TE OGH 1987/7/8 8Ob49/87

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Veröffentlicht am 08.07.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerald W***, Maschinenschlosserlehrling, Gösselsdorf 189, 9141 Ebendorf, vertreten durch Dr. Kurt Eckmair und Dr. Reinhard Neureiter, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Emil H***, Lehrling, Gösselsdorf 171, 9141 Eberndorf, und 2.) E*** A*** Versicherungs-AG, Brandstätte 7-9, 1010 Wien, beide vertreten durch Dr. Dieter Sima, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 1,659.386 S sA infolge Revision der klagenden Partei und der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 4. Dezember 1986, GZ 5 R 177/86-29, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Teilurteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 10. Mai 1986, GZ 21 Cg 9/85-18, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Keiner der Revisionen wird Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei an Kosten des Revisionsverfahrens den Betrag von 1.871,48 S (darin 170,13 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 2. Juli 1983 wurde der (am 11. Dezember 1965 geborene) Kläger als Fahrgast des vom Erstbeklagten gelenkten, bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherten PKWs Toyota Corolla (K 84.645) schwer verletzt. Die beklagten Parteien haften für alle Folgen des Klägers aus diesem Verkehrsunfall dem Grunde nach zur ungeteilten Hand, die zweitbeklagte Partei beschränkt bis zur Deckungssumme für den genannten PKW (Teilurteil ON 5 dA). Nach dem Unfall wurde der Kläger in bewußtlosem Zustand in das Landeskrankenhaus Klagenfurt eingeliefert. Dabei wurde eine Gehirnerschütterung, ein Bruch des rechten Brustwirbelknochens mit Subluxation des 5. auf den

6. Brustwirbelkörper, ein Bruch des rechten Schlüsselbeins, ein Serienrippenbruch V, VI und VII, rechts mit Blutung im Brustraum, ein knöcherner Abriß des medialen Schienbeincondyls rechts, eine Rißquetschwunde an der rechten Ohrmuschel, eine komplette Querschnittslähmung und eine Milzruptur festgestellt. Der Bauchraum wurde wegen Vorhandenseins von Massivblut operativ eröffnet; da sich ein Milzriß zeigte, wurde die Milz entfernt. Wegen der Blutungen und der Serienrippenbrüche wurde beim Kläger rechts eine Bülaudrainage angelegt. Am 9. Juli 1983 erhielt der Kläger, der bis 40 Grad fieberte, verschiedene Medikamente. An der Querschnittslähmung änderte sich nichts. Im weiteren Verlauf ergaben sich wieder bedeutende Fieberkurven bis 40 Grad. Am 14. Juli 1983 wurde die Bülaudrainage entfernt. Die Röntgenkontrolle zeigte die unveränderte Trümmerfraktur des 6. Brustwirbelkörpers mit Verrenkung des 5. auf den 6. Brustwirbelkörper in fast voller Wirbelbreite. Bis zum 2. Juli 1983 fieberte der Kläger ab, war aber zum Teil noch subfebril und subjektiv gebessert. Die Nähte wurden am 24. Juli 1983 entfernt. Es kam zum Auftreten von Durchfällen und in weiterer Folge zu einer Medikamentenallergie und neuerlich zu Fieberschüben mit Verdacht auf Harndexinfekt. Die diesbezüglichen Untersuchungen bestätigten den Verdacht der Diagnose. Trotz entsprechender Antibiotika fieberte der Kläger auch weiterhin. Am 8. August 1983 war es neuerlich zum Auftreten einer Allergie gekommen, weshalb die antibiotische Behandlung abgesetzt werden mußte. Dadurch zeigte sich eine Einstellung der Fieberanfälle. Die Röntgenkontrolle der Brustwirbelsäule zeigte die Feststellung derselben mit einer Knickbildung von etwa 30o. Nach fieberfreiem Verlauf und relativ gutem Allgemeinzustand wurde der Kläger am 7. September 1983 zur Mobilisierung in das Rehabilitationszentrum Dobelbad überstellt, wo er sich bis 29. Oktober 1983 und vom 6. November 1983 bis 20. Dezember 1983 aufhielt. Er besuchte regelmäßig die Atemgymnastik und das Paraplegikerprogramm. Er erlernte in den Alltagsverrichtungen die Selbständigkeit. Bei den Übungen zeigte er sich sehr geschickt. Er beherrschte die Selbstüberstellung vom Rollstuhl in das Bett, vom Rollstuhl in das WC, vom Rollstuhl in die Badewanne und zurück ebenso wie den Bodenrollstuhl, das Gehsteigkantenfahren und das Treppenfahren. Im Selbsthilfetraining zeigte er sich schon fast selbständig. In der Nacht drehte sich der Kläger auch selbständig um. Die bei der Aufnahme bestehende schlaffe Lähmung wurde während des stationären Aufenthaltes spastisch. Zusammenfassend bestand beim Kläger eine komplette Querschnittslähmung unter dem 6. Brustwirbelkörper mit einer Beilähmung der Rumpf- und Bauchmuskulatur und kompletter spastischer Lähmung beider Beine, einer Blasenlähmung mit Reflexblase, Neigung zu Harnwegsinfektionen und einer Mastdarmlähmung. Vom 30. Oktober 1983 bis 5. November 1983 war der Kläger in häuslicher Pflege. Vom 11. Juli 1984 bis 14. September 1984 hielt er sich in Behandlung im LKH Klagenfurt (Dermatologische Abteilung) auf. Die Aufnahme war wegen des Auftretens von Geschwüren durch Aufliegen erforderlich. Es wurde eine entsprechende medikamentöse Therapie durchgeführt. Auch wurden abgestorbene Gewebeteile entfernt und die Decubitalulcera zum Abheilen gebracht. Der gleichzeitig bestehende Harnweginfekt wurde medikamentös soweit beherrscht, daß sich die Blutbildwerte und die Serologie bis zum Zeitpunkt der Entlassung am 14. September 1984 normalisierten.

