TE OGH 1987/7/8 8Ob511/87

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Veröffentlicht am 08.07.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz S***, Baumeister, Mitterndorf 170, 4643 Pettenbach, vertreten durch Dr. Elfriede Dämon, Rechtsanwalt in Vorchdorf, wider die beklagte Partei Firma P*** KG Import-Export Ing. Walter H***, 4644 Scharnstein 103, vertreten durch Dr. Erich Druckenthaner, Rechtsanwalt in Wels, wegen 226.250,60 S sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 29. Oktober 1986, GZ 6 R 105/86-27, womit das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 14. April 1986, GZ 3 Cg 439/84-21, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind als weitere

Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrte zuletzt (ON 6 S 21) die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 226.250,60 S sA im wesentlichen mit der Begründung, er habe über Auftrag der Beklagten für diese in St. Konrad im Anschluß an ein bestehendes Betriebsobjekt eine Halle errichtet. Zunächst sei als Ausführungstermin die 46. bis 51. Woche des Jahres 1983 vereinbart worden. Der Kläger habe vereinbarungsgemäß am 14. November 1983 mit den Bauarbeiten begonnen. Am 17. November 1983 sei ihm aber von der Beklagten der Auftrag erteilt worden, den Bau im Jahr 1983 nicht mehr fortzusetzen, sondern Umbauarbeiten in der bestehenden Halle vorzunehmen, was der Kläger auch in der Zeit vom 18. November bis 14. Dezember 1983 gemacht habe. Tatsächlich sei mit dem Neubau der Halle über Auftrag der Beklagten erst am 16. März 1984 begonnen worden. Die erforderliche Baubewilligung sei erst mit Bescheid der Gemeinde St. Konrad vom 23. Februar 1984 erteilt worden. Überdies habe die Beklagte am 16. März 1984 eine gegenüber dem ursprünglichen Bauauftrag vergrößerte Halle in Auftrag gegeben, für die keine Ausführungsfrist und auch kein Pönale wie beim ursprünglichen Bauauftrag vom November 1983 vereinbart worden sei. Aus diesem Bauauftrag habe sich eine korrigierte Schlußrechnungssumme von 486.746 S exklusive Mehrwertsteuer ergeben. Mit der Mehrwertsteuer und abzüglich eines 5 %igen Haftrücklasses habe die Rechnungssumme 554.890,44 S ausgemacht, worauf die Beklagte nur 364.679 S bezahlt habe, sodaß aus dieser Rechnung vom 26. Juni 1984 noch ein Restbetrag von 190.211,44 S offen sei. Dazu kämen Verzugszinsen in der Höhe von 12 % für die Zeit vom 10. August 1984 bis 22. Oktober 1984 im Umfang von 4.565,07 S, woraus sich insgesamt ein Betrag von 194.776,51 S ergebe.

Ferner habe der Kläger von der Beklagten am 7. August 1984 einen Auftrag zur Herstellung von Rigipsständerwänden und einer Sockelleiste und am 20. August 1984 verschiedene in Regie durchzuführende Aufträge erhalten, worüber er am 10. September 1984 eine Rechnung über 237.164,88 S gelegt habe. Darauf habe die Beklagte am 12. November 1984 194.099,59 S und am 4. Dezember 1984 den Haftrücklaß von 11.591 S bezahlt, sodaß aus dieser Rechnung noch ein Betrag von 31.474,29 S unberichtigt aushafte.

