TE OGH 1987/7/1 9ObS5/87

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Veröffentlicht am 01.07.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Rudda und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Johann K***, Hilfsarbeiter, Salzburg, Goethestraße 17, vertreten durch Dr. Peter Cardona, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei A*** U***, Wien 20.,

Adalbert-Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr. Adolf Fiebich und Dr. Vera Kremslehner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Gewährung einer Versehrtenrente, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3. Februar 1987, GZ. 12 Rs 12/87-11, womit das Zwischenurteil des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für Salzburg in Salzburg vom 19. September 1986, GZ. 2 h C 36/86-6, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Am 14. Oktober 1985 fuhr der Kläger mit seinem Moped am Morgen von seiner Wohnung in der Goethestraße in Salzburg ab, um seinen Arbeitsplatz, eine Baustelle in der Teisenberggasse, zu erreichen. Zu diesem Zweck mußte er die Aiglhofkreuzung passieren und nach rechts in Richtung Maxglan abbiegen. An dieser Kreuzung liegt rechts aus der Sicht des Klägers eine Tankstelle. Als der Kläger zur Kreuzung kam, zeigte die Ampel für ihn rotes Licht. Er entschloß sich daher, sein Fahrzeug aufzutanken, obwohl dies für die Rückfahrt geplant war. Der Kläger verließ die Rudolf-Biebl-Straße und fuhr auf das anschließende Tankstellengelände. Dort kam es zu einem Zusammenstoß mit dem PKW des Rudolf G***, wobei der Kläger schwer verletzt wurde. Er erlitt aus dem Unfall eine Minderung der Erwerbsfähigkeit, die drei Monate nach dem Unfall zumindest 20 v.H. erreichte. Die Fahrt zum Tankstellengelände hätte den Weg des Klägers zur Arbeit nicht verlängert, da sich bei Ausfahrt aus der Tankstelle eine Abkürzung ergeben hätte.

Der Kläger begehrt die Bezahlung einer Versehrtenrente im Ausmaß von 30 v.H. der Vollrente ab 12. April 1986 mit der Behauptung, es liege ein geschützter Arbeitsunfall vor.

Die beklagte Partei bestritt dies und beantragte die Abweisung der Klage; die Zufahrt zur Tankstelle sei nicht vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung umfaßt.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, daß der Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Versehrtenrente für die Folgen des erwähnten Unfalles dem Grunde nach zu Recht bestehe. Es begründete seine Entscheidung im wesentlichen dahin, daß im Rahmen des Arbeitsweges Umwege und Ziele, die keinen Zusammenhang mit der Beschäftigung haben, geeignet seien, den Unfallversicherungsschutz zu beseitigen. Im vorliegenden Fall habe der Kläger jedoch durch seinen Entschluß, den Weg über das Tankstellengelände zu nehmen und zu tanken, keinen Umweg beschlossen; er habe dadurch den Arbeitsweg sogar abgekürzt. Auch zeitlich ergebe sich keine vorhersehbare Gefahrenvergrößerung, weil die Zeit des Stillstandes bei Rot vermieden werden sollte und der Aufenthalt an einer Zapfsäule an sich nicht gefahrenträchtig sei. Der Zweck, Treibstoff für das Fahrzeug zu tanken, führe auch nicht über das Ziel hinaus, den Arbeitsplatz zu erreichen bzw. von dort wieder heimzukehren, weil die Versorgung mit Treibstoff für den Betrieb eines Kraftfahrzeuges erforderlich sei.

Das Berufungsgericht hob über Berufung der beklagten Partei diese Entscheidung auf und verwies die Rechtssache unter Rechtskraftvorbehalt an das Landesgericht Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung zurück. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß ein dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterliegender Unfall vorliege. Die Zufahrt zur Tankstelle sei im zeitlichen, örtlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung gestanden. Es sei kein Umweg erfolgt, sondern mit dem Aufsuchen der Tankstelle sogar eine Abkürzung verbunden gewesen. Durch das geringfügige Abweichen vom üblichen Arbeitsweg sei der Zusammenhang mit der Beschäftigung des Klägers noch nicht als unterbrochen anzusehen. Die Fällung eines Zwischenurteils sei jedoch verfehlt, weil eine solche Maßnahme im Leistungsstreitverfahren nicht vorgesehen gewesen sei. Ausgehend von der Rechtsansicht, daß der Unfall als Arbeitsunfall zu qualifizieren sei, sei über die Höhe des Begehrens abzusprechen.

