TE OGH 1987/6/24 1Ob15/87

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Veröffentlicht am 24.06.1987
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z*** UND K*** W***, Wien 3., Vordere Zollamtsstraße 13, vertreten durch Dr. Walter Schuppich, Dr. Werner Sporn, Dr. Michael Winischhofer und Dr. Martin Schuppich, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, Nebenintervenient auf Seiten der beklagten Partei Dr. Otto H***, Pensionist, Wien 2., Große Stadtgutgasse 22/13, wegen S 43.149,48 samt Anhang, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 8. Jänner 1987, Gz 12 R 2/87-38, womit infolge Berufung der beklagten Partei und des auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenienten das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 29. August 1986, GZ 1 Cg 132/85-24, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.575,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die kaufmännische Angestellte Andrea B*** unterhielt bei der klagenden Partei, Zweigstelle S*** C*** SÜD, das Girokonto (Gehaltskonto) 924002371. Andrea B*** hatte von der klagenden Partei Scheckformulare und eine Scheckkarte erhalten. Dem Vertragsverhältnis zwischen Andrea B*** und der klagenden Partei lagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Österreichischen Kreditunternehmungen, die Scheckbestimmungen und die Bedingungen der Österreichischen Kreditinstitute für die Ausgabe und Verwendung von Eurochequekarten zugrunde. Nach Punkt 33 Abs. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen muß die Kreditunternehmung für sich und ihre Angestellten wegen der großen Zahl und Mannigfaltigkeit der Geschäftsvorfälle für die gesamte Geschäftsverbindung mit dem Kunden, aber auch für die Inanspruchnahme ihrer Einrichtungen durch Nichtkunden den Ausschluß jeglicher Haftung beanspruchen, soweit es gesetzlich zulässig ist und die Geschäftsbedingungen nichts anderes bestimmen. Nach Z 1 der Scheckbestimmungen sind Scheckvordrucke vom Kontoinhaber in seinem eigenen Interesse sorgfältig zu verwahren. Nach Z 4 ist die kontoführende Stelle und eine allfällige Inkassostelle befugt, aber nicht verpflichtet, die Berechtigung des Scheckeinreichers zu prüfen. Nach Z 14 der Scheckbestimmungen trägt alle Nachteile aus der Nichtbefolgung dieser Bedingungen aus Verlust, sonstigem Abhandenkommen, mißbräuchlicher Verwendung, Fälschung oder Verfälschung von Vordrucken, deren Ursachen nicht auf Seite der Sparkasse liegen, der Kontoinhaber. Nach den Bedingungen der Österreichischen Kreditinstitute für die Ausgabe und Verwendung von Eurochequekarten ist das bezogene Kreditinstitut aufgrund der Eurochequekartengarantie bei Schecks bis öS 2.500,-- bei Einhaltung der sonstigen Voraussetzungen berechtigt, an den Schecknehmer Zahlung zu leisten. Nach Z 7 dieser Bedingungen sollen Eurochequekarten und Eurochequevordrucke getrennt voneinander aufbewahrt werden. Der Kontoinhaber trägt alle Folgen und Nachteile des Abhandenkommens, der mißbräuchlichen Verwendung oder der Verfälschung der Eurochequekarte auch dann, wenn dem Kreditinstitut der Verlust angezeigt worden ist oder wenn eine Zeichnungsberechtigung dem Kreditinstitut gegenüber widerrufen wurde. Das Kreditinstitut haftet im Rahmen des von ihm zu vertretenden Verschuldens nur in dem Maße, als es im Verhältnis zu anderen Ursachen an der Entstehung des Schadens mitgewirkt