Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ingrid D***, Angestellte, Steindorf, Seeblickweg 27, vertreten durch Dr. Hans Gradischnig, Rechtsanwalt in Villach, wider die beklagte Partei Alois R***, Landwirt, Bodensdorf, Eschenweg 4, vertreten durch Dr. Gert Paulsen und Dr. Herbert Felsberger, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Herausgabe (Streitwert S 334.000,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 24. Februar 1987, GZ 1 R 22/87-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 20. November 1986, GZ 27 Cg 137/86-18, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 11.333,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.030,35 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Kaufvertrag vom 23. Jänner/28. Jänner 1985 verkaufte der Beklagte der Klägerin das Grundstück 454/1 KG Steindorf der EZ 33 KG Stiegl um den Preis von S 334.000. Mit weiterem Kaufvertrag vom 24., 25., 26. und 27. Februar 1986 verkaufte der Beklagte, der mit Beschluß des Bezirksgerichtes Feldkirchen vom 5. Dezember 1985, TZ 2544/85, eine Rangordnung der beabsichtigten Veräußerung des Grundstückes 454/1 KG Steindorf erwirkt hatte, dasselbe Grundstück an Dr. Sighild R***, Mag. Gerlind M*** und Mag. Idisa N***. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Feldkirchen vom 13. August 1986, TZ 1776/86, wurde aufgrund dieses Kaufvertrages das Grundstück 454/1 KG Steindorf von der EZ 33 KG Stiegl abgeschrieben, dafür die neue EZ 959 KG Steindorf eröffnet und im Range der Anmerkung der beabsichtigten Veräußerung das Eigentumsrecht für Dr. Sighild R***, Mag. Gerlind M*** und Mag. Idisa N*** zu je 1/3 einverleibt. Die Klägerin begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, ihr den Rangordnungsbeschluß TZ 2544/85 des Bezirksgerichtes Feldkirchen herauszugeben. Der vereinbarte Kaufpreis habe dem Verkehrswert entsprochen. Für den Fall, daß der Wert des Grundstückes höher als das Doppelte des vereinbarten Kaufpreises sei, sei die Klägerin bereit, den Betrag aufzuzahlen. Obwohl der Beklagte durch Ausnützung der Rangordnung schuldhaft versucht habe, das Klagebegehren zu vereiteln, sei Erfüllung nach wie vor möglich, weil durch eine Aufhebung des zweiten Vertrages die Rangordnung wieder ausnützbar werden könnte.
Der Beklagte wendete ein, er habe berechtigterweise die Vertragsaufhebung nach § 934 ABGB begehrt. Das Anbieten zur Aufzahlung sei verspätet erfolgt. Im übrigen sei der Beklagte nicht verpflichtet, den Rangordungsbeschluß herauszugeben. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, der Verkehrswert des Grundstückes 454/1 habe zum 23. Jänner 1985 unter Berücksichtigung der zu übernehmenden Lasten S 360.000 betragen. Eine Verkürzung über die Hälfte des Wertes liege daher nicht vor. Sei der Kaufvertrag aber rechtswirksam, sei es für die Klägerin von eminentem Interesse, daß ihr Eigentumsrecht auch tatsächlich im Range der Anmerkung verbüchert werde und nicht die drei späteren Käufer dieses Grundstückes ins Grundbuch gelangten und die Löschung späterer widerstreitender Eintragungen beantragten. Der Ranganmerkungsbeschluß sei für die Realisierung des Kaufvertrages durch die Klägerin erforderlich. Durch eine Aufhebung des Vertrages zwischen dem Beklagten und den drei späteren Erwerbern könnte die Rangordnung wieder ausnützbar werden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, S 300.000 übersteige. Nach der Ausnützung der Rangordnung habe der von der Klägerin zur Herausgabe begehrte Rangordnungsbeschluß keine rechtliche Bedeutung mehr. Eine Rangordnung könne nur einmal ausgenützt werden. Die erfolgte Eintragung des Rechtes im Range der Anmerkung sei auf der Ausfertigung des Anmerkungsbeschlusses anzumerken. Dies habe den Zweck, die wiederholte Ausnützung der Rangordnung zu verhindern. Mit der Bewilligung der Eintragung im angemerkten Rang sei immer zugleich auch die Ranganmerkung zu löschen. Eine solche Löschung unterbleibe lediglich bei der Eintragung eines Pfandrechtes. Sei die Rangordnung einmal ausgenützt, so habe der Beschluß seine Rechtswirkungen verloren. Es bestehe kein rechtlich geschütztes Interesse auf dessen Herausgabe. Es mangle damit der Klägerin an einem Rechtsschutzinteresse für ihr Begehren.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.
