Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hilde M***, Angestellte, 4020 Linz, Unionstraße 33, vertreten durch Dr. Wolfram Wutzel, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei
1.)
Ing. Georg W***, Angestellter, 4600 Wels, Oberhart 61,
2.)
Fa. R*** und W***, Maschinenfabrik GesmbH, ebendort,
3.)
E*** A*** Versicherungs-Aktiengesellschaft, 4010 Linz, Zollamtstraße 1, erst- und drittbeklagte Partei vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Rechtsanwalt in Wels, wegen S 52.030,90 s.A. und S 52.030,90 s.A., infolge Revisionen der klagenden Partei und der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 18. Juni 1986, GZ. 2 R 75/86-38, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 2. Jänner 1986, GZ. 6 Cg 50/84-28, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision der beklagten Parteien wird nicht Folge gegeben. Die beklagten Parteien haben der Klägerin die mit S 4.337,08 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 339,73 Umsatzsteuer und S 600,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Der Revision der Klägerin wird Folge gegeben.
Das angefochtene Teil- und Zwischenurteil sowie das erstgerichtliche Urteil werden dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Urteil als Teil- und Zwischenurteil zu lauten hat:
1.) Die Ansprüche der Klägerin auf Bezahlung von Schmerzengeld und Wertminderungersatz bestehen dem Grunde nach zu Recht.
2.) die Klagsforderung betreffend Sachschaden und Abschleppkosten besteht mit dem Betrage von S 49.061,80 zu Recht. Die eingewendete Gegenforderung besteht nicht zu Recht. Die beklagten Parteien haben der Klägerin den Betrag von
S 49.061,80 samt 4 % Zinsen seit 21. November 1983 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
3.) Die Entscheidung über die Prozeßkosten wird der Endentscheidung vorbehalten.
Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin stützt ihre Schadenersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 11. Oktober 1983 auf eine behauptete Vorrangverletzung des Erstbeklagten, der mit dem von der zweitbeklagten Partei gehaltenen und bei der drittbeklagten Partei haftpflichtversicherten PKW Kennzeichen O-696.270 aus einer unbenannten Verbindungsstraße unter Mißachtung des dort aufgestellten Verkehrszeichens "Vorrang geben" und des Querverkehrs in die von ihr benützte Kreuzung Gärtnerstraße - Figulystraße in Linz derart eingefahren sei, daß sie einen Zusammenstoß mit dem von ihm gelenkten Fahrzeug nicht mehr habe vermeiden können. Im einzelnen macht sie einen Fahrzeugschaden von S 46.772,80, eine Wertminderung von S 15.000,--, Abschleppkosten usw. von S 2.289,-- sowie eine Schmerzengeldforderung von S 40.000,--, somit insgesamt einen Anspruch von S 104.061,80 s.A. geltend.
Die beklagten Parteien beantragten Klagsabweisung. Der Erstbeklagte habe die Kreuzung in gerader Richtung zu übersetzen beabsichtigt, so daß die Klägerin als Linksabbiegerin seinen Vorrang hätte wahren müssen. In ihrer Anfahrtsrichtung vor der Kreuzung sei ebenfalls ein Verkehrszeichen "Vorrang geben" aufgestellt gewesen. Das gegen den Erstbeklagten eingeleitete Strafverfahren habe mit Freispruch geendet. Ein allfälliges geringes Mitverschulden des Erstbeklagten sei bei der Verschuldenszumessung zu vernachlässigen. Aufrechnungsweise wendeten die beklagten Parteien gegen die Klagsforderung die Reparaturkosten des vom Erstbeklagten gelenkten Fahrzeuges in Höhe von S 41.294,20 ein.
Über das Vermögen der zweitbeklagten Partei wurde während des Verfahrens das - weiterhin anhängige - Konkursverfahren eröffnet. Der Rechtsstreit ist insoweit unterbrochen.