Bei der Untersuchung am 22. Jänner 1986 durch den vom Erstgericht beigezogenen Sachverständigen ergab sich - soweit dies noch für das im Revisionsverfahren allein strittig gebliebene Schmerzengeld von Bedeutung ist - daß die Schultergelenke, Ellenbogengelenke, Hand- und Fingergelenke beim Kläger seitengleich frei beweglich waren. Die Trophik, Motorik und Sensibilität war in Ordnung. Die Radialispulse waren beiderseits gut tastbar. Der Brustkorb ist symmetrisch mit ausreichenden Atemexcorsionen. Stauchschmerz ist keiner gegeben. Es zeigt sich eine Teillähmung der Rücken- und Bauchmuskulatur. Ein Aufsitzen aus dem Liegen ist nur unter Zuhilfenahme der Arme möglich. Beim Kläger zeigt sich ein hochgradiger Rundrücken mit Skoliose Gibbus über dem

6. Brustwirbelkörper mit Thoraxsymmetrie. In diesem Bereich zeigt sich eine ausgeprägte Achsenfehlstellung der Caodalenrippen links mit Hochstehen des Rippenbogens links mehr als rechts. Beim Kläger zeigt sich eine ausgeprägte Beinmuskelatrophie bei erhaltenen Gelenkskulturen, aber bei Fehlstellung der Beine. Eine aktive Beweglichkeit der Beine ist aufgehoben. Passiv sind die Gelenke frei beweglich. Über beiden Trochantern zeigen sich Dekobital ulcus Narben. Die Lähmung tritt beim Kläger ab dem mittleren Brustwirbelsäulenabschnitt ein. Die Hände sind in der Bewegung frei und ungestört. Die obere Hälfte des Brustkorbs ist frei beweglich. Die Statik und Dynamik sind gestört. Der Kläger ist im Rollstuhl gut angepaßt und in der Lage, sich selbständig an- und auszuziehen. Er kann selbständig essen und kann sich bei geeigneten Einrichtungen auch selbst reinigen. So kann er die Toilette aufsuchen; vorausgesetzt allerdings bei entsprechender Einrichtung. Der Kläger kann sich nicht selbständig eine Mahlzeit zubereiten, eine Wohnung aufräumen und Einkäufe tätigen. Trotz des Teilbereichs dieser Möglichkeiten ist er pflegebedürftig und braucht nach wie vor die Hilfe und Wartung durch eine zweite Person. Der Zustand ist nicht besserungsfähig. Eine beabsichtigte Bewegung des Klägers mittels der Beine ist nicht möglich, da ihm auch ein Balancegefühl fehlt; ebenfalls ist nicht möglich, eine willkürliche Peniserektion. Bei der ausgeprägten Thoraxsymmetrie handelt es sich um einen Endzustand, der nicht operiert wird. Auch die Fehlstellung der Wirbelsäule mit der Knickbildung und Verbiegung ist operativ nicht behebbar. Schließlich besteht eine Blasenlähmung mit Reflexblase;

