Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei R*** Gesellschaft mbH, 1130 Wien, Hietzinger Kai 169, vertreten durch Dr. Gottfried Waibel, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagte Partei Gerhard R***, Kaufmann, 6800 Feldkirch, Bifangstraße 21 b, vertreten durch Dr. Gerold Hirn und Dr. Burkhard Hirn, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen 91.441,75 S und 382.773 S je sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 9. September 1986, GZ 1 R 164,165/86-55, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 12. März 1986, GZ 3 Cg 1473/83-49, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung
I. den
B e s c h l u ß
gefaßt:
Die Revision wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Bestätigung des Punktes I Z 2 und 3 des Urteils des Erstgerichtes richtet.
Beide Parteien haben die hierauf entfallenden Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
II. zu Recht erkannt:
Spruch
Im übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, dem Beklagten die mit 13.996,65 S (darin 1.185,15 S Umsatzsteuer und 960,- S Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei begehrte vom Beklagten in zwei gesondert eingebrachten Klagen einerseits die Bezahlung von 91.441,75 S sA als Kaufpreis für verschiedene Waren und andererseits 382.773 S sA als Restkaufpreis für eine Offset-Druckmaschine.
Der Beklagte wendete ein, daß die am 22.Dezember 1982 gelieferte Druckmaschine wegen wesentlicher und unbehebbarer Mängel am 15.April 1983 gegen eine andere Maschine ausgetauscht worden sei. Auch diese habe aber wesentliche und unbehebbare Mängel aufgewiesen und sei zum bedungenen Gebrauch nicht geeignet gewesen. Da mehrere Verbesserungsversuche gescheitert seien, habe er am 20.Juni 1983 die Wandlung des Vertrages erklärt. Außerdem wendete der Beklagte gegen die eingeklagten Forderungen eine Gegenforderung von insgesamt 575.500 S ein, weil ihm durch die Verbesserungsversuche infolge der Stehzeiten, erhöhter Papierkosten, eines Verdienstentganges und erhöhter Telefonspesen ein Schaden in zumindest dieser Höhe entstanden sei.
Die klagende Partei bestritt die vom Beklagten behaupteten Mängel. Überdies könne nach den zwischen den Parteien vereinbarten "Vertrags- und Leistungsbedingungen" auch bei gerechtfertigten Mängeln unter Ausschluß aller weiteren Ansprüche, insbesondere auch für Folgeschäden, nur Nachbesserung durch Reparatur oder Umarbeitung oder kostenlose Ersatzleistung oder angemessene Herabsetzung der Vergütung begehrt werden.
Das Erstgericht verband die beiden Rechtsstreite zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung, sprach aus, daß die (offensichtlich mit der ersten Klage) eingeklagte Forderung mit 89.281,75 S sA und daß die eingewendete Gegenforderung bis zu dieser Höhe zu Recht besteht, und wies beide Klagebegehren ab. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Der Beklagte kaufte am 29.Oktober 1982 bei der klagenden Partei eine Druckmaschine Rotaprint R 35 K. Auf der Rückseite des Auftragsformulars, das auf der Vorderseite vom Beklagten und dem Verkäufer unterschrieben wurde, sind "Allgemeine Vertrags- und Leistungsbedingungen" aufgedruckt, in denen es unter anderem heißt:
"Gerechtfertigte Mängelrügen gewähren unter Ausschluß aller weiteren Ansprüche, insbesondere auch für Folgeschäden, gleich auf Grund welcher Ursache, folgende Rechte:
a)
Nachbesserung durch Reparatur oder Umarbeitung oder
b)
kostenlose Ersatzleistung oder
c)
angemessene Herabsetzung der Vergütung.
Das Wahlrecht steht uns zu......"
