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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des K, geboren 1984, vertreten durch Mag. Franz Karl Juracka, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Alserstraße 32/15, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 2. Februar 2005, Zl. SD 1258/04, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 2. Februar 2005 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bangladesch, gemäß § 36 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen und der von der Erstbehörde ausgesprochene Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gemäß § 64 Abs. 2 AVG bestätigt.
Der Beschwerdeführer sei am 6. Februar 2001 nach Österreich eingereist und habe am folgenden Tag einen Asylantrag gestellt. Das Asylverfahren sei derzeit im Instanzenzug beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig.
Am 11. Dezember 2003 sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der Vergewaltigung gemäß § 201 Abs. 2 StGB und des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen gemäß § 206 Abs. 1 leg. cit. zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, davon 12 Monate unter bedingter Strafnachsicht, rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 5. Mai 2003 ein unmündiges Mädchen festgehalten, ihr den Mund zugehalten, sie in den linken Oberarm gebissen, ihr zwei Finger in die Scheide eingeführt sowie ihre Brüste berührt und gezwickt habe.
Am 9. Dezember 2004 sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der Vergewaltigung gemäß § 201 Abs. 1 StGB, des Vergehens des Betruges gemäß § 146 leg. cit. und des Vergehens gemäß § 27 Abs. 1 Suchtmittelgesetz (SMG) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer in der Nacht vom 28. auf den 29. Dezember 2003 eine Frau zur Duldung des zweimaligen Beischlafs genötigt habe, indem er ihr mit einem Messer gegen den Oberschenkel geschlagen und sie mit dem Messer auf der rechten Hand im Bereich der Pulsadern gekratzt sowie mit der Faust geschlagen habe. Weiters habe er zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt im November 2003 eine Person mit der Behauptung, im Besitz von Heroin zu sein, zur Bezahlung von EUR 50,-- für die Überlassung eines nicht mehr näher feststellbaren Pulvers verleitet und damit am Vermögen geschädigt. Ferner habe er in der Nacht vom 28. auf den 29. Dezember 2003 einer Person zwei Kugeln Kokain und eine Kugel Heroin verschafft.
Auf Grund dieser Verurteilungen sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht. Das dargestellte gesamte Fehlverhalten des Beschwerdeführers beeinträchtige die öffentliche Ordnung und Sicherheit (die öffentlichen Interessen am Schutz der körperlichen Integrität Dritter sowie an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität) in erheblichem Ausmaß, sodass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei.
Der Beschwerdeführer verfüge über keine familiären Bindungen in Österreich. Auf Grund seines etwa vierjährigen inländischen Aufenthalts sei das Aufenthaltsverbot mit einem Eingriff in das Privatleben verbunden. Dieser Eingriff sei zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit und der körperlichen Integrität Dritter) dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers verdeutliche sehr augenfällig, dass er nicht in der Lage oder gewillt sei, die österreichischen Rechtsvorschriften einzuhalten. Eine Verhaltensprognose könne schon in Ansehung der Tatwiederholungen nicht positiv ausfallen.
Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG sei zu berücksichtigen, dass der aus dem bisherigen Aufenthalt ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als die soziale Komponente der Integration durch das strafbare Verhalten erheblich beeinträchtigt werde. Darüber hinaus sei nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Erlassung eines Aufenthaltsverbots im Zusammenhang mit Suchtgiftdelikten auch bei ansonsten voller sozialer Integration des Fremden nicht rechtswidrig.
Die unbefristete Verhängung des Aufenthaltsverbots durch die Erstbehörde sei auch nach Ansicht der belangten Behörde gerechtfertigt. Wer, wie der Beschwerdeführer, vorgebe, in Österreich Schutz vor Verfolgung zu suchen, jedoch bereits wenige Monate nach seiner Einreise dem gewerbsmäßigen Suchtgifthandel nachgehe und darüber hinaus auch nicht davor zurückschrecke, unzüchtige Handlungen an Unmündigen vorzunehmen bzw. Frauen mit Gewalt zur Duldung sexueller Handlungen zu nötigen, lasse seine offenbare Negierung maßgeblicher strafrechtlicher Vorschriften erkennen. In Anbetracht aller Umstände sei derzeit nicht vorhersehbar, wann der für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgebliche Grund, nämlich die erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers, weggefallen sein werde.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Auf Grundlage der unstrittig feststehenden gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers begegnet die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG sei erfüllt, keinen Bedenken.
2. Der Beschwerdeführer hat im Mai 2003 ein unmündiges Mädchen vergewaltigt, wobei er ihr den Mund zugehalten und sie in den linken Oberarm gebissen hat. Nur 17 Tage nach der deswegen am 11. Dezember 2003 erfolgten rechtskräftigen Verurteilung, nämlich in der Nacht vom 28. auf den 29. Dezember 2003, hat er eine Frau mit Gewalt zur Duldung des zweimaligen Beischlafs genötigt, wobei er sie mit einem Messer auf den Oberschenkel geschlagen und im Bereich der Pulsadern gekratzt sowie mit der Faust geschlagen hat. Dabei handelt es sich um ein besonders verwerfliches und öffentliche Interessen stark beeinträchtigendes Verhalten. Darüber hinaus geht vom Beschwerdeführer auch deshalb eine Gefährdung öffentlicher Interessen aus, weil er einen Betrug begangen und Heroin sowie Kokain weitergegeben hat.
