TE OGH 1987/6/17 9ObA19/87

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Veröffentlicht am 17.06.1987
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Josef Fellner und Mag. Karl Dirschmied als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth H***, Angestellte, Linz, Cranachstraße 36, vertreten durch Dr. Johann Poulakos, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Firma S***, W*** Gesellschaft mbH, Linz,

Raimundstraße 45, vertreten durch Dr. Kurt Steininger, Rechtsanwalt in Linz, wegen 8.950 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Februar 1987, GZ. 12 Ra 34/87-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Linz vom 29. September 1986, GZ. 2 R 123/86-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.312,80 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 164,80 Umsatzsteuer und S 1.500 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war bei der Beklagten vom 15.September 1949 bis 30. Juni 1985 als Angestellte beschäftigt und bezog zuletzt ein Gehalt von 8.102 S, eine Leistungsprämie von 348 S und eine "Sozialversicherungszulage" von 790 S. An Abfertigung wurde der Klägerin ein Betrag von 120.410 S ausgezahlt; unter Einbeziehung der Sozialversicherungszulage in die Berechnungsgrundlage ergäbe sich ein Abfertigungsanspruch von 129.360 S brutto.

Die Klägerin begehrt den Differenzbetrag von 8.950 S brutto; auch die "Sozialversicherungszulage" sei in die Bemessungsgrundlage für die Abfertigung einzubeziehen.

Die Beklagte wandte ein, daß es sich bei dieser Zulage um eine teilweise Rückvergütung des Dienstnehmeranteils an den Sozialversicherungsbeiträgen handle. Auf Grund einer vor Jahrzehnten abgeschlossenen "mündlichen Betriebsvereinbarung" werde den Arbeitnehmern unabhängig von der tatsächlichen Höhe der gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge nur ein Satz von 7 % abgezogen. Die Differenz zwischen diesen 7 % und den höheren tatsächlichen Abzügen werde in Form einer Rückverrechnung an die Arbeitnehmer ausgezahlt. Das Erstgericht gab der Klage statt und stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Bei der Beklagten bestand schon vor 1948 die betriebliche Übung, daß Angestellten unabhängig von der tatsächlichen Höhe der Pflichtteilsbeiträge nur ein Satz von 7 % abgezogen wurde; die Differenz trug die Beklagte. Ab 1975 wurde diese betriebliche Übung von der Beklagten bei Neueinstellungen nicht mehr angewendet. Ab 1979 wurde von der Beklagten die Lohnverrechnung auf EDV umgestellt. Das angekaufte Programm sah nur den Abzug der gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge vor. Da die bisherige Übung beibehalten werden sollte, wurde zum Gehalt eine als Sozialversicherungszulage bezeichnete Zahlung geleistet, deren Höhe händisch ausgerechnet wurde, um die tatsächliche Belastung der Arbeitnehmer mit Sozialversicherungsbeiträgen bei 7 % zu belassen.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß der Begriff des als Bemessungsgrundlage für die Abfertigung heranzuziehenden Entgeltes umfassend sei; es seien alle Gegenleistungen für die Arbeit einzubeziehen, so auch Naturalbezüge wie Dienstwohnung und Deputate. Nicht einzubeziehen seien lediglich Aufwandentschädigungen, die der Abgeltung eines finanziellen Aufwandes des Arbeitnehmers dienten. Werde aber dem Arbeitnehmer ein Geldbetrag unter dem Titel einer Aufwandentschädigung gewährt, ohne daß der Arbeitnehmer einen mit seiner Dienstleistung zusammenhängenden Mehraufwand zu tragen habe, sei dies kein Aufwandersatz sondern Entgelt. Die Sozialversicherungszulage sei daher als ein Teil des Entgeltes in die Bemessungsgrundlage für die Abfertigung einzubeziehen. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil im klagsabweisenden Sinn ab. In rechtlicher Hinsicht ging es davon aus, daß nach der Absicht der Parteien die Sozialversicherungszulage als Aufwandersatz davon abhängig sei, daß dem Arbeitnehmer derartige Aufwendungen tatsächlich erwachsen; infolge Beendigung des Dienstverhältnisses könne dieser Aufwand nicht mehr entstehen, sodaß eine Einbeziehung der Sozialversicherungszulage in die Bemessungsgrundlage der Abfertigung zu einer grundlosen Bereicherung des Arbeitnehmers führte.