Die Beklagte wendete im wesentlichen ein, als Ausführungszeit für den Bau der Halle sei die 46. bis 51. Lohnwoche des Jahres 1983 und als Pönale für jeden Tag Terminüberschreitung 0,5 % der Abrechnungssumme vereinbart worden. Der Kläger habe die Bauarbeiten wie vertraglich vereinbart begonnen, sie jedoch kurz darauf wegen Schlechtwetters eingestellt. Er habe dann wegen Personalmangels den vereinbarten Ausführungstermin nicht einhalten können. Bereits im Herbst 1983 sei der Beklagten vom Bürgermeister die positive Erledigung des Ansuchens um Baubewilligung in Aussicht gestellt worden; auch mit dem Naturschutz habe es keinerlei Schwierigkeiten gegeben. Im März 1984 sei das Bauvolumen um 53 % erweitert worden und eine Vereinbarung über die Verlängerung der Ausführungsfrist um drei Wochen getroffen worden. Tatsächlich sei der Bau aber erst am 19. Juni 1984 vom Kläger fertiggestellt worden. Unter Berücksichtigung der Schlechtwettertage, um die sich die Bauausführungsfrist vereinbarungsgemäß verlängert habe, habe sich eine Terminüberschreitung von insgesamt 74 Tagen ergeben, die die Beklagte entsprechend der getroffenen Pönalevereinbarung zu einem Abzug von 37 % der Gesamtrechnungssumme berechtigt habe. Bei der vorläufigen Prüfung der Schlußrechnung vom 26. Juni 1984 sei nur ein Pönale von 31,5 % der Schlußrechnungssumme von 482.138 S, somit ein Betrag von 151.873 S, abgezogen worden, sodaß sich ein vorläufiger Rechnungsbetrag von 396.390 S (einschließlich Mehrwertsteuer) ergeben habe, wovon ein Haftrücklaß von 5 % und 3 % Skonto abgezogen worden seien. Es sei daher vorbehaltlich der Endprüfung ein Betrag von 364.479 S überwiesen worden. Die Endabrechnung habe dann nach Abzug der tatsächlichen Pönaleforderung in Höhe von 37 %, des Haftrücklasses und des Skontos einen zu Recht bestehenden Betrag von 338.542 S ergeben, somit eine Überzahlung von 26.137 S. Diese Überzahlung sei auf die Rechnung des Klägers vom 10. September 1984 über 237.164,68 S angerechnet worden. Darauf seien 194.099,59 S sowie ein Haftrücklaß von 11.591 S bezahlt worden, sodaß sich unter Bedachtnahme auf die Überzahlung von 26.137 S auf die Schlußrechnung vom 26. Juni 1984 noch ein Restbetrag von 5.337,09 S ergebe. Dieser bestehe aber deshalb nicht zu Recht, weil der Kläger überhöhte Regiestundenlöhne für den Auftrag vom 7. August 1984 verrechnet habe. Vereinbart sei ein Stundensatz von 205 S gewesen, während tatsächlich 215 S für die Maurerstunde und 245 S für die Vorarbeiterstunde verrechnet worden seien.

Hinsichtlich der Rechnung vom 26. Juni 1984 wendete die Beklagte auch mangelnde Fälligkeit ein, weil die vertraglich vereinbarte Ausführung in Sichtbetonbauweise unterblieben sei, was die Beklagte auch gerügt habe. Ein Verbesserungsversuch des Klägers habe sich als untauglich erwiesen; der neuerlichen Aufforderung zur Verbesserung sei der Kläger bisher nicht nachgekommen.

Überdies wendete die Beklagte eine Gegenforderung von 50.000 S aufrechnungsweise gegen die Klagsforderung ein, weil der Kläger bei der Durchführung der Arbeiten den Boden derart beschmutzt habe, daß ein Sanierungsaufwand von mindestens 50.000 S erforderlich sei. Die Behebung dieses Mangels sei unmöglich; der Boden müsse entfernt werden.

Der Kläger replizierte, daß sämtliche mit Schlußrechnung vom 26. Juni 1984 in Rechnung gestellte Leistungen vereinbarungsgemäß ausgeführt und von der Beklagten auch abgenommen worden seien. Sichtbetonausführung sei nicht vereinbart und auch nicht verrechnet worden. Die von der Schlußrechnung vom 10. September 1984 vorgenommenen Abzüge seien unberechtigt, weil die verrechneten Regiestundensätze von 245 S für Vorarbeiter und 215 S für Maurer nicht nur angemessen, sondern der Beklagten auch bereits am 27. Juni 1984 mitgeteilt worden seien. Die mit der Ausführung der Bauarbeiten zwangsläufig verbundene Verschmutzung des Asphaltbodens sei nach Beendigung der Bauarbeiten behoben worden.

