren vertraglich übernommenen Pflichten gemäß verhalten. Mangels Widerrufs richtete sich demnach die Höhe der Zinsen weiterhin nach der im Kreditvertrag getroffenen Vereinbarung (Schinnerer-Avancini aaO 143).

Die klagende Partei berief sich in erster Instanz nicht darauf und erstattete auch kein Vorbringen tatsächlicher Art, daß die Beklagten deshalb für den vollen Klagsbetrag zu haften hätten, weil der Erstbeklagte durch Unterlassung rechtzeitiger Reklamation den Abschlußsalden seine Zustimmung erteilt habe. Sie beriefen sich auf die Bestimmung des Punktes 10 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur um darzutun, daß sie ein Recht auf Abänderung der vertraglich vereinbarten Zinssätze hätten. Eine Prüfung der Frage, ob aufgrund der in der Bestimmung des Punktes 10 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelegenen Zustimmungsfiktion (QuHGZ 1980/3, 761) der Abschluß eines Feststellungsvertrages (HS 10.749; EvBl 1979/45) auch dann noch zu erblicken wäre, wenn die Bank aufgrund besonders großer Abweichungen bei Ermittlung des Saldos zum Vertrag mit einer Genehmigung des Kunden von vornherein nicht rechnen konnte oder durfte (so Canaris aaO Rz 2638), erübrigt sich daher.

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E11082

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00568.87.0610.000

Dokumentnummer

JJT_19870610_OGH0002_0010OB00568_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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