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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
BörseG 1989 §48c idF 2001/I/097;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, in der Beschwerdesache der X. Bank AG in Y. (Bundesrepublik Deutschland), vertreten durch Brandl & Talos, Rechtsanwälte GmbH in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 116, gegen den Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 16. März 2004, Zl. MP00966/2000.0499/191-193, betreffend Zinsen gemäß § 48c Abs. 1 Z 2 Börsegesetz, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit ihrem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung der beschwerdeführenden Partei vom 1. August 2003 gegen die Mandatsbescheide der belangten Behörde vom 18. Juli 2003 auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens als unbegründet ab.
Die beschwerdeführende Partei sei im Rahmen der Abwicklung gemäß § 18 Abs. 1 der Arrangementordnung 1999 in der geltenden Fassung in Lieferverzug geraten. Auf ihrem Wertpapiersammeldepot sei an näher angeführten Tagen, welche als Erfüllungstage zu qualifizieren seien, für die Lieferverpflichtung näher angeführter Aktien eine ausreichende Deckung nicht vorhanden gewesen. Es seien daher (rechtens) gemäß § 48c Abs. 1 Z 2 BörseG "Strafzinsen" vorgeschrieben worden und zwar in der Höhe von 0,1 v.H. des Kurswertes dieser Wertpapiere pro Verzugstag, wobei Berechnungsgrundlage für die Kurswerte jeweils der Schlusskurs des vorangegangenen Börsetages sei und zwar in der Höhe von EUR 60.564,71, EUR 19.558,61 und EUR 2.350,70, insgesamt daher von EUR 82.747,02.
Ein Verschulden sei nicht Voraussetzung der Verwirklichung des Tatbestandes nach § 48c Abs. 1 Z 2 BörseG. Die Vorschreibung von "Strafzinsen" knüpfe allein an die nicht rechtzeitige Einlieferung in das Abwicklungssystem an, unabhängig davon, ob ein schuldhaftes Verhalten des Börsemitgliedes vorliege. Schon daraus ergebe sich, dass eine Verwaltungsübertretung nicht vorliege und auch das VStG nicht anwendbar sei.
Die beschwerdeführende Partei habe mit Schreiben vom 1. August 2003 in offener Frist Vorstellung gegen die näher genannten Mandatsbescheide erhoben. Infolge rechtszeitiger Einleitung des Ermittlungsverfahrens seien diese nicht außer Kraft getreten und - weil sich der zu Grunde gelegte Sachverhalt als richtig herausgestellt habe - zu bestätigen gewesen.
Der dagegen von der beschwerdeführenden Partei zunächst angerufene Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 7. Juni 2005, B 614/04-10, ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG ab.
Begründend führte der Verfassungsgerichtshof unter anderem aus, die Beschwerde rüge die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen seien zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen.
Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berühre - so der Verfassungsgerichtshof in der Begründung seines Beschlusses weiter -, als die Rechtswidrigkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften behauptet werde, sei ihr zu entgegnen, dass es sich bei den "Strafzinsen" nach § 48c BörseG (in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 127/2004) ebenso wie bei den im § 97 BWG vorgesehenen, vergleichbaren Pönalezinsen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1999, Zl. 96/17/0006, und den dort zitierten Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Dezember 1995, B 2286/95) um wirtschaftsaufsichtsrechtliche Maßnahmen ohne Strafcharakter handle. Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu den hier maßgeblichen Rechtsfragen "(vgl. zu Art. 6 EMRK VfSlg. 11.500/1987 und 11.506/1987; zum Gleichheitssatz etwa VfSlg. 9583/1982, 9924/1984; zur Zulässigkeit bankrechtlich motivierter Sondervorschriften VfSlg. 13.471/1993)" lasse das Beschwerdevorbringen die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Prozessvoraussetzungen für die - ergänzte - Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß Art. 133 Z 1 B-VG sind von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes die Angelegenheiten, die zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gehören, ausgeschlossen.
Nach Art. 144 Abs. 1 erster Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden, soweit der Beschwerdeführer durch den Bescheid in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrages in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
Die beschwerdeführende Partei hat den Beschwerdepunkt in ihrer über Auftrag ergänzten Beschwerde dahin umschrieben, dass sie sich durch den angefochtenen Bescheid vom 16. März 2004, mit dem ihr die Zahlung von Strafzinsen gemäß § 48c Abs. 1 Z 2 BörseG in Höhe von insgesamt EUR 82.787,02 vorgeschrieben wurde, in ihren Rechten verletzt erachte. "Dies insbesondere deshalb, weil diese Bescheide auf der Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes" beruhten.
Dieser Umschreibung des Beschwerdepunktes lässt sich mit gerade noch hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass sich die beschwerdeführende Partei durch die Vorschreibung der erwähnten "Strafzinsen" in ihren Rechten verletzt erachtet. Damit umschriebe die beschwerdeführende Partei vor dem Verwaltungsgerichtshof einen tauglichen Beschwerdepunkt (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), sofern sie in der Beschwerde eine Rechtswidrigkeit bei der Anwendung genereller Normen geltend machte.
§ 48c Börsegesetz 1989, BGBl. Nr. 555, in der hier anzuwendenden Fassung durch die Novelle BGBl. I Nr. 97/2001 (BörseG), lautete wie folgt:
"Strafzinsen
§ 48c. (1) Die FMA hat den Börsemitgliedern folgende Zinsen vorzuschreiben:
1. 1 vH des Fehlbetrags, der sich durch Unterschreitung der gemäß § 18 Z 4 im Rahmen des Handels- oder Abwicklungssystems zu stellenden Kaution ergibt, pro Tag, mindestens jedoch 70 Euro;
2. 0,1 vH des Kurswertes jener Wertpapiere, die entgegen den Regeln für die Abwicklung von Börsegeschäften (§ 26 Abs. 3) nicht rechtzeitig in das Abwicklungssystem eingeliefert wurden, pro Tag, mindestens jedoch 50 Euro; ab dem sechsten Tag der Nichteinlieferung erhöht sich dieser Hundersatz auf 0,2 vH pro Tag.