Schließlich machte der Kläger noch geltend, daß der Vertrag vom 2. November 1983 deshalb nichtig sei, weil er gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen habe. Sollte sich aus dem Vertrag vom 16. März 1984 eine Pönalevereinbarung ergeben, sei der Kläger listig in Irrtum geführt worden.

Das Erstgericht entschied, daß die Klagsforderung mit 1.791,29 S sA zu Recht und mit 224.459,51 S sA nicht zu Recht besteht und daß die eingewendete Gegenforderung mit 1.791,29 S zu Recht besteht. Es wies daher das Klagebegehren ab.

Das Erstgericht stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Mit Auftragsschreiben vom 2. November 1983 wurde der Kläger von der Beklagten mit der Ausführung der Baumeisterarbeiten zur Errichtung einer Halle beauftragt. Als Ausführungstermin wurden die Lohnwochen 46 bis 51/1983 vereinbart. Laut einer am 28. Oktober 1983 zwischen den Streitteilen stattgefundenen Besprechung waren vereinbarungsgemäß sämtliche Betonteile in Sichtbeton mit abgefaßten Kanten herzustellen. Bezüglich der Termine wurde Schlechtwetterregelung vereinbart. Laut Punkt 5 des Auftragsschreibens kamen die Streitteile überein, daß für jeden Tag Terminüberschreitung vom Auftraggeber ein Pönale von 0,5 % der Abrechnungssumme zu bezahlen sei. Als Auftragsbestandteile wurden das Auftragsschreiben, das Leistungsverzeichnis sowie die als allgemeine rechtliche Vertragsbedingungen geltenden Ö-Normen B 2110 vereinbart. Am 15. November 1983 trafen die Streitteile eine Vereinbarung betreffend Zusatzleistungen, welche Arbeiten im Inneren des Altbestandes des Betriebsgebäudes der Beklagten umfaßte. Diese Arbeiten sollten in Regie erfolgen, wobei als Entlohnung für Helfer ein Stundensatz von 160 S und für Maurer ein solcher von 205 S vereinbart wurde. Der Vorarbeiterstundensatz laut den im Jahr 1983 erteilten Aufträgen betrug 205 S. Am 16. März 1984 wurde vereinbart, daß die Halle um eine Achse vergrößert ausgeführt werde. Schließlich wurde am 7. August 1984 noch die Herstellung von Rigipsständerwänden sowie einer Sockelleiste unterhalb der Rigipswände durch den Kläger vereinbart. Dieser am 7. August 1984 erteilte Auftrag basierte auf dem Auftrag vom 2. November 1983. Die Halle wurde vom Kläger bis 12. Juni 1984 errichtet. Die Träger der Stahlbetonkonstruktion im derzeitigen Zustand entsprechen keiner Sichtbetonausführung. Zwischen dem Bauleiter der Beklagten namens W***, der die Ausführung bemängelte, und dem Kläger wurde vereinbart, daß eine Verbesserung erfolgen müsse. Daraufhin wurden die Stöße im Bereich der Schalung an zwei Seiten ausgebessert; die Ausbesserung an der Ostseite unterblieb. Eine Ausbesserung müßte durch Abschleifen einer aufgetragenen Spachtelmasse erfolgen. Bei kleinen Löchern im Trägerbereich wäre die Ausspachtelung zur Herstellung von Sichtbetonbauweise erforderlich. Am Fußboden in der neuen Halle bestehen Bodenverschmutzungen im Bereich der aufgestellten Rigipswände, die dadurch entstanden, daß beim Abschneiden der Rigipswände eine Verstaubung des Asphaltbodens eintrat. Diese Verstaubung tritt an mehreren Schneidestellen in der Halle auf. Die Verschmutzung umfaßt größenmäßig zumindest 20 m2. Auf die Schlußrechnung vom 26. Juni 1984 wurden von der Beklagten 364.479 S mit dem Vermerk zur Überweisung gebracht, daß dies vorbehaltlich der Endprüfung erfolge. Hiebei wurde zunächst ein Pönale von 31,5 % in Abzug gebracht, bei einer Endabrechnung ein Pönale von 37 %. Mit Schlußrechnung vom 10. September 1984 stellte der Kläger einen Stundensatz für Vorarbeiter von 245 S und für Maurer von 215 S in Rechnung.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß das Entgelt für ein mangelhaftes Werk erst nach Behebung der festgestellten Mängel fällig werde, wenn der Besteller das mangelhafte Werk übernommen und Verbesserung verlangt habe. Ein Verzicht auf das Recht, den Werklohn bis zur Mängelbehebung zurückzuhalten, sei im vorliegenden Fall nicht zu ersehen, weshalb der Einwand der mangelnden Fälligkeit des laut Schlußrechnung vom 26. Juni 1984 zu leistenden Rechnungsbetrages Berechtigung zukomme. Von der vorbehaltlich der Endprüfung geleisteten Zahlung von 364.479 S sei nach endgültiger Prüfung der Schlußrechnung ein zuviel bezahlter Betrag von 26.137 S zu Recht auf die Rechnung vom 10. September 1984 umgewidmet worden. Es fehle an einer Vereinbarung, die den Kläger berechtigte, von den vereinbarten Regiestundensätzen auf Basis des Auftrages vom 15. November 1983 abzugehen. Die Auftragsvereinbarung sehe einen Verweis auf die Vereinbarung aus dem Jahr 1983 vor. Mangels Vereinbarung zwischen den Streitteilen könne auch eine gesetzliche Lohnerhöhung der Beklagten nicht nachträglich in Rechnung gestellt werden. Der Kläger sei hinsichtlich der Regielohnvereinbarung an die Vereinbarung vom 15. November 1983 (205 S pro Stunde) gebunden. Der für Regiearbeiten verrechnete Betrag sei daher um 3.546 S überhöht. Aus der Schlußrechnung vom 10. September 1984 sei daher nur mehr ein Betrag von 1.791,19 S offen. Dieser Forderung stehe der durch die Verschmutzung am Hallenboden entstandene Schaden in der Höhe von zumindest 5.000 S (§ 273 ZPO) gegenüber, sodaß das Klagebegehren abzuweisen sei.

Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Beschluß Folge. Es hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Das Berufungsgericht führte im wesentlichen aus, daß die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen für eine erschöpfende rechtliche Beurteilung nicht ausreichten.

Es treffe zu, daß der Besteller eines Werkes die gesamte Gegenleistung bis zur gehörigen Vertragserfüllung, somit auch bis zur begehrten Verbesserung des mangelhaften Werkes, verweigern dürfe, und zwar auch bei Vorliegen geringer Mängel, solange die Ausübung dieses Rechtes nicht zur Schikane ausarte. Eine schikanöse Rechtsausübung liege nur dann vor, wenn die Absicht der Schädigung des Vertragspartners den einzigen Grund für die Rechtsausübung bilde. Dieses Recht auf Zurückbehaltung des Entgelts bis zur Herstellung eines mängelfreien Werkes sei allerdings dispositiver Natur und könne, von hier nicht in Betracht kommenden Einschränkungen des Konsumentenschutzgesetzes abgesehen, durch Parteienvereinbarung abbedungen und modifiziert werden. Die Vereinbarung eines Haftrücklasses könne nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und der redlichen Verkehrsübung nicht nur der Absicherung allfälliger Rückforderungsansprüche des Bestellers, sondern auch als Sicherungsmittel für alle in der Regel in Betracht kommenden Gewährleistungsansprüche des Bestellers verstanden werden. Die Vereinbarung eines Haftrücklasses in bestimmter Höhe könne daher in Abänderung der allgemeinen Regel das Recht der Leistungsverweigerung auf den vereinbarten Betrag beschränken. Ob eine solche Beschränkung von den Parteien gewollt gewesen sei, sei nach den Auslegungsregeln der §§ 914 ff ABGB zu ermitteln. Im vorliegenden Fall hätten sich beide Parteien auf das Bestehen eines Haftrücklasses berufen, ohne daß allerdings im erstinstanzlichen Verfahren dazu konkrete Behauptungen aufgestellt worden wären. Das Erstgericht hätte im Rahmen seiner materiellen Prozeßleitungspflicht mit den Parteien die Frage, wozu der Haftrücklaß dienen sollte und welche Vereinbarungen diesbezüglich zwischen ihnen getroffen wurden, im Sinne des § 182 ZPO erörtern müssen, zumal dem Beweisverfahren deutliche Hinweise darauf zu entnehmen seien, daß der Haftrücklaß eben dazu dienen sollte, etwaige Mängelbehebungskosten abzudecken. In Richtung einer derartigen Bedeutung des Haftrücklasses weise auch der Umstand, daß die Beklagte wegen der nicht vollständigen Mängelbehebung durch den Kläger nicht den gesamten Rechnungsbetrag zurückbehalte, sondern den korrigierten Rechnungsbetrag (abzüglich Pönale, Haftrücklaß und Skonto) bezahlt habe. Der vom Erstgericht gezogene rechtliche Schluß, ein Verzicht der Beklagten auf das Recht der Zurückbehaltung des Werklohnes bis zur Mängelbehebung sei nicht zu ersehen, sei verfrüht. Dazu werde das Erstgericht mit den Parteien im fortgesetzten Verfahren zu erörtern haben, welche Vereinbarungen sie in Bezug auf den Haftrücklaß getroffen hätten, wozu allenfalls auch der Geltung der Ö-Norm 2110 auf die Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien Bedeutung zukommen könne. Diesbezüglich fehle es in erster Instanz an jedem Parteienvorbringen. Diese Ö-Norm sei vielmehr vom Kläger ohne jedes Vorbringen vorgelegt worden. Trotzdem sei vom Erstgericht überschießend die Vereinbarung der Geltung dieser Ö-Norm zwischen den Parteien festgestellt worden. Dem komme insofern Bedeutung zu, als eine Verbindlicherklärung der Ö-Norm 2110 gemäß § 4 Abs 6 des Normengesetzes nicht erfolgt sei und sie daher nur dann auf Vertragsbeziehungen anzuwenden sei, wenn sie durch Parteienvereinbarung Vertragsinhalt geworden sei. Diese Ö-Norm könne möglicherweise für die Auslegung der Vereinbarungen der Streitteile über den Haftrücklaß von Bedeutung sein. Dies werde das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren mit den Parteien zu erörtern haben und es werde ihnen Gelegenheit zu entsprechenden Behauptungen zu geben haben.

