Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Konrad S***, Landwirt, Nassereith, Karl-Mayr-Straße 17, vertreten durch Dr. Karl Hepperger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei Berta G***, Hausfrau, Nassereith, Brunnwald 418, vertreten durch Dr. Gerhard Dorer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 1. Löschung einer Grundbuchseintragung (Streitwert 400.000 S), 2. Erwirkung von Grundbuchshandlungen (Streitwert 5.000 S) und 3. Erlassung einer einstweiligen Verfügung (Streitwert 30.000 S) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 13.März 1987, GZ 2 R 29,30/87-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 11.November 1986, GZ 5 Cg 316/86-11, bestätigt wurde sowie des Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den mit dem genannten Urteil verbundenen Beschluß, womit der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 11. November 1986, GZ 5 Cg 314/86-10, aufgehoben wurde, 1. zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende und gefährdete Partei ist schuldig, der Beklagten und Gegnerin der gefährdeten Partei die mit 13.604,25 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.236,75 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
2. den
Text
B e s c h l u ß
gefaßt:
Dem Revisionsrekurs der Beklagten und Gegnerin der gefährdeten
Partei wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Die klagende und gefährdete Partei ist schuldig, der Beklagten und Gegnerin der gefährdeten Partei die mit 4.329,75 S bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin 1.500 S Barauslagen und 257,25 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, in die Löschung ihres Eigentumsrechtes ob der Liegenschaft EZ 470 II KG Nassereith und in die Einverleibung des Eigentumsrechtes des Klägers ob dieser Liegenschaft einzuwilligen. Verbunden mit dieser Klage ist ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung dahin, daß ein Veräußerungs- und Belastungsverbot bezüglich dieser Liegenschaft bewilligt und dieses im Grundbuch angemerkt werde.
Der Kläger begründet sein Begehren mit der Behauptung, er habe die Liegenschaft um 400.000 S gekauft und den Kaufpreis bezahlt. Er habe bereits sämtliche Urkunden, die zur grundbücherlichen Durchführung der Einverleibung seines Eigentumsrechtes erforderlich sind. Die Beklagte habe jedoch aufgrund einer Amtsurkunde des Bezirksgerichtes Imst vom 30.5.1985, A 15/77, als Erbin der seinerzeitigen Liegenschaftseigentümerin die Eintragung ihres Eigentumsrechtes erwirkt. Ferner habe die Beklagte eine Ranganmerkung für die Veräußerung der Liegenschaft bis 18.7.1986
bewirkt.
Die Beklagte hat unter anderm eingewendet, der Kläger verfüge nach seinem eigenen Vorbringen über sämtliche Urkunden zur Erwirkung der Einverleibung seines Eigentumsrechtes ob der Liegenschaft, weshalb das Klagebegehren verfehlt sei.
Nachdem das Erstgericht vorerst die beantragte einstweilige Verfügung unter Abweisung des Mehrbegehrens auf Erlassung eines Belastungsverbotes und auf Streitanmerkung im Sinne eines Veräußerungsverbotes erlassen hatte, hob es aufgrund eines Widerspruches der Beklagten diese Verfügung auf und wies den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ab.
Ferner wies das Erstgericht das Klagebegehren ab, weil nach dem von der Beklagten zugestandenen Klagsvorbringen der Kläger über sämtliche Urkunden verfüge, die zur Einverleibung seines Eigentumsrechtes erforderlich seien. Es mangle ihm daher ein Rechtsschutzinteresse an der vorliegenden Klage.
Das Berufungsgericht hat das erstgerichtliche Urteil unter Übernahme der erstgerichtlichen Begründung bestätigt und hiebei ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt. Die Entscheidung des Erstgerichtes über die einstweilige Verfügung hat das Berufungsgericht unter Rechtskraftvorbehalt mit der Begründung aufgehoben, bezüglich des Rechtsschutzinteresses könne man auch einer anderen, als der im Urteil zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht sein, weshalb das Erstgericht das Vorliegen des behaupteten Anspruches prüfen müsse.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Klägerin gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt. Wohl aber ist der von der Beklagten gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs berechtigt.
A) Zu der Revision der Klägerin:
Ohne auf die Frage einzugehen, ob der in der Revision geschilderte Vorgang überhaupt eine Nichtigkeit begründen könnte, ist dem Kläger zu erwidern, daß er in Wahrheit nur angebliche Nichtigkeiten des erstgerichtlichen Verfahrens geltend macht. Die Geltendmachung derartiger Nichtigkeiten in der Revision ist unzulässig (RZ 1968, 108 u.a.). Insbesondere kann die Verwerfung einer Nichtigkeitsberufung mit Revision nicht bekämpft werden (JBl.1970, 91, JBl.1962, 560 u.a.).
Auch die Mängelrüge betrifft nur angebliche Mängel des erstgerichtlichen Verfahrens, deren Vorliegen vom Berufungsgericht verneint worden ist. Demnach ist ein neuerliches Aufrollen in der Revision unzulässig (SZ 27/4, EvBl.1969/263 u.a.). Im übrigen kann aber von einem Verfahrensmangel schon deshalb keine Rede sein, weil bei Richtigkeit der vorinstanzlichen Rechtsansicht weitere Verfahrensschritte entbehrlich waren und die Frage, ob diese Rechtsansicht richtig ist, in den Bereich der rechtlichen Beurteilung fällt.