hat. In der Nacht vom 22. auf den 23. Dezember 1983 ließ Andrea B*** ihre ehemalige Arbeitskollegin Christine W*** im Wohnzimmer ihrer Wohnung Wien 5., Emil Kralik-Gasse 4/5/39, nächtigen. Christine W*** stahl in dieser Nacht Andrea B*** die Scheckkarte und ein Scheckformular. Am 23. Dezember 1983 knapp nach 8 Uhr legte Christine W***, die sich den Anschein gab, Andrea B*** zu sein, in der Filiale Fasangasse der klagenden Partei einen auf S 44.500,--lautenden, mit von ihr gefälschter Ausstellerunterschrift der Andrea B*** versehenen Scheck zur Einlösung vor. Auf der Rückseite war dieser Scheck bei der Vorlage noch nicht unterschrieben. Christine W*** wies bei der Vorlage des Schecks die der Andrea B*** entwendete Scheckkarte vor; sie erwähnte, daß sie den Geldbetrag für den Ankauf eines Autos benötige. Die Schalterbeamtin verglich die Ausstellerunterschrift mit der Unterschrift auf der Scheckkarte, dann überprüfte sie den Kontostand. Andrea B*** hatte von der klagenden Partei einen Überziehungsrahmen von S 30.000,-- eingeräumt; dieser wäre durch die Scheckeinlösung um S 14.500,-- überzogen worden. Christine W*** wurde daher zu einem anderen Schalter geschickt. Dort erklärte sie ebenfalls, daß sie ein Auto kaufen wolle. Sie wies erneut die Scheckkarte der Andrea B*** vor. Bei der kontoführenden Stelle wurde rückgefragt und von dieser die Bewilligung zur Kontoüberziehung genehmigt. Der Scheck wurde in der Folge eingelöst. Christine W*** unterfertigte dabei mit dem Namen der Andrea B*** auf der Rückseite des Schecks unterhalb der von ihr eingetragenen Nummer der Scheckkarte 299002. Diese Unterschrift wurde nicht überprüft. Christine W*** wurde wegen dieses Verhaltens mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 17. Februar 1983, 8 c E Vr 13.884/82, Hv 223/83-21, rechtskräftig wegen Vergehens der Urkundenunterdrückung und des schweren Betruges nach den §§ 229 Abs. 1, 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 StGB verurteilt. Gemäß § 369 StPO wurde der klagenden Partei als Privatbeteiligter ein Betrag von S 44.500,-- zuerkannt.

Andrea B*** erhob zu 39 Cg 222/83 des Handelsgerichtes Wien gegen die klagende Partei eine Klage mit dem Begehren, diese sei schuldig, ihr auf dem Konto 924002371 eine Gutschrift von S 42.000,-- zu erteilen. Das Begehren wurde unter anderem darauf gestützt, die klagende Partei habe es anläßlich der Vorlage des gefälschten Schecks unterlassen, die Identität der Vorlegerin zu überprüfen. Dadurch sei es Christine W*** gelungen, die klagende Partei darüber in Irrtum zu führen, Andrea B*** selbst wünsche eine Überziehung des Kreditrahmens von S 30.000,-- um S 14.500,--. Mit Urteil vom 24. Oktober 1983, ON 21, erkannte das Handelsgericht Wien die klagende Partei schuldig, Andrea B*** auf dem Konto 924002371 eine Gutschrift von S 31.500,-- per 23. Dezember 1982 zu erteilen. Das Mehrbegehren wies es ab. Es stellte fest, Andrea B*** habe Scheckkarte und Scheckformular in einer Handtasche verwahrt gehabt. Die Scheckkarte habe sich in der Geldbörse, die Scheckformulare in einem Etui befunden. Andrea B*** habe die Handtasche ins Schlafzimmer genommen. Christine W*** habe die Ausstellerunterschrift unt die Girounterschrift gefälscht, ohne die Unterschrift von Andrea B*** vorher geübt zu haben. Die Makrostruktur der Ausstellerunterschrift sei der Unterschrift der Andrea B*** auf der