Sollte sich im fortgesetzten Verfahren ergeben, daß es der eingeklagten Forderung aus der Rechnung vom 26. Juni 1984 nicht an der Fälligkeit mangle, werde sich das Erstgericht mit der Frage des Pönales auseinanderzusetzen haben, wozu bereits ein ausreichendes Parteienvorbringen erstattet worden sei. Hingegen reichten die bisher vom Erstgericht zu diesem Bereich getroffenen Feststellungen für eine erschöpfende rechtliche Beurteilung nicht aus. Insbesondere werde das Erstgericht in diesem Zusammenhang zunächst Feststellungen darüber zu treffen haben, wann eine rechtskräftige Baubewilligung vorgelegen sei, weil nach Auffassung des Berufungsgerichtes dem Einwand des Klägers Berechtigung zukomme, ein Pönale könne schon deshalb nicht verlangt werden, weil der Vertrag vom 2. November 1983 in diesem Punkt gegen das gesetzliche Verbot, ohne Baubewilligung einen Bau zu beginnen, verstoßen habe und deshalb nichtig gewesen sei. Nach § 53 Abs 1 OÖ BauO dürfe nämlich mit der Ausführung eines bewilligungspflichtigen Baues erst nach dem Eintritt der Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides begonnen werden. Diese Verpflichtung richte sich nach § 54 Abs 2 - Abs 4 OÖ BauO auch an den Bauführer. Bei Beginn eines bewilligungspflichtigen Baues vor rechtskräftiger Erteilung der Baubewilligung habe die Behörde die Fortsetzung der Bauausführung bis zur Behebung des Mangels zu untersagen. Nach § 68 OÖ BauO begehe eine (mit einer Geldstrafe bis zu 300.000 S zu ahndende) Verwaltungsübertretung, wer als Bauführer ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ohne rechtskräftige Baubewilligung auszuführen beginne. Der Baubeginn ohne rechtskräftige Baubewilligung verstoße demnach gegen die OÖ BauO. Wenn festgestellt werden sollte, daß zur Zeit der vertraglich vereinbarten Bauerrichtung (46. bis 51. Lohnwoche 1983) eine rechtskräftige Baubewilligung noch gar nicht vorgelegen sei, habe diese Vertragsbestimmung gegen das dargestellte Verbot nach § 53 OÖ BauO verstoßen, zumal einer mündlich erteilten Baubewilligung oder einer Zusage eines Bürgermeisters, eine Baubewilligung erteilen zu wollen, keine Rechtswirkung zukomme. Nach § 879 Abs 1 ABGB sei jedes Rechtsgeschäft, das einem gesetzlichen Verbot widerspreche, nichtig. Wenn ein Gesetz nicht ausdrücklich anordne, daß ihm widersprechende Geschäfte nichtig sein sollten, sei zu fragen, ob der Verbotszweck die Ungültigkeit des Geschäftes verlange oder ob sich die verletzte Norm mit der Verhängung anderer Rechtsfolgen begnüge. Unerlaubtheit im Sinne des § 879 Abs 1 ABGB liege auch dann vor, wenn ohne Genehmigung ein dem Verbot widersprechender Zustand hergestellt werde; dieser Teil des Vertrages sei dann als ungültig zu eliminieren. Die Vereinbarung der Ausführung eines Baues zu einer Zeit, in der noch keine rechtskräftige Baubewilligung