für die Stuhlentleerung muß der Kläger ständig Abführmittel nehmen;

die Stuhlentleerung ist für den Kläger - außer bei einer Darminfektion - beherrschbar. Durch die Verletzungen ist der Kläger zu 100 % invalide. Eine Änderung des Zustandes ist für die Zukunft nicht zu erwarten. Nicht auszuschließen sind ständig wiederkehrende Harnweginfekte, auftretende Druckgeschwüre infolge des Aufliegens oder krampfähnliche Zustände, deren Intensität nicht abschätzbar ist. Seit dem Unfall leidet der Kläger auch an erhöhter Schweißabsonderung. Der Kläger befand sich 26 Tage lang in stationärer Behandlung, dabei vom 2. Juli 1983 bis 9. Juli 1983 auf der Intensivstation. Er erlitt vom 2. Juli 1983 bis 20. März 1986 - komprimiert auf den 24-Stunden-Tag - 7 Tage qualvolle, 30 Tage starke, 60 Tage mittlere und 90 bis 120 Tage leichte Schmerzen. Er wurde durch den Unfall schwerst versehrt. Er kann keinen Sport mehr ausüben und an den Vergnügungen nur bedingt teilnehmen. Dies ergibt sich auch für den Bereich der zwischenmenschlichen Beziehungen. Vor dem Unfall spielte der Kläger Fußball, fuhr er Schi und ging er eislaufen. Er war Maschinenschlosserlehrling im 2. Ausbildungsjahr. Seit Mitte September 1984 befindet sich der Kläger im Rehabilitationszentrum Linz, wo eigene Pfleger vorhanden sind, die dem Kläger Beistand leisten.

Mit der am 11. Jänner 1985 erhobenen Klage begehrte der Kläger nach verschiedenen Ausdehnungen und Einschränkungen des Klagebegehrens den Zuspruch eines Betrages von 1,659.386 S sA (darin ein Schmerzengeld von 1,100.000 S) und die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für die Unfallsfolgen.

Das Erstgericht gab mit seinem Teilurteil ON 18 dem Leistungsbegehren teilweise statt.

Bei Beurteilung des Schmerzengeldbegehrens ging das Erstgericht dsvon aus, daß das Schmerzgeschehen über den (richtig) 20. März 1986 hinaus nicht überschaut und abgeschätzt werden könnte. Ein Schmerzengeld habe daher nur bis zu diesem Zeitpunkt (Schluß der mündlichen Streitverhandlung) zugesprochen werden können. Unter Bedachtnahme auf die schweren Verletzungen des Klägers, den Behandlungsverlauf sowie die Intensität und Dauer der Schmerzen, die der Kläger bis zu dem genannten Zeitpunkt erlitten hat, die bei ihm bestehenden Dauerfolgen, das Alter des Klägers zur Unfallszeit, den Verlust der Möglichkeit einer sportlichen Betätigung sowie die Beeinträchtigung in den zwischenmenschlichen Beziehungen erachtete das Erstgericht ein Schmerzengeld von 900.000 S als angemessen. Da die Beklagten für Schmerzengeld bereits eine Zahlung von 562.500 S erbracht hatten, sprach das Erstgericht dem Kläger an Schmerzengeld 337.500 S zu.

Das Gericht zweiter Instanz gab der vom Kläger u.a. hinsichtlich der Abweisung seines Schmerzengeldbegehrens erhobenen und auf Ausmessung des Schmerzengeldes im begehrten Betrag von 1,100.000 S gerichteten Berufung keine Folge. Der Berufung der Beklagten gab es hingegen teilweise Folge. Es änderte das angefochtene Teilurteil des Erstgerichtes unter Einbeziehung des unbekämpft gebliebenen bzw. bestätigten Teiles dahin ab, daß es dem KLäger den Betrag von 258.800 S sA (darin - ausgehend von einem Schmerzengeld von 700.000 S unter Bedachtnahme auf die darauf bereits erbrachte Leistung der Beklagten - für restliches Schmerzengeld 137.500 S) zusprach und das Mehrbegehren von 605.000 S sA (darin 400.000 S für weiteres Schmerzengeld) abwies.

