TE OGH 1987/6/16 4Ob529/87

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Veröffentlicht am 16.06.1987
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Petrag, Dr. Kodek und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder Saheema B***, geb. 2.Februar 1983,

u. Mirza B***, geb. am 8.Jänner 1984, infolge Revisionsrekurses des Vaters Mirza Tahangir B***, Arbeiter, 1090 Wien, Pichlergasse 3/9, vertreten durch Dr. Kurt Lux, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 31. März 1987, GZ 43 R 176/87-47, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 9.Jänner 1987, GZ 1 P 149/85-43 bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern der minderjährigen Saheema und Mirza B*** ist noch aufrecht, ein Scheidungsverfahren jedoch anhängig. Die Eltern haben nur bis März 1984 zusammengelebt. Dann verließ die Mutter endgültig ihren Mann, um seit 10.7.1985 mit den beiden Kindern im Frauenhaus in Wien 9., Liechtensteinstraße 3/4, zu leben. Das Erstgericht teilte alle aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und minderjährigen Kindern erfließenden rein persönlichen elterlichen Rechte und Pflichten (§ 144 ABGB) gegenüber beiden Kindern der Mutter zu. Es stellte zusätzlich zum eingangs wiedergegebenen Sachverhalt im wesentlichen fest, daß die Mutter für die Kinder die vorherrschende Bezugsperson sei, in der sie die nötige Vertrauensinstanz und den Rückhalt im Alltagsgeschehen sehen. Die Mutter gehe lieb und pädagogisch angemessen auf die Reaktionsweisen der Kleinkinder ein. Im Verlauf der Besuchsrechtsregelung sei der Vater nun gleichfalls zur erwünschten Kontaktperson geworden. Die Mutter und die Betreuer des Frauenhauses hätten sich "bezüglich der Kontakte mit dem Vater entsprechend positiver Wirkensweisen bei der Anbahnung der Beziehungen befleißigt". Das angebliche Verhältnis der Mutter zu einem Dritten (Ali M***) führe nicht zur Vernachlässigung der Minderjährigen; es berühre die Kinder nicht. Das Alter der Kinder spreche für die Aufrechterhaltung der Kontinuität in Form der Betreuung durch die Mutter. Rechtlich meinte der Erstrichter, daß seine Entscheidung im wohlverstandenen Interesse der Minderjährigen liege.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß. Es ging davon aus, daß das Kindeswohl das ausschlagende Kriterium für die Entscheidung über die Zuteilung der Elternrechte sei. Die Auffassung des Vaters, die Beziehung der Mutter zu einem anderen Mann sei ein wesentlicher Umstand für die Zuteilung der Elternrechte, treffe nicht zu, das erotische Leben eines Elternteils habe im allgemeinen keinen Einfluß auf die Erziehungstauglichkeit.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters, in dem offenbare Gesetzwidrigkeit geltend gemacht wird.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Nach Meinung des Rechtsmittelwerbers sei der angefochtene Beschluß offenbar gesetzwidrig, weil der Grundsatz, daß auf das Wohl des Kindes Bedacht zu nehmen sei, ebenso wie die Bestimmung des § 178 a ABGB übergangen worden seien. Es seien Beweisaufnahmen unterblieben, auf Grund deren erst die Frage des Kindeswohls hätte geklärt werden können. Der Vater habe keine Möglichkeit gehabt, nach dem Sachverständigengutachten seinen Standpunkt dem Gericht vorzutragen; er hätte die vom Erstrichter verwertete Aussage der Sozialarbeiterin widerlegen können. Auch der ungünstige Einfluß des Liebeslebens der Mutter auf die Kinder wäre zu überprüfen gewesen. Es bestehe konkreter Grund zur Befürchtung, die Mutter werde mit ihrem Freund und den Kindern ins Ausland gehen. Im bisherigen Verfahren sei in keiner Weise erhoben worden, welche Entscheidung tatsächlich für das Wohl der Kinder am günstigsten wäre. Der Rechtsmittelwerber verkennt den Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit im Sinne des § 16 AußStrG. Dieser liegt nämlich nur dann vor, wenn die für die Entscheidung maßgebliche Frage im Gesetz ausdrücklich und so klar geregelt ist, daß die Absicht des Gesetzgebers nicht bezweifelt werden kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde. Der Begriff der offenbaren Gesetzwidrigkeit nach § 16 AußStrG ist daher insbesondere nicht mit dem der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gleichzusetzen (SZ 39/103 uva).

Bei der Regelung, welchem Elternteil im Fall einer nicht bloß vorübergehenden Trennung der Eltern alle aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und minderjährigen Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten (§ 144 ABGB) künftig allein zustehen sollen (§ 177 Abs 2 ABGB), handelt es sich um eine vom Gericht nach den gegebenen Umständen zu treffende Entscheidung, die nicht schon dann offenbar gesetzwidrig ist, wenn der eine oder andere dieser Umstände nicht gebührend gewertet worden sein sollte, es sei denn, daß gegen eine eindeutige Gesetzeslage oder gegen die Grundprinzipien des Rechtes verstoßen oder ganz willkürlich vorgegangen worden wäre (SZ 23/289; JBl 1985, 661; EFSlg 37.392 ua.). Ein solches Grundprinzip wäre im Pflegschaftsverfahren die Außerachtlassung des Kindeswohls (EvBl 1972/72; EvBl 1979/214; EFSlg 37.392,39.824 ua). Das Rekursgericht hat aber die Meinung vertreten, daß die Überlassung der im § 144 ABGB genannten Rechte an die Mutter dem Wohl der beiden Kinder entspreche, und dabei - wie das Erstgericht - nicht nur die Persönlichkeit und die Bedürfnisse der Kinder, sondern auch die Lebensverhältnisse der Eltern bei seiner Entscheidung berücksichtigt (§ 178 a ABGB). Es kann keine Rede davon sein, daß die Vorinstanzen bei ihrer Entscheidung die maßgeblichen Kritierien übersehen hätten oder unter völliger Außerachtlassung des Kindeswohles willkürlich vorgegangen wären, in welchem Fall eine offenbare Gesetzwidrigkeit vorläge (EFSlg 37.392, 39.824 ua).

Da nach der Aktenlage davon auszugehen ist, daß die Minderjährigen und ihre Eltern die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen (ON 1 S 1, ON 14 S 28 ua.), verstößt auch die Anwendung österreichischen Rechtes nicht gegen das Gesetz (§§ 9 und 24 IPRG).

Dem Rechtsmittelwerber wäre auch dann kein Erfolg beschieden, wenn man in seinen Ausführungen die Geltendmachung einer Nichtigkeit sehen wollte. Von einem Verfahrensverstoß im Gewicht einer Nichtigkeit im Sinne des § 16 Abs 1 AußStrG könnte nämlich nur dann gesprochen werden, wenn die dem Gericht nach § 2 Abs 2 Z 5 und 6 AußStrG obliegende Stoffsammlung so mangelhaft geblieben wäre, daß dadurch Grundprinzipien des Pflegschaftsverfahrens - im vorliegenden Fall das Wohl des Kindes - vollkommen außer acht gelassen wurden (EFSlg 37.363 uva). Da auch diese Voraussetzungen nicht zutreffen war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Anmerkung

E11128

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0040OB00529.87.0616.000

Dokumentnummer

JJT_19870616_OGH0002_0040OB00529_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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