Auf Grund dieses gesamten Fehlverhaltens ist die Ansicht der belangten Behörde, die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, unbedenklich.
3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde zu Gunsten des Beschwerdeführers, der unstrittig keine familiären Bindungen im Bundesgebiet hat, den inländischen Aufenthalt sei Februar 2001, also seit etwa 4 Jahren, berücksichtigt. Wie die Behörde richtig erkannt hat, wird die aus der Aufenthaltsdauer ableitbare Integration in ihrer sozialen Komponente durch die Straftaten des Beschwerdeführers erheblich gemindert. Von daher kommt den persönlichen Interessen am Verbleib im Inland auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens, wonach der Beschwerdeführer in Strafhaft den Hauptschulabschluss nachgeholt und eine Lehre als Koch begonnen habe, kein großes Gewicht zu.
Da in der Beschwerde keine weiteren für das Ausmaß der Integration relevanten Umstände geltend gemacht werden, macht der Beschwerdeführer mit der Rüge, die belangte Behörde habe sich mit seiner Integration nicht ausreichend auseinander gesetzt, keinen relevanten Verfahrensmangel geltend.
Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers steht die aus seinen Straftaten resultierende Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber. Im Hinblick auf das überaus große öffentliche Interesse an der Verhinderung von Sexualverbrechen kann die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Dem Beschwerdeführer ist zwar zuzustimmen, dass - entgegen der im angefochtenen Bescheid vertretenen Ansicht der belangten Behörde - die einmalige Begehung eines Delikts gemäß § 27 Abs. 1 SMG für sich allein nicht in jedem Fall - auch bei ansonsten voller Integration des Fremden - geeignet ist, ein Aufenthaltsverbot zu rechtfertigen. Da die belangte Behörde jedoch eine Interessenabwägung durchgeführt hat und dabei - wie dargestellt - zu einem richtigen Ergebnis gekommen ist, wurde der Beschwerdeführer dadurch nicht in Rechten verletzt.
4.1. Der Beschwerdeführer wendet sich auch gegen die unbefristete Erlassung des Aufenthaltsverbots und bringt dazu vor, die Annahme der belangten Behörde, er sei bereits wenige Monate nach der Einreise dem gewerbsmäßigen Suchtgifthandel nachgegangen, sei aktenwidrig. Tatsächlich habe er das Suchtgiftdelikt erst im Dezember 2003, also mehr als zweieinhalb Jahre nach der Einreise, begangen. Wie sich aus der Verurteilung (nur) gemäß § 27 Abs. 1 SMG ergebe, sei er dabei nicht gewerbsmäßig vorgegangen. Im Hinblick auf diese Aktenwidrigkeit habe sich die belangte Behörde nicht ausreichend mit der Möglichkeit einer Befristung des Aufenthaltsverbots auseinander gesetzt. Da der Beschwerdeführer in Strafhaft den Hauptschulabschluss nachgeholt und eine Lehre als Koch begonnen habe, sei im Zusammenhang "mit einer geeigneten Therapie" durchaus vorhersehbar, dass der Grund für die Verhängung des Aufenthaltsverbots in absehbarer Zeit wegfallen werde.
4.2. Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 25. September 2003, Zl. 2003/18/0218) ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann.
Die belangte Behörde hat die unbefristete Erlassung des Aufenthaltsverbots u.a. damit begründet, dass der Beschwerdeführer nicht davor zurückgeschreckt sei, unzüchtige Handlungen an Unmündigen vorzunehmen bzw. Frauen mit Gewalt zur Duldung sexueller Handlungen zu nötigen.
Der Beschwerdeführer hat bereits 17 Tage nach der Verurteilung wegen Vergewaltigung und schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen neuerlich eine Frau unter Verwendung eines Messers zweimal vergewaltigt. Somit hat er sich nicht einmal durch eine rechtskräftige Verurteilung zu einer zum Teil bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe davon abhalten lassen, binnen kürzester Zeit einschlägig rückfällig zu werden. Daraus ergibt sich eine große, in ihrem zeitlichen Ausmaß nicht absehbare Wiederholungsgefahr, an der die Nachholung des Hauptschulabschlusses und der Beginn eines Lehrberufs während der Strafhaft nichts Entscheidendes ändern können. In der Beschwerde wird zwar die Möglichkeit der Durchführung einer Therapie erwähnt, jedoch nicht konkret behauptet, dass eine entsprechende Therapie bereits erfolgreich durchgeführt worden sei.
Der belangten Behörde kann daher nicht entgegen getreten werden, wenn sie die Auffassung vertreten hat, dass der Zeitpunkt des Wegfalls der für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Umstände, nämlich der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, nicht vorhergesehen werden könne, und deshalb das Aufenthaltsverbot unbefristet erlassen hat.
Von daher zeigt der Beschwerdeführer mit seinem - oben 4.1. dargestellten - Hinweis auf die Aktenwidrigkeit der behördlichen Annahmen betreffend das Suchtgiftdelikt keinen relevanten Verfahrensmangel auf.
5. Durch den von der belangten Behörde im Spruch des angefochtenen Bescheides bestätigten Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Berufung wurde der Beschwerdeführer schon deshalb nicht in Rechten verletzt, weil er sich nach dem Beschwerdevorbringen nach wie vor in Österreich aufhält und nicht behauptet, während des Berufungsverfahrens abgeschoben worden zu sein (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. Mai 1999, Zl. 99/18/0056).
6. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 8. September 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2005180193.X00Im RIS seit
13.10.2005