TE OGH 1987/7/21 11Os79/87

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Veröffentlicht am 21.07.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Juli 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Sailler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Klaus H*** und andere wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach den §§ 12, 159 Abs. 1 Z 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 13. Jänner 1986, AZ 21 Bs 585/85, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Rzeszut, der Beschuldigten Klaus H*** und Kurt H***, sowie der Verteidiger Dr. Siebenaller und Dr. Wille und des Privatbeteiligtenvertreters Dr. Orator, jedoch in Abwesenheit des Beschuldigten Dr. Peter H*** zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 13.Jänner 1986, 21 Bs 585/85 (ON 142), verletzt, soweit in seiner Begründung ausgeführt wird, die Privatbeteiligung der Firma R*** & Cie KG wäre mit Beschluß der Ratskammer zurückzuweisen, sollte sich herausstellen, daß dieses Unternehmen im Tatzeitraum nicht Mitglied des Kreditschutzverbandes von 1870 gewesen ist (S 5 der Beschlußausfertigung), das Gesetz in der Bestimmung des § 47 Abs. 1 StPO.

Text

Gründe:

I./ Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 30.Mai 1984, GZ 12 c E Vr 9.605/79-101, wurde der (inzwischen verstorbene) Kaufmann Othmar C*** ua des Vergehens der fahrlässigen Krida nach den §§ 159 Abs. 1 Z 2 (161 Abs. 1) StGB schuldig erkannt, weil er in der Zeit zwischen dem 1.Juli 1979 und März 1980 in Wien als Geschäftsführer der Firma C*** & Co KG gleich einem Schuldner in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit des von ihm vertretenen Unternehmens fahrlässig die Befriedigung der Gläubiger oder wenigstens eines Teils von ihnen vereitelte oder schmälerte, indem er die Geschäftstätigkeit unter Eingehung neuer Schulden in der Gesamthöhe von 6,248.300 S fortsetzte und die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht rechtzeitig beantragte. Im Zusammenhang damit, daß mit dem Insolvenzfall der Firma C*** & Co KG ua auch der Kreditschutzverband von 1870 (im folgenden mit KSV bezeichnet) in Vertretung von zumindest zwölf Mitgliedern befaßt war, die als Gläubiger der Firma C*** & Co KG fällige Forderungen in der Gesamthöhe von ca. 1,4 Mill. S einzubringen versuchten, erstatteten die Firmen E*** GesmbH und (richtig:) R*** & Cie KG getrennte Strafanzeigen unter anderen auch gegen den Direktor der Insolvenz-(oder Konsortial-)Abteilung des KSV Klaus H***.

In den betreffenden Strafanzeigen wurden vor allem Verdachtsmomente in der Richtung behauptet, daß Klaus H*** (ebenso wie sein Stellvertreter Kurt H***) unter Negierung gewichtiger Insolvenzindizien statutenmäßig vorgesehene Initiativen zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über die Firma C*** & Co KG vermieden habe, um dem Rechtsanwalt Dr. Peter H*** (dem Bruder des Klaus H***) und Ing. Robert R*** den Ankauf der schuldnerischen Liegenschaft EZ 99 der KG Wieden (Haus Wiedner Hauptstraße Nr. 19) zu Konditionen zu ermöglichen, die den Gläubigerinteressen abträglich waren. Auf Grund dieser Strafanzeigen beantragte die Staatsanwaltschaft die Führung gerichtlicher Vorerhebungen gegen Othmar C*** in Richtung des Verbrechens der betrügerischen Krida nach dem § 156 Abs. 1 und Abs. 2 StGB sowie gegen Klaus H***, Dr. Peter H*** und Ing. Robert R*** wegen Beteiligung an diesem Verbrechen gemäß dem § 12 StGB, nach deren Abschluß (unter Aufrechterhaltung eines bereits am 1.April 1981 gegen Othmar C*** gestellten Strafantrages in Richtung der §§ 159 Abs. 1 Z 2, 161 Abs. 1 StGB; 114 ASVG) mit Beziehung auf sämtliche Verdächtigen sowie im Zuge der Vorerhebungen sonst strafbarer Handlungen verdächtigte Personen (darunter auch Kurt H***) die Erklärung nach dem § 90 Abs. 1 StPO abgegeben wurde (vgl. die S 3 qu und 3 qu vs in ON 1). Nach Verfahrenseinstellung am 27.Februar 1984 brachten die Firmen R*** & Cie KG und E*** GesmbH einen Subsidiarantrag ein (ON 97/Band III), in dessen Stattgebung mit Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 16.Jänner 1985, GZ 24 a Vr 3.375/84-109, gemäß dem § 48 Z 1 StPO die Voruntersuchung unter anderem gegen Klaus H*** "wegen §§ 12, 156 Abs. 1

