Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Karl H***, Kaufmann, Wien 15., Guntherstraße 13, vertreten durch Dr. Erich Leuthner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Inge W***, Krankenschwester, Wien 9., Lazarettgasse 14/A/1415, vertreten durch Dr. Robert Langer-Hansel, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 27.000,-- samt Anhang infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 27.Jänner 1987, GZ 45 R 780/86-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Liesing vom 25.Juli 1986, GZ 3 C 11/86-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Soweit die Revision die Abänderung des angefochtenen Urteiles dahin anstrebt, daß dem Kläger Zinsen zugesprochen werden, wird sie zurückgewiesen.
Im übrigen wird der Revision Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden, soweit über den Kapitalbetrag von S 27.000 abgesprochen wurde, und im Kostenpunkt aufgehoben; die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Prozeßgericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Prozeßkosten.
Text
Begründung:
Die Beklagte ist am 14.5.1965 geboren. Vom 14.9.1981 bis 13.9.1984 war sie Schwesternschülerin im Elisabethspital. Sie erhielt im (Schul-)Jahr 1982/83 ein monatliches Taschengeld von S 1.605 (14mal jährlich) und monatliche Sachbezüge im Wert von S 3.344,--, im (Schul-)Jahr 1983/84 Taschengeld von monatlich S 2.368 und Sachbezüge von S 4.108,--. Die Beklagte lernte den Kläger im Jahr 1983 kennen. Sie bat ihn, ihr durch Darlehen aus finanziellen Schwierigkeiten zu helfen, sie benötige Geld zur Abdeckung von Schulden, die sie bei Freunden hätte. Der Kläger gewährte ihr am 17.6.1983 ein Darlehen von S 28.000. Das Darlehen sollte in zehn monatlichen Raten zu S 2.800 ab 1.7.1983 zurückbezahlt werden. Die Beklagte verwendete das Darlehen zur Abdeckung von Schulden, die sie bei Freunden eingegangen war. Trotz mehrmaliger Stundung bezahlte die Beklagte bisher nur den Betrag von S 1.000 zurück.
Der Kläger begehrt den Zuspruch des Betrages von S 27.000 samt Anhang als Darlehensrückzahlung in eventu aus dem Titel der ungerechtfertigten Bereicherung. Der Beklagten wäre es möglich gewesen, ohne Gefährdung des eigenen Lebensunterhaltes die Darlehensraten zurückzuzahlen. Daß die Beklagte zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung minderjährig gewesen sei, habe dem Kläger nicht auffallen müssen; die Beklagte habe den Kläger über ihre Volljährigkeit getäuscht.
Die Beklagte wendete ein, sie sei zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung nicht geschäftsfähig gewesen, die Darlehenseinräumung sei rechtsunwirksam erfolgt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Ausnahme des Zinsenbegehrens statt. Die ohne Genehmigung des gesetzlichen Vertreters erfolgte Darlehensgewährung sei nichtig, dem Kläger stehe aber nach § 877 ABGB ein Bereicherungsanspruch zu. Der Empfänger der Leistung, in dessen Sphäre der Mangel der Einwilligung gelegen sei, habe zurückzustellen, was er zu seinem Vorteil erhalten habe. Für den geschäftsunfähigen Leistungsempfänger sei diese Rückerstattungspflicht dahin eingeschränkt, daß der Kondiktion nur unterliege, was im Vermögen des Empfängers noch vorhanden oder zu seinem Vorteil verwendet worden sei. Da die Beklagte den Darlehensbetrag zur Abdeckung eigener Schulden verwendet habe, sei das Darlehen zu ihrem Vorteil verwendet