Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Kodek als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*** A*** V***-AG, Wien 1., Rotenturmstraße 16-18, vertreten durch Dr. Otto Philp und Dr. Gottfried Zandl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Alfred S***, Elektromechaniker, Wien 14., Linzerstraße 154/6/10, vertreten durch Dr. Wolfgang Kluger, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 23.000,-- s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 18. Februar 1987, GZ 42 R 61/87-32, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hietzing vom 20. September 1986, GZ 6 C 2066/84-27, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, dem Beklagten die mit S 2.959,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 240,-- Barauslagen und S 247,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte war am 24. Mai 1984 Eigentümer des PKW, polizeiliches Kennzeichen W 334.239, mit dem er an diesem Tage einen Unfall verschuldete. Hiebei erlitt das Fahrzeug Schäden, für die die Klägerin, als Kaskoversicherer, S 23.000,-- an Erika M*** bezahlen mußte. Erika M*** hatte dem Beklagten Kredite von insgesamt S 20.000,-- gewährt, wofür der Beklagte das Fahrzeug an sie verpfändete. Erika M*** hatte bei der Klägerin eine Kraftfahrversicherung mit einer Vertragsdauer vom 29. Oktober 1981 bis 29. Oktober 1991 abgeschlossen, die unter anderem folgenden Wortlaut aufwies: "Der Versicherer gewährt Vollkaskoversicherungsschutz für die von der Versicherungsnehmerin zu nominierenden PKW und Kombi bis zur Höhe der für das jeweilige KFZ zu vereinbarenden Versicherungssumme. Vertragsgrundlage sind die allgemeinen Bedingungen für die Kasko- und Insassenunfallversicherung (AKIB), wobei die Streichung des Art. 13 AKIB vereinbart wird. Die Selbstbeteiligung im Sinne des Art. 14 AKIB beträgt pro Schadensereignis S 2.000,--. Die einzelnen zu versichernden Fahrzeuge werden von der Versicherungsnehmerin mittels durchlaufend nummerierten Deckungsblockabrisses unter Angabe von Fabrikat, Type, Fahrgestellnummer, Kennzeichen, Baujahr, Laufzeit, Versicherungssumme und Zeitpunkt der Aufnahme täglich dem Versicherer gemeldet. Die Prämien richten sich nach der Höhe der Versicherungssumme gemäß nachstehendem Schema." Von Erika M*** wurde der Klägerin das Fahrzeug des Klägers unter Nennung dessen Namens sowie der oben aufgezeigten Daten und einer Versicherungssumme von S 15.000,-- bzw. S 25.000,--
für Zeiten, in die auch der Unfallstag fällt, genannt. Die Prämien wurden jeweils für den Beklagten zur Einzahlung gebracht. Nicht festgestellt werden konnte, daß der Unfall auf eine für den Beklagten erkennbare Übermüdung zurückzuführen war. Während das Erstgericht dem auf § 67 VersVG gestützten Klagebegehren mit der Begründung stattgab, versichert sei lediglich Erika M***, nicht aber der Beklagte gewesen, weshalb infolge Verschuldens des Beklagten am Unfall an diesem Regreß genommen werden könne, wies das Berufungsgericht das Klagebegehren ab und erklärte die Revision für zulässig. Es vertrat die Rechtsansicht, in der Kaskoversicherung sei regelmäßig das Interesse des Eigentümers des Kraftfahrzeuges versichert. Demnach habe die Klägerin Leistungen für den Versicherten erbracht und könne nicht nach § 67 VersVG Regreß an diesem nehmen. Da eine für den Beklagten erkennbare Übermüdung nicht festgestellt worden sei, liege auch der auf § 61 VersVG gestützte, von der Klägerin geltend gemachte Grund für ihre Regreßforderung nicht vor.
Die von der Klägerin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.