vorliege, verstoße gegen den Zweck der Verbotsbestimmung des § 53 OÖ BauO und sei deshalb gemäß § 879 Abs 1 ABGB nichtig. Diese Nichtigkeit umfasse auch das für den Fall der nicht rechtzeitigen Ausführung des Vertrages abgegebene Pönaleversprechen, weil es sich dabei um pauschalierten Schadenersatz handle, der mangels anderer Vereinbarung nur dann zu entrichten sei, wenn den Schuldner an der Nichterfüllung oder Schlechterfüllung ein Verschulden treffe. Wenn daher die Vereinbarung der Leistungszeit mangels einer rechtskräftigen Baubewilligung unerlaubt und daher nichtig gewesen sei, falle mangels eines Verschuldens des Auftragnehmers auch die Verpflichtung zur Pönalezahlung weg. Das Erstgericht werde freilich auch Feststellungen darüber zu treffen haben, ob nach dem Vorliegen der Baubewilligung für den dann Mitte März 1984 begonnenen Bau eine Pönalevereinbarung getroffen worden sei und ob der Kläger durch die Dauer der Bauausführung dagegen verstoßen habe.

Vom Ergebnis, inwieweit die Beklagte zu Recht einen Pönaleabzug vorgenommen habe, werde es abhängen, ob eine Überzahlung auf die Rechnung vom 26. Juni 1984 geleistet worden sei, die auf den Restbetrag aus der Rechnung vom 10. September 1984 angerechnet werden könne.

Auch in dem Punkt, welche Regiestundensätze der Kläger auf den Auftrag vom 7. August 1984 zu verrechnen berechtigt gewesen sei, reichten die bisher getroffenen Feststellungen zu einer erschöpfenden rechtlichen Beurteilung nicht aus. Das Erstgericht habe dazu festgestellt, daß die Streitteile am 15. November 1983 für durchzuführende Innenarbeiten einen Regiestundensatz für Helfer von 160 S und für Maurer von 205 S vereinbarten und der Vorarbeiterstundensatz laut den im Jahr 1983 erteilten Aufträgen 205 S betrug. Die am 7. August 1984 in Auftrag gegebenen Arbeiten (Rigipswände) sollten nach Regiestundensätzen entlohnt werden. Der Auftrag basierte auf dem Auftrag vom 2. November 1983. Mit Rechnung vom 10. September 1984 stellte der Kläger einen Stundensatz für Vorarbeiter von 245 S und für Maurer von 215 S in Rechnung. Daraus habe das Erstgericht den rechtlichen Schluß gezogen, daß der Kläger hinsichtlich der Regielöhne an die Vereinbarung vom 15. November 1983 gebunden sei. Dieser Schluß sei aus dem festgestellten Sachverhalt allein noch nicht zwingend. Aus dem als Basis für den Auftrag vom 7. August 1984 dienenden Auftrag vom 2. November 1983 ergäben sich nämlich keine Stundensätze für Regiearbeiten. Dazu komme, daß sich das Erstgericht mit den übrigen Beweisergebnissen zu diesem Thema überhaupt nicht auseinandergesetzt habe. Es werde erforderlich sein, zum Thema Vereinbarung von Regiestundenlöhnen für den Auftrag vom 7. August 1984 für eine rechtliche Beurteilung ausreichende Sachverhaltsfeststellungen zu treffen und auch entsprechend zu begründen.

