Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 2.Juli 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer (Berichterstatter) und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bibulowicz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Heinz H*** wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Kreisgerichts Korneuburg vom 18. Juni 1986, GZ. 12 b E Vr 451/86-4, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Rzeszut, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:
Spruch
Das Urteil des Kreisgerichts Korneuburg vom 18.Juni 1986, GZ. 12 E Vr 451/86-4, verletzt die Bestimmung des § 229 Abs. 1 StGB. Dieses Urteil wird aufgehoben und gemäß §§ 292, 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:
Heinz H*** wird von der Anklage, von Jänner 1986 bis 18. April 1986 in Wien und Stockerau eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, nämlich den von ihm gefundenen, von der Bundespolizeidirektion Wien für Ramazan Ü*** ausgestellten Führerschein Nr. 544089/83, durch Ansichnahme mit dem Vorsatz unterdrückt zu haben, zu verhindern, daß er im Rechtsverkehr zu Beweiszwecken gebraucht werde, und hiedurch das Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB begangen zu haben, gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen.
Text
Gründe:
Der am 20.September 1962 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene Stahlbauschlosser Heinz H*** wurde mit dem Urteil des Einzelrichters des Kreisgerichts Korneuburg vom 18.Juni 1986, GZ. 12 b E Vr 451/86-4, des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt. Er hat vom Jänner 1986 bis 18. April 1986 in Wien und Stockerau eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, nämlich den von ihm gefundenen, von der Bundespolizeidirektion Wien für Ramazan Ü*** ausgestellten Führerschein Nr. 544089/83 durch Ansichnahme unterdrückt, wobei er mit dem Vorsatz handelte, zu verhindern, daß die Urkunde im Rechtsverkehr zu Beweiszwecken gebraucht werde. Hiefür wurden über Heinz H*** nach § 229 Abs. 1 StGB. unter Anwendung des § 37 StGB. eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 120 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit einer Ersatzfreiheitsstrafe von 25 Tagen verhängt. Auf Grund dieses in Rechtskraft erwachsenen Urteils wurde mit dem Beschluß des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 29. Jänner 1987, GZ. 3 b E Vr 11599/81-43, die Heinz H*** mit Entschließung des Bundespräsidenten vom 14.Dezember 1984 gewährte bedingte Entlassung (aus der vom selben Gericht am 10.November 1981 wegen Vergehens nach § 136 Abs. 1 und 3 StGB. ausgesprochenen Freiheitsstrafe von fünf Monaten) gemäß § 53 StGB. widerrufen (offener Strafrest; ein Monat und 15 Tage). Gegen diesen Beschluß hat der Verurteilte Beschwerde an das Oberlandesgericht Wien erhoben, worüber noch nicht entschieden ist.
Das (gemäß §§ 488 Z. 7, 458 Abs. 2 StPO. als Protokolls- und Urteilsvermerk beurkundete) Urteil des Kreisgerichts Korneuburg vom 18. Juni 1986, GZ. 12 b E Vr 451/86-4, steht mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Rechtliche Beurteilung
Als Tatobjekt des § 229 StGB. kommen nur solche Urkunden in Betracht, die objektiv geeignet sind, im Rechtsverkehr rechtmäßig zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht zu werden, mithin für ihren Errichtungszweck recte noch verwendbar sind (EvBl. 1981/107, 1982/191, 1986/125). Davon ausgehend kommt hier dem Umstand entscheidende Bedeutung zu, daß nach den sicherheitsbehördlichen Erhebungsergebnissen aus dem Führerschein bereits im Zeitpunkt der Auffindung durch H*** das Lichtbild des aus der Urkunde Berechtigten gefehlt hat. Da gemäß § 71 Abs. 3 KFG. ein Führerschein ungültig ist, wenn "das Lichtbild fehlt", hatte der für Ramazan Ü*** ausgestellte, dem Berechtigten nach der Aktenlage schon im April 1985 abhanden gekommene Führerschein bei der Auffindung durch den Verurteilten seine Gültigkeit und damit seine Deliktseignung nach § 229 StGB. längst verloren.
Die Gesetzesverletzung hat sich zum Nachteil des Verurteilten ausgewirkt. Es war daher in Stattgebung der vom Generalprokurator gemäß § 33 Abs. 2 StPO. erhobenen Beschwerde nach §§ 292, 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. wie eingangs zu erkennen.
Die in der Beschwerde beantragte Aufhebung der auf Grund des kassierten Urteils ergangenen richterlichen Verfügungen erübrigte sich, weil sie ipso iure hinfällig sind. Hiezu kann, um Wiederholungen zu vermeiden, auf EvBl. 1984 Nr. 147 verwiesen werden (siehe auch 13 Os 59/84, 13 Os 158/84, 13 Os 180/85, 13 Os 117/86, 13 Os 63/87, 13 Os 81/87).
Anmerkung
E11290European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0130OS00097.87.0702.000Dokumentnummer
JJT_19870702_OGH0002_0130OS00097_8700000_000