TE OGH 1987/7/9 7Ob644/87

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Veröffentlicht am 09.07.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ingrid J***, Private, Innsbruck, Dorfgasse 30 d, vertreten durch Dr. Wilhelm Steidl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 6 Cg 99/82 des Landesgerichtes Innsbruck (Streitwert S 776.181,-- s.A.), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 4. März 1987, GZ. 3 R 16/87-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 31. Oktober 1986, GZ. 6 Cg 281/86-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 15.052,90 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Verfahren 6 Cg 99/82 des Landesgerichtes Innsbruck wurde die nunmehrige Klägerin schuldig erkannt, zugunsten der vollstreckbaren Abgabenforderung von S 776.181,--, die der nunmehr beklagten Partei gegen Dr. Manfred S*** zusteht, jegliche Exekution in die ihr gehörigen und mit dem Wohnungseigentum untrennbar verbundenen 64/2305 und 2/2305-Anteile an der Liegenschaft EZ 3891 II KG Hötting zu dulden.

Mit der am 16.8.1985 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die Klägerin die Wiederaufnahme dieses Verfahrens, die Beseitigung der darin ergangenen Urteile sowie die Abweisung des dort erhobenen Begehrens und bringt vor, sie sei Beweismittel zu benützen in den Stand gesetzt worden, deren Benützung in früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt hätte. Friedrich W***, der Steuerberater des Dr. Manfred S***, habe in früheren Verfahren keine Aussage machen können, weil er von Dr. Manfred S*** nicht von der Verschwiegenheitspflicht entbunden worden sei. Dr. S*** habe der Klägerin mit Schreiben vom 25.7.1985 mitgeteilt, daß er Friedrich W*** von der Verschwiegenheitspflicht nunmehr entbunden habe. Die Klägerin könne deshalb beweisen, daß Dr. S*** im Frühjahr 1981 neben anderen erheblichen Vermögenswerten über ausschließlich ihm gehöriges Bargeld von etwa S 860.000,-- verfügt habe; daß dieser Betrag im November 1981 auf ein Überbringersparbuch der S*** I*** eingelegt worden sei, dessen Guthaben sich im Jänner 1982 auf S 1,137.977,46 erhöht habe; daß aber Dr. S*** der Empfehlung seines Steuerberaters, mit diesen Mitteln seine Steuerverbindlichkeiten abzudecken, "aus prinzipiellen Erwägungen" keine Folge geleistet habe. Die Klägerin könne auch beweisen, daß der von ihr für die den Gegenstand des Rechtsstreites bildende Eigentumswohnung an Dr. Manfred S*** zu leistende Kaufpreis nur "offiziell" S 450.000,--, "inoffiziell" aber S 750.000,-- betragen habe, daß der Kauf dieser Wohnung bereits Mitte 1980 vereinbart worden sei und daß sie von den Verbindlichkeiten des Dr. Manfred S*** weder Kenntnis gehabt habe, noch hätte haben müssen. In demselben Schreiben vom 25.7.1985 habe Dr. Manfred S*** der Klägerin ferner mitgeteilt, daß auch Werner G*** von den dargestellten Tatsachen Kenntnis habe.

Die beklagte Partei beantragt die Zurückweisung, in eventu Abweisung der Wiederaufnahmsklage.

Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmsklage ab. Die Aussagen der Zeugen Friedrich W*** und Werner G*** seien nicht geeignet, zu einer für die Klägerin günstigen Änderung der Tatsachengrundlage im Verfahren 6 Cg 99/82 zu führen. Werner G*** habe überhaupt keine zweckdienlichen Angaben machen können. Friedrich W*** habe nichts aus eigener Wahrnehmung zu berichten vermocht, sondern sich ausschließlich auf Erzählungen des Dr. Manfred S*** gestützt, der im Verfahren 6 Cg 99/82 vernommen worden sei.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000,-- übersteigt. Im Verfahren 6 Cg 99/82 sei festgestellt worden, es sei nicht erwiesen, daß die Klägerin über den "offiziellen" Kaufpreis von S 450.000,-- hinaus für die den Gegenstand des Rechtsstreites bildende Wohnung weitere S 300.000,-- "schwarz" an Dr. S*** gezahlt habe; daß Dr. S*** zum Zeitpunkt der Übertragung des Eigentumsrechts an der Wohnung noch andere Vermögenswerte - abgesehen von einer Wohnung in Mils - gehabt habe, daß es sich bei der Einlage auf dem Sparbuch der S*** I*** um Geld des Dr. S*** handle und, daß