Empfangsbestätigung für die Scheckkarte weitgehend ähnlich. Auffallend abweichend seien aber Teile der Girounterschrift auf der Rückseite des Schecks. Diese Abweichungen von der Vergleichsunterschrift seien über jene Schwankungen hinaus gegangen, die durch Unterschiede in der Stellung bei Leistung der Unterschrift oder durch die Tagesverfassung bedingt seien. Rechtlich ging das Handelsgericht Wien davon aus, daß im Scheckgesetz nicht geregelt sei, wer die Gefahr der Honorierung gefälschter Schecks trage. Es gelte daher die allgemeine Regel des § 1014 ABGB. Die darin festgelegte Haftung des Gewaltgebers werde durch die im Punkt 14 der Scheckbestimmungen und die im Punkt 7 der Eurochequekartenbedingungen enthaltenen Freizeichnungsklauseln erweitert. Den Nachteil aus der Einlösung gefälschter Schecks trage grundsätzlich der Kontoinhaber. Die Bank hafte im Rahmen des von ihr zu vertretenden Verschuldens nur in dem Maß, in dem es im Verhältnis zu anderen Ursachen an der Entstehung des Schadens mitgewirkt habe. Die allgemeine Freizeichnungsklausel des Punktes 33 Abs. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen schränke die Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit ein. Der Scheck habe aber nur durch Überziehung des Kontos eingelöst werden können. Die Ausstellerunterschrift sei von der Vergleichsunterschrift abgewichen, wenn die Abweichungen auch nicht so erheblich gewesen seien, daß die Ausstellerunterschrift als Fälschung habe erkannt werden müssen. Die als Kontoinhaberin auftretende Scheckeinreicherin habe aber auf dem Scheck ein zweites Mal unterschrieben. Diese Unterschrift sei bei Anwendung gehöriger Sorgfalt als Fälschung zu erkennen. Daß die klagende Partei den Scheck dennoch eingelöst habe, falle ihr als grobes Verschulden zur Last. Andrea B*** treffe aber ein Mitverschulden. Hätte sie Scheckkarte und Scheckformulare gesondert verwahrt, wäre es für Christine W*** wesentlich schwieriger, wenn nicht unmöglich gewesen, sich Scheckformulare und Scheckkarte zu beschaffen. Das Verschulden von Andrea B*** wiege aber weniger schwer als das der klagenden Partei. Ein Gastgeber müsse üblicherweise nicht damit rechnen, von seinem Gast im Schlaf bestohlen zu werden. Andrea B*** sei daher nur ein Mitverschulden von einem Viertel anzulasten.

Dieses Urteil wurde sowohl von der klagenden Partei als auch von Andrea B*** mit Berufung bekämpft. Das Oberlandesgericht Wien gab mit Urteil vom 3. Februar 1984, 3 R 1/84-28, nur der Berufung der Andrea B*** Folge. Es änderte das Urteil des Handelsgerichtes Wien dahin ab, daß es dem von Andrea B*** gestellten Begehren zur Gänze stattgab. Christine W*** habe eine Auszahlung des Scheckbetrages nur dadurch erreichen können, daß sie sich durch die Vorweisung der Scheckkarte als Andrea B*** ausgegeben habe, sodaß die Angestellten der klagenden Partei stillschweigend davon ausgegangen seien, die Kontoinhaberin selbst wünsche die Überziehung ihres Kontos. Wegen der doch erheblichen Kontoüberziehung hätte aber der Sachbearbeiter der klagenden Partei die Möglichkeit eines Mißbrauchs von Scheck und Scheckkarte in Erwägung ziehen müssen. Da der Scheckkarte keine Ausweisfunktion zukomme, hätte der Sachbearbeiter den Nachweis der Identität der Scheckeinreicherin mit der Kontoinhaberin in anderer Weise verlangen müssen. Hätte er dies getan, so wäre der Betrug vereitelt worden. Das von der klagenden Partei zu vertretende Verschulden liege in der bei den gegebenen Umständen sorglosen und leichtfertigen Annahme des Sachbearbeiters, die nur durch die Scheckkarte legitimierte Scheckeinreicherin sei die Kontoinhaberin. Dieses Verschulden sei als grobe Fahrlässigkeit anzusehen. Die klagende Partei sei daher durch die allgemeine Freizeichnung des Punktes 33 Abs. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht geschützt. Ein Mitverschulden der Andrea B*** sei zu verneinen. Punkt 7 der Bedingungen der Österreichischen Kreditinstitute für die Ausgabe und Verwendung von Eurochequekarten bezwecke, einem Dieb nicht ohne weiteres zugleich Scheckkarte und Scheckformulare in die Hände fallen zu lassen. Unzweckmäßig wäre es daher, die Scheckkarte in dem Etui aufzubewahren, in dem sich die Scheckformulare befänden. Dies habe Andrea B*** aber nicht getan, habe sie doch die Scheckkarte in ihrer Geldbörse getrennt von den in einem Etui aufbewahrten Scheckformularen verwahrt. Andrea B*** könne daher nicht vorgeworfen werden, sie habe Scheckkarte und Scheckformulare so verwahrt, daß bei einem Diebstahl der Scheckformulare die Scheckkarte dem Dieb notwendigerweise habe in die Hände fallen müssen. Andrea B*** habe nicht damit rechnen müssen, daß sie von ihrem Gast bestohlen werde. Ihr könne auch nicht vorgeworfen werden, sie hätte für Christine W*** eine zum Diebstahl geradezu einladende Situation geschaffen, habe sie doch die Handtasche ohnedies mit sich ins Schlafzimmer genommen. Andrea B*** könne eine sorglose Verwahrung von Scheckformularen und Scheckkarte nicht vorgeworfen werden.

Mit der vorliegenden Amtshaftunsgklage begehrt die klagende Partei zuletzt den Zuspruch des Betrages von S 43.119,48 samt Anhang. Das Oberlandesgericht Wien habe in seiner keinem weiteren Rechtszug unterliegenden Entscheidung vom 3. Februar 1984, 3 R 1/84-28, fundamentale Regeln des Schadenersatzrechtes mißachtet und seinen Urteilsspruch mit einer falschen, unvertretbaren Rechtsansicht begründet. Gemäß Z 4 der Scheckbestimmungen sei eine Verpflichtung der klagenden Partei, die Berechtigung eines Scheckeinreichers zu überprüfen, ausdrücklich ausgeschlossen. Die Schalterbeamten hätten aufgrund des von Christine W*** vermittelten Gesamteindruckes davon ausgehen können und müssen, daß die Scheckeinreicherin mit der Ausstellerin und Kontoinhaberin ident sei. Auf keinen Fall hätte aber einer ihrer Angestellten grobe Fahrlässigkeit angelastet werden dürfen. Ein Bankkunde könne bei jeder Filiale seiner Bank einen Scheck einlösen und bei entsprechender Kreditwürdigkeit auch seinen Kreditrahmen überziehen, ohne seine Identität nachweisen zu müssen. Wäre der Scheck erkennbar von einer dritten Person eingelöst worden, hätte die Ausstelleruntschrift den Wunsch des Kontoinhabers ausgedrückt, das Konto überziehen zu wollen. Es hätte daher keines weiteren Nachweises bedurft, daß der Kontoinhaber selbst die Überziehung wünsche. Im übrigen wäre die klagende Partei ohnedies ihrer Andrea B*** gegenüber bestehenden Fürsorgepflicht nachgekommen; sie habe mit Christine W*** als vermeintlicher Kontoinhaberin ein Gespräch geführt. Da Andrea B*** gegen Z 7 der Eurochequekartenbedingungen verstoßen habe und zwischen diesem Verstoß und ihrem Schaden ein Rechtswidrigkeitszusammenhang bestehe, wäre auf jeden Fall eine Schadensteilung vorzunehmen gewesen.

