TE OGH 1987/7/15 1Ob632/87

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Veröffentlicht am 15.07.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef H***, Landwirt, Frankenburg, Raitenberg Nr. 7, vertreten durch Dr. August Rogler, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wider die beklagten Parteien 1.) Johann S***,

2.) Franz S***, beide Landwirte, Frankenburg, Raitenberg Nr. 4, beide vertreten durch Dr. Hubert Stüger, Rechtsanwalt in Frankenmarkt, wegen Unterlassung, Feststellung und S 10.800,-- samt Anhang (Gesamtstreitwert S 80.000,--) infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 21. Mai 1987, GZ 4 R 114/87-7, womit der Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 1. April 1987, GZ 6 Cg 73/87-3, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen. Die Kosten dieses Rekursverfahrens sind weitere Rekurskosten.

Text

Begründung:

Über vier Verständigungen des Kreisgerichtes Wels als Berufungs- und Rekursgerichtes nach § 6 a ZPO in den Verfahren R 288/86, R 681/86, R 738/86 und R 883/86 vom 14. Juli, 24. Juli und 15. Oktober 1986 zur Überprüfung der Prozeß- und Handlungsfähigkeit des Klägers bestellte das Bezirksgericht Frankenmarkt mit Beschluß vom 9. Dezember 1986, SW 8/86-7, Dr. Manfred D***, Rechtsanwalt in Mauerkirchen, für den Kläger zur Vertretung im Verfahren, in dem die Notwendigkeit der Bestellung des Sachwalters geprüft wird, zum einstweiligen Sachwalter und stellte gemäß § 238 AußStrG fest, daß das den Kläger betreffende eingeleitete Sachwalterbestellungsverfahren fortzusetzen ist. Einem Rekurs des Klägers gegen diesen Beschluß wurde mit Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 21. Jänner 1987, R 21/87-11, nicht Folge gegeben. Der Kläger begehrt die Fällung des Urteiles, die Beklagten, mit denen er schon in eine große Anzahl von Prozessen verwickelt war und ist, seien zur ungeteilten Hand schuldig, jeden weiteren Eingriff in das Eigentumsrecht des Klägers in Ansehung der Grundstücke 1707/3 und 1726 je KG Hörgersteig, insbesondere jede weitere Beschädigung der auf diesen Grundstücken errichteten Schafzäune, zu unterlassen, es werde festgestellt, daß dem Beklagten kein näher beschriebenes Pflugwenderecht zustehe, die Beklagten seien zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger den Betrag von S 10.800,-- samt Anhang zu bezahlen.

In ihrer Klagebeantwortung regten die Beklagten an, das Verfahren gemäß § 6 a ZPO zur Überprüfung der Prozeß- und Handlungsfähigkeit des Klägers zu unterbrechen und den Akt an das Bezirksgericht Frankenmarkt als Pflegschaftsgericht weiterzuleiten. Nach Erstattung der Klagebeantwortung unterbrach das Erstgericht den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Beendigung des beim Bezirksgericht Frankenmarkt zu SW 8/86 anhängigen Sachwalterbestellungsverfahren; das Verfahren wird nur über Antrag einer der Parteien fortgesetzt werden. In seiner Begründung führte es aus, beim Kläger hätten sich, insbesondere was sein Verhalten zu den Beklagten anlange, die Anzeichen für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 273 ABGB verdichtet, sodaß gemäß § 6 a ZPO vorzugehen sei. Gleichzeitig übermittelte es eine Gleichschrift der Klage und der Klagebeantwortung zum Sachwalterakt als Verständigung im Sinne des § 6 a ZPO.

Das Rekursgericht wies mit dem angefochtenen Beschluß den Rekurs des Klägers zurück. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteige; den Revisionsrekurs erklärte es für zulässig. Gemäß § 6 a ZPO sei es dem Prozeßgericht seit dem Inkrafttreten des Sachwaltergesetzes verwehrt, die Prozeßfähigkeit geistig behinderter Personen, für die kein Sachwalter bestellt sei, zu prüfen und zu verneinen. Es habe in solchen Fällen das Pflegschaftsgericht zu verständigen, dessen bindende Entscheidung abzuwarten und das Verfahren auszusetzen. Die Verfahrensunterbrechung sei also eine zwangsläufige Folge der Einleitung des im § 6 a ZPO vorgesehenen Verfahrens zur Überprüfung der Prozeßfähigkeit einer Partei. Umsomehr gelte dies, wenn beim zuständigen Pflegschaftsgericht bereits ein Verfahren zur Überprüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters anhängig sei, weil dies Zweifel an der Prozeßfähigkeit des Betroffenen indiziere und nur das Pflegschaftsgericht über diese Prozeßvoraussetzung befinden könne. Die Fortsetzung des Verfahrens vor dem Prozeßgericht wäre mit Nichtigkeit bedroht. Demnach handle es sich bei der Verfahrensunterbrechung um eine dem Prozeßgericht durch § 6 a ZPO zwingend aufgetragene Verfügung, wenn es Anzeichen zu erkennen glaube, daß bei einer Partei die Voraussetzungen des § 273 ABGB mit Beziehung auf den Rechtsstreit vorlägen. Solche Verfügungen seien gemäß den §§ 6 Abs 3 erster Satz, 6 a ZPO abgesondert unanfechtbar.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Klägers ist berechtigt.

