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41 Innere AngelegenheitenNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch Anordnung der polizeilichen Überwachung einer Veranstaltung aufgrund des Sicherheitspolizeigesetzes; verfassungswidrige Gesetzesauslegung infolge Kompetenzüberschreitung aufgrund fehlender Darlegungen hinsichtlich der Erforderlichkeit der Überwachung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit; Veranstaltungspolizei in der Kompetenz der LänderSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit S 17.500,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Mandatsbescheid vom 20.5.1999 ordnete die Bezirkshauptmannschaft M die Überwachung einer vom Beschwerdeführer für den 23.5.1999 geplanten (und laut Beschwerdevorbringen von der Niederösterreichischen Landesregierung bewilligten) Veranstaltung ("Party für Jugendliche") durch vier Organe der Bundesgendarmerie gemäß §§27a, 48a SPG iVm §57 AVG an.
Die dagegen erhobene Vorstellung wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft M vom 28.12.1999 als unbegründet abgewiesen.
Gegen diese Entscheidung erhob der Beschwerdeführer Berufung an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich, der mit Bescheid vom 19.7.2000 keine Folge gegeben wurde. Begründend führte die belangte Behörde aus, daß bei einer früheren gleichartigen Veranstaltung des Beschwerdeführers einige der im damaligen Bewilligungsbescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde U vorgeschriebenen Auflagen (insb. die höchstzulässige Personenzahl) nicht eingehalten worden seien. Es sei daher davon auszugehen gewesen, daß es auch bei der nun gegenständlichen Veranstaltung wieder zu "Verstößen gegen die geltenden Vorschriften" kommen würde, weshalb die Überwachung zwingend anzuordnen gewesen sei.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B-VG) infolge Willkür behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird. Die Beschwerde rügt insbesondere die inhaltliche Unrichtigkeit der von der belangten Behörde angestellten Zukunftsprognose betreffend die Erforderlichkeit der Überwachung.
3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch abgesehen.
II. 1. Die zur Beurteilung des vorliegenden Falles maßgebenden Rechtsvorschriften des Sicherheitspolizeigesetzes - SPG, BGBl. 566/1991, idF des Bundesgesetzes BGBl. 201/1996, lauten wie folgt:
"4. Hauptstück
Besonderer Überwachungsdienst
§27a. Den Sicherheitsbehörden obliegt im Rahmen des Streifen- und Überwachungsdienstes (§5 Abs3) die besondere Überwachung gefährdeter Vorhaben, Menschen oder Sachen in dem Maße, in dem der Gefährdete oder der für das Vorhaben oder die Sache Verantwortliche nicht bereit oder in der Lage ist, durch zumutbare Vorkehrungen den erforderlichen Schutz zu gewährleisten und die dadurch entstehende Gefahr im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit nicht hingenommen werden kann.
...
Anordnung von Überwachungen
§48a. Soferne eine besondere Überwachung im Rahmen des Streifen- und Überwachungsdienstes nach §27a erforderlich ist und die Voraussetzungen für die Einhebung der Überwachungsgebühren (§5a Abs1) vorliegen, hat die Sicherheitsbehörde die Überwachung von Amts wegen oder auf Antrag desjenigen, der das Vorhaben durchführt, mit Bescheid anzuordnen."
2. Die die Überwachung von Veranstaltungen regelnden Bestimmungen des NÖ Veranstaltungsgesetzes, LGBl. 7070, lauten folgendermaßen:
"§16
Behördliche Aufträge,
Überwachung der Veranstaltungen
(1) Die Behörde, die für die Erteilung der Bewilligung oder für die Entgegennahme der Anmeldung zuständig ist, hat mit Bescheid jene Aufträge zu erteilen, die nach diesem Gesetz oder nach den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften notwendig oder die zum ordnungsgemäßen Ablauf der Veranstaltung erforderlich sind. Veranstalter, Pächter und Geschäftsführer haben diese Aufträge genau zu befolgen.
(2) Die Abhaltung von Veranstaltungen ist darauf zu überwachen, daß die Bestimmungen dieses Gesetzes, die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen und Bescheide sowie die gesundheits-, bau-, feuer- und sicherheitspolizeilichen sowie betriebstechnischen Erfordernisse beachtet werden.
(3) Die Überwachung bewilligungspflichtiger Veranstaltungen obliegt
a) im Hinblick auf die örtliche Gesundheits-, Bau- und Feuerpolizei der Gemeinde;
b) im Hinblick auf die örtliche Sicherheitspolizei der Gemeinde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde dieser;
c) in betriebstechnischer Hinsicht, soweit es sich um Theatergebäude und deren Einrichtung handelt, der Landesregierung;
d) in betriebstechnischer Hinsicht, soweit es sich um ortsfeste, nicht mit besonderen technischen Einrichtungen ausgestattete Betriebsstätten oder Betriebseinrichtungen handelt, der Gemeinde, ansonsten der Bezirksverwaltungsbehörde;
e) im übrigen der Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde dieser.
(4) Die Überwachung anmeldepflichtiger Veranstaltungen obliegt der Gemeinde. Im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde obliegt die Überwachung anmeldepflichtiger Veranstaltungen dieser, soweit es sich nicht um die Überwachung in betriebstechnischer, bau- und feuerpolizeilicher Hinsicht handelt.
(5) Die Kosten der Überwachung, soweit sie nicht durch öffentliche Sicherheitsorgane besorgt wird, sind vom Veranstalter zu tragen.