Die beklagte Partei wendete ein, daß die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien zumindest nicht unvertretbar sei. Für das Gelingen des von Christine W*** unternommenen Betruges sei entscheidend gewesen, daß eine Erweiterung des Kreditrahmens erfolgt sei. Hiefür sei wesentlich gewesen, daß die den Scheck präsentierende Person mit der Ausstellerin und Kontoinhaberin wirklich ident sei, zumal sie sich durch die Leistung derselben Unterschrift auf der Vorder- und der Rückseite des Schecks als solche ausgab. Wenn der Schalterbeamte, dem sowohl die Kontoinhaberin als auch die den Scheck präsentierende Person gänzlich unbekannt gewesen seien, in einem solchen Fall keinen Identitätsnachweis verlangt und auch den eklatanten Unterschied von Ausstellerunterschrift und Girounterschrift völlig unbeachtet gelassen habe, sei die Annahme grober Fahrlässigkeit nicht unvertretbar. Die ein Konto betreffende Verfügung, wodurch ein Kreditrahmen nicht unbeträchtlich erweitert werde, stelle mehr dar als die bloße Einlösung eines durch den Kontostand gedeckten Schecks. Auch die Verneinung eines Verschuldens der Andrea B*** wegen nicht getrennter Verwahrung von Scheck und Scheckkarte sei vertretbar. Auch der auf Seite der beklagten Partei dem Verfahren beigetretene Nebenintervenient wies darauf hin, daß der Wunsch eines Kontoinhabers auf Überziehung eines Gehaltskontos einen Antrag auf eine entsprechende Kreditgewährung durch das kontoführende Geldinstitut bedeute.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. In der allgemeinen Bankpraxis werde die Identität eines Scheckeinreichers nur dann geprüft, wenn es sich nicht um den Aussteller handle. Wenn aber gleichzeitig mit dem Scheck die Scheckkarte vorgewiesen werde, so genüge dies vollends für die Feststellung der Identität zwischen Aussteller und Einreicher. In diesen Fällen werde auch die Echtheit der Ausstellerunterschrift nur an Hand der Unterschrift auf der Scheckkarte geprüft, eine zusätzliche Heranziehung der bei der Bank erliegenden Unterschriftsprobe sei nicht üblich. Die Girounterschrift habe in solchen Fällen nur die Bedeutung einer Quittung und werde nicht weiter geprüft. Die Einlösung eines Schecks sei sehr häufig nur unter gleichzeitiger Überziehung eines Kontos bzw. des Kreditrahmens möglich; dies sei im Bankgeschäft ein alltäglicher Vorgang. Irgendein Hinweis auf die erhöhte Gefahr einer Fälschung sei daraus nicht abzuleiten. Die Scheckeinlösung durch Christine W***, die mit einer Kontoüberziehung verbunden gewesen sei, habe keinen Verdacht auf eine Scheckfälschung hervorrufen müssen, da die Einreicherin nicht nur durch Vorweisung der Scheckkarte, sondern auch sonst nach ihrem ganzen Auftreten über die Verhältnisse der Kontoinhaberin informiert zu sein schien und daher kein Grund bestanden habe, an ihrer Identität zu zweifeln. Daß die klagende Partei durch diese Kontoüberziehung irgendwelche Warn- oder Aufklärungspflichten gegenüber Andrea B*** verletzt hätte, sei im Vorprozeß nicht geltend gemacht worden und habe daher auch nicht aufgegriffen werden dürfen. Die Banken werben bekanntlich damit und die Kunden wünschten dies auch, daß kleinere Kredite rasch und unbürokratisch gewährt würden. Immer wieder bekämen die Banken den Vorwurf zu hören, sie seien bei reichen Leuten und Schwindlern großzügig, bei kleinen, aber anständigen hingegen penibel. Daher nehme niemand Anstoß daran, wenn die Bank einem Kunden eine Kontoüberziehung um 50 % bewillige, ohne dabei besondere Formalitäten einzuhalten. Die