Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Kodek als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helmut Franz P***-F***, Professor, Wien 23., Rudolf Zeller-Gasse 29, vertreten durch Dr. Richard Heiserer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei V*** V***
Gesellschaft mbH, Wien 1., Trattnerhof 1, vertreten durch Dr. Otto Philip und Dr. Gottfried Zandl, Rechtsanwälte in Wien, wegen 1,050.000,-- S s.A., infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 27. März 1987, GZ 3 R 253/86-13, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 2.Oktober 1986, 34 Cg 96/86-9, aufgehoben wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 14.373,15 S (darin 1.306,65 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 48.235,90 S (darin 31.000 S Barauslagen und 1.566,90 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof binnen 14 Tage zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger hatte bei der Beklagten für seinen PKW W 210.630 eine Teilkaskoneuversicherung, der die Allgemeinen Bedingungen für die Kaskound Insassenunfallversicherung von Kraftfahrzeugen und Anhängern (AKIB) zugrunde lagen. Nach Art. 11 A) I 1 a dieser Bedingungen umfaßt die Versicherung die Beschädigung, die Zerstörung und den Verlust des Fahrzeuges und seiner unter Verschluß verwahrten oder an ihm befestigten Teile u.a. durch Brand oder Explosion. Der Versicherer ersetzt die erforderlichen Kosten der Wiederherstellung und die hiefür notwendigen einfachen Frachtund sonstigen Transportkosten.
Am 14.3.1983 wurde das Fahrzeug des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland durch einen Brand im Motorraum beschädigt. Nach den Klagsbehauptungen wandte sich der Kläger hierauf an die deutsche VVD Gesellschaft m.b.H., die die Interessen der Beklagten in Deutschland vertrete. Diese habe den Sachverständigen Ing. Hans S*** mit der Begutachtung des Fahrzeuges betraut. Dieser habe dem Kläger am 15.3.1985 erklärt, daß das Fahrzeug trotz des Motorbrandes noch fahrbereit sei und der Kläger ohne weiters zu seinem damaligen Aufenthaltsort in Würzburg und von dort zu einer Reparaturwerkstätte fahren könne. Dieser Ratschlag sei falsch gewesen. Tatsächlich sei das Fahrzeug auf der Strecke zum Stillstand gekommen, wodurch der Unfall verursacht worden sei. Sowohl die deutsche VVD Gesellschaft m. b.H., als auch Ing. Hans S*** seien Erfüllungsgehilfen der Beklagten gewesen, weshalb die Beklagte aus dem Titel des Schadenersatzes für die dem Kläger verursachten, mit 1,050.000 S behaupteten Schäden aufzukommen habe.
Während das Erstgericht die Rechtsansicht vertrat, der Ratschlag des Ing. Hans S*** habe mit dem Versicherungsvertrag nichts zu tun gehabt, weshalb eine Haftung der Beklagten für diesen Ratschlag nach § 1313 a ABGB nicht gegeben sei und daher das Klagebegehren abwies, hob das Berufungsgericht die erstgerichtliche Entscheidung unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es führte hiebei aus, grundsätzlich wäre es auch denkbar, daß es sich bei dem Einschreiten der VVD Gesellschaft m.b.H. in Deutschland sowie des Ing. Hans S*** um die Erfüllung von Nebenpflichten aus dem Versicherungsvertrag gehandelt habe. Diesfalls müsse die Beklagte grundsätzlich nach § 1313 a ABGB für eine verschuldete Schädigung des Klägers durch die beiden genannten Rechtssubjekte eintreten. Die Behauptung des Klägers über das Einschreiten der genannten Rechtssubjekte für die Beklagte müsse daher ebenso geprüft werden, wie ein allfälliges Verschulden des Ing. S*** und die Kausalität eines solchen Verschuldens für den Unfall.
Der von der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs ist gerechtfertigt.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 1313 a ABGB haftet, wer einem anderen zu einer Leistung verplfichtet ist, diesem für das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters sowie der Person, deren er sich zur Erfüllung bedient, wie für sein eigenes. Der Abschluß eines Vertrages läßt nun nicht bloß die Hauptpflichten entstehen, die für die betreffende Vertragstype charakteristisch sind, sondern erzeugt auch eine Reihe von Nebenpflichten, zu denen auch die Schutz- und Sorgfaltspflichten gehören. Der Schuldner hat die geschuldete Hauptleistung nicht nur zu erbringen, sondern er hat sie so sorgfältig zu bewirken, daß alle Rechtsgüter des Gläubigers, mit denen er in Berührung kommt, nach Tunlichkeit vor Schaden bewahrt und beschützt bleiben (SZ 47/72, JBl. 1985, 748 ua.). Zu den für den Vertrag typischen wesentlichen Hauptleistungspflichten treten in aller Regel Nebenleistungspflichten, welche die Vorbereitung und reibungslose Abwicklung der Hauptleistung ermöglichen sollen. Eine besonders wichtige Gruppe dieser Nebenleistungspflichten bilden die Schutz- und Sorgfaltspflichten. Die Vertragspartner haben die Erfüllungshandlung so zu setzen, daß der andere Teil weder an seiner Person noch an seinen Gütern geschädigt wird (SZ 57/205, SZ 51/26 ua.).