Bei der Erledigung der von beiden Teilen hinsichtlich der Entscheidung des Erstgerichtes über das Schmerzengeldbegehren erhobenen Rechtsrügen ging das Berufungsgericht davon aus, daß Schmerzengeld prinzipiell eine einmalige Abfindung darstelle, eine ergänzende Bemessung jedoch nur dann in Frage komme, wenn die Schmerzen bei der Erstbemessung nicht vorhersehbar oder ihre Auswirkungen nicht überschaubar seien. Nach den auf dem unbedenklichen Sachverständigengutachten beruhenden Feststellungen des Erstgerichtes lägen diese Kriterien hier jedoch vor; bei Schluß der Verhandlung sei die Vorhersehbarkeit und Überschaubarkeit der Schmerzen über den 20. März 1986 hinaus nicht gegeben gewesen. Der vom Erstgericht für Schmerzengeld bis zu diesem Zeitpunkt als angemessen erachtete Betrag von 900.000 S sei jedoch im Hinblick auf die bisher in ähnlich gelagerten Fällen ergangenen oberstgerichtlichen Entscheidungen doch zu hoch gegriffen. Das Schmerzengeld sei dazu bestimmt, den Gesamtkomplex der Schmerzempfindungen, darunter auch die seelischen Schmerzen, abzugelten; es solle die durch die Störung der körperlichen Integrität hervorgerufenen Unlustgefühle ausgleichen und den Verletzten in die Lage versetzen, sich als Ausgleich für die Leiden und statt der ihm entgangenen Lebensfreude auf andere Weise gewisse Annehmlichkeiten und Erleichterungen zu verschaffen. Bei der Bemessung des Schmerzengeldes seien auch seelische Schmerzen und dabei auch das Bewußtsein, infolge einer Unfallverletzung körperlich nicht mehr voll einsatzfähig zu sein, Sport nicht mehr betreiben zu können und in seiner Arbeit beeinträchtigt zu sein, entsprechend zu berücksichtigen. Schließlich sei das Schmerzengeld umso höher zu bemessen, je stärker die Schmerzen seien und je länger sie dauerten. Auch Dauerfolgen, Schwere der Verletzung, Heilungsverlauf und Heilungserfolg seien neben der Intensität der Schmerzen zu berücksichtigen. Eine Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergäbe sich unter Berücksichtigung der vom Obersten Gerichtshof in ähnlich gelagerten Fällen zu allerdings noch schwereren Beeinträchtigungen ergangenen Entscheidungen und unter Berücksichtigung der beim Kläger doch noch vorhandenen teilweisen Selbständigkeit und Mobilität, daß ein Schmerzengeld bis 20. März 1986 in der Höhe von 700.000 S angemessen sei. Da der Kläger für Schmerzengeld bereits 562.000 S erhalten habe, seien ihm diesbezüglich noch 137.500 S zuzuerkennen und das Schmerzengeldmehrbegehren von 400.000 S abzuweisen gewesen. Die Berufung der klagenden Partei habe daher in diesem Bereich keinen, jene der beklagten Parteien jedoch teilweise Erfolg gehabt. Gegen dieses Urteil des Gerichtes zweiter Instanz richten sich die auf den Anfechtungsgrund des § 503 Abs. 1 Z 4 ZPO gestützten Revisionen beider Teile. Der Kläger bekämpft es hinsichtlich des Ausspruches über das Schmerzengeld insoweit, als dieses nicht mit 1,000.000 S ausgemessen worden sei, mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne des Zuspruches eines Schmerzengeldes von 438.000 S sA (1 Mill S abzüglich Teilzahlung von 562.000 S) abzuändern. Die Beklagten hingegen erachten sich durch die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin beschwert, daß das Schmerzengeld zeitlich begrenzt und außerdem in einem 350.000 S übersteigenden Ausmaß zugesprochen worden sei. Sie stellen daher den Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne des Zuspruches eines zeitlich begrenzten Schmerzengeldes von 350.000 S und Abweisung des Mehrbegehrens, hilfsweise durch Zuspruch eines global bemessenen Schmerzengeldes von 800.000 S abzuändern. In letzter Linie stellen sie einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagten und der Kläger beantragten in ihrer Revisionsbeantwortung jeweils, der Revision der Gegenseite keine Folge zu geben.