und 2, 158 Abs. 1 und 159 Abs. 1 Z 2 StGB, in eventu §§ 2, 156, 157, 158, 159 StGB und §§ 108, 153 StGB" eingeleitet wurde. Dies im wesentlichen mit der Begründung, daß die von den Subsidiarantragstellern vorgebrachten Indizien für ein doloses Zusammenwirken der Organe des KSV mit Othmar C*** und Rechtsanwalt Dr. Peter H*** bei dem für den Großteil der Gläubiger der Firma C*** nachteiligen Verkauf der Liegenschaft EZ 99 der KG Wieden ebenso zu prüfen wären, wie der Verdacht einer allfälligen Beteiligung (§ 12 StGB) an fahrlässigen Kridahandlungen des Othmar C***. Diesen Beschluß bekämpfte (neben anderen auch) Klaus H*** mit Beschwerde, der mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 31.Mai 1985, 21 Bs 101/85

(ON 121/Band III), nicht Folge gegeben wurde. In der Begründung dieser Entscheidung brachte das Beschwerdegericht insofern eine Beschränkung des Rahmens der Voruntersuchung (ua) gegen Klaus H*** zum Ausdruck, als es eine strafrechtliche Mitverantwortung dieses Beschuldigten lediglich im Zusammenhang mit der Verzögerung von Maßnahmen zur Einleitung eines Insolvenzverfahrens über den Zeitpunkt der Erkennbarkeit der Zahlungsunfähigkeit der Firma C*** & Co KG hinaus für indiziert erachtete. Einen allfälligen gemäß dem § 159 Abs. 1 Z 2 StGB tatbestandsspezifischen (für die Neubegründung von Schulden in der Gesamthöhe von 6,248.300 S nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit mitkausalen) Sorgfaltsverstoß erblickte das Beschwerdegericht in der statutenwidrigen Vernachlässigung der dem Beschuldigten Klaus H*** in seiner Funktion als Leiter der Insolvenzabteilung des KSV gegenüber jenen Gläubigern oblegenen Verpflichtung, die Mitglieder des KSV waren, bereits ab Erkennbarkeit der Zahlungsunfähigkeit des in Rede stehenden Unternehmens (August/September 1979) die Antragstellung auf Konkurseröffnung bzw. eine entsprechende Vollmachtserteilung an den KSV nahezulegen (vgl. S 467 ff/Band III).

Mit dem Einwand, sowohl der (keine Mitgliedschaft zum KSV aufweisenden) Firma R*** & Cie KG als auch der (als Mitglied des KSV tatsächlich anderweitig vertretenen) Firma E*** GesmbH ermangle es an entsprechender Antragslegitimation im Sinn des § 48 Z 1 StPO, beantragte der Beschuldigte Klaus H*** in der Folge die Zurückweisung des von beiden Privatbeteiligten eingebrachten Subsidiarantrags und die Einstellung des Verfahrens (ON 129/Band IV). Dieser Antrag wurde mit Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 4.Oktober 1985, GZ 24 a Vr 3.375/84-136, abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde des Beschuldigten wurde mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 13. Jänner 1986, 21 Bs 585/85 (ON 142/Band IV), als unzulässig zurückgewiesen. In der Begründung dieser Entscheidung führte das Beschwerdegericht (im Rahmen bloß der Vollständigkeit halber angestellter meritorischer Erwägungen) aus, die Privatbeteiligung der Firma R*** & Cie KG wäre mit Beschluß der Ratskammer zurückzuweisen, falls (dem Erstgericht aufgetragene) ergänzende Erhebungen ergeben sollten, daß dieses Unternehmen im Tatzeitraum nicht Mitglied des KSV gewesen sei.