§17
Besondere Anordnungen
(1) Wird eine Veranstaltung ohne Bewilligung, ohne Anmeldung, trotz ihrer Untersagung oder trotz eines Verbotes nach §21 abgehalten, so hat die für die Überwachung von Veranstaltungen dieser Art zuständige Behörde den Auftrag zu erteilen, die Veranstaltung sofort zu beenden.
(2) Falls von einer für die Überwachung zuständigen Behörde Mängel der Betriebsstätte oder der Betriebseinrichtung festgestellt werden, hat sie entweder dem Inhaber der Betriebsstätte aufzutragen, diese Mängel binnen einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist zu beheben oder - wenn dies geboten erscheint - die Veranstaltung bis zur Behebung der Mängel zu untersagen.
(3) Die Organe der öffentlichen Sicherheit haben ohne weiteres Verfahren den Auftrag zu erteilen, eine Veranstaltung sofort zu beenden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder zur Abwendung unmittelbar drohender Gefahren notwendig ist.
(4) In den Fällen der Absätze 1 und 3 sowie einer Untersagung nach Absatz 2 haben die Besucher die Veranstaltung ohne Verzug zu verlassen. Im Falle des Ungehorsams können zur Räumung des Veranstaltungsortes Zwangsmittel angewendet werden.
(5) Den Überwachungsorganen, die sich als solche ausweisen, ist der freie Zutritt zur gesamten Betriebsstätte zu gestatten. Bei der Durchführung der Überwachung soll jedoch eine Störung der Veranstaltung vermieden werden. Für die mit der Überwachung betrauten Organe sind bei Veranstaltungen, bei denen den Besuchern Sitzplätze zur Verfügung stehen, vom Veranstalter zwei Sitzplätze, von denen aus der Zuschauerraum und die Veranstaltung genau beobachtet werden können, unentgeltlich zur Verfügung zu stellen."
III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10.337/1985, 11.436/1987).
2. Die belangte Behörde begründete die Anordnung der Überwachung der Veranstaltung damit, daß bei einer früheren Veranstaltung des Beschwerdeführers einige der im Bewilligungsbescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde U erteilten Auflagen nicht eingehalten worden seien. Insbesondere sei die höchstzulässige Personenzahl überschritten und der Ein- und Ausgang in den Veranstaltungssaal durch Heurigentische verstellt worden. Aufgrund dieses Umstandes sei auch bei der Veranstaltung vom 23.5.1999 mit "erheblichen Verstößen gegen die geltenden Vorschriften" zu rechnen gewesen, weshalb die Anordnung der Überwachung gemäß §27a iVm §48a SPG notwendig gewesen sei.
3.1. §27a SPG überträgt den Sicherheitsbehörden die Überwachung gefährdeter Vorhaben, soweit der dafür Verantwortliche nicht bereit oder in der Lage ist, durch zumutbare Vorkehrungen den erforderlichen Schutz zu gewährleisten und die dadurch entstehende Gefahr im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit nicht hingenommen werden kann. Dies gilt nur insoweit, als nicht bloß Angelegenheiten der örtlichen Sicherheitspolizei berührt sind (Art10 Abs1 Z7 B-VG iVm §3 SPG).
3.2. Inwieweit die angeordnete Überwachung der Veranstaltung eine Angelegenheit der allgemeinen Sicherheitspolizei darstellt, also im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit gelegen ist, hat die belangte Behörde jedoch in keiner Weise dargetan.
Vielmehr hat sie ihre Anordnung lediglich mit der Überwachung der Einhaltung der veranstaltungsrechtlichen Bestimmungen begründet. Bei einer solchen Maßnahme handelt es sich jedoch nicht um eine Angelegenheit der allgemeinen Sicherheitspolizei, sondern um eine, die der Verwaltungsmaterie des Veranstaltungswesens zuzuordnen ist. Der Umstand allein, daß die Gefahrenabwehr der Sicherheit der bei der Veranstaltung anwesenden Personen dient, bewirkt nicht, daß die Maßnahme zu einer sicherheitspolizeilichen wird (vgl. VfSlg. 7219/1973). Die Kompetenz zur Regelung der Veranstaltungspolizei obliegt in Gesetzgebung und Vollziehung dem gemäß Art15 B-VG für Angelegenheiten des Veranstaltungswesens zuständigen Landesgesetzgeber (s. §§16 und 17 NÖ VeranstaltungsG; vgl. auch Art15 Abs3 und Art118 Abs3 Z3 B-VG).
3.3. Dadurch, daß die belangte Behörde einen auf §27a iVm §48a SPG gestützten Bescheid erlassen hat, ohne darzulegen, weshalb die Anordnung der Überwachung überwiegend zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit erforderlich war, hat sie diesen Bestimmungen einen verfassungswidrigen, die Grenzen der Kompetenz des Bundesgesetzgebers überschreitenden Inhalt unterstellt und den Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.
Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.
IV. 1. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG; in den zugesprochenen Kosten ist die entrichtete Eingabegebühr gemäß §17a VerfGG in Höhe von S 2.500,-- sowie Umsatzsteuer in Höhe von
S 2.500,-- enthalten.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Kompetenz Bund - Länder Polizeirecht, Kompetenz Bund - Länder Veranstaltungspolizei, Polizei, Sicherheitspolizei, VeranstaltungswesenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:B1499.2000Dokumentnummer
JFT_09989075_00B01499_00