Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Gerd E***, Lehrling, Liebenfels, Zweikirchen 33, vertreten durch seine Eltern Josef und Friederike E***, ebendort, diese vertreten durch Dr. Heimo Verdino, Rechtsanwalt in St. Veit an der Glan, wider die beklagte Partei mj. Karl P***, Schüler, Liebenfels, Zweikirchen 27, vertreten durch seine Mutter Rosemarie P***, ebendort, diese vertreten durch Dr. Gottfried Hammerschlag, Dr. Wilhelm Dieter Eckhart und Dr. Gerhard Gratzer, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen restlicher S 78.823,60 und Feststellung (Gesamtstreitwert S 83.823,60) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 26. Februar 1987, GZ 5 R 27/87-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 18. November 1986, GZ 17 Cg 375/85-20, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.243,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 385,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 2. Juli 1970 geborene Kläger, sein Bruder Ernst, geboren am 15. Februar 1972, der Beklagte, geboren am 16. Oktober 1970, und Gerald Dietrich S***, geboren am 2. Februar 1973, trafen sich am 1. Jänner 1985 am Kirchmayerteich, um, wie schon früher, ein Eishockeyspiel durchzuführen. Das Spielfeld hatte eine Länge von ca. 50 m, an beiden Enden wurden Tore in einer Größe von ca. 50 x 70 cm im Eis fixiert. Für das Spiel wurden Eishockeyschläger verwendet, Schutzbekleidung trugen die Spieler nicht. Ziel des Spieles war es, der anderen Mannschaft möglichst viele Tore zu schießen. Es sollte ohne Körperkontakt gespielt werden. Was als Foul zu gelten hatte, wurde zwar nicht ausdrücklich vereinbart, Sanktion für ein Foul war aber der Verlust des Pucks. Gleich zu Beginn des Spieles spielte Gerald Dietrich S*** den Puck nach vorne zum Kläger ab. Der Kläger konnte den Puck aber nicht sofort annehmen, er lief dem Puck nach und umrundete ihn, sodaß er mit dem Gesicht zum eigenen Tor zum Stillstand kam. Gerade als der Kläger den Puck wieder seinem Mitspieler zuleiten wollte, lief der Beklagte von hinten auf den Kläger zu. Er hatte die Absicht, mit dem Schläger von hinten zwischen die Beine des Klägers zu fahren und den Puck wegzuschlagen und derart das Zuspiel des Klägers an seinen Mitspieler zu verhindern. Da der Beklagte vor dem Kläger nicht mehr anhalten konnte, fuhr er links am Kläger vorbei und versuchte mit dem Schläger, den er in der rechten Hand hielt, durch die Beine des Klägers hindurch den Puck wegzustoßen. Durch diesen Vorgang entstand eine Hebewirkung, der Kläger wurde ausgehoben und stürzte nach rechts auf das Eis. Der Beklagte spürte zwar im Vorbeifahren den Druck auf seinen Schläger, ließ diesen aber erst los, als der Druck zu groß wurde. Der Beklagte stürzte in der Folge auf den Schneewall am Rande des Spielfeldes. Der Kläger erlitt durch den Sturz einen Bruch des linken Schienbeines.
Der Kläger begehrt den Zuspruch des Betrages von S 83.823,6o samt Anhang an Schmerzengeld, Heilungs-, Transport- und Besuchskosten sowie an Sachschaden und die Feststellung, daß der Beklagte dem Kläger für alle künftigen Folgen des Unfalles vom 1. Jänner 1985 dem Grunde nach zu haften habe. Das Verhalten des Beklagten sei rechtswidrig und schuldhaft gewesen, es habe sich um keinen sportlichen Wettkampf, um kein Spiel nach bestimmten Regeln gehandelt; ein Kampf um den Puck sei nicht vorgesehen gewesen; dieser sollte lediglich zugespielt werden.
Der Beklagte wendete ein, es sei auf kleine Tore Eishockey gespielt worden, der Beklagte habe dem Kläger nur den Puck wegnehmen wollen. In der Auseinandersetzung um den Puck, also im Wettkampf, sei der Kläger gestürzt. Den Beklagten treffe an der Verletzung des Klägers kein Verschulden.