In bezug auf die festgestellten Bodenverschmutzungen lägen keine Feststellungsmängel vor. Wenn das Erstgericht in Anwendung des § 273 ZPO diesen Schaden mit 5.000 S beziffert habe, könne darin weder ein Feststellungsmangel noch eine unrichtige rechtliche Beurteilung gesehen werden.

Aus den dargelegten Gründen sei das Urteil des Erstgerichtes gemäß § 496 Abs 1 Z 2 und Z 3 ZPO aufzuheben.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, "den angefochtenen Beschluß im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteiles abzuändern"; hilfsweise stellt sie den Antrag, "den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Sinne einer Bestätigung des Ersturteiles zurückzuverweisen".

Der Kläger hat eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag erstattet, dem Rechtsmittel der Beklagten keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Beklagten ist zulässig, sachlich aber nicht berechtigt.

Was zunächst die Frage anlangt, welche Regiestundensätze der Kläger in seiner Rechnung vom 10. September 1984 zu verrechnen berechtigt war, so sind dafür in erster Linie die zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarungen maßgebend. Wenn das Berufungsgericht, ausgehend von dieser zutreffenden Rechtsansicht, den der Entscheidung zugrundezulegenden Sachverhalt für noch nicht genügend geklärt erachtete, so kann dem nach ständiger Rechtsprechung der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten (SZ 38/29; SZ 38/227 uva). Auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß das Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers bis zu einer von ihm verlangten Verbesserung des von ihm übernommenen mangelhaften Werkes dispositiver Natur ist und daß die Vereinbarung eines Haftrücklasses in bestimmter Höhe das Recht der Leistungsverweigerung auf den vereinbarten Betrag beschränken kann, wobei nach den Auslegungsregeln der §§ 914 ff ABGB zu ermitteln ist, ob eine solche Beschränkung von den Parteien gewollt war, trifft zu (2 Ob 661/84). Auch in dieser Frage kann der Oberste Gerichtshof den ausgehend von einer zutreffenden Rechtsansicht in tatsächlicher Richtung erteilten Ergänzungsaufträgen des Berufungsgerichtes im Sinne der oben erwähnten ständigen Rechtsprechung nicht entgegentreten. Was letztlich die Frage der Gültigkeit der zwischen den Streitteilen am 2. November 1983 getroffenen Pönalevereinbarung anlangt, die allerdings nur dann für die Entscheidung dieses Rechtsstreites bedeutsam wird, wenn man ein Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten hinsichtlich des ihr mit Rechnung des Klägers vom 26. Juni 1984 in Rechnung gestellten Werklohnes verneint, vermag der erkennende Senat der Argumentation des Berufungsgerichtes, das die Nichtigkeit dieser Vereinbarung im Sinne des § 879 Abs 1 ABGB aus den Vorschriften der OÖ BauO abzuleiten versucht, nicht zu folgen. Dieses Landesgesetz soll die Einhaltung öffentlichrechtlicher Bauvorschriften sicherstellen, nicht aber zivilrechtliche Verträge zwischen Bauherrn und Bauführer reglementieren. Im übrigen gibt § 61 Abs 1 OÖ BauO dem Eigentümer, der eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage ausgeführt hat, die Möglichkeit, nachträglich um die Baubewilligung anzusuchen, sofern nicht nach der maßgeblichen Rechtslage eine Baubewilligung überhaupt nicht erteilt werden kann. Gerade aus dieser Bestimmung wird deutlich, daß es der Verbotszweck der Norm des § 53 Abs 1 OÖ BauO, nach der mit der Ausführung eines