Nach der durch Art. III SachwalterG eingefügten Bestimmung des § 6 a ZPO ist vom Prozeßgericht das Pflegschaftsgericht zu verständigen, wenn sich bei einer Partei, die der inländischen Pflegschaftsgerichtsbarkeit unterliegt, Anzeichen für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 273 ABGB mit Beziehung auf den Rechtsstreit ergeben. Das Pflegschaftsgericht hat dem Prozeßgericht ehestens mitzuteilen, ob ein (einstweiliger) Sachwalter bestellt oder sonst eine entsprechende Maßnahme getroffen wird. An die Entscheidung des Pflegschaftsgerichtes ist das Prozeßgericht gebunden. § 6 Abs 2 zweiter Satz ZPO ("Ist jedoch mit dem Verzuge für die prozeßunfähige Partei Gefahr verbunden, so kann diese oder die für dieselbe als Vertreter einschreitende Person noch vor Ablauf dieser Frist vorbehaltlich der Beseitigung des Mangels zur Vornahme der notwendigen Prozeßhandlung zugelassen werden") und § 6 Abs 3 erster Satz ZPO ("Die im Abs 2 bezeichneten gerichtlichen Verfügungen können durch ein abgesondertes Rechtsmittel nicht angefochten werden"), sind sinngemäß anzuwenden. Das Prozeßgericht darf daher, wenn eine Partei der inländischen Pflegschaftsgerichtsbarkeit unterliegt, niemals selbst die Prozeßfähigkeit von Parteien, für die kein Sachwalter bestellt wurde, selbständig prüfen (EvBl 1986/162; 8 Ob 700/86; Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 349). Die Bindungswirkung der Beschlüsse des Pflegschaftsgerichtes erstreckt sich auf Beschlüsse, mit denen ein Sachwalter bestellt wurde, und auf solche, mit denen das Verfahren gemäß § 243 AußStrG eingestellt wurde. Ohne formelle Beschlußfassung darf das gemäß § 6 a ZPO verständigte Pflegschaftsgericht den Akt nicht ablegen (8 Ob 700/86). Nahm das Prozeßgericht gemäß § 6 a ZPO eine Verständigung des Pflegschaftsgerichtes vor, kann es, wie sich aus der Anordnung der sinngemäßen Anwendung des § 6 Abs 2 zweiter Satz ZPO ergibt, die Partei, an deren Prozeßfähigkeit es Zweifel hegte, bei Gefahr im Verzug zur Vornahme der notwendigen Prozeßhandlungen zulassen. Aus dieser Bestimmung zog die Lehre den (Umkehr-)Schluß, daß andernfalls das Verfahren bis zur bindenden Entscheidung des Pflegschaftsgerichtes "wohl auszusetzen" sei (Fasching aaO); der Rechtsstreit könne bis zum Einlangen der Mitteilung des Pflegschaftsgerichtes unterbrochen werden (Maurer, Sachwalterrecht 100). Der Oberste Gerichtshof vertrat in jenen zwei Fällen, in denen er selbst das Pflegschaftsgericht nach § 6 a ZPO verständigt hatte (6 Ob 613/85 = EvBl 1986/162; 8 Ob 700/86), die Ansicht, daß aufgrund einer Verständigung das weitere Verfahren auszusetzen ist; spruchgemäß verfügte er jeweils die Unterbrechung des Rechtsstreites bis zur Entscheidung des Pflegschaftsgerichtes. Was unter sinngemäßer Anwendung des § 6 Abs 3 erster Satz ZPO zu verstehen ist, macht das Gesetz keineswegs deutlich. Es ist nicht einmal klar, ob § 6 a ZPO überhaupt einen anfechtbaren Beschluß vorsieht. Vollen Sinn macht die Regelung nur dann, wenn man sie dahin versteht, daß jener Beschluß, mit dem das Prozeßgericht ungeachtet der erfolgten Verständigung des Pflegschaftsgerichtes wegen Gefahr in Verzug die Partei, an deren Prozeßfähigkeit es zweifelte, zur Vornahme notwendiger Prozeßhandlungen zuließ, mit einem abgesonderten Rechtsmittel nicht angefochten werden kann; für einen Unterbrechungsbeschluß hätte eine solche Regelung hingegen wenig Sinn, weil während der Unterbrechung anfechtbare Beschlüsse in aller Regel nicht zu fassen sind. In Wahrheit enthält § 6 a ZPO gar keine Regelung, wie das Prozeßgericht vorzugehen hat, wenn es das Pflegschaftsgericht verständigt hat, aber die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 6 Abs 2 zweiter Satz ZPO nicht vorliegen. Insbesondere ist ein Unterbrechungsbeschluß nicht vorgesehen, so daß Fasching aaO mit seiner nicht näher begründeten Auffassung, Beschlüsse nach § 6 a ZPO seien überhaupt unanfechtbar, einen Unterbrechungsbeschluß nicht meinen kann. Faßt das Prozeßgericht einen Unterbrechungsbeschluß, so hat dieser nicht im § 6 a ZPO, sondern im § 190 Abs 1 ZPO seine Grundlage. Der Unterbrechungsbeschluß ist dann nach der allgemeinen Vorschrift des § 192 Abs 1 ZPO (Fasching aaO Rz 789) jedenfalls dann anfechtbar, wenn das Gericht darüber hinaus - durch § 6 a ZPO nicht gedeckt - auch anordnete, daß das Verfahren nur über Antrag einer der Parteien fortgesetzt worden werde.

Dem Rekurs ist Folge zu geben, der Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

Die Entscheidung über die Rekurskosten gründet sich auf §§ 50, 52 ZPO.

Anmerkung

E11531

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00632.87.0715.000

Dokumentnummer

JJT_19870715_OGH0002_0010OB00632_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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