Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rupert K***, Pensionist, 4600 Schauersberg 79, vertreten durch Dr. Ulrich Schwab, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagten Parteien
1) Verlassenschaft nach dem am 5. September 1984 verstorbenen Mathias K***, Pensionist, 4600 Schauersberg 78, vertreten durch den Kurator Dr. Klaus Dieter Strobach, Rechtsanwalt in Grieskirchen, und 2) Karl K***, Pensionist, 4600 Schauersberg 78, vertreten durch den Sachwalter Dr. Günter Geusau, Rechtsanwalt in Wels, wegen Zahlung von S 1,899.500,-- s.A., Leistung einer monatlichen Rente von S 3.500,-- ab 1. Jänner 1985 und Feststellung (S 50.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 30. September 1986, GZ 3 R 181/86-90, womit infolge Berufung der erstbeklagten Partei das Teil- und Zwischenurteil des Kreisgerichtes Wels vom 13. November 1985, GZ 2 Cg 245/84-72, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Endurteil vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger wurde am 15. Juli 1963 von seinem Schwiegervater Mathias K*** und dessen Sohn, dem Zweitbeklagten, im Zuge einer tätlichen Auseinandersetzung schwer verletzt. Mathias K*** ist am 5. September 1984 verstorben. Mit Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 21. Juli 1964, 13 E Vr 863/63-49, wurden Mathias K*** und der Zweitbeklagte unter anderem des Verbrechens der schweren körperlichen Beschädigung nach § 157 Abs 2 StG schuldig erkannt. Es wurde ihnen zur Last gelegt, am 15. Juli 1963 in Traunleiten bei einer gegen den Kläger unternommenen Mißhandlung dadurch, daß sie diesem mit einem Holzprügel mehrere Schläge auf den Kopf versetzten, gegen diesen zwar nicht in der Absicht, ihn zu töten, aber doch in einer anderen feindseligen Absicht auf solche Art gehandelt zu haben, daß daraus eine schwere Verletzung des Klägers, nämlich ein Schädelbasisbruch mit Gehirnquetschung, verbunden mit einer 30 Tage übersteigenden Berufsunfähigkeit und Gesundheitsstörung, erfolgt sei, wobei sich nicht erweisen lasse, wer von ihnen die schwere Verletzung zugefügt habe. Ein von Mathias K*** gegen dieses Urteil erhobenes Rechtsmittel blieb erfolglos.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger mit seiner am 17. September 1963 eingebrachten Klage aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes zunächst die Verurteilung des Mathias K*** und des Zweitbeklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung eines Schmerzengeldes von S 50.000,-- s.A. Am 17. Jänner 1964 wurde der Rechtsstreit bis zur Erledigung des damals noch gegen Mathias K*** und den Zweitbeklagten anhängigen Strafverfahrens unterbrochen (ON 8). Mit einem am 19. Februar 1965 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz stellte der Kläger den Fortsetzungsantrag (ON 9). In diesem in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 3. November 1965 (ON 24) vorgetragenen Schriftsatz dehnte der Kläger sein Begehren dahin aus, daß er nunmehr die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 166.500,-- s.A. (Schmerzengeld S 100.000,--, Verdienstentgang monatlich S 3.500,-- für die Zeit vom 1. August 1963 bis 28. Februar 1965) und einer monatlichen Rente von S 3.500,-- ab 1. März 1965 (Verdienstentgang) verlangte. Überdies stellte er nunmehr ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten für seine künftigen Schäden gerichtetes Feststellungsbegehren.
Da zu der für den 23. Mai 1966 anberaumten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung trotz ausgewiesener Zustellung niemand erschien, trat mit diesem Zeitpunkt Ruhen des Verfahrens ein (ON 36). Am 28. August 1984 langte ein Fortsetzungsantrag des Klägers beim Erstgericht ein (ON 42).