Das Erstgericht wies die Klage gegen die erst- und drittbeklagte Partei ab. Unter Bezugnahme auf die im Akt erliegende Unfallskizze (AS 107) ging es von folgendem Sachverhalt aus: Die von der Klägerin bei ihrer Anfahrt benützte, ca. 10 m breite Gärtnerstraße in Linz mündet in einem Winkel von ca. 30 Grad in die ebenfalls 10 m breite Figulystraße ein. Vor dieser Einmündung ist das Verkehrszeichen "Vorrang geben" angebracht. In der Figulystraße mündet weiters eine bei seiner Anfahrt vom Erstbeklagten benützte, unbenannte Verbindungsstraße ein, wobei eine "Versetzung der beiden Einmündungsdeltas" gegeben ist, diese sich also nicht unmittelbar gegenüberliegen. Vor dieser Einmündung der Verbindungsstraße ist nach dem Inhalt der Unfallskizze ebenfalls das Verkehrszeichen "Vorrang geben" aufgestellt. Die Klägerin wollte die Figulystraße nach links befahren, der Erstbeklagte beabsichtigte, "die Kreuzung geradlinig in Richtung Gärtnerstraße" zu übersetzen; das Fahrzeug der Klägerin hatte er wegen geparkter Fahrzeuge nicht wahrgenommen. Die Klägerin war derart gefahren, daß sie "nach dem Verlassen des Kreuzungsbereiches der Gärtnerstraße und der Figulystraße" nach rechts fuhr (siehe Skizze) und dann "annähernd fahrbahnparallel zur Figulystraße weiterfuhr". Die Kollisionsstelle lag auf der Figulystraße 2 m vor und auf Höhe der Einmündung der unbenannten Verbindungsstraße. Der Erstbeklagte befand sich im Unfallsaugenblick mit seinem Fahrzeug noch teilweise auf der Verbindungsstraße. Die Fahrzeuge stießen derart zusammen, daß die rechte Vorderecke des mit ca. 25 bis 30 km/h fahrenden PKW der Klägerin die linke Vorderecke des vom Erstbeklagten gelenkten, eine Fahrgeschwindigkeit von 15 bis 20 km/h aufweisenden PKW berührte. Die Klägerin bremste ihren PKW sogleich nach Wahrnehmung des aus der Verbindungsstraße kommenden Fahrzeuges ab, doch "folgte in einem Zug die Kollision". Aus 15 km/h betrug die Anhaltestrecke für den vom Erstbeklagten gelenkten PKW 5,89 m. Der Erstbeklagte war daher im Augenblick der Wahrnehmung des Fahrzeuges der Klägerin nicht mehr in der Lage, unfallsverhütend anzuhalten. Die Klägerin hatte einen Anhalteweg von 6,94 m und konnte nach Wahrnehmung des Fahrzeuges des Erstbeklagten auch nicht mehr rechtzeitig anhalten.
In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, die Klägerin habe sich als Linksabbiegende gegenüber dem Erstbeklagten als richtungsbeibehaltenden Verkehrsteilnehmer im Nachrang befunden. Da sie den Nachweis einer verspäteten Reaktion des Erstbeklagten nicht erbracht habe, treffe sie das Alleinverschulden am Unfall.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge. Es sprach mit Zwischenurteil aus, daß die Ansprüche der Klägerin auf Schmerzengeld und Fahrzeugwertminderung gegenüber der erst- und drittbeklagten Partei dem Grunde nach zur Hälfte zu Recht und zur Hälfte nicht zu Recht bestünden. Mit Teilurteil stellte es gegenüber den erst- und drittbeklagten Parteien die Hälfte der Reparatur- und Abschleppkosten, somit den Betrag von S 24.530,90, als zu Recht bestehend, die Gegenforderung als mit S 20.747,10 zu Recht bestehend fest, sprach der Klägerin einen Betrag von S 3.783,80 zu und wies ein Mehrbegehren von S 45.278,-- ab. Die Revision erklärte es gemäß § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO (unrichtig Abs. 1 Z 4) für zulässig. Es hielt die Rüge der unrichtigen Tatsachenfeststellung und unrichtigen Beweiswürdigung nicht, dagegen die Rechtsrüge für teilweise gerechtfertigt. Die geographische Örtlichkeit lasse hier für den Kraftfahrer Zweifel