Rechtliche Beurteilung
Unbestritten ist, daß gemäß § 67 VersVG vom Versicherer Regreß nur an einem Dritten, nicht aber an einem Versicherten genommen werden kann, weshalb sich dazu weitere Ausführungen erübrigen. Richtig ist, daß nach § 80 Abs. 1 VersVG die Vermutung dafür spricht, daß eine Versicherung für eigene Rechnung genommen wurde. Diese Vermutung ist jedoch schwach und kann leicht durch die Umstände oder "sonst" widerlegt werden, also durch den erkennbaren Willen des Versicherungsnehmers, auch fremdes Interesse zu versichern (Prölss-Martin VVG23, 464, Bruck-Möller-Sieg II8 Anm. 1 zu § 80). In Verbindung mit § 52 VersVG geht § 80 VersVG grundsätzlich vom Eigentumsinteresse aus (Bruck-Möller-Sieg a.a.O. Anm. 1 zu § 80). Bei der genannten Bestimmung handelt es sich um eine widerlegbare Auslegungsregel (Bruck-Möller-Sieg a.a.O. Anm. 3 zu § 80). Will also der Kontrahent des Versicherers als Beherrscher fremden Interesses auftreten und ist dem Versicherer gleichgültig, ob das zu deckende Interesse bei seinem Kontrahenten oder bei einem Dritten liegt, so ist das Interesse des Dritten gedeckt (Bruck-Möller-Sieg a.a.O. Anm. 5 zu § 80). Bei der Kaskoversicherung ist es dem Versicherer grundsätzlich gleichgültig, ob das zu deckende Interesse bei seinem Kontrahenten oder bei dem von diesem verschiedenen Eigentümer des Kraftfahrzeuges liegt. Demnach ist jedenfalls regelmäßig das Interesse des Eigentümers am Sachwert des Fahrzeuges versichert (Petrasch, Probleme der Kaskoversicherung ZVR 1979, 322, VersR 1984, 548, ZVR 1976/298, ZVR 1976/111 u.a.). Im Falle der Kaskoversicherung eines fremden Fahrzeuges, die der Versicherungsnehmer für Rechnung des Eigentümers abschließt, handelt es sich demnach um eine Fremdversicherung, auf die die §§ 74 ff VersVG Anwendung finden (vgl. Stiefel-Hoffmann, Kraftfahrzeugversicherung13 Anm. 2 zu § 12 AKB). Daß hiebei auch Interessen des Versicherungsnehmers berührt werden, spielt keine Rolle, weil in solchen Fällen eben auch das Interesse des Versicherungsnehmers mitversichert ist (Stiefel-Hoffmann a.a.O. Anm. 2 zu § 12 AKB, Prölss-Martin a.a.O., 464). Geht man also davon aus, daß bei der Kaskoversicherung regelmäßig das Sachinteresse des Eigentümers des Kraftfahrzeuges versichert ist, so liegen bei derartigen Versicherungen Umstände vor, die die Auslegungsregel des § 80 Abs. 1 VersVG nach der dort gemachten Einschränkung widerlegen. In einem solchen Fall müßte daher derjenige, der behauptet, daß ausnahmsweise das Sachinteresse des Eigentümers des Kraftfahrzeuges nicht versichert ist, den Beweis für diese Behauptung erbringen. Die Verneinung des Regelfalles wird meist voraussetzen, daß der Nachweis des Fehlens jegliches Interesses des Sacheigentümers an der Versicherung gelingt. Davon kann hier keine Rede sein. Es liegt auf der Hand, daß ein Interesse des Beklagten daran bestanden haben muß, die von ihm zu erbringende Deckung für den aufgenommenen Kredit nicht zu verlieren, vielmehr die Beschädigung des Fahrzeuges durch eine entsprechende Versicherungsleistung ausgeglichen wird. Daß daneben auch Interessen des Versicherungsnehmers gedeckt wurden, spielt keine Rolle, weil durch eine Kaskoversicherung auch mehrere Interessen gedeckt werden können, so daß in derartigen Fällen eben von einer Mitversicherung auszugehen ist. Ferner läßt auch der Umstand, daß die Versicherungssumme dem vom Beklagten aufgenommenen Kredit angeglichen wurde, ein fehlendes Interesse des Beklagten an der Versicherung nicht erkennen, weil die Verpflichtung zu einer Kreditrückzahlung eine zusätzliche Belastung darstellt. Die Kaskoversicherung diente daher der Deckung dieser zusätzlichen Belastung.
Richtig hat demnach das Berufungsgericht erkannt, daß die Klägerin nicht gestützt auf § 67 VersVG Regreß am Beklagten nehmen kann. Was die Geltendmachung des § 61 VersVG als Klagsgrund anlangt, so hat die Klägerin ihren diesbezüglichen Anspruch ausschließlich auf die Behauptung gestützt, der Beklagte habe den Versicherungsfall dadurch grob fahrlässig herbeigeführt, daß er in einem für ihn erkennbaren übermüdeten Zustand das Fahrzeug gelenkt hat. Eine derartige Feststellung wurde vom Berufungsgericht nicht getroffen. Das Berufungsgericht konnte nicht einmal feststellen, daß der Unfall überhaupt auf eine Ermüdung des Beklagten zurückzuführen war. Die Ausführungen der Revision zu diesem Punkt gehen nicht von den festgestellten Tatsachen aus, so daß sie unbeachtlich sind. Geht man aber von den getroffenen Feststellungen aus, so ist der Klägerin der Beweis für ihre vorgenannte Behauptung nicht gelungen, weshalb ihr Begehren auch aus diesem Rechtstitel nicht gerechtfertigt ist. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E11467European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0070OB00031.87.0625.000Dokumentnummer
JJT_19870625_OGH0002_0070OB00031_8700000_000