(2) Das Börseunternehmen ist verpflichtet, der FMA die nach Abs. 1 maßgeblichen Sachverhalte unaufgefordert, vollständig und unverzüglich bekannt zu geben.
(3) Die gemäß Abs. 1 vorzuschreibenden Zinsen fließen dem Bund zu."
Die beschwerdeführende Partei führt in ihrem Beschwerdevorbringen vor dem Verwaltungsgerichtshof näher aus, warum ihrer Ansicht nach § 48c (Abs. 1 Z 2) BörseG verfassungswidrig sei; so verstoße § 48c BörseG deshalb gegen Art. 6 MRK, weil es sich beim Verfahren um die Verhängung von "Strafzinsen" gemäß der zitierten Gesetzesstelle um eine "strafrechtliche Anklage" im Sinne des Art. 6 MRK handle, über die ein Tribunal im Sinne der zitierten Verfassungsbestimmung unter Einhaltung der entsprechenden Verfahrensgarantien zu entscheiden habe. Selbst wenn man dieser Auffassung nicht folgen und die Einordnung der "Strafzinsen" als "strafrechtliche Anklage" ablehnen würde, könnten diese Zinsen "zumindest" als Schadenersatzansprüche ex contractu und somit als zivilrechtliche Ansprüche, über die ebenfalls ein Tribunal im Sinne des Art. 6 MRK zu entscheiden habe, qualifiziert werden.
Weiters liege ein Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 83 Abs. 2 B-VG) vor, weil aus Art. 129a Abs. 1 Z 1 B-VG abzuleiten sei, dass nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges in Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen die Unabhängigen Verwaltungssenate zu erkennen hätten. Der Gesetzgeber wäre daher verpflichtet gewesen, eine Zuständigkeit der Unabhängigen Verwaltungssenate - zumindest im Rahmen einer nachprüfenden Kontrolle - festzulegen. Da der Gesetzgeber somit (auch) gegen die Kompetenzbestimmungen des Art. 129a Abs. 1 Z 1 B-VG verstoßen habe, sei § 48c BörseG auch aus diesem Grunde verfassungswidrig.
Die beschwerdeführende Partei erachtet auch einen Verstoß gegen Art. 91 B-VG als gegeben. Bei den nach § 48c BörseG vorzuschreibenden "Strafzinsen" würden - so ihr Beschwerdevorbringen weiter - auf Grund der hohen Transaktionsvolumina die vom Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur gezogenen Grenzen für das Verhängen schwerer Strafen (dies sei den Gerichten vorbehalten) regelmäßig überschritten. Da somit das Vorschreiben von "Strafzinsen" in dieser Höhe in den Kompetenzbereich der Strafgerichte falle, sei "die Zuständigkeit der belangten Behörde" auch aus diesem Grund verfassungswidrig.
Überdies gehöre nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die Kompetenz zur Erlassung von Verwaltungsstrafbescheiden zum Kernbereich der staatlichen Verwaltung und sei "ausgliederungsfest". Das Vorschreiben der gegenständlichen "Strafzinsen" gemäß § 48c BörseG sei jedoch als eine "strafrechtliche Anklage" im Sinne des Art. 6 MRK zu beurteilen, sodass entsprechend dieser Judikatur eine Beleihung der belangten Behörde mit dieser Kompetenz verfassungswidrig sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid werde die Zahlung von "Strafzinsen" gemäß § 48c Abs. 1 Z 2 BörseG im erwähnten Ausmaß vorgeschrieben; der Bescheid greife daher in das "Eigentumsrecht" ein. Dieser Eingriff sei nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes dann verfassungswidrig, wenn der verfügende Bescheid auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhe; da § 48c BörseG verfassungswidrig sei, beruhe der angefochtene Bescheid auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage und verstoße somit auch gegen Art. 5 StGG.
Schließlich werde durch § 48c BörseG der Gleichheitsgrundsatz verletzt, weil - wie näher ausgeführt wird - eine verschuldensunabhängige Vorschreibung der "Strafzinsen" sachlich nicht gerechtfertigt sei.
Dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei vor dem Verwaltungsgerichtshof sind somit ausschließlich Bedenken dahingehend zu entnehmen, dass die Regelungen im Zusammenhang mit § 48c BörseG gegen verfassungsrechtliche Normen verstießen; eine (einfachgesetzliche) Rechtswidrigkeit, die der belangten Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides infolge unrichtiger Anwendung genereller Normen unterhalb der verfassungsrechtlichen Ebene unterlaufen sei, macht die Beschwerde nicht geltend. Mit diesem Vorbringen wird somit eine Rechtsverletzungsbehauptung aufgestellt, wie sie im Art. 144 Abs. 1 erster Satz zweiter Fall B-VG als Prozessvoraussetzung für ein Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof umschrieben ist. Die Entscheidung über derartige Beschwerden fällt jedoch, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 29. März 2004, Zl. 2004/17/0008, mwN), nicht in die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes, sondern in jene des Verfassungsgerichtshofes, der hierüber gemäß Art. 144 Abs. 1 erster Satz B-VG erkennt.
Aus diesen Erwägungen folgt, dass die Beschwerde wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückgewiesen werden musste.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen. Wien, am 8. September 2005
Schlagworte
Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Angelegenheiten die zur Zuständigkeit des VfGH gehören (B-VG Art133 Z1) Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter RechteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2005170171.X00Im RIS seit
29.12.2005