In einem am 27. Dezember 1984 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz (ON 52), der in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 8. Oktober 1985 (ON 64) vorgetragen wurde, dehnte der Kläger sein Leistungsbegehren auf S 1,899.500,-- s.A. (Schmerzengeld S 1,000.000,--, Verdienstentgang monatlich S 3.500,-- für die Zeit vom 1. August 1963 bis 31. Dezember 1984) und auf Zahlung einer monatlichen Rente von S 3.500,-- ab 1. Jänner 1985 aus. Die Beklagten wendeten im wesentlichen ein, daß Mathias K*** und der Zweitbeklagte nur Angriffe des Klägers abgewehrt hätten. Den Kläger treffe ein Mitverschulden von zumindest 50 %, weil er ihr Verhalten provoziert habe. Hinsichtlich des behaupteten Verdienstentganges habe der Kläger seine Schadensminderungspflicht verletzt. Der geltend gemachte Schmerzengeldanspruch sei überhöht; ein Verdienstentgang sei dem Kläger nicht entstanden. Die Klagsforderungen seien verjährt; das Verfahren sei vom Kläger nicht gehörig fortgesetzt worden. Der Kläger habe, wie sich aus der langen Zeit des Ruhens des Verfahrens ergebe, schlüssig auf die Geltendmachung der Klagsforderungen verzichtet.
Der Kläger brachte zum Verjährungseinwand vor, seine Schadenersatzforderung resultiere aus einem mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Verbrechen und unterliege daher der 30jährigen Verjährungsfrist. Das Verfahren sei noch innerhalb der Verjährungszeit fortgesetzt worden und der Kläger hätte zur Zeit der Fortsetzung des Verfahrens sogar noch die Klage einbringen können. Eine Entscheidung über das gegen den Zweitbeklagten gerichtete Klagebegehren ist bisher nicht erfolgt.
Das Erstgericht entschied mit Teil- und Zwischenurteil, "daß das Klagebegehren gegenüber der erstbeklagten Partei dem Grunde nach zur Gänze zu Recht besteht" und "daß das Klagebegehren gegenüber der erstbeklagten Partei der Höhe nach im Schmerzengeldbereich mit S 800.000,-- s.A. zu Recht und mit S 200.000,-- nicht zu Recht besteht". Es erkannte die Erstbeklagte schuldig, dem Kläger S 800.000,-- s.A. zu bezahlen und wies das gegen die Erstbeklagte gerichtete Mehrbegehren des Klägers auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 200.000,-- ab.
Das Erstgericht stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Am Abend des 15. Juli 1963 stritten sich Mathias K*** und der Kläger im Garten ihres Hauses. Sie begannen zu raufen und stürzten dabei zu Boden. Pauline und Herta K*** (Gattin und Tocher des Klägers) versuchten sie zu trennen und riefen um Hilfe. Hierauf kam auch der Zweitbeklagte herbei und trennte die beiden Streitenden, indem er den Kläger, der unter Mathias K*** lag, am Hals faßte. Dann kamen die beiden Streitenden wieder auf die Beine. Der Kläger versuchte, sich rückwärts gehend von den beiden anderen zu entfernen. Der Zweitbeklagte nahm einen herumliegenden Ziegelbrocken auf und warf ihn auf den Kläger. Dann griffen Mathias K*** und der Zweitbeklagte zu armdicken Holzpflöcken. Der Kläger sah dies und versuchte, davonzulaufen, um sich in der Garage zu verbergen. Mathias K*** und der Zweitbeklagte liefen ihm nach und schlugen ihm dabei mehrmals die Holzprügel auf den Kopf. Der Kläger konnte die Garagentür nicht mehr schließen; Mathias K*** kam ihm in die Garage nach und schlug ihm solange mit dem Holzprügel auf den Kopf, bis er bewußtlos zusammenbrach. Dann kam auch der Zweitbeklagte nach und schlug mit seinem Holzprügel weiter auf den Kopf des bewußtlos am Boden liegenden Klägers. Sodann liefen Mathias K*** und der Zweitbeklagte noch Pauline und Herta K*** nach und prügelten sie ebenfalls.