bewilligungspflichtigen Bauvorhabens erst nach dem Eintritt der Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides begonnen werden darf, keinesfalls erfordert, einen zwischen Bauherrn und Bauführer vor Eintritt der Rechtskraft des Bewilligungsbescheides geschlossenen Werkvertrag im Sinne des § 879 Abs 1 ABGB als nichtig anzusehen, auch wenn er die Errichtung des Werkes bis zu einem bestimmten Zeitpunkt (von dem noch nicht gewiß ist, ob dann bereits die erforderliche Baubewilligung vorliegen wird) zusichert, zumindest sofern nicht nach der maßgeblichen Rechtslage eine Baubewilligung überhaupt nicht erteilt werden kann. Auch eine Sittenwidrigkeit einer derartigen Vereinbarung ist im Hinblick auf die erwähnte Bestimmung des § 61 Abs 1 OÖ BauO nicht zu erkennen. Eine andere Frage ist, ob es dem Bauführer als Verschulden angelastet werden kann, wenn er nicht vor dem Eintritt der Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides mit der Ausführung des Bauvorhabens beginnt, um damit den im § 68 Abs 1 lit b und Abs 2 OÖ BauO normierten verwaltungsrechtlichen Folgen zu entgehen; mangels anderer vertraglicher Regelung ist eine Konventionalstrafe nur bei Verschulden zu zahlen (SZ 54/4 ua). Alle diese Fragen sind im vorliegenden Rechtsstreit aber in Wahrheit deswegen nicht entscheidend, weil die zwischen den Parteien in ihrer Übereinkunft vom 2. November 1983 getroffene Pönalevereinbarung jedenfalls dadurch überholt wurde, daß zwischen ihnen am 16. März 1984 die Errichtung einer wesentlich vergrößerten Halle vereinbart wurde. Damit wurde der Gegenstand des zwischen ihnen geschlossenen Werkvertrages derart geändert, daß die Pönalevereinbarung vom 2. November 1983 auf diesen Vertragsgegenstand schon deswegen nicht mehr angewendet werden konnte, weil der ursprünglich vereinbarte Ausführungstermin (46. bis 51. Lohnwoche 1983) für diesen neuen Vertragsgegenstand jedenfalls nicht mehr in Betracht kam. Ob aber am 16. März 1984 zwischen den Streitteilen eine neuerliche, den geänderten Vertragsgegenstand betreffende Pönalevereinbarung getroffen wurde, ergibt sich aus den Feststellungen des Erstgerichtes nicht. Damals lag nach dem diesbezüglich übereinstimmenden Parteienvorbringen jedenfalls bereits eine rechtskräftige Baubewilligung vor, sodaß der Einwand des Klägers gegen die Gültigkeit einer derartigen Vereinbarung wegen Verstoßes gegen die Vorschriften der OÖ BauO hinsichtlich einer solchen neuerlichen Vereinbarung jedenfalls nicht zum Tragen kommt. Im Ergebnis mit Recht hat es daher das Berufungsgericht für erforderlich gehalten, Feststellungen darüber zu treffen, ob anläßlich der inhaltlichen Abänderung des zwischen den Streitteilen geschlossenen Werkvertrages am 16. März 1984 zwischen ihnen eine Pönalevereinbarung bezüglich des damals dem Kläger in Auftrag gegebenen Baues getroffen wurde und ob der Kläger durch die tatsächliche Dauer der Bauausführung dagegen verstieß. Dem Rekurs der Beklagten mußte unter diesen Umständen ein Erfolg versagt bleiben.

Da dieses Rechtsmittel aber zur Klärung der Rechtslage beigetragen hat, ist die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens im Sinne des § 52 ZPO dem weiteren Verfahren vorzubehalten (EvBl 1958/28 u.a.).

Anmerkung

E11617

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0080OB00511.87.0708.000

Dokumentnummer

JJT_19870708_OGH0002_0080OB00511_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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