Die Erfüllung, Durchführung und Abwicklung von Verträgen hat nach der Übung des redlichen Verkehrs und nach den über die Pflicht zur Wahrung der guten Sitten hinausgehenden Anforderungen von Treu und Glauben zu erfolgen (JBl 1987, 102; SZ 53/164; EvBl 1979/3; Gschnitzer-Faistenberger-Barta-Eccher, Schuldrecht Allgemeiner Teil2 50). Auch ohne besondere Vereinbarung können sich daher aus ergänzender Vertragsauslegung und aufgrund der rechtlichen Verkehrsübung unter Berücksichtigung der deutlich hervorgetretenen individuellen Zwecke und Interessen der Parteien vertragliche Nebenpflichten ergeben (NZ 1980, 174; Bydlinski in Klang2 IV/2, 322). Eine solche vertragliche Nebenverpflichtung des Verkäufers von Grundstücken besteht darin, dem Käufer einen bereits vorhandenen oder später erwirkten Beschluß über die Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung auszufolgen (NZ 1980, 174; JBl 1961, 595; 6 Ob 90/75; Bydlinski aaO; Aicher in Rummel, ABGB, Rz 31 zu § 1061). Diese aufgrund ergänzender Vertragsauslegung bestehende Pflicht des Verkäufers soll den sachenrechtlichen Übereignungsanspruch des Käufers sichern. Eine solche vertragliche Nebenpflicht muß aber entfallen, wenn eine Sicherung des Erfüllungsanspruches des Käufers rechtlich nicht mehr möglich ist. Die Herausgabe eines Rangordnungsbeschlusses kann daher nicht mehr aufgetragen werden, wenn die Zeit der Anmerkung der Rangordnung bereits abgelaufen ist, aber auch dann nicht, wenn der Rangordungsbescheid in vertragswidriger Weise vom Verkäufer bereits zur Erfüllung eines von ihm später abgeschlossenen zweiten Verkaufes verwendet wurde. Nach § 57 Abs 3 GBG ist eine aufgrund einer Anmerkung der Rangordnung bewirkte Eintragung auf der einzigen Ausfertigung anzumerken. Dies hat den Zweck, wiederholte Ausnützungen der Rangordnung zu verhindern (Bartsch, GBG7 488; Feil, GBG 238; derselbe, Angewandtes Grundbuchsrecht 181). Mit der Bewilligung der Eintragung in der angemerkten Rangordnung ist auch immer zugleich die Rangordnungsanmerkung zu löschen (Feil, Angewandtes Grundbuchsrecht 181). Entgegen der Auffassung der Klägerin war daher zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung aufgrund des bereits ausgenützten Rangordnungsbescheides selbst bei Rückgängigmachung des zweiten Kaufvertrages eine Ausnützung der Rangordnung rechtlich nicht mehr möglich. Eine aufgrund ergänzender Vertragsauslegung abgeleitete Nebenverpflichtung des Verkäufers kann aber nicht darin bestehen, daß er verpflichtet wäre, dem Käufer Urkunden zu übergeben, die für die Rechtsstellung des Käufers ohne jedes rechtliche Interesse sind. Der auf den Kaufvertrag gestützte Herausgabeanspruch besteht daher nicht zu Recht.
Der Revision ist der Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E11535European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00601.87.0715.000Dokumentnummer
JJT_19870715_OGH0002_0010OB00601_8700000_000