TE OGH 1987/6/25 6Ob608/87

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Veröffentlicht am 25.06.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als Richter in der Pflegschaftssache des mj. Ümit E***, geboren am 10. November 1984, vertreten durch seinen Vater Hasan E***, Arbeiter, 3100 St. Pölten, Daniel Gran-Straße 31, dieser vertreten durch Dr. Hans Kaska, Rechtsanwalt in St. Pölten, infolge Revisionsrekurses des mj. Kindes gegen den Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgerichtes vom 11. März 1987, GZ. R 5/87-18, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 10. Dezember 1986, GZ. 1 P 7/86-15, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden - soweit sie über den Antrag auf Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von 2.000 S durch den mütterlichen Großvater Yüksel S*** abgesprochen haben - aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Der am 10.November 1984 geborene Ümit E*** ist das eheliche Kind der türkischen Staatsbürger Hasan und Nihal E*** und selbst türkischer Staatsbürger. Die Ehe der Eltern besteht aufrecht, wenngleich die häusliche Gemeinschaft seit Oktober 1985 aufgehoben ist. Seit Dezember 1985 befindet sich die Mutter in der Türkei und seit diesem Zeitpunkt lebt der mj. Ümit E*** im Haushalt seines Vaters in St. Pölten, Daniel Gran-Straße 31.

Soweit für das Rechtsmittelverfahren noch von Interesse, stellte der Minderjährige, vertreten durch seinen ehelichen Vater, am 11. September 1986 den Antrag, den mütterlichen Großvater Yüksel S*** zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von 2.000 S zu verhalten. Sein Vater sei nämlich berufstätig und müsse ihn durch eine Nachbarin beaufsichtigen lassen, für die er monatlich 2.000 S zu bezahlen habe, dies bei einem monatlichen Einkommen als Arbeiter der Firma M*** S*** in St. Pölten-Wagram von ca. 8.000 S und einer Sorgepflicht für drei weitere Kinder aus einer früheren Ehe. Die Mutter des Minderjährigen befinde sich in der Türkei und sei nicht in der Lage, einer Berufstätigkeit nachzugehen. Der väterliche Großvater sei bereits verstorben, die väterliche Großmutter lebe in der Türkei von einer geringfügigen Pension. Die mütterlichen Großeltern lebten in Statzendorf. Die mütterliche Großmutter führe den Haushalt, der mütterliche Großvater Yüksel S*** verdiene als Arbeiter der E*** G*** A***

Gesellschaft mbH in St. Pölten monatlich durchschnittlich zumindest 12.000 S netto.

Das Erstgericht wies den Unterhaltsantrag des Minderjährigen ohne weitere Erhebungen allein auf der Grundlage seines Vorbringens, wonach weder er noch seine Eltern österreichische Staatsbürger seien, ab. Diese "Abweisung" wurde damit begründet, daß das Erstgericht gemäß § 24 IPR-Gesetz und § 1 AußStrG unzuständig sei. Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs nicht Folge. Es führte aus, wenngleich das Erstgericht auf Grund des Übereinkommens über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht, BGBl. Nr. 293/1961 in Verbindung mit BGBl. Nr. 295/1961, über den Unterhaltsantrag des noch nicht 21 Jahre alten Kindes mit gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich zu entscheiden gehabt hätte, so sei dessen Abweisung im Ergebnis doch gerechtfertigt. Nach dem genannten Übereinkommen sei nämlich für den gestellten Unterhaltsbemessungsantrag österreichisches Recht anzuwenden. Danach seien aber gemäß § 140 ABGB primär die Eltern zur Deckung der Bedürfnisse des Kindes nach ihren Kräften anteilig verpflichtet. Eine subsidiäre Unterhaltsverpflichtung der Großeltern trete nach § 141 ABGB nur dann ein, wenn die Eltern nach ihren Kräften zur Unterhaltsleistung nicht imstande wären. Diese Unfähigkeit zur Alimentierung der Kinder müsse beide Elternteile betreffen. Die subsidiäre Unterhaltspflicht der Großeltern trete nur insoweit ein, als die Eltern unfähig seien, ihrer Unterhaltspflicht nachzukommen, was nicht schon dann der Fall sei, wenn die erwerbsfähigen Eltern (oder ein Elternteil) ihrer (seiner) Unterhaltspflicht nur faktisch nicht entsprächen oder wenn die exekutive Hereinbringung des Unterhaltes unmöglich sei, verzögert werde oder sonst auf Schwierigkeiten stoße. Derartige Umstände seien aber nach der Aktenlage nicht erkennbar, wo doch der Vater selbst zugestanden habe, über ein monatliches Einkommen von 8.000 S zu verfügen.

Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Wenngleich nur die Anfechtungsgründe einer offenbaren Gesetz- und Aktenwidrigkeit geltend gemacht werden, so liegt doch kein außerordentlicher Revisionsrekurs nach § 16 Abs.1 AußStrG vor, weil das Rekursgericht den angefochtenen Beschluß des Erstgerichtes nur scheinbar bestätigt hat. Dieses hat nämlich den Unterhaltsbemessungsantrag wegen Unzuständigkeit "abgewiesen", das heißt es hat sich in der Entscheidungsform offenbar vergriffen, weil aus diesem Grunde eine Zurückweisung des Antrages hätte erfolgen müssen. Das Rekursgericht hat mit seiner Entscheidung die Zuständigkeit des Erstgerichtes zwar implizit bejaht, dem Rekurs aber keine Folge gegeben, weil der Antrag auch meritorisch abzuweisen gewesen wäre. Es hat daher den erstgerichtlichen Beschluß nur scheinbar bestätigt, in Wahrheit aber die erfolgte Zurückweisung des Antrages durch das Erstgericht im Sinne einer Antragsabweisung abgeändert (vgl. EvBl. 1959/201).

Ungeachtet dessen sind gemäß § 14 Abs.2 AußStrG Rekurse gegen Entscheidungen der zweiten Instanz über die Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche überhaupt unzulässig. Nach dem Judikat 60 neu (SZ 27/177) gehört zur Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes die Beurteilung der Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten, der zur Deckung dieser Bedürfnisse vorhandenen Mittel, die vor der Leistung des Unterhaltspflichtigen heranzuziehen sind, sowie die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen. Um eine bloße Unterhaltsbemessungsfrage handelt es sich demnach, wenn bei Streit nur das Ausmaß, das Mehr oder Weniger einer Unterhaltsverpflichtung, betroffen wird (SZ 51/110; EFSlg. 47.142 ua). Der Oberste Gerichtshof vertritt auch in ständiger Rechtsprechung die Rechtsansicht, daß die Frage, ob und inwieweit die subsidiär Unterhaltspflichtigen mit Rücksicht auf die Leistungen oder mangelnden Leistungen des Vorverpflichteten zur Beitragsleistung herangezogen werden können, dem Bemessungskomplex zuzuordnen sei (SZ 51/110; SZ 54/52; EFSlg. 47.164 und die dort zitierten weiteren Entscheidungen). Hingegen gehört zum Grund des Anspruches und nicht zum Bemessungskomplex die Frage, unter welchen Voraussetzungen das Subsidiaritätsprinzip überhaupt zum Tragen kommt (SZ 51/110; SZ 54/52; EFSlg. 47.180 ua).

Die im vorliegenden Fall zu entscheidende Frage, ob und inwieweit dem antragstellenden Minderjährigen ein subsidiärer Unterhaltsanspruch gegen seinen mütterlichen Großvater zusteht, wäre in diesem Sinne nur dann eine Frage der Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes, wenn lediglich aus den festgestellten Verhältnissen nach dem Ermessen des Gerichtes auf die Höhe des Anspruches zu schließen wäre. Es kann auch keine Bemessungsfrage sein, wenn gerügt wird, daß das Rekursgericht aktenwidrig die Existenz von weiteren Kindern aus einer früheren Ehe nicht berücksichtigt und die Sorgepflichten des Vaters für diese Kinder nicht in seine Ermessenserwägungen einbezogen habe (vgl. SZ 49/95). Tatsächlich hat das Rekursgericht einen subsidiären Unterhaltsanspruch des Minderjährigen gegenüber seinem mütterlichen Großvater verneint, ohne hiebei jedoch die wesentlichen Komponenten der Lebensverhältnisse sämtlicher Beteiligter zu berücksichtigen (vgl. NZ 1986, 161). Daraus folgt bereits, daß die vom Rechtsmittelwerber erhobenen Rügen nicht die Unterhaltsbemessung im Rahmen eines richtig festgestellten Sachverhaltes, sondern die Voraussetzungen der subsidiären Unterhaltsverpflichtung des mütterlichen Großvaters an sich betreffen, weshalb sie gemäß § 14 Abs.2 AußStrG von der Geltendmachung in einem Revisionsrekurs nicht ausgeschlossen sind. Feststellungen über die an sich richtig dargestellten Anspruchsvoraussetzungen wurden nämlich überhaupt nicht getroffen. Das Rekursgericht ist zwar von einem Zugeständnis des ehelichen Vaters des Antragstellers ausgegangen, daß sein monatliches Einkommen 8.000 S betrage. Es hat aber in keiner Weise berücksichtigt, daß der Vater nach dem Antragsvorbringen auch noch für drei weitere Kinder aus einer früheren Ehe sorgepflichtig sei. Ebensowenig liegen Feststellungen darüber vor, ob und welche Mittel der Mutter des Antragstellers zur Deckung seiner Bedürfnisse zur Verfügung stehen oder doch bei Anspannung "nach Kräften" (§ 141 ABGB) erzielt werden könnten. Dasselbe gilt für die Vermögensverhältnisse und die Beitragsfähigkeit der väterlichen Großmutter und der mütterlichen Großeltern, welche gleichermaßen ungeprüft geblieben sind.

Die Rechtssache war daher im Umfang des noch streitverfangenen Unterhaltsantrages gegenüber dem mütterlichen Großvater an das Erstgericht zur Ergänzung des Verfahrens (insbesondere durch Erhebung der Gesamtbedürfnisse des Antragstellers und der Lebens- und Einkommensverhältnisse seiner Eltern, der väterlichen Großmutter sowie der mütterlichen Großeltern) zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.

Anmerkung

E11185

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0060OB00608.87.0625.000

Dokumentnummer

JJT_19870625_OGH0002_0060OB00608_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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