Durch die Schläge mit dem Holzprügel erlitt der Kläger schwerste Kopfverletzungen, im wesentlichen einen Schädelgrundbruch und Gehirnquetschungen. Das Erstgericht traf Feststellungen über die Art und die Folgen der dem Kläger zugefügten Verletzungen, deren Wiedergabe im einzelnen unterbleiben kann. Sie lassen sich im wesentlichen dahin zusammenfassen, daß der Kläger infolge der ihm zugefügten Verletzungen an einem organischen Psychosyndrom leidet. Seine intellektuelle Leistungsfähigkeit ist so weit herabgesetzt, daß er nur mehr zum Vollzug einfacher Überlegungen fähig ist und weitgehend versagt, sobald ein Problem eine beschränkte Komplexität annimmt. Dieser Verlust der früher vorhanden gewesenen Intelligenz ist eine unbehebbare Dauerfolge. Bis Mitte 1965 erlitt der Kläger etwa 4 Wochen starke, 8 Wochen mittlere und 5 Monate leichte Schmerzen; seither erleidet er pro Lebensjahr etwa 2 Wochen leichte Schmerzen in Form verletzungsbedingter Kopfschmerzen. Infolge der verletzungsbedingten Unfähigkeit des Klägers, seinen Spenglereibetrieb weiterzuführen, fielen in diesem Betrieb Ausgaben an, die ohne die Verletzung des Klägers nicht hätten gemacht werden müssen. So erhielt der im Betrieb des Klägers aushelfende Egon K*** am 3. Juni 1966 einen Betrag von S 15.000,-- als "Leistungsprämie" ausbezahlt.
Die Gründe für das am 23. Mai 1966 eingetretene Ruhen des Verfahrens waren familiärer Natur. Pauline K***, die Gattin des Klägers, ist die Schwester des Zweitbeklagten. Wenn sie das Verfahren fortgesetzt hätte und mit einem für die damaligen Verhältnisse beträchtlichen Betrag durchgedrungen wäre, hätte sie die Exekution führen müssen, wodurch auch ihre Eltern gelitten hätten. Insbesondere bat die Schwiegermutter des Klägers stets, das Verfahren nicht fortzusetzen, weil sie sonst das Haus (offenbar gemeint: ihre dortige Wohnmöglichkeit) verlieren würde. Aus diesen Erwägungen setzte der Kläger damals das Verfahren nicht fort. Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß das Zivilgericht nach § 268 ZPO an den Inhalt des verurteilenden Erkenntnisses des Strafgerichtes gebunden sei. Diese Bindung erstrecke sich nicht nur auf den Spruch, sondern auch auf die ihm zugrundeliegenden Feststellungen.
Nach diesen Feststellungen könne weder ein Anhaltspunkt für eine Provokation durch den Kläger noch für eine Notwehrhandlung eines der Täter erblickt werden. Ein Verzicht des Klägers auf seine Schadenersatzansprüche sei nicht anzunehmen, da bloße Untätigkeit noch nicht zum Rechtsverlust führen könne. Der Kläger habe das Verfahren aber ausschließlich aus familiären Erwägungen nicht fortgesetzt, da im Fall einer Exekution die Eltern seiner Gattin darunter gelitten hätten.
Für den Ablauf der Verjährungsfrist sei gemäß § 1489 ABGB (in der Fassung des BGBl. 1974/496) maßgeblich, ob das am Kläger begangene Vorsatzdelikt mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sei. Dies sei nach der seit 1. Jänner 1975 durch das StGB geschaffenen Rechtslage nicht der Fall. Die Tat sei nämlich als Vergehen nach § 91 Abs 1 StGB zu qualifizieren. Dennoch komme nicht die kurze dreijährige Verjährungszeit zur Anwendung, weil die Tat zur Zeit ihrer Begehung ein "Verbrechen" gewesen und demnach seinerzeit gemäß § 1489 ABGB in der früheren Fassung der 30jährigen Verjährung unterlegen sei. Da Gesetze nach § 5 ABGB nicht zurückwirkten und überdies nach Art. 7 MRK ein ausdrückliches Rückwirkungsverbot im Verfassungsrang gegeben sei, habe es nicht zu einer nachträglichen Verkürzung der Verjährungszeit kommen können. Das dem Kläger gebührende angemessene Schmerzengeld sei mit S 800.000,-- zu bemessen; sein diesbezügliches Mehrbegehren sei unberechtigt.
Das Begehren auf Zuspruch von Verdienstentgang sei der Höhe nach noch nicht entscheidungsreif. Es stehe aber fest, daß der Kläger zumindest im Juni 1966 verletzungsbedingt S 15.000,-- an eine Hilfskraft bezahlt habe. Damit bestehe das Begehren auf Ersatz des Verdienstentganges zumindest mit einem kleinen Geldbetrag der Höhe nach zu Recht. Daraus ergebe sich die Zulässigkeit eines Zwischenurteiles.
Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung der Erstbeklagten gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil Folge. Es änderte das Teil- und Zwischenurteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es (mit Teilurteil) das Leistungsbegehren des Klägers zur Gänze abwies.
Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und führte rechtlich im wesentlichen aus, durch § 268 ZPO werde die allgemeine Grundregel, daß die Entscheidung auf Grund der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz zu ergehen habe, nicht aufgehoben. Abgesehen davon binde § 268 ZPO den Zivilrichter nur an die Tatsachenfeststellungen des Strafgerichtes, nicht aber an dessen Qualifikation. Die Übergangsbestimmung des § 323 Abs 2 StGB beschränke sich ebenso wie die Norm des § 61 StGB auf den strafrechtlichen Bereich.
Dies ändere jedoch nichts an der schon vom Erstgericht aufgezeigten Verjährungsproblematik. Auch die Qualifikation der tätlichen Angriffe gegen den Kläger durch das Zivilgericht ergebe, daß die seinerzeit als Verbrechen nach § 157 Abs 2 StG anzusehende Straftat nunmehr ein Vergehen nach § 91 Abs 1 erster Fall StGB darstelle. Beiden Tatbeständen sei gemeinsam, daß die Strafdrohungen nicht über ein Jahr Freiheitsstrafe hinausgingen. Insofern komme eine ausnahmsweise 30jährige Verjährung nach § 1489 ABGB in der Fassung des Art. I Z 7 BGBl. 1974/496 in beiden Fällen, abgestellt auf den Schluß der Verhandlung erster Instanz, nicht mehr in Betracht. Richtig sei aber, daß die längere Verjährung vor der genannten Novelle nicht von der Dauer der Freiheitsstrafe, sondern von der Qualifikation der Tat als Verbrechen abhängig gewesen sei. Nach Art. II der zitierten Novelle sei diese schlechthin mit 1. Jänner 1975 in Kraft getreten. Übergangsbestimmungen im Sinne einer Beschränkung der Anwendung des neuen Gesetzes auf Tatbestände, die sich nach seinem Geltungsbeginn verwirklichen, fehlten. Es bedürfe daher der Bereinigung einer temporären Gesetzeskollision, die für den Bereich des ABGB in der Bestimmung des Abs 6 des Kundmachungspatentes zum ABGB, das noch weiter gelte, wenn keine andere Regelung getroffen worden sei, eine positive Lösung erfahren habe. Demnach sei der Beginn der Verjährung zwar grundsätzlich nach dem alten Gesetz zu beurteilen, doch komme auch dem von den Beklagten erhobenen Einwand der kürzeren Verjährungsfrist Beachtlichkeit zu. In diesem Fall sei die kürzere Frist von dem Zeitpunkt, in dem das neue Gesetz verbindliche Kraft erhalten habe, neu zu berechnen.
Der Kläger habe seine Klage jedenfalls rechtzeitig noch am 17. September 1963 eingebracht. Seine Ansprüche wären daher nicht verjährt, wenn er das Verfahren innerhalb von 3 Jahren nach Inkrafttreten der die Verjährungsfrist verkürzenden Novelle fortgesetzt hätte. Es könne somit nicht von einer echten Rückwirkung der kürzeren Verjährungsfrist gesprochen werden. Der gebotene Vertrauensschutz erscheine insofern gewahrt, als dem Kläger nach geschaffener neuer Rechtslage ohnehin noch die gesamte, allerdings kürzere Verjährungsfrist offengestanden sei.
Damit komme dem Einwand des Erstbeklagten, der Kläger habe zwar rechtzeitig geklagt, das Verfahren aber nicht gehörig fortgesetzt, Bedeutung zu. Da schon am 23. Mai 1966 Ruhen des Verfahrens eingetreten und erst am 28. August 1984 ein Fortsetzungsantrag gestellt worden sei, sei der Kläger über 18 Jahre lang untätig geblieben. Auch wenn es hier nicht auf die Dauer, sondern auf den Grund der Untätigkeit ankomme, falle dem Kläger immerhin noch eine sechsjährige Untätigkeit selbst nach dem Ende der auf drei Jahre verkürzten Verjährungsfrist zur Last. Familiäre Rücksichtnahme allein reiche für die Annahme einer wirksamen Unterbrechung der Verjährung nicht aus, zumal der Kläger nicht darzutun vermocht habe, welche Gründe nunmehr weggefallen seien, die einer früheren Fortsetzung des Verfahrens im Wege gestanden seien. Über das Feststellungsbegehren habe das Erstgericht bisher nicht entschieden. Es habe daher insoweit bei einem Teilurteil zu verbleiben.
Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers. Er bekämpft sie aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Die Erstbeklagte beantragt, der Revision des Klägers keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Hinblick auf die Höhe des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ohne die im § 503 Abs 2 ZPO normierte Einschränkung der Revisionsgründe zulässig, sachlich aber nicht berechtigt. Das Berufungsgericht hat entgegen den Revisionsausführungen mit Recht die Verjährung der den Gegenstand seines Teilurteiles bildenden Leistungsanspüche des Klägers bejaht.
Auf Grund des Art. I Z 7 des mit 1. Jänner 1975 in Kraft getretenen Bundesgesetzes vom 11. Juli 1974, BGBl. 1974/496, wurden die bis dahin geltenden Bestimmungen des letzten Satzes des § 1489 ABGB dahin abgeändert, daß die Worte "aus einem Verbrechen" durch die Worte "aus einer oder mehreren gerichtlich strafbaren Handlungen, die nur vorsätzlich begangen werden können und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind" ersetzt wurden. Übergangsvorschriften enthält dieses Bundesgesetz nicht. Es ergibt sich daher die Frage nach dem zeitlichen Geltungsbereich der geänderten Verjährungsbestimmung des § 1489 ABGB hinsichtlich einer vor dem Inkrafttreten dieser Rechtsvorschrift erfolgten Schädigung. Der Oberste Gerichtshof hatte sich bereits mehrfach mit der Frage zu befassen, ob bei einer vor der Wirksamkeit geänderten Verjährungsbestimmungen begonnenen Verjährung im Falle der Verlängerung der Verjährungsfrist durch das neue Gesetz die Verjährung nach der im alten oder nach der im neuen Gesetz festgesetzten Verjährungsfrist zu beurteilen ist (JBl 1958, 269, RZ 1960, 164; 8 Ob 81, 82/79). Er kam dabei unter Hinweis auf die im ersten Satz des Abs 6 des Kundmachungspatentes zum ABGB getroffene Regelung zu dem Ergebnis, daß in derartigen Fällen für eine schon begonnene Verjährung hinsichtlich der anzuwendenden Verjährungsfrist das alte und nicht das neue Gesetz maßgebend sei, wies aber darauf hin, daß im zweiten Satz des Abs 6 des Kundmachungspatentes zum ABGB für den Fall besondere Bestimmungen erlassen wurden, daß im neuen Gesetz eine kürzere Verjährung bestimmt ist. Diese Bestimmung lautet: "Wollte sich jemand auf eine Ersitzung oder Verjährung berufen, die in dem neueren Gesetze auf eine kürzere Zeit als in den früheren Gesetzen bestimmt ist, so kann er auch diese kürzere Frist erst von dem Zeitpunkte, in welchem das gegenwärtige Gesetz verbindliche Kraft erhält, zu berechnen anfangen." Die gebotene sinngemäße Anwendung dieser Bestimmung führt zu dem Ergebnis, daß im Fall der Verkürzung einer bereits laufenden Verjährungsfrist durch ein neues Gesetz mangels abweichender gesetzlicher Regelung sich zwar die Länge der Verjährungsfrist nach dem neuen Gesetz bestimmt, diese (kürzere) Frist aber erst mit dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes zu laufen beginnt (so auch Ehrenzweig, System2 I/1, 95; Wolff in Klang2 I/1, 79).
Im vorliegenden Fall wurden Mathias K*** und der Zweitbeklagte wegen der am 15. Juli 1963 erfolgten Verletzung des Klägers mit Urteil vom 21. Juli 1964 des Verbrechens der schweren körperlichen Beschädigung nach § 157 Abs 2 StG, das mit Kerker von 6 Monaten bis zu einem Jahr bedroht war, schuldig erkannt. Nach der damals geltenden Fassung des § 1489 ABGB unterlag daher der gegen sie gerichtete Schdenersatzanspruch des Klägers, weil der Schaden aus einem Verbrechen entstanden war, der 30jährigen Verjährung, die mit dem schädigenden Ereignis zu laufen begann (Arb. 9770; JBl 1982, 389). Mit dem Inkrafttreten des BGBl. 1974/496 am 1. Jänner 1975 wurde diese Verjährungsfrist auf 3 Jahre verkürzt, weil die strafbare Handlung des Mathias K*** und des Zweitbeklagten nicht mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht war und daher nunmehr im Sinne des ersten Satzes des § 1489 ABGB Schadenersatzansprüche des Klägers der dreijährigen Verjährungsfrist unterlagen. Allerdings ist im Sinne obiger Rechtsausführungen diese kürzere Verjährungsfrist erst ab 1. Jänner 1975 zu rechnen. Die Verjährungsfrist hinsichtlich der Schadenersatzansprüche des Klägers ist daher mit Ende des Jahres 1977 abgelaufen.