offen, ob die Zusammenführung der Gärtnerstraße mit der Figulystraße und die Zusammenführung der unbenannten Verbindungsstraße mit der Figulystraße eine einheitliche Kreuzung darstellten. Wer einem aus dem natürlichen Verlauf einer Straße sich ergebenden Straßenbogen folge, biege nicht ab, sondern behalte seine Fahrtrichtung bei. Dem sich auf der unbenannten Verbindungsstraße nähernden Verkehrsteilnehmer sei es möglich, durch Linksverlenken seine Fahrt in die Gärtnerstraße fortzusetzen. Aus diesem Blickwinkel bildeten diese beiden Straßen eine Einheit. Die Gärtnerstraße habe aus der Anfahrtsrichtung der Klägerin ihre natürliche Fortsetzung nicht in der unbenannten Verbindungsstraße, sondern in dem nach links abknickenden Ast der Figulystraße. Ein Verkehrsteilnehmer, der die gedachte Fortsetzung der Baulinie der ihm gegenüberliegenden Straße überfahre, befinde sich gegenüber jenem, der sich auf dieser Straße nähere, bereits im Querverkehr und nicht im Begegnungsverkehr. Zwar komme es bei Beurteilung der Frage, welchem Fahrzeuglenker der Vorrang zustehe, nicht darauf an, was sich die Beteiligten über den Vorrang gedacht hätten, sondern darauf, wer tatsächlich im Sinn des § 19 StVO im Vorrang gewesen sei. Die Unkenntnis einer Rechtslage müsse aber noch nicht Verschulden bedeuten, so daß die irrtümliche Annahme eines jeden der beteiligten Lenker, ihm sei der Vorrang zugekommen, auch entschuldbar erscheinen könne. Nur eine den beiden Lenkern auch subjektiv vorwerfbare Mißachtung einer solchen Vorschrift rechtfertige es, über die bloße Verantwortlichkeit für die Betriebsgefahr nach dem EKHG hinaus auch ein schuldhaftes Verhalten anzunehmen. Da es vorliegendenfalls bereits schwierig sei, die Vorrangsituation an der Unfallsörtlichkeit im nachhinein zu klären, müsse ein Kraftfahrer im Verkehrsgeschehen überfordert sein, derartige Überlegungen in Sekundenschnelle richtig anzustellen. Die Verletzung von Vorrangbestimmungen könne hier daher keinem zum Vorwurf gemacht werden, so daß die Haftung nach dem EKHG zum Tragen komme. Vorliegendenfalls sei für die beiden beteiligten Fahrzeuge eine annähernd gleich große Betriebsgefahr anzunehmen. Demgemäß erscheine eine Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 1 gerechtfertigt. Hinsichtlich der der Höhe nach außer Streit stehenden Forderungen und Gegenforderung sei daher auf dieser Grundlage ein Teilurteil, hinsichtlich der in der Berufungsverhandlung mit mindestens S 1,-- außer Streit gestellten Wertminderung sowie der Schmerzengeldforderung ein Zwischenurteil zu fällen gewesen.
Das Berufungsgericht hat somit die erstgerichtliche Klagsabweisung hinsichtlich Beträgen von S 45.278,-- und S 27.500,-- (die Hälfte des Begehrens des Schmerzengeldes von S 40.000,-- und der Wertminderung von S 15.000,--), insgesamt daher S 72.778,--, und demnach betreffend einen S 60.000,-- übersteigenden Teil des Streitgegenstandes (§ 502 Abs. 3 ZPO) bestätigt. Hinsichtlich des Ausspruches des Zurechtbestehens der Klagsforderung mit S 24.530,90 - die Aufrechnung mit der Gegenforderung hat außer Betracht zu bleiben - und somit allein schon, unabhängig vom Zwischenurteil, eines S 15.000,-- übersteigenden Teiles des Streitgegenstandes (§ 500 Abs. 2 Z 1 ZPO) hat es das erstgerichtliche Urteil abgeändert. Im Hinblick auf seinen Ausspruch gemäß § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO ist demnach sowohl die Revision der Klägerin - entgegen den Ausführungen in der Revisionsbeantwortung der beklagten Parteien - als auch die Revision der beklagten Parteien zulässig.