Das Erstgericht gab dem Leistungsbegehren mit dem Betrag von S 78.823,60 samt Anhang und dem Feststellungsbegehren statt. Ein Schmerzengeldbegehren von S 5.000 wies es unangefochten ab. Die Streitteile hätten ein Mannschaftsspiel mit Eishockeyschlägern geführt, also mit Sportgeräten, die eine erhebliche Gefährdung der körperlichen Sicherheit der Mitspieler herbeiführen konnten. Mangels genauer Spielregeln sei nicht festgelegt gewesen, was erlaubt sei. Die Spieler hätten daher nicht wissen können, mit welchen Handlungen der Mitspieler sie hätten rechnen müssen. Sie hätten aber annehmen können, daß die Mitspieler sich rücksichtsvoll verhielten und eine gegenseitige Gefährdung mit den Eishockeyschlägern möglichst vermeiden würden. Die Handlungsweise des Beklagten, der durch eine objektiv nicht erfolgbringende Attacke mit dem Schläger den Kläger zu Sturz gebracht habe, müsse als schuldhaft und rechtswidrig und die Verletzung als nicht sozialadäquat angesehen werden. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge; es änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es das gesamte Klagebegehren abwies. Es sprach aus, daß der Wert, über den es entschieden habe, S 300.000 nicht übersteige; die Revision erklärte es für zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung sei eine gewisse, bei den einzelnen Sportarten mehr oder weniger große und verschiedenartig bedingte Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit der Sportausübenden im Wesen des Sportes begründet. Insoweit Gefährdungen und Verletzungen nicht durch eine Vergrößerung des in der Natur der betreffenden Sportart gelegenen Risikos herbeigeführt würden, könnten die verursachenden Handlungen und Unterlassungen von Sportausübenden wegen ihrer Sozialadäquanz nicht als rechtswidrig angesehen werden. Bei einem Kampfsport sei die Verletzung eines Mitspielers nicht rechtswidrig, wenn sie sich aus typischen, beim Spiel unvermeidlichen Verstößen gegen Spielregeln ergebe. Das Verhalten des Beklagten sei nicht auf eine Körperattacke oder einen Körperkontakt, sondern auf das Wegstoßen des Pucks gerichtet gewesen. Ab dem Zeitpunkt, in dem der Beklagte den in Hebewirkung verstrickten Stock nicht habe fallen lassen, sei ein bei diesem kampfbetonten Sport typischer und unvermeidlicher Regelverstoß gegeben gewesen. Die dabei entstandene Verletzung des Mitspielers sei als nicht rechtswidrig einzustufen. Es sei nicht erforderlich und bei Jugendlichen auch nicht möglich, die Rechtmäßigkeit des Verhaltens bei solchen Gefährdungen, die im Zusammenhang anerkannter Kampfsportarten erlaubt seien, aus einer Einwilligung des potentiell Gefährdeten gegenüber seinen Mitspielern in eine Gefährdung oder Verletzung abzuleiten. Eine solche Rechtmäßigkeit ergebe sich vielmehr bereits aus der Rechtsordnung selbst, weil die menschliche Gemeinschaft dem Sport zur körperlichen Ertüchtigung einen hohen Wert innerhalb der sozialethischen Ordnung zumesse. Daß keiner der Beteiligten die offiziellen anerkannten Regeln des Eishockeysportes beherrscht habe, sei unmaßgeblich, da immerhin als Sanktion für ein Foul, das in jedem vereinbarungsgemäß von vornherein zu vermeidendem Körperkontakt habe erblickt werden müssen, der Verlust des Pucks für die eigene Mannschaft vorgesehen gewesen sei. Der Umstand allein, daß es sich um eine reine Freizeitbeschäftigung Jugendlicher gehandelt habe, vermöge der Beurteilung als durchaus sportlich geführten Wettkampf keinen Abbruch zu tun. Die im sportlichen Wettkampf durch einen typischen, wenn auch vermeidbaren Verstoß vom Beklagten bewirkte Verletzung seines mitspielenden Klägers sei somit entgegen der Meinung des Erstgerichtes nicht rechtswidrig erfolgt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.