Kontoüberziehung könnte nur insoweit Bedeutung erlangen, als durch ihr besonderes Ausmaß, etwa um ein Vielfaches des Kontostandes, der Verdacht erweckt werde, daß der Scheck nicht in Ordnung sei. Davon könne jedoch bei einer Überziehung um knapp 50 %, wie sie noch als alltäglich im Bankgeschäft zu betrachten sei, keine Rede sein. Es ergebe sich somit, daß die vom Oberlandesgericht Wien verwertete Entscheidungsgrundlage überhaupt kein Verschulden eines Angestellten der klagenden Partei ergeben hätte, geschweige denn ein grobes Verschulden. Auf dieser Basis sei daher zunächst die Entscheidung gewiß unvertretbar. Unvertretbar sei auch die Annahme eines groben Verschuldens bei Prüfung der Scheckunterschrift. Es hätte auch unabhängig davon, ob Andrea B*** überhaupt ein Verschulden an der Entwendung von Scheckformularen und Scheckkarte getroffen habe, eine quotenmäßige Haftungsminderung Platz greifen müssen. Das Berufungsgericht änderte über Berufung der beklagten Partei und des auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenienten das Urteil dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Die Revision erklärte es für zulässig. Die rechtlichen Folgen der unterlassenen Identitätsprüfung seien vom Oberlandesgericht Wien im konkreten Fall in einer durchaus vertretbaren Weise gelöst worden. Zu diesem Themenkreis liege höchstgerichtliche Judikatur in Österreich, soweit überblickbar, nicht vor; auch in der Lehre werde konkret zu dieser Frage bei Kontoüberziehungen nicht näher Stellung genommen. Allerdings sei in der Bundesrepublik Deutschland ein ähnlich gelagerter Fall dahin entschieden worden, daß die Bank eine Prüfungspflicht bei Einlösung eines Barschecks über einen ungewöhnlich hohen Betrag treffe (NJW 1986, 988). Zum Inhalt der Prüfungspflicht vertrete die Lehre den Standpunkt, daß diese bei Kontoüberziehungen dann gegeben sei, wenn sie ihrer Art und Höhe nach stark aus dem Rahmen des Üblichen fielen. Gemäß Punkt 4 der Bedingungen für den Scheckverkehr sei die Bank befugt, aber nicht verpflichtet, die Berechtigung des Einreichers eines Schecks zu prüfen. Sie werde daher im Einzelfall mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes entscheiden müssen, ob sie von dieser Überprüfungsmöglichkeit Gebrauch mache. Unterlasse sie die Prüfung zumindest grob fahrlässig, dann hafte sie. Eine Identitätsprüfung werde insbesondere bei einer Kontoeröffnung gefordert. Wenn daher in der Lehre und der deutschen Judikatur die Meinung vertreten werde, daß Kreditunternehmungen zum Schutz ihrer Kunden vor Rechtsnachteilen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Bankkaufmannes vorzugehen hätten, insbesondere daß sie bei Kontoeröffnung die Pflicht zur Identitätsprüfung treffe, dann sei die Ansicht durchaus vertretbar, daß eine solche Identitätsprüfung auch bei Kontoüberziehungen über den gewährten Kreditrahmen hinaus, wenn diese wie hier immerhin fast 50 % betrage, gefordert werde. Daß der Überziehungsbetrag im konkreten Fall absolut lediglich S 14.500,-- betragen habe, könne nicht ausschlaggebend sein; es müsse wohl im Einzelfall auf die Person des Kontoinhabers, den Kreditrahmen und den prozentuellen Umfang der Kontüberziehung abgestellt werden. Vom Oberlandesgericht Wien sei in seiner Berufungsentscheidung auch eingehend unter Zitierung von anerkannter Lehre dazu Stellung genommen worden, aus welchen Erwägungen das Verhalten der Bank als grobe Fahrlässigkeit qualifiziert werden müsse. Tatsächlich werde von der Rechtsprechung grobe Fahrlässigkeit als ungewöhnliche