Bei der Beurteilung der Gehilfenhaftung können jedoch nur solche Umstände als Schutz- und Sorgfaltspflichten in Betracht gezogen werden, die im sachlichen Zusammenhang mit der Interessenverfolgung des Schuldners stehen. Ausgehend von der Grundidee des § 1313 a ABGB ist nämlich bei der Frage der Gehilfenhaftung der sachliche Zusammenhang mit der Interessenverfolgung zu prüfen. Es kommt allein darauf an, ob die Schädigung in Verbindung mit der Interessenverfolgung gegenüber dem Geschädigten entstanden ist. Haftungsration ist nämlich ausschließlich die Interessenverfolgung über dem Geschädigten (Reischauer in Rummel, Rdz 1 und Rdz 2 zu § 1313 a ABGB).
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß zwischen den Streitteilen ein Teilkaskoversicherungsvertrag besteht. Im Rahmen dieses Vertrages hat die Beklagte ausschließlich die Pflicht, dem Kläger Ersatz für Schäden an seinem Fahrzeug zu leisten. Zu einer aktiven Mitwirkung an der Behebung der Schäden bzw. zu einer technischen Beratung darüber, inwieweit das Fahrzeug trotz der Schäden noch betriebsfähig ist, ist die Beklagte nach dem Versicherungsvertrag nicht verpflichtet. Eine derartige Beratung steht in keinerlei Zusammenhang mit diesem Vertrag. Ein sachlicher Zusammenhang mit der Interessenverfolgung der Beklagten gegenüber dem Kläger besteht lediglich in der Feststellung der Schäden. Nur zu diesem Zweck wird die Beklagte einen Sachverständigen bestellen. Wendet sich der Versicherungsnehmer an den Sachverständigen mit Fragen, die mit dem Versicherungsvertrag in keinerlei Zusammenhang stehen, so ist der Sachverständige in dieser Hinsicht kein Erfüllungsgehilfe des Versicherers. Erteilt er die von ihm erbetenen Auskünfte, so handelt er nicht in Erfüllung der Vertragspflichten des Versicherers, und zwar nicht einmal in Erfüllung von Schutz- und Nebenpflichten. Kommt der Versicherungsnehmer durch einen schlechten Rat des Sachverständigen, der vom Versicherer zu einem ganz anderen Zweck bestellt wurde, zu Schaden, so wurde er nicht durch Erfüllungshandlungen, sondern äußerstenfalls nur gelegentlich der Erfüllung geschädigt. Der zur Erfüllung verpflichtete Schuldner haftet jedoch nicht für den von einem Gehilfen nur gelegentlich der Erfüllung verschuldeten Schaden (ZVR 1982/266, SZ 48/107 ua.). Auch Aufklärungspflichten der Beklagten können dem Versicherungsvertrag nicht einmal als Nebenpflichten entnommen werden. Die Beklagte hat, wie bereits dargelegt wurde, nur nachträglich für Schäden an dem Kraftfahrzeug aufzukommen. Daß aber Ing. S*** dem Kläger irgendeine Weisung der Beklagten erteilt hätte, die dieser ausführen hätte müssen, wurde vom Kläger nicht einmal behauptet.
Es ergibt sich sohin, daß der Klagsanspruch schon nach dem Klagsvorbringen keinesfalls im § 1313 a ABGB Deckung finden kann. Eine andere Haftungsgrundlage ist aber weder dem Klagsvorbringen zu entnehmen, noch nach diesem Vorbringen denkbar.
Da die Sache im Sinne der Entscheidung des Erstgerichtes spruchreif ist, hatte der Oberste Gerichtshof gemäß § 519 Abs. 2 ZPO die erstgerichtliche Entscheidung wieder herzustellen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E11465European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0070OB00033.87.0625.000Dokumentnummer
JJT_19870625_OGH0002_0070OB00033_8700000_000