Beide Revisionen sind im Hinblick auf den Wert des Streitgegenstandes zulässig, keiner von ihnen kommt jedoch Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Den beklagten Parteien ist darin beizupflichten, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes Schmerzengeld prinzipiell eine einmalige Abfindung ist und alles Ungemach abgelten soll, das der Verletzte bereits erduldet hat und noch zu erdulden haben wird, wobei zukünftige Folgen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu beurteilen sind. Was in dem für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung als Folge vorhersehbar und in den Auswirkungen überschaubar ist, ist dabei zu berücksichtigen und kann in einem späteren Verfahren nicht mehr zugesprochen werden. Nach Lehre und nun bereits ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes kommt jedoch eine zukünftige Unfallsfolgen nicht erfassende und damit auch eine ergänzende (ZVR 1974/116, 1976/77, 1979/264) oder wiederholte (ZVR 1976/18) Schmerzengeldbemessung - wie die Vorinstanzen richtig erkannten - dann in Frage, wenn die Schmerzen bei der (ersten oder vorangegangenen) Bemessung nicht vorhersehbar sind (waren) (ZVR 1972/101, 1975/14, 1979/308) oder ihre Auswirkungen nicht (ZVR 1970/37) oder nicht annähernd in vollem Umfang (ZVR 1974/116, 1976/77) erfaßt werden können (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 49 zu § 1325). Nach der für die Schmerzengeldbemessung hier bedeutsamen Sachverhaltsgrundlage läßt sich über den 20. März 1986 hinaus das Schmerzgeschehen insbesondere hinsichtlich wiederkehrender Harnweginfekte, auftretender Druckgeschwüre infolge des Aufliegens oder krampfähnlicher Zustände noch nicht abschätzen. Unter diesen Umständen haben die Vorinstanzen mit Recht die Voraussetzungen für eine nicht auch alle zukünftigen Schmerzen und Unlustgefühle umfassende Teilbemessung des Schmerzengeldes als gegeben angenommen.

Was die Höhe des zuerkannten Schmerzengeldes anlangt, so hat das Berufungsgericht die für die Ausmessung des Schmerzengeldes maßgeblichen Kriterien im einzelnen zutreffend zur Darstellung gebracht. Der Oberste Gerichtshof billigt auch das Ergebnis der vom Berufungsgericht vorgenommenen Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall.

Insoweit die Beklagten in ihrer Revision meinen, der vom Obersten Gerichtshof bei Querschnittsverletzungen bisher zugesprochene Höchstbetrag von 900.000 S zeige, daß der vom Berufungsgericht ausgemessene Betrag von 700.000 S überhöht sei und sie diese Einschätzung durch den Hinweis auf die beim Kläger noch bestehende relative Mobilität und seinen Unternehmensgeist - er habe sogar die Lenkerberechtigung erworben und sich einen PKW angeschafft - zu begründen suchen, ist ihnen zu entgegnen, daß die wesentlichen Schmerzen, Unlustgefühle und seelischen Beeinträchtigungen doch schon in der bisher der Beurteilung zugrunde gelegten Zeit eingetreten sind und dafür der vom Berufungsgericht ausgemessene Betrag ausreicht, aber darüber hinaus auch kein höherer erforderlich erscheint, um dem Kläger die bisher erlittenen Beeinträchtigungen abzugelten. Da für die Zukunft offensichtlich nur mehr die mit allfälligen Harnweginfekten, Druckgeschwüren oder krampfähnlichen Zuständen verbundenen Beeinträchtigungen und Unlustgefühle abzugelten sein werden, ist auch nicht zu befürchten, daß bei einer Ausmessung eines Schmerzengeldes für die bisher aufgetretenen Schmerzen es in Zukunft zum Zuspruch eines Schmerzengeldes kommen werde, das höher läge als es bei einer Globalbemessung zuerkannt worden wäre.

Es kann daher den Revisionen kein Erfolg beschieden sein. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 40, 41 und 50 ZPO. Da keine der Parteien mit ihrer Revision durchgedrungen ist, der Kläger aber hinsichtlich der Abwehr der Revision der Beklagten erfolgreicher war als die Beklagten bei der Abwehr der Revision des Klägers, mußten dem Kläger dem unterschiedlichen Abwehrerfolg entsprechend Kosten für die Revisionsbeantwortung zuerkannt werden.

Anmerkung

E11624

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0080OB00049.87.0708.000

Dokumentnummer

JJT_19870708_OGH0002_0080OB00049_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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