Dr. S*** mit der Klägerin den Verkauf der Wohnung bereits Mitte 1980 vereinbart habe. Den Aussagen der Zeugen Friedrich W*** und Werner G*** mangle aus den bereits vom Erstgericht angeführten Gründen konkret die Eignung, zu einer Änderung dieser Feststellungen zu führen. Die Lösung der Frage, ob der Klägerin bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit die Benachteiligungsabsicht des Schuldners Dr. Manfred S*** hätte bekannt sein müssen, falle in den Bereich der rechtlichen Beurteilung. Das Ergebnis dieser Beurteilung werde durch die Aussagen der Zeugen Friedrich W*** und Werner G*** nicht tangiert. Die Vernehmung des Zeugen Dr. Manfred S*** sei entbehrlich gewesen, weil dieser bereits im Verfahren 6 Cg 99/82 ausführlich vernommen worden sei, sodaß es sich bei ihm nicht um ein neues Beweismittel handle.

Die Klägerin bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus den Revisionsgründen des § 503 Abs.1 Z 2 und 4 ZPO und beantragt, es im klagestattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Den Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens erblickt die Klägerin darin, daß Dr. Manfred S*** nicht vernommen worden sei.

Die Unterlassung der (ergänzenden) Einvernahme des Zeugen Dr. Manfred S*** hat die Klägerin bereits im Berufungsverfahren erfolglos gerügt. Hat aber das Berufungsgericht bereits erkannt, daß ein Mangel des Verfahrens erster Instanz nicht vorliegt, kann deswegen Revision nicht begehrt werden (JBl. 1972, 569 uva.). Eine unrichtige rechtliche Beurteilung bildet es nach Ansicht der Klägerin, daß das Berufungsgericht den begehrten Aussagen der Zeugen Friedrich W*** und Werner G*** die konkrete Eignung abgesprochen hat, im wiederaufgenommenen Verfahren eine der Klägerin günstigere Entscheidung herbeizuführen. Das Berufungsgericht habe in unzulässiger Weise im Wiederaufnahmeverfahren bereits eine Beweiswürdigung hinsichtlich des wiederaufgenommenen Verfahrens vorgenommen.

Nach herrschender Lehre (Fasching, Lehrbuch, Rz 2068, Fasching, JBl. 1956, 250) und Rechtsprechung (SZ 54/191, SZ 32/33) sind die neuen Tatsachen und Beweismittel im Wiederaufnahmeverfahren nicht nur im Hinblick auf ihre abstrakte Eignung zu einer Änderung der im Vorprozeß erflossenen Entscheidung zu prüfen, sondern es muß gleichzeitig eine eingeschränkte Beweiswürdigung dahingehend erfolgen, ob die Nicht-Berücksichtigung dieser Tatsachen oder Beweismittel im Vorprozeß einen Verstoß gegen die Findung der materiellen Wahrheit und die Vollständigkeit der Urteilsgrundlage darstellt. Es ist zu prüfen, ob die neuen Beweismittel konkret geeignet sind, zu einer Änderung der Tatsachenfeststellungen des Vorprozesses zu führen. Ist dies der Fall, ist dem Wiederaufnahmebegehren stattzugeben.

Die Vorinstanzen gelangten bei dieser eingeschränkten Beweiswürdigung zum Ergebnis, daß auch bei Berücksichtigung der Aussagen der Zeugen Friedrich W*** und Werner G*** im Vorprozeß andere Tatsachenfeststellungen nicht zu treffen und diese Aussagen demnach nicht geeignet gewesen wären, eine für die Klägerin günstigere Entscheidung in der Hauptsache herbeizuführen. Damit hat aber das Berufungsgericht den neuen Beweismitteln die Eignung abgesprochen, eine Änderung der Beweiswürdigung herbeizuführen. Im Revisionsverfahren kann die Beweiswürdigung der Vorinstanzen nicht bekämpft werden. Dies gilt auch für den Fall, daß mit einer Wiederaufnahmsklage eine Änderung der Beweiswürdigung angestrebt wird und die Tatsacheninstanzen eine solche als ausgeschlossen ansehen (SZ 54/191, SZ 38/215, 1 Ob 538/81).

Die Revision erweist sich damit als verfehlt, sodaß ihr ein Erfolg versagt bleiben mußte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E11458

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0070OB00644.87.0709.000

Dokumentnummer

JJT_19870709_OGH0002_0070OB00644_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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