worden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es das gesamte Klagebegehren abwies. Die Revision ließ es zu. Es traf die ergänzende Feststellung, daß der Kläger vor Zuzählung des Darlehens Einsicht in den Reisepaß der Beklagten habe nehmen können. Ein haftungsbegründender Sachverhalt nach § 866 ABGB liege daher nicht vor. Bei Rechtsgeschäften Geschäftsunfähiger sei die Vorschrift des § 1424 ABGB analog anzuwenden, sodaß ohne Rücksicht auf die Redlichkeit bei Wegfall der Bereicherung ein Rückersatzanspruch nicht bestehe. Der Bereicherungsanspruch gehe lediglich auf das noch Vorhandene. Sei das Geld weder vorhanden noch zum Nutzen des geschäftsunfähigen Empfängers verwendet worden, so sei dieser auch bei vorhandener Deliktsfähigkeit zu Schadenersatz auch dann nicht verpflichtet, wenn er das Geld in Kenntnis der Ungültigkeit des Geschäftes wissentlich zu einer unnützen Ausgabe verwendet habe. Wegen der vom Erstgericht in seiner rechtlichen Beurteilung getroffenen Feststellung, das von der Beklagten empfangene Darlehen sei zur Abdeckung eigener Schulden verwendet worden, liege demnach eine noch vorhandene Bereicherung der Beklagten nicht mehr vor. Der Kläger wäre im übrigen für das Vorliegen der Voraussetzungen eines Kondiktionsanspruches beweispflichtig gewesen. Diesen Beweis habe der Kläger im Verfahren erster Instanz nicht angetreten. Da der Kläger nach dem Akteninhalt vom Mangel der Geschäftsfähigkeit Kenntnis haben hätte müssen, lägen die Voraussetzungen zur Geltendmachung eines Kondiktionsanspruches nach § 877 ABGB nicht vor.
Rechtliche Beurteilung
Da der Kläger die Abweisung des Zinsenbegehrens durch das Erstgericht in Rechtskraft erwachsen ließ, ist es ihm verwehrt, in dritter Instanz nunmehr den Zuspruch der Zinsen anzustreben. In diesem Umfang ist die Revision zurückzuweisen.
Im übrigen ist die Revision des Klägers berechtigt. Die geltend gemachte Nichtigkeit des Berufungsurteiles, die darin erblickt wird, daß das Berufungsgericht die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes überprüft hat, obwohl dieser Berufungsgrund nicht geltend gemacht worden sei, liegt nicht vor. Unter dem Berufungsgrund der mangelhaften Sachverhaltsfeststellung hatte die Beklagte gerügt, daß das Erstgericht es unterlassen habe herauszufinden, ob die von ihr mit dem Darlehen bezahlten Schulden klagbar und fällig gewesen seien. Auf unrichtige rechtliche Beurteilung zurückzuführende Feststellungsmängel fallen, wie der Kläger selbst in seiner Berufungsbeantwortung zutreffend ausführte, unter den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung (SZ 23/175 uva). Das Berufungsgericht war daher befugt und verpflichtet, die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes nach allen Seiten hin zu überprüfen.
Unberechtigt sind auch die Ausführungen der Revision, dem Klagebegehren wäre aus dem Rechtsgrund des Darlehens, allenfalls nach § 866 ABGB, stattzugeben gewesen. Die im Interesse des Schutzes von Minderjährigen einschränkend auszulegenden (SZ 56/16; SZ 55/24
ua) Voraussetzungen des § 151 Abs.2 ABGB liegen schon deshalb nicht vor, weil die Rückzahlungsraten höher als das Bareinkommen der Beklagten war. Der Kläger konnte auch in den Reisepaß der Beklagten Einsicht nehmen. Ein Vorbringen, die Beklagte habe zum Kläger listigerweise behauptet, sie beziehe ein solches Einkommen, daß sie für die Aufnahme des Darlehens geschäftsfähig gewesen wäre, wurde nicht erstattet.