Der vom Berufungsgericht geschilderte und vom Revisionswerber aufgegriffene Fall konkurrierender Rechtsschutzformen, der in der Lehre eine widersprüchliche Beurteilung erfährt, liegt in Wahrheit hier nicht vor. Der Kläger verfügt nämlich über sämtliche Urkunden, die ihm, ohne weitere Einschaltung der Beklagten, die Erlangung des mit der Klage angestrebten Zieles, nämlich die Einverleibung seines Eigentumsrechtes, ermöglichen würden. Rechtsschutz wird grundsätzlich nicht schon dann gewährt, wenn der behauptete materielle Anspruch besteht, sondern erst dann, wenn der Rechtsschutzwerber darüber hinaus ein vom Prozeßrecht gebilligtes Interesse an der Rechtsschutztätigkeit hat (EvBl.1982/1 u.a.). So fehlt das Rechtsschutzinteresse, wenn der Kläger schon über einen Exekutionstitel zur Durchsetzung seines Anspruches verfügt (JBl.1981, 41, SZ 21/124, SZ 48/116 u.a.) bzw. wenn der Kläger das mit der Klage verfolgte Rechtsschutzziel schon erreicht hat (Holzhammer Zivilprozeßrecht2 169).
Im vorliegenden Fall strebt der Kläger lediglich die Einverleibung seines Eigentumsrechtes ob der eingangs erwähnten Liegenschaft an. Nur in diesem Zusammenhang kann das Begehren auf Löschung des Eigentumsrechtes der Beklagten verstanden werden, weil eine solche Löschung ohne gleichzeitige Einverleibung des Eigentumsrechtes des Klägers nicht denkbar wäre (auf die Wiedereinverleibung des Eigentumsrechtes des Voreigentümers der Beklagten hat der Kläger auch nach seinem Vorbringen keinen Anspruch). Mit Hilfe der dem Kläger zur Verfügung stehenden Urkunden kann er aber dieses Ziel ohne Prozeßschritte erreichen. Durch diese Urkunde ist er so gestellt, als hätte er bereits jenen Exekutionstitel, den er mit der vorliegenden Klage anstrebt. Er kann demnach unter Umgehung der Beklagten dieses Ziel erreichen und muß nicht gegenüber der Beklagten unter mehreren Rechtsschutzformen wählen. Richtig haben sohin die Vorinstanzen erkannt, daß wegen bereits erreichtem Rechtsschutzziel ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers nicht mehr gegeben ist. Das Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses führt aber zur Abweisung der Klage als unbegründet (SZ 48/116 u.a.). Die Tatsache, daß die Beklagte einen Rangordnungsbescheid für die beabsichtigte Veräußerung der Liegenschaft erwirkt hat (nach dem Vorbringen des Klägers im Verfahren erster Instanz wäre die Wirkung der Ranganmerkung sowieso bei Schluß der Verhandlung erster Instanz bereits abgelaufen gewesen, doch kommt man auch zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung, wenn man von einer Verlängerung der Wirksamkeit der Ranganmerkung bis 8.7.1987 entsprechend der vom Erstgericht eingeholten Auskunft S. 6 d.A. ausgeht), kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Dies wäre vielleicht dann der Fall, wenn der Kläger begehrt hätte, der Beklagten eine Veräußerung oder Belastung der Liegenschaft zu verbieten. Das Klagebegehren lautet jedoch ausschließlich auf Zustimmung der Beklagten zur Einverleibung des Eigentumsrechtes des Klägers unter gleichzeitiger Löschung ihres Eigentumsrechtes. Würde diesem Klagebegehren stattgegeben werden, so könnte mit Hilfe des dadurch gewonnenen Exekutionstitels zwar die Einverleibung des Eigentumsrechtes des Klägers im Exekutionswege erwirkt werden, jedoch würde im Hinblick auf § 53 Abs.1 GBG diese Einverleibung im Rang Verfügungen, die aufgrund des Rangordnungsbescheides erlassen worden sind, nachgehen. Für das angestrebte Prozeßziel ist demnach die Erwirkung eines Rangordnungsbescheides ohne Bedeutung, weil der Kläger durch ein Urteil im Sinne seines Klagebegehrens seine Position im Hinblick auf die Tatsache, daß er bereits jetzt über sämtliche für die Einverleibung seines Eigentumsrechtes erforderlichen Urkunden verfügt, nicht verbessern würde.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
B) Zum Revisionsrekurs der Beklagten:
Eine einstweilige Verfügung gemäß § 381 EO kann vom Prozeßgericht nur zur Sicherung des konkreten, durch die Klage geltend gemachten Anspruches angeordnet werden (EvBl.1962/477, ÖBl.1972, 100, SZ 26/134 u.a.). Wie bereits zu der Revision der Kläger ausgeführt wurde, besteht der Klagsanspruch nicht zu Recht.
Demnach kann zu seiner Sicherung eine einstweilige Verfügung mangels eines zu sichernden Anspruches nicht erlassen werden. Im übrigen ist die Vorgangsweise des Rekursgerichtes bezüglich der einstweiligen Verfügung unverständlich. Auch nach seiner Rechtsansicht bestand ein zu sichernder Anspruch nicht. Die Möglichkeit einer anderen Rechtsansicht könnte lediglich eine Begründung für die Zulassung eines Rechtsmittels, nie aber für die Aufhebung einer Entscheidung, mit der ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgewiesen wurde, bilden.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses gründet sich auf die §§ 402 und 78 EO sowie 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E11437European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0070OB00638.87.0709.000Dokumentnummer
JJT_19870709_OGH0002_0070OB00638_8700000_000