Die Streitteile waren entgegen den Ausführungen in der Revision Teilnehmer an einem sportlichen Wettkampf: Es wurden am Unfallstag wie auch schon bei früheren Gelegenheiten zwei Parteien gebildet, die Teilnehmer waren mit Sportgerät (Eishockeyschuhe, Eishockeyschläger) ausgerüstet; Ziel des Spieles war es, den Puck möglichst oft im Tor der Gegenseite unterzubringen. Sämtliche Teilnehmer waren sich auch bewußt, an diesem Freizeitsport teilzunehmen. Für die Teilnahme galten zwar nicht die kodifizierten Regeln des Eishockeyspieles, es herrschte aber ein Grundkonsens dahin, daß Körperattacken unerlaubt sind. Dieser Regelverstoß wurde mit dem Verlust des Pucks geahndet. Beim Kampfsport, bei dem sich zwei Mannschaften gegenüberstehen, kommt es notwendig zu einem Naheverhältnis der Teilnehmer und Sportgeräte, die typischerweise zu Gefährdungen und Verletzungen der Teilnehmer führen können. Solche Verletzungen werden in Kauf genommen. Wegen des der Sportausübung von der Gemeinschaft beigemessenen hohen Wertes wird das damit verbundene Risiko für die körperliche Unversehrtheit daran teilnehmender Personen gebilligt (SZ 54/133 mwN; SZ 51/89; Koziol, Haftpflichtrecht2 I 97; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 8 zu § 1297). Auch im Freizeitsport, bei dem nicht nach kodifizierten Regeln gekämpft wird, wird ein vom Typ der Sportart und vom Grundkonsens der Beteiligten gedeckter kämpferischer Einsatz hingenommen (Mertens in Münchener Kommentar2 § 823 BGB Rz 341). Bei gegeneinander ausgeübter sportlicher Betätigung ist daher eine Verhaltensweise, die sonst als leichter Verstoß gegen die objektive Sorgfaltspflicht aufzufassen wäre, nicht rechtswidrig (ZVR 1985/127). Rechtswidrigkeit einer Verletzung bei Ausübung eines Kampfsportes wird etwa bejaht, wenn ein unsportliches, besonders gefahrenträchtiges Verhalten vorlag (ZVR 1984/92; Mertens aaO) oder eine Gefährdung herbeigeführt wurde, die sich nicht aus dem Wesen der ausgeübten Sportart ergab (ZVR 1984/92; Reischauer aaO; Schwimann-Harrer, ABGB V Rz 72 zu § 1295).
Solche Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Beklagte beabsichtigte nicht, aufgrund einer unerlaubten Körperattacke den Puck zu erobern, er hatte vielmehr die Absicht, zwischen den Beinen des zum eigenen Tor gewendeten Klägers den Puck wegzuschlagen. Zum Sturz des Klägers kam es in erster Linie dadurch, daß der Beklagte, der anschließend selbst am Rande des Spielfeldes zu Sturz kam, hinter dem Kläger nicht anhalten konnte, sodaß aufgrund der vom Schläger ausgehenden Hebewirkung der Kläger ausgehoben wurde und zu Sturz kam. In der Fehleinschätzung der eigenen Geschwindigkeit bzw. dem Unvermögen, den Kontakt zwischen Schläger und Kläger zu verhindern, ist aber nur ein leichter, Rechtswirdrigkeit nicht bewirkender Sorgfaltsverstoß des Beklagten zu erblicken. Die Entscheidung EvBl 1983/118 betraf einen anders gelagerten Sachverhalt. Dort wurde nicht Eishockey gespielt, die Spieler versuchten vielmehr, auf dem Rasen mit Eishockeyschlägern einen Plastikball ins Tor des Gegners zu befördern, ohne daß genaue Spielregeln festgelegt waren. Mit Stockeinsatz in Augenhöhe mußte nicht gerechnet werden. Die durch einen solchen Stockeinsatz herbeigeführte Augenverletzung des eine Brille tragenden jüngsten und schwächsten Mitspielers war demnach auf besonders gefahrenträchtiges, unsportliches Verhalten zurückzuführen. Damit ist der vorliegende Fall nicht zu vergleichen.
Der Revision ist der Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E11530European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00606.87.0715.000Dokumentnummer
JJT_19870715_OGH0002_0010OB00606_8700000_000