und auffallende Sorgfaltsverletzung definiert. Die Grenzen der Unterscheidung zwischen leichter und grober Fahrlässigkeit seien fließend. Wenn das Oberlandesgericht Wien gemeint habe, bei der doch beträchtlichen Kontoüberziehung wäre es naheliegend gewesen, daß ein ordentlicher Sachbearbeiter auch die Möglichkeit eines Mißbrauches von Schecks bzw. Scheckkarten in Erwägung ziehen müsse, dann sei auch diese Ansicht durchaus im vertretbaren Rahmen; die Annahme einer auffallenden Sorgfaltsverletzung sei im Einklang mit den von der Rechtsprechung ausgearbeiteten Grundsätzen gelöst worden. Zur Frage des Mitverschuldens der Andrea B*** sei zu bemerken, daß zu Punkt 7 der Eurochequekartenbedingungen ebenfalls keine höchstgerichtliche Judikatur zur Verfügung stehe. Wenn dieser Vertragspunkt so ausgelegt worden sei, daß im konkreten Fall von einem Verschulden bei der Verwahrung von Scheckkarte und Formularen durch Andrea B*** nicht gesprochen werden könne, so sei auch diese Ansicht vertretbar. Es seien die Umstände des konkreten Falles maßgeblich; Andrea B*** habe nicht damit rechnen müssen, daß sie von ihrer ehemaligen Arbeitskollegin, der sie Quartier gewährt habe, bestohlen würde.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt. Wird ein gegen den Rechtsträger gerichteter Amtshaftungsanspruch aus einer rechtskräftigen Entscheidung seiner Organe zugrundegelegten Rechtsansicht abgeleitet, liegt nach einhelliger Rechtsprechung und Lehre ein die Organe treffendes Verschulden dann nicht vor, wenn die Entscheidung bei pflichtgemäßer Überlegung aller Umstände auf einer vertretbaren Gesetzesauslegung oder Rechtsanwendung beruht (JBl. 1986, 728; JBl. 1986, 182; JBl. 1985, 171; SZ 56/93; SZ 55/81; SZ 53/83; SZ 52/56 ua; Loebenstein-Kaniak, AHG2 142 f). Unvertretbarkeit der Rechtsansicht und Verschulden wird etwa dann angenommen, wenn das Organ von einer klaren Gesetzeslage oder einer ständigen Rechtsprechung ohne sorgfältige Überlegung abwich (JBl. 1986, 182; JBl. 1985, 171; SZ 52/56 ua). Die tragende Rechtsansicht des Oberlandesgerichtes Wien bestand darin, daß bei Einlösung eines vom Aussteller und Kontoinhaber selbst vorgelegten Schecks die Vornahme einer Identitätsprüfung dann unabdingbar sei, wenn durch die Einlösung der Kreditrahmen überzogen werde. Diese Ansicht ist vertretbar. Die Bank ist zwar grundsätzlich berechtigt, auch ungedeckte Schecks einzulösen (Canaris in Großkomm. HGB III/33 2. Bearbeitung, Rz 697); in der Ziehung eines ungedeckten Schecks auf die kontoführende Stelle ist ein Anbot auf Abschluß eines Kreditvertrages in entsprechender Höhe zu erblicken (Canaris aaO; vgl. Schinnerer-Avancini, Bankverträge3 I 140). Diese Ansicht teilt im wesentlichen auch die Revision, führt sie doch aus, daß, wäre der ungedeckte Scheck nicht gefälscht worden, darin ein konkludentes Anbot von Andrea B*** an die klagende Partei zu erblicken gewesen wäre, ihr im Rahmen des bereits bestehenden Girovertrages einen weiteren Kredit in der Höhe von zumindest S 14.500,-- einzuräumen, welches Anbot der Schalterbeamte der klagenden Partei bei der kontenführenden Stelle tatsächlich angenommen habe. Nach den Umständen des Falles hat die Bank aber im Rahmen des zeitlich oder organisatorisch Möglichen die Pflicht zur Rückfrage beim Kontoinhaber, ob der Scheck in Ordnung gehe (Canaris aaO Rz 697), bzw., wenn der Scheckinhaber behauptet, auch der Kontoinhaber zu sein, dessen Identität, soweit sie nicht ohnehin bekannt ist, zu prüfen. Der Oberste Gerichtshof hat in diesem Sinne in seiner