Was der Kläger dagegen in seiner Revision ausführt, schlägt nicht durch. Für die Frage des Ablaufes der Verjährungsfrist ist nicht entscheidend, wie die strafbaren Handlungen des Mathias K*** und des Zweitbeklagten nach den Bestimmungen des erst viel später in Kraft getretenen StGB zu qualifizieren wären; eine solche Vorgangsweise verbietet sich schon im Hinblick auf das im § 61 StGB normierte Rückwirkungsverbot. Entscheidend ist vielmehr, daß diese strafbaren Handlungen zur Zeit ihrer Begehung als Verbrechen zu qualifizieren waren und daher nach der damaligen Rechtslage den Lauf einer 30jährigen Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche des Klägers auslösten und daß mit dem Inkrafttreten des BGBl. 1974/496 diese Verjährungsfrist auf drei Jahre verkürzt wurde, weil die von Mathias K*** und dem Zweitbeklagten begangenen Straftaten zur Zeit ihrer Begehung nicht mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht waren. Gewiß erstreckt sich die im § 268 ZPO normierte Bindung des Zivilrichters an ein veruteilendes strafgerichtliches Erkenntnis nicht auf die rechtliche Subsumtion (SZ 24/307; SZ 55/154 uva.); sie hindert insbesondere den Zivilrichter nicht, einen dem Verurteilten ungünstigeren Tatbestand als der Strafrichter anzunehmen (SZ 14/145, 8 Ob 238/73; 8 Ob 538/85 ua.). Allein im vorliegenden Fall wurden weder im Verfahren erster Instanz Tatsachenbehauptungen aufgestellt, aus denen sich ableiten ließe, daß Mathias K*** und der Zweitbeklagte am Kläger eine mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohte Straftat begangen hätten noch ergibt sich dies aus den Feststellungen der Vorinstanzen. Insbesondere läßt sich derartiges aus dem in der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz, daß mehrere strafgerichtlich nach § 157 Abs 2 StG Verurteilte dem Verletzten solidarisch haften, ohne daß dieser die Beteiligung jedes einzelnen Verurteilten an der Beschädigung nachzuweisen braucht (SZ 27/103; SZ 43/141 ua.), nicht ableiten. Ein in dieser Richtung in der Revision zumindest sinngemäß geltend gemachter Feststellungsmangel liegt nicht vor. Soweit sich der Kläger in seiner Revision auf die Bestimmung des § 1494 ABGB bezieht und darzutun versucht, daß er aus Mangel seiner geistigen Kräfte seine Rechte zu verwalten unfähig sei und keinen gesetzlichen Vertreter habe, ist ihm zu entgegnen, daß er zunächst im Verfahren erster Instanz in dieser Richtung zielende Tatsachenbehauptungen nicht aufgestellt hat und daß daher diese seine Ausführungen in der Revision gegen das Neuerungsverbot verstoßen. Im übrigen ergibt sich aus dem im Laufe des Berufungsverfahrens ergangenen Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 17. April 1986, SW 9/86-16, für den vorliegenden Rechtsstreit bindend, daß der Kläger nicht derart im Sinne des § 273 ABGB behindert ist, daß er der Bestellung eines gesetzlichen Vertreters (Sachwalters) bedürfte (§ 6a ZPO).