Die gegen das Berufungsurteil erhobene Revision der klagenden Partei ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 23 Abs.1 AngG ist die Bemessungsgrundlage für die Abfertigung das dem Angestellten für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührende Entgelt. Entgelt ist alles, was der Arbeitnehmer als Gegenleistung für seine Arbeitsleistung erhält. Kein Entgelt ist die Vergütung von Auslagen und Aufwendungen des Arbeitnehmers im Interesse des Arbeitgebers, deren Ersatz er in analoger Anwendung des § 1014 ABGB vom Arbeitgeber fordern kann (vgl. SZ 56/86). Eine derartige Ersatzpflicht des Arbeitgebers bezüglich der auf den Arbeitnehmer entfallenden Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung analog § 1014 ABGB kommt zufolge der Bestimmungen der §§ 51 Abs.3, 51 a Abs.1 und 60 Abs.1 ASVG, in denen ausdrücklich geregelt ist, welche Beitragsteile auf den Arbeitnehmer entfallen und daß diese von seinem Entgelt abzuziehen sind, nicht in Frage. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß das durch die Arbeitsleistung verursachte erhöhte gesundheitliche Risiko durch die Unfallversicherung gedeckt wird, deren Beiträge der Arbeitgeber voll zu tragen hat. In der zum Teil aus Arbeitnehmerbeiträgen finanzierten Kranken- und Pensionsversicherung werden hingegen vor allem die unabhängig von der Arbeit bestehenden Risken der Privatsphäre des Arbeitnehmers versichert, wobei das Arbeitsverhältnis nur den Anlaß für diese Versicherung bildet. Wenn nun der Arbeitgeber diese vom Arbeitnehmer aus seinem Entgelt und in seinem Interesse zu tragenden Beiträge zum Teil in Form einer Sozialversicherungszulage vergütet, ist dies kein Aufwandersatz, sondern Entgelt im Sinne der §§ 23 Abs.1 AngG und 1152 ABGB, das in die Bemessungsgrundlage für die Abfertigung einzubeziehen ist. Die Begründung der in Martinek - Schwarz - , AngG6 457 Anm 6 Abs 2 lit c zu § 23 zitierten Entscheidung des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 3.9.1959, Arb 7113, die Übernahme des Dienstnehmeranteiles an den Sozialversicherungsbeiträgen durch den Arbeitgeber sei nicht als Entgelt, sondern als Auslagenersatz anzusehen, vermag nicht zu überzeugen, weil hier nicht zwischen Aufwendungen, die den Arbeitnehmer treffen und grundsätzlich vom Arbeitgeber nicht abzugelten sind, und solchen Aufwendungen differenziert wird, die vom Arbeitnehmer im Interesse des Arbeitgebers vorgenommen wurden und ihm daher vom Arbeitgeber zu ersetzen sind. Übernimmt der Arbeitgeber Aufwendungen, die an sich der Arbeitnehmer zu tragen hätte, bildet dieser "Aufwandersatz" einen Teil der Gegenleistung des Arbeitgebers für die Arbeitsleistung und erhöht entgegen der in Arb 7113 vertretenen Ansicht nicht nur das Netto-, sondern auch das Bruttoentgelt des Arbeitnehmers. Sind nun von der nach dem Bruttoentgelt bemessenen Abfertigung weder Dienstnehmer- noch Dienstgeberbeiträge zur Sozialversicherung abzuführen, soll dies bezüglich der Dienstnehmerbeiträge wohl dem Arbeitnehmer, bezüglich der Dienstgeberbeiträge dem Arbeitgeber zugute kommen. Damit ist auch der Argumentation der älteren, in Arb 7113 zitierten Entscheidung des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 25.3.1935, Arb 4519, der Boden entzogen, wonach bei Einbeziehung der vom Arbeitgeber getragenen Dienstnehmerbeiträge in die Bemessungsgrundlage für die Abfertigung ebensogut der Standpunkt vertreten werden könne, auch der Dienstgeberanteil sei einzubeziehen, weil sich der Arbeitgeber auch durch das Unterbleiben dieses Aufwandes etwas erspare. Der Revision war daher Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E11222

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:009OBA00019.87.0617.000

Dokumentnummer

JJT_19870617_OGH0002_009OBA00019_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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