Entscheidung SZ 54/161 mwN auch bereits darauf verwiesen, daß bei Kreditgewährung banküblicherweise die Identität des Kreditnehmers zu überprüfen ist; erst nach dieser Überprüfung darf der Kreditvertrag abgeschlossen werden. Auch die deutsche Rechtsprechung und Lehre vertritt die Ansicht, daß, gerade weil die Scheckbedingungen eine Risikoüberwälzungsklausel auf den Kunden enthalten, eine besondere Prüfungspflicht bei Einlösung ungedeckter Schecks dann besteht, wenn die Kontoüberziehung aus dem Rahmen des Üblichen fällt (Canaris aaO Rz 712). Der Wunsch der Bankkunden und die darauf aufgebaute Werbung der Banken, daß Kleinkredite rasch und unbürokratisch gewährt werden, darf nicht dazu führen, daß solche Kredite ohne jede Identitätsprüfung gewährt werden. Ein solches Verhalten widerspricht der schon in der Einleitung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemachten Zusage der Kreditunternehmung, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes die Interessen des Kunden zu wahren, soweit sie dazu im Einzelfall imstande ist. Die Schalterbeamtin der klagenden Partei handelte daher richtig und pflichtgemäß, als sie versuchte, die Identität der ihr unbekannten Scheckinhaberin mit der Kontoinhaberin und vorgeblichen Kreditwerberin festzustellen. Die Eurochequekarte war insoweit bis zu einem gewissen Grade geeignet, der Überprüfung dieser Identität zu dienen, als sich auch auf dieser eine dem Vergleich dienende Unterschriftenprobe befand. Da Unterschriften aber, wie gerade Bankangestellten nicht unbekannt sein kann, gefälscht werden können, war die Vorlage eines anderen Identitätsausweises angebracht. Die Identitätsprüfung konnte allenfalls auch in einer neuerlichen Unterschriftsabgabe bestehen. Wenn die Schalterbeamtin eine solche nicht verlangte, war es dann aber erforderlich, zumindest die als Quittung im Sinne des § 15 Abs. 5 SchG zu verstehende Unterschrift auf der Rückseite, die die Scheckinhaberin vor ihren Augen abgab, einer näheren Prüfung zu unterziehen. Nach den für deren rechtliche Beurteilung allein maßgeblichen Feststellungen der Gerichte im Vorverfahren wies diese Unterschrift Abweichungen von den Vergleichsunterschriften auf, die über jene Schwankungen hinausgingen, die durch Unterschiede in der Stellung bei Leistung der Unterschrift oder durch die Tagesverfassung bedingt sind. Auch wenn zu diesem Zeitpunkt der Scheck bereits eingelöst war, hätte dann der Schaden der Kontoinhaberin durch Aufdeckung der Betrugshandlung durch die Scheckinhaberin immer noch vermieden werden können. Eine Überprüfung der Quittierungsunterschrift war der Schalterbeamtin ohne weiteres zumutbar. Wenn die Gerichte im Vorverfahren die Unterlassung einer solchen Prüfung als grobes Verschulden ansahen, kann darin eine unvertretbare Rechtsauffassung nicht erblickt werden. Ein Mitverschulden der Kontoinhaberin kam unter diesem Aspekt nicht in Betracht. Die Rechtsansicht, in der Verwahrung der Scheckkarte in der Handtasche, aber an anderer Stelle als die Scheckvordrucke, könne jedenfalls eine Sorglosigkeit gegenüber eigenen Gütern dann nicht erblickt werden, wenn die Handtasche in das von Andrea B*** allein benützte Schlafzimmer mitgenommen worden war, ist im übrigen ebenfalls nicht unvertretbar.

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E11344

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00015.87.0624.000

Dokumentnummer

JJT_19870624_OGH0002_0010OB00015_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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