Die Klägerin macht die Revisionsgründe des § 503 Abs. 1 Z 2 und 4 ZPO geltend und beantragt die Abänderung der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage des Alleinverschuldens des Erstbeklagten am Unfall.
Die beklagten Parteien erheben Rechtsrüge gemäß § 503 Abs. 1 Z 4 ZPO und beantragen die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteiles. Hilfsweise stellen sie auch einen Aufhebungsantrag. In den Revisionsbeantwortungen beantragen die Streitteile jeweils, dem gegnerischen Rechtsmittel einen Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der beklagten Parteien ist nicht, jene der Klägerin dagegen gerechtfertigt.
Die Klägerin führt im wesentlichen aus, ihr sei an der Unfallstelle der Vorrang zugekommen, weil es sich bei der Kreuzung der vom Erstbeklagten befahrenen unbenannten Verbindungsstraße mit der Figulystraße um eine selbständige Kreuzung handle. Die unbenannte Verbindungsstraße sei gegenüber der Einmündung der Gärtnerstraße in die Figulystraße um wenigstens die eigene Breite versetzt. Ein PKW-Lenker wie der Erstbeklagte folge daher bei seiner Einfahrt in die Gärtnerstraße keinesfalls dem natürlichen Verlauf der Straße. Beim Einmündungstrichter Gärtnerstraße - Figulystraße setze sich die Figulystraße als Einbahnstraße links von der unbenannten Verbindungsstraße fort. Die Klägerin sei von der Kreuzung der Gärtnerstraße mit der Figulystraße gekommen und an der Kreuzung der Figulystraße mit der unbenannten Verbindungsstraße gegen- über dem Erstbeklagten im Vorrang gewesen.
Die beklagten Parteien vertreten dagegen den Standpunkt, bei der aus der Skizze ersichtlichen Unfallsörtlichkeit handle es sich um eine einheitliche Kreuzung, so daß dem Erstbeklagten gegenüber der Klägerin als Linksabbiegenden der Vorrang zugekommen sei. Da für beide unfallsbeteiligten Lenker das Verkehrszeichen "Vorrang geben" aufgestellt gewesen sei und für die gesamte Kreuzung gegolten habe, sei dem Erstbeklagten selbst bei Annahme einer Begegnungsverkehrssituation der Rechtsvorrang zugekommen. Die Klägerin hätte diese Vorrangverhältnisse auch jedenfalls erkennen können, so daß ein entschuldbarer Irrtum nicht in Frage komme. Im Zweifelsfalle wäre sie zu besonderer Vorsicht verpflichtet gewesen. In ihrem Fehlverhalten liege ein Verschulden, so daß eine Schadensteilung nach den Bestimmungen des EKHG nicht in Frage komme, sondern die Klage abzuweisen sei.
Entgegen den Ausführungen der beklagten Parteien ist dem Rechtsstandpunkt der Klägerin beizutreten.
