TE OGH 1987/6/24 11Os70/87

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Veröffentlicht am 24.06.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.Juni 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Swoboda als Schriftführer, in der Strafsache gegen Alfred L*** wegen des Verbrechens des (teils vollendeten, teils versuchten) schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3 und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 10.April 1987, GZ 12 Vr 292/87-28, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in der Schadensfeststellung zum Faktum 4 und - auch gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO - zur Gänze in den Fakten 5 und 9, damit auch in der rechtlichen Qualifikation nach dem § 147 Abs. 3 StGB sowie im Strafausspruch einschließlich der Vorhaftanrechnung aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 24.Oktober 1949 geborene Alfred L*** des Verbrechens des (teils vollendeten, teils versuchten) schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3 und 15 StGB schuldig erkannt. Darnach liegt ihm zur Last, in der Zeit vom 1.Februar 1985 bis zu seiner Verhaftung am 22.Jänner 1987 in Graz und Umgebung mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung durch Vortäuschung falscher Tatsachen in zehn Fällen die im Urteilsspruch genannten Personen zu vermögensschädigenden Handlungen verleitet bzw. zu verleiten versucht zu haben, wobei bei Addition der im Spruch des Urteiles genannten Schadenssummen der Schaden 150.794,89 S beträgt, nach der Urteilsbegründung aber mit 130.000 S bis 140.000 S zu beziffern ist (S 395).

Dieses Urteil ficht der Angeklagte mit einer auf den § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und mit Berufung an.

Mit der Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft er ausschließlich die strafsatzerhöhende Qualifikation des § 147 Abs. 3 StGB mit der Behauptung, in den Urteilsfakten 4 (Schaden zum Nachteil der G***-Bank 94.489,79 S), 5 (Schaden der A***-E***-Versicherungsanstalt 7.791,70 S) und 9 (Schaden der Versicherungsanstalt E*** A*** 12.076 S) mangle es an ausreichenden Feststellungen zum relevanten Schaden. Mit dem von der G***-Bank gewährten Kredit sei der Ankauf eines Autos finanziert worden; zufolge Eigentumsvorbehalts sei das Auto zurückgenommen und verwertet worden, sodaß der Schaden höchstens mit 30.000 S anzunehmen gewesen wäre und auch nicht mit dem geltendgemachten und dem Privatbeteiligtenzuspruch zugrundegelegten Betrag von 68.079 S gleichzusetzen sei. Die Versicherungsanstalten hätten das Risiko nur für kurze Zeit zu tragen gehabt, sodaß sich der Schaden ebenfalls reduziere.

Der Beschwerde kommt Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Das Urteil läßt zu den bekämpften Fakten tatsächlich nicht erkennen, weshalb es dem Angeklagten welchen Schaden strafrechtlich anlastet. Im Faktum 4, dem eine Finanzierung eines Autoankaufes durch einen von der G***-Bank gewährten Kredit zugrundeliegt, wird im Urteilsspruch (auf den sich die Begründung pauschal bezieht) von der "Zuzählung eines Kredites über 94.489,79 S" (S 390) ausgegangen, welche Summe sich mit der zum Zeitpunkt der Anzeigeerstattung aushaftenden Kreditsumme deckt. Das Urteil trifft aber keinerlei Feststellungen zu der in der Anzeige ebenfalls aufgeworfenen Frage der Höhe des tatsächlich eingetretenen Schadens. Die G***-Bank war nämlich Vorhehaltseigentümerin des vom Angeklagten angeschafften Personenkraftwagens; sie konnte dieses Fahrzeug auch sicherstellen und verwerten, ohne daß dem Urteil (oder auch nur dem Akt) zu entnehmen wäre, wie hoch der Verkehrswert im Zeitpunkt der Verwertung war. Der in der Hauptverhandlung vernommene Zeuge Walter N*** erklärte zwar, "die offenen Raten betragen 68.079 S", welchen Betrag der Angeklagte auch anerkannte (S 386), schlüsselte diese (branchenüblich auch Spesen und Kosten beinhaltende) Summe aber nicht näher auf, sodaß sie - wie die Beschwerde ausdrücklich argumentiert - nicht ohneweiters mit der strafrechtlich relevanten Schadenssumme ident sein muß. Hinzu kommt, daß aus der einzigen Feststellung zur Schadenshöhe, wonach eine Gesamthöhe von 130.000 S bis 140.000 S anzunehmen ist (S 395), ebenfalls nicht hervorgeht, in welchem Faktum eine vom Urteilsspruch abweichende Schadensfeststellung getroffen wurde.