Der Beklagte hatte mit der gekauften Druckmaschine von Anfang an Probleme. Da sie trotz mehrerer Reparaturversuche immer wieder störungsanfällig war, wurde sie am 15.April 1983 auf Grund einer Vereinbarung der Parteien durch eine andere Maschine des gleichen Typs ersetzt. Die Schwierigkeiten setzten sich jedoch fort, weshalb am 21. und 26.April sowie am 18.Mai, ferner in der Zeit vom 19. bis 26. Mai und am 30.Mai, 20. und 21.Juni, 4. und 7.Juli und 17.August 1983 Reparaturen durchgeführt wurden. Es kann nicht festgestellt werden, daß diese durch Bedienungsfehler des Beklagten oder seines Arbeiters notwendig wurden. Die Mängel der Maschine lagen vor allem in der Elektronik und am Stelltransformator. Dieser Transformator, der Maschinenteile vor Überhitzung schützt und bei Gefahr den Stromkreis unterbricht, schaltete öfter ab. Außerdem war die Elektronik sehr störungsanfällig. Jedenfalls war die Logikplatte im elektronischen Bauteil der Maschine defekt. Sie war nicht original hergestellt, sondern es waren darauf Leiterbahnen nachgelötet, wodurch sie störungsanfälliger war. Die Fehler wurden von der klagenden Partei bei keinem der Reparaturversuche entdeckt. Mit Schreiben vom 20.Juni 1983 teilte der Beklagte durch seinen Vertreter (der klagenden Partei) mit, daß auch die ausgetauschte Maschine bisher nicht ordnungsgemäß habe repariert werden können. Er trete daher vom Vertrag zurück.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß die Mängel an der Maschine infolge der mißglückten Verbesserungsversuche unbehebbar geworden und auch wesentlich seien, weshalb der Beklagte unabhängig von den Vertragsbedingungen Wandlung begehren könne. Trotz Verzichtes auf die Wandlung könne der Käufer nämlich die Aufhebung des Vertrages verlangen, wenn das Beharren des Verkäufers auf Vertragserfüllung sittenwidriger Mißbrauch wäre. Sittenwidrig sei auch der zwischen den Parteien vereinbarte Ausschluß der Haftung für Mangelfolgeschäden, weil er völlig einseitig zu einer wesentlichen Schlechterstellung des Käufers geführt habe, der bei Vertragsabschluß wohl davon habe ausgehen müssen, daß auftretende Mängel sofort behoben würden. Die klagende Partei habe auch grob fahrlässig gehandelt, weil die Logikplatte durch eine ganz einfache Versuchsanordnung hätte überprüft werden können. Sie habe infolge der Wandlung keinen Anspruch auf Bezahlung des Kaufpreises der Maschine. Da die von ihr zu ersetzenden Folgeschäden jedenfalls die Höhe der ihr aus der Lieferung anderer Waren zustehenden Forderung erreichten, seien beide Klagebegehren abzuweisen.
Das Berufungsgericht bestätigte auf Grund der Berufung der klagenden Partei das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß im Umfang der Bestätigung der Abweisung des ersten Klagebegehrens die Revision zulässig sei.
Es bejahte ebenfalls die Möglichkeit der Wandlung, weil eine vertragliche Einschränkung der Gewährleistung auf Verbesserung, Ersatzleistung oder Herabsetzung der Vergütung unwirksam sei, wenn der hiezu Verpflichtete die Verbesserung wähle und versuche, diese Verbesserung aber mißlinge. Auch der vereinbarte Haftungsausschluß sei unwirksam. Die klagende Partei habe nämlich dadurch kraß fehlerhaft gehandelt, daß sie in die Maschine eine nachgelötete, von vornherein störanfällige Logikplatte eingebaut habe. Es treffe sie daher eine qualifizierte grobe Fahrlässigkeit, die nach der Rechtsprechung einen vereinbarten Haftungsausschluß sittenwidrig mache. Die Revision sei zulässig, weil der Begriff "krasse grobe Fahrlässigkeit" durch den Obersten Gerichtshof noch nicht hinreichend abgegrenzt worden sei.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der klagenden Partei wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Umfang von 89.281,75 S und 382.773 S je sA im Sinne des Klagebegehrens abzuändern oder die Urteile der Vorinstanzen insoweit, als die eingewendete Gegenforderung als zu Recht bestehend festgestellt wird und die Klagebegehren abgewiesen werden, aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist gemäß § 502 Abs.4 Z 1 ZPO unzulässig, soweit damit der Teil der Entscheidung des Berufungsgerichtes bekämpft wird, mit dem Punkt I des Spruches des Ersturteils bestätigt wurde; im übrigen ist sie gemäß § 502 Abs.4 Z 2 ZPO zwar zulässig, aber nicht berechtigt.
Der Streitwert verbundener Klagen ist nicht zusammenzurechnen (JBl.1984, 554). Da derjenige Teil der Entscheidung des Berufungsgerichtes, in dem über das erste Klagebegehren abgesprochen wurde, einen Streitwert von 89.281,75 S betrifft, richtet sich die Zulässigkeit der dagegen gerichteten Revision nach § 502 Abs.4 Z 1 ZPO. Der Oberste Gerichtshof ist an den Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 508 a Abs.1 ZPO).