Nach der aus der Unfallsskizze hervorgehenden Anlage der beiden, praktisch voll versetzten, also nicht mehr als gegenüberliegend zu bezeichnenden Einmündungstrichter - die genaue Verlängerung der Baufluchtlinien ist bei einer in spitzem Winkel einmündenden Straße nicht allein maßgebend - kann keinesfalls gesagt werden, daß ein von der unbenannten Verbindungsstraße kommender, in Richtung der spitzwinkelig einmündenden Gärtnerstraße nach links weiterfahrender Fahrzeuglenker seine Fahrtrichtung im Sinne des § 19 Abs. 5 StVO beibehält, also im Sinne der unterinstanzlichen Ausführungen die Kreuzung geradlinig in Richtung Gärtnerstraße übersetzt bzw. einem natürlichen Straßenbogen durch bloßes Linksverlenken folgt. Die Gärtnerstraße stellt keine den natürlichen Verlauf darstellende Fortsetzung der von ihm bisher befahrenen Straße dar. Er fährt vielmehr vom Kreuzungsbereich der Verbindungsstraße mit der Figulystraße kommend in den Kreuzungsbereich der Figulystraße mit der Gärtnerstraße ein. Ein von der Gärtnerstraße in die Figulystraße eingefahrener Fahrzeuglenker befindet sich umgekehrt an der Kreuzung der unbenannten Verbindungsstraße mit der Figulystraße als von links kommender Verkehrsteilnehmer bereits im Querverkehr und daher ähnlich wie im vergleichbaren Fall der Entscheidung 8 Ob 135/77, in welchem sich die vom Unfallsgegner befahrene Straße nach der Kreuzung nicht geradlinig, sondern schräg nach links fortsetzte, gegenüber diesem im Vorrang. In diesem Sinne führte auch das Erstgericht aus, die Klägerin sei "nach dem Verlassen des Kreuzungsbereiches der Gärtnerstraße und der Figulystraße" nach rechts und dann "annähernd fahrbahnparallel zur Figulystraße" (gemeint wohl auf der Figulystraße) weitergefahren. Es ist daher nach der gesamten Anlage, insbesondere dem Verlauf der jeweils in die Figulystraße einmündenden unbenannten Verbindungsstraße und der Gärtnerstraße, sowie der Lage dieser beiden Straßen zueinander vom Vorhandensein zweier selbständiger Kreuzungen auszugehen. Die Klägerin befand sich demnach an der Unfallstelle im Querverkehr zu dem aus der unbenannten Verbindungsstraße kommenden Erstbeklagten. Dieser war im Hinblick auf das in seiner Anfahrtsrichtung vor der Kreuzung aufgestellte Verkehrszeichen "Vorrang geben" gegenüber dem Querverkehr wartepflichtig. Da er seiner Wartepflicht nicht entsprach, vielmehr, wie sich aus den Skizzeneinzeichnungen und Feststellungen ergibt, bis zum Unfallspunkt rund 2 m in die Fahrbahn der Figulystraße eingefahren war, ist ihm eine Vorrangverletzung und damit ein Verschulden am Unfall anzulasten, woran eine allenfalls erschwerte Erkennbarkeit der Kreuzungs- und Vorrangverhältnisse nichts ändert (vgl. ZVR 1982/308). Die mit zulässiger Geschwindigkeit fahrende Klägerin hatte auf sein Fahrverhalten rechtzeitig reagiert, so daß ihr kein Mitverschulden zugerechnet werden kann. Demgemäß ist von der Haftung der erst- und drittbeklagten Partei - bei bloßer Gefährdungshaftung wäre der Erstbeklagte als Lenker entgegen der berufungsgerichtlichen Ansicht nicht haftbar gewesen - für die Unfallschäden der Klägerin auszugehen.
Nach nunmehr ständiger Judikatur bilden Lenker, Halter und Versicherer im Haftpflichtprozeß nur insoweit eine einheitliche Streitpartei, als der Haftungsgrund, aus dem sie in Anspruch genommen werden, identisch ist und als dies zur Bewirkung der im § 63 Abs. 3 KFG 1967 vorgesehenen Erstreckungswirkung eines den Schadenersatzanspruch rechtskräftig aberkennenden Urteiles erforderlich ist (SZ 51/10; JBl. 1975, 493; ZVR 1974, 185; 8 Ob 299/81 ua.). Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben, sodaß die durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der zweitbeklagten Partei gemäß § 7 Abs. 1 KO eingetretene Unterbrechung des Rechtsstreites hinsichtlich der zweitbeklagten Partei ohne Einfluß auf das Verfahren gegen die erst- und die drittbeklagte Partei bleibt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 sowie § 52 ZPO.
Anmerkung
E11105European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0020OB00062.86.0616.000Dokumentnummer
JJT_19870616_OGH0002_0020OB00062_8600000_000