Tangieren die zum Faktum 4 aufgezeigten Feststellungsmängel allein schon die Wertgrenze des § 147 Abs. 3 StGB, bleibt das Gericht zu den Fakten 5 und 9 überhaupt jede Konkretisierung des Urteilssachverhaltes schuldig. Inhaltlich des Urteilsspruches schloß der Angeklagte am 24.Juni 1986 bei der A***-E***-Versicherungsanstalt für den angekauften Personenkraftwagen eine Haftpflichtversicherung ab und bezahlte die Prämie von 7.791,70 S nicht (5); am 13.November 1986 schloß er einen Vollkaskoversicherungsvertrag bei der Versicherungsanstalt E*** A*** ab, wobei der Schaden ebenfalls mit der Höhe der nichtbezahlten Erstprämie angenommen wurde (9).

Bei Prüfung der diesbezüglichen (zwar auch auf die Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO) gestützten, inhaltlich aber nur zur Schadenshöhe - im Hinblick auf das zeitlich beschränkte Risiko - erstatteten) Beschwerdeausführungen ist - teilweise von Amts wegen gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO - zu beachten, daß Betrug als Selbstschädigungsdelikt zur Voraussetzung hat, daß der Getäuschte jene Vermögensverfügung trifft (oder treffen soll), durch die er an seinem Vermögen einen effektiven (und nicht nur fiktiven) SChaden erleidet. Nach dem aus dem Urteilsspruch im Zusammenhalt mit der Anzeige (S 175 bis 179, 263 bis 265, 301 bis 305) erkennbaren Sachverhalt geht das Gericht davon aus, daß der Angeklagte unter der Vorgabe, ein zahlungswilliger und zahlungsfähiger Versicherungsnehmer zu sein, die jeweilige Versicherungsgesellschaft zur Übernahme eines Risikos verleitete, daß aber eine Versicherungsleistung nicht erbracht werden mußte. In der Übernahme eines Versicherungsrisikos allein liegt aber - ebenso wie bei einer Bürgschaftsübernahme - noch keine das Vermögen der Versicherung unmittelbar schädigende Verfügung, weil der Schaden erst dann tatsächlich eintritt, wenn die Versicherung auf Grund des (betrügerisch veranlaßten) Vertrages Leistungen erbringen muß (vgl. hiezu Liebscher im WK RN 19 bis 21, 27 zu § 146 StGB). Allerdings könnte, entsprechende Feststellungen zur subjektiven Tatseite und zur mangelnden Leistungsfreiheit des Versicherungsunternehmens vorausgesetzt, Versuch des Betruges vorliegen, weil die Täuschungshandlung bereits erfolgreich begangen wurde. Welcher Schaden in diesem Fall vom Vorsatz umfaßt war, bedürfte hiebei ebenfalls einer begründeten Konstatierung.

Auf Grund dieser Erwägungen stand bereits bei der nichtöffentlichen Beratung fest, daß zur Abklärung des strafrechtlich relevanten Schadens beim Faktum 4 und zur Feststellung des für eine abschließende strafrechtliche Beurteilung erforderlichen Sachverhalts bei den Fakten 5 und 9 die Neudurchführung der Hauptverhandlung in erster Instanz unumgänglich ist, weshalb das Urteil im Umfang der Anfechtung spruchgemäß kassiert werden mußte (§ 285 e StPO).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese auch den Strafausspruch aufhebende Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E11276

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0110OS00070.87.0624.000

Dokumentnummer

JJT_19870624_OGH0002_0110OS00070_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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