Ist somit die Verjährungszeit mit Ende des Jahres 1977 abgelaufen, dann sind zunächst die Leistungsansprüche des Klägers, soweit sie erst nach diesem Zeitpunkt geltend gemacht wurden (Klagsausdehnung um S 900.000,-- Schmerzengeld im Schriftsatz ON 52), jedenfalls verjährt. Denn es wurde vom Kläger im Verfahren erster Instanz nicht einmal behauptet, daß diese Ausdehnung seines Schmerzengeldbegehrens auf früher nicht vorhersehbare neue Auswirkungen seiner Verletzung zurückzuführen sei, in welchem Fall für die ausgedehnten Ansprüche eine neue Verjährungsfrist zu laufen begonnen hätte (SZ 20/236; JBl 1973, 372 uva.). Tatsächlich besteht nach dem Akteninhalt kein Zweifel daran, daß die vom Kläger zu gegenwärtigenden Verletzungsfolgen bereits vor dem Eintritt des Ruhens des Verfahrens im Jahr 1966 in ihrem vollen Umfang überschaubar waren.
Was die übrigen innerhalb der offenen Verjährungsfrist geltend gemachten Leistungsansprüche des Klägers anlangt, ist auf § 1497 ABGB zu verweisen, wonach die Belangung des Verpflichteten nur unter der Voraussetzung der gehörigen Fortsetzung der Klage die Verjährung unterbricht. Es ist nach den Umständen des Falles zu beurteilen, ob ein längeres Zuwarten mit der Verfolgung des Anspruches noch hingenommen werden kann oder ob eine ungewöhnliche Untätigkeit des Klägers vorliegt, die die gehörige Fortsetzung der Klage ausschließt. Beruft sich der Beklagte auf die Verjährung wegen nicht gehöriger Fortsetzung, ist es Sache des Klägers, beachtliche Gründe für seine Untätigkeit nachzuweisen. Derartige Gründe müssen im Verhältnis zwischen den Parteien gelegen sein. Entscheidend ist, ob das Verhalten des Klägers auf sein mangelndes Interesse an der Verfahrensfortsetzung schließen läßt (siehe dazu Schubert in Rummel, ABGB, Rz 10 zu § 1497 und die dort angeführte Judikatur). Wenn im vorliegenden Fall nach den Feststellungen der Vorinstanzen der Kläger im wesentlichen von der Fortsetzung des Verfahrens nach dem am 23. Mai 1966 eingetretenen Ruhen Abstand nahm, um zu verhindern, daß seine Schwiegermutter ihre Wohngelegenheit verliere, so betrifft dieser Grund zunächst nicht das Verhältnis der Streitteile. Im übrigen hätte der Kläger durch die Fortsetzung des Rechtsstreites allein noch keinesfalls seinen Prozeßgegnern Vermögen entzogen. Ob er zur Durchsetzung ersiegter Ansprüche Exekution führen wollte oder nicht, stand ihm immer noch frei. Wenn er unter diesen Umständen durch einen Zeitraum von 18 Jahren von der Fortsetzung des Verfahrens Abstand nahm, ist nicht zu erkennen, welche beachtlichen Gründe ihm für diese extrem lange Untätigkeit zugebilligt werden könnten. Dieses Verhalten des Klägers war vielmehr durchaus geeignet, in seinen Prozeßgegnern die Überzeugung zu erwecken, daß er an der Fortsetzung des Verfahrens kein Interesse mehr habe. Unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen kann von einer gehörigen Fortsetzung der Klage durch den Kläger im Sinne des § 1497 ABGB keine Rede sein. Es sind daher auch die Leistungsansprüche des Klägers, soweit sie noch während offener Verjährungsfrist geltend gemacht wurden, verjährt.
Das vom Kläger gestellte Feststellungsbegehren (über das noch nicht entschieden wurde) ändert daran nichts, weil die Einbringung einer Feststellungsklage die Verjährung aller zukünftigen Ansprüche nur unter der Voraussetzung ihres Erfolges unterbricht (ZVR 1971/103; ZVR 1974/171 uva.) und dem vorliegenden Feststellungsbegehren des Klägers, für dessen Verjährung die selben Grundsätze gelten wie für die Leistungsklage (SZ 48/27; ZVR 1982/269; ZVR 1984/210 ua.), aus den dargestellten Gründen kein Erfolg beschieden sein kann.
Die Entscheidung des Berufungsgerichtes entspricht somit durchaus der Sach- und Rechtslage; der Revision des Klägers mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.
Der Vorbehalt der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 Abs 2 ZPO.
Anmerkung
E11615European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0080OB00508.87.0708.000Dokumentnummer
JJT_19870708_OGH0002_0080OB00508_8700000_000