Berechtigt könnte aber der Bereicherungsanspruch des Klägers sein. Beide Vorinstanzen gingen zutreffend davon aus, daß der Geschäftsunfähige Bargeld, das er aufgrund eines ungültigen Rechtsgeschäftes erhalten hat, nur dann zurückzahlen muß, wenn es bei ihm noch vorhanden oder zu seinem Vorteil verwendet worden ist (SZ 55/166; ZBl.1935/294; Koziol-Welser7I 380; Gschnitzer in Klang2 IV/1, 158; Wilburg in Klang2 VI 486; vgl. Ehrenzweig2 II/1, 74). Die Bereicherung fällt daher nicht fort, wenn mit den erhaltenen Geldbeträgen eigene rechtswirksam zustandegekommene und damit klagbare Schulden getilgt wurden (vgl. Thomas in Palandt46 883; Lieb in Münchener Kommentar2 § 818 BGB Rz 77). Dem Berufungsgericht kann aber nicht darin gefolgt werden, daß der Bereicherungskläger auch dafür beweispflichtig ist, daß die Beklagte das Geld nicht nur erhalten und für die Begleichung von Schulden verwendet hat, sondern auch dafür, daß dies zum Vorteil der Beklagten geschehen wäre, weil es sich um gültige und klagbare Verbindlichkeiten gehandelt habe. Aus den in den einzelnen materiellrechtlichen Vorschriften enthaltenen Beweislastregeln und gesetzlichen Vermutungen läßt sich der allgemeine Rechtssatz ableiten, daß jede Partei die Voraussetzungen der ihr günstigen Norm zu behaupten und zu beweisen hat (MietSlg.34.640 mwN). Soweit nicht abweichende Regeln eingreifen, trägt daher der Anspruchsteller die Beweislast für rechtsbegründende und der Anspruchsgegner für rechtsvernichtende und rechtshemmende Tatsachen (SZ 51/28; JBl 1975, 100 uva). Die Bereicherung hat demgemäß der Bereicherungskläger, den Wegfall der Bereicherung aber der Beklagte, auch wenn er geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist oder im maßgeblichen Zeitpunkt war, zu beweisen (Rosenberg, dessen Untersuchungen Holzhammer, Österr. ZPR2 248 auch für den österr. Rechtsbereich Beachtlichkeit zuerkennt, in Die Beweislast5 150; vgl. Baumgärtl-Strieder, Beweislast, § 818 BGB, Rz 12 unter Hinweis auf RG, JW 1917, 465; Lieb aaO Rz 82; Heimann-Trosien in BGB-RGRK12 § 812 Rz 120, § 818 Rz 51; Soergel-Mühl11 § 818 BGB Rz 99; Staudinger-Seufert10/11 § 818 BGB Rz 47).
Das Erstgericht stellte nur fest und hielt dies für seine rechtliche Beurteilung für ausreichend, die damals noch minderjährige Beklagte habe den Darlehensbetrag zur Abdeckung eigener Schulden, die sie bei Freunden aufgenommen gehabt habe, verwendet; daraus zog es den rechtlichen Schluß, es sei dies zum Vorteil der Beklagten geschehen. Diese rechtliche Beurteilung träfe aber, worauf die Beklagte schon in ihrer Berufung zutreffend hinwies, nur zu, wenn die Beklagte - eine Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters zur Eingehung dieser Schulden kommt nach der Aktenlage nach nicht in Betracht - diese Verbindlichkeiten im Rahmen der ihr nach § 151 Abs.2 ABGB zukommenden eigenen Geschäftsfähigkeit eingegangen wäre. Hätten die von der Beklagten eingegangenen Verbindlichkeiten auf im Sinne der §§ 865, 151 Abs.1 ABGB ungültigen Geschäften beruht, könnte hingegen nicht gesagt werden, daß die durch die noch Minderjährige vorgenommene Erfüllung derartiger ungültiger Verträge zu ihrem Vorteil gereicht hätte. Der Beweis, ungültige und unklagbare Verbindlichkeiten erfüllt zu haben und damit nicht bereichert zu sein, obliegt der Beklagten. Da das Erstgericht ausgehend von seiner vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsansicht, diese Frage nicht erörterte und darüber keine Feststellungen traf, das Berufungsgericht aber die Beweislastverteilung anders beurteilte, ist das Verfahren mangelhaft geblieben. Die Urteile der Vorinstanzen sind, soweit über den Kapitalbetrag von S 27.000 abgesprochen wurde, sowie im Kostenpunkt gemäß § 510 Abs.1 ZPO aufzuheben; die Rechtssache ist in diesem Umfang an das Prozeßgericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E11332European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00598.87.0624.000Dokumentnummer
JJT_19870624_OGH0002_0010OB00598_8700000_000