Im Revisionsverfahren ist in dem behandelten Punkt nur strittig, ob der klagenden Partei eine im Sinne einer nicht bekämpften Rechtsprechung zur Unwirksamkeit des vereinbarten Haftungsausschlusses führende "krasse" grobe Fahrlässigkeit anzulasten ist. Die Lösung dieser Frage hat aber keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und vermag daher die Zulässigkeit der Revision nicht zu begründen (vgl. JBl.1986,373). Der Beklagte hat keinen Anspruch auf Ersatz der durch den unzulässigen Teil der Revision verursachten Kosten, weil er in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit nicht hingewiesen hat. Die zum zweiten Anspruch geltend gemachte Mangelhaftigkeit liegt nicht vor, zumal die Frage, ob die eingeholten Gutachten die von den Unterinstanzen getroffenen Feststellungen rechtfertigen, in das Gebiet der in der Revision nicht bekämpfbaren Beweiswürdigung gehören, wenn die Gutachten schlüssig sind (1 Ob 144/72, 2 Ob 57/85 ua), und die Gerichte nicht die Verpflichtung trifft, allfällige Widersprüche zwischen einem Privatgutachten und dem Gutachten eines von ihnen bestellten Sachverständigen aufzuklären (EvBl.1975/80 ua). Im übrigen kann eine Begründung zu diesem Punkt gemäß § 510 Abs.3 ZPO unterbleiben.
In rechtlicher Hinsicht besteht im Revisionsverfahren zwischen den Parteien Übereinstimmung darin, daß der Beklagte für die erste Maschine auf die Geltendmachung der Gewährleistung durch Wandlung verzichtet hatte. Die von ihm in der Revisionsbeantwortung vertretene Auffassung, daß dieser Verzicht nicht auch für die zweite Maschine Gültigkeit habe, kann nicht geteilt werden. Die Lieferung der zweiten Maschine geschah nämlich ebenfalls zur Erfüllung der der klagenden Partei auf Grund des Kaufvertrages obliegenden Verpflichtungen, weil dieser infolge der Mängel, die bei der ersten Maschine auftraten, noch nicht gehörig erfüllt war. Es unterliegt daher auch die Lieferung der zweiten Maschine den Bestimmungen des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrages.
Selbst bei einem solchen Verzicht kann aber der Käufer im Fall des Mißlingens der Verbesserung oder ihrer Ablehnung durch den Verkäufer anstelle der Verbesserung die Wandlung begehren (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 6 zu § 929; SZ 41/94; 3 Ob 268/75). Die Verbesserung ist regelmäßig als mißlungen anzusehen, wenn ein Mangel trotz mehrfacher Versuche nicht behoben wurde (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 12 zu § 932; vgl SZ 50/85; EvBl.1979/127). Nach den Feststellungen des Erstgerichtes wurden an der neuen Maschine bis zu dem Tag, an dem der Beklagte die Wandlung erklärte, insgesamt fünf Reparaturversuche unternommen, von denen einer sich sogar über mehrere Tage erstreckte. Dazu kamen weitere Versuche am selben Tag und an vier nachfolgenden Tagen. Sie alle führten nicht zur Behebung der Mängel, wobei der klagenden Partei der Beweis, daß dies auf Bedienungsfehler zurückging, nicht gelang. Es standen ihr zur Behebung der Mängel schon bis zur Erklärung der Wandlung mehr als zwei Monate und insgesamt mehr als vier Monate zur Verfügung. Dem Beklagten war es entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung nicht zuzumuten, daß er abwartet, ob allfällige weitere Reparaturen zur Gebrauchsfähigkeit der Maschine führen werden, zumal die hierfür erforderliche Zeit nicht absehbar war (vgl. SZ 22/145; JBl.1972, 531). Er durfte vielmehr die Verbesserung der Mängel als mißlungen ansehen, die möglicherweise behebbaren Mängel als unbehebbare behandeln (SZ 48/56; SZ 52/71 ua) und daher die Aufhebung des Vertrages fordern. Spätestens die darauf gestützte Einrede hatte das Erlöschen der ihm aus dem Kaufvertrag obliegenden Pflichten zur Folge, weshalb er den eingeklagten Restkaufpreis nicht bezahlen muß.
Die Kostenentscheidung beruht in diesem Umfang auf den §§ 41 und 50 ZPO. Bemessungsgrundlage ist der vom zulässigen Teil der Revision betroffene Betrag von 382.773 S. Ein Anspruch auf Ersatz der Entscheidungsgebühr besteht (noch) nicht (vgl. § 54 Abs.2 ZPO).
Anmerkung
E11377European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0030OB00657.86.0701.000Dokumentnummer
JJT_19870701_OGH0002_0030OB00657_8600000_000