Der gegen diesen Beschluß erhobene Rekurs der beklagten Partei ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Arbeitsunfälle sind nach § 175 Abs. 1 ASVG Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen, wobei gemäß § 175 Abs. 2 Z 1 ASVG Arbeitsunfälle auch Unfälle sind, die sich auf einem mit der Beschäftigung nach Abs. 1 zusammenhängenden Weg zur oder von der Arbeit ereignen. Danach kann grundsätzlich nur die Zurücklegung des direkten Weges von der Wohnung zum Arbeitsplatz in den Unfallversicherungsschutz einbezogen werden. Benützt der Versicherte für den Weg zum Arbeitsplatz ein Kraftfahrzeug, so kann nicht generell davon ausgegangen werden, daß die Beschaffung der Betriebsmittel ausschließlich dem eigenwirtschaftlichen Sektor zuzurechnen sei. Wird das Tanken auf dem Weg zur Arbeitsstätte notwendig und fährt der Versicherte deshalb zu einer unmittelbar am Weg liegenden Tankstelle, um seine Fahrt dann fortsetzen zu können, so handelt es sich um eine so geringe Einschiebung in den Versicherungsweg, daß ihr rechtliche Bedeutung nicht zukommt. Das Auftanken des für die Fahrt zum Arbeitsplatz benützten Fahrzeuges steht in diesem Fall in einem so engen inneren Zusammenhang mit der Zurücklegung des Arbeitsweges, daß diese Tätigkeit keine Unterbrechung des Versicherungsschutzes zur Folge hat. Voraussetzung ist, daß zum Tanken kein relevanter Umweg in Kauf genommen wird - dies ist bei der Zufahrt zu einer unmittelbar neben dem Weg liegenden Tankstelle nicht der Fall - und daß das Tanken nicht durch irgendwelche anderen, dem privaten Lebensbereich zuzuordnenden Tätigkeiten verlängert wird (in diesem Sinne bei gleicher Rechtslage Bundessozialgericht Kassel v. 14.12.1978, 2 Ru 59/78; Lauterbach, Unfallversicherung3, 43 Lfg, 269/1).

Diese Voraussetzungen liegen aber hier nicht vor. Ohne Bedeutung ist, daß der Kläger sich entgegen seiner ursprünglichen Absicht entschloß, bereits auf dem Hinweg zum Arbeitsplatz zu tanken, weil damit feststeht, daß die Zufahrt zur Tankstelle jedenfalls am Arbeitsweg - wenn auch allenfalls auf der Rückfahrt von der Arbeitsstelle - erforderlich gewesen wäre und weil er mit dem Tanken nicht bis zum Verbrauch des gesamten im Tank befindlichen Treibstoffes zuwarten mußte.

Die bisher vom Oberlandesgericht Wien als Höchstgericht in Leistungsstreitsachen vertretene Judikatur, auf die der Rekurs Bezug nimmt, steht mit diesem Ergebnis nicht im Widerspruch. Der Sachverhalt, der der zitierten Entscheidung SVSlg. 27.210 zugrunde lag, war insofern anders gelagert, als der Versicherte von seinem Arbeitsweg in die Gegenrichtung abwich, um zu einer Tankstelle zuzufahren. Der Entscheidung SSV 18/112 lag ein Unfall zugrunde, der sich ereignete, als der Versicherte außerhalb des Arbeitsweges zu einer Tankstelle fuhr, um sein Fahrzeug für den Arbeitsweg betriebsbereit zu machen, wogegen hier der Kläger im Zug des Arbeitsweges eine direkt im Verlauf dieses Weges liegende Tankstelle aufsuchte.

Die Vorinstanzen haben daher mit Recht das Bestehen des Versicherungsschutzes bejaht und das Berufungsgericht hat zutreffend auf die Unzulässigkeit des Zwischenurteiles hingewiesen, so daß dem Rekurs ein Erfolg versagt bleiben mußte.

Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E11223

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:009OBS00005.87.0701.000

Dokumentnummer

JJT_19870701_OGH0002_009OBS00005_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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