II./ Der Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 13.Jänner 1986, 21 Bs 585/85, steht mit dem Gesetz nicht im Einklang, soweit es in der Begründung heißt, daß das Recht, sich dem Strafverfahren gegen Klaus H*** ua als Privatbeteiligter anzuschließen, nur jenen Gläubigern zukomme, die im Tatzeitraum Mitglied des KSV waren. Gemäß dem § 47 Abs. 1 StPO kann sich jeder durch ein Verbrechen oder durch ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen in seinen Rechten Verletzte seiner privatrechtlichen Ansprüche wegen als Privatbeteiligter dem Strafverfahren anschließen. Voraussetzung der Anschlußberechtigung ist mithin, daß der Privatbeteiligte einen vermögensrechtlichen Schaden behauptet, der unmittelbar oder mittelbar durch die strafbare, von Amts wegen zu verfolgende Handlung entstanden sei. Da sich ein solcher Schaden bei Fortführung eines insolvent gewordenen Unternehmens keineswegs auf durch den KSV vertretene Gläubiger beschränkt, die tatbedingte Beeinträchtigung der Befriedigungsrechte vielmehr zwangsläufig auch den über die Mitglieder von Gläubigerschutzverbänden hinausgehenden Gläubigerkreis erfaßt, erstreckt sich der Anspruch auf Zulassung als Privatbeteiligter (und damit die Subsidiarantragslegitimation) - von der Zugehörigkeit zu Gläubigerschutzverbänden unabhängig - auf alle Tatgeschädigten, die einen kridabedingten materiellen Schaden schlüssig behaupten (vgl. Mayerhofer-Rieder, II/1 § 47 StPO, Nr. 58, 63 ua). Diese Voraussetzung trifft im konkreten Fall auch auf die Firma R*** & Cie KG zu.

Rechtliche Beurteilung

Auf Grund der von der Generalprokuratur gemäß dem § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher spruchgemäß zu erkennen.

Der Vollständigkeit halber bleibt zu erwähnen, daß die Generalprokuratur in die Begründung ihrer Beschwerde auch materiellrechtliche Erwägungen über die Möglichkeit einer Beteiligung Dritter am Delikt der fahrlässigen Krida (§§ 12, 159 Abs. 1 Z 2 StGB) einflocht; sie zog hiebei eine Tatbeteiligung von Funktionären des KSV und damit "formal der Gläubigerseite zuzuordnender Personen" an der fahrlässigen Krida des Schuldners ersichtlich in Zweifel, ließ aber diese der Frage der Privatbeteiligung rechtslogisch vorgelagerte - und mit dem gestellten Beschwerdebegehren nicht zu vereinbarende - Auffassung im Beschwerdeantrag nicht zum Ausdruck kommen:

Grundsätzlich erscheint zwar eine Beitragstäterschaft bei fahrlässig handelnden Personen möglich, die mangels Schuldnereigenschaft nicht unmittelbare Täter des Vergehens nach dem § 159 StGB sein können, aber eine sie selbst treffende deliktstypische objektive Sorgfaltspflicht (subjektiv vorwerfbar) verletzen (vgl. ua Foregger-Serini, MKK3, Anm. IX zu § 12 StGB).

Welche abschließenden Auswirkungen diese Rechtslage auf das vorliegende Verfahren hat, kann im derzeitigen Prozeßstadium allerdings nicht gesagt werden, weil es noch an ausreichendem Tatsachensubstrat (so auch zum Problem der Sorgfaltspflicht) fehlt, das am materiellen Recht gemessen werden könnte. Die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wurde von der Generalprokuratur während des Vorverfahrens erhoben: Es fällt nach den Prozeßgesetzen nicht in den Aufgabenbereich des Obersten Gerichtshofes, die bisher vorliegenden, möglicherweise noch gar nicht endgültigen (§ 112 Abs. 2 StPO) Erhebungsergebnisse des Vorverfahrens beweiswürdigend zu werten und zur Grundlage eigener Sachverhaltsfeststellungen zu nehmen.

Allerdings bedarf es des Hinweises, daß die in der Beschwerdeschrift verfochtene Meinung, der Oberste Gerichtshof hätte "erst jüngst (siehe JBl. 1986, 713) deutlich zum Ausdruck gebracht", daß eine tatbestandsspezifische "Sorgfaltspflicht nur solche Personen trifft, die an der Führung der Geschäfte des Gemeinschuldners in einem solchen Maße beteiligt sind, daß dies der Stellung eines leitenden Angestellten gleichkommt, nicht aber außenstehende Personen, wie etwa im vorliegenden Fall in Ansehung von Gläubigern oder gar deren Vertreter", in dieser Schärfe, vor allem ohne eingehende Betrachtung und Einbindung der Besonderheiten des jeweiligen konkreten Falls, zu weit greift. Der Oberste Gerichtshof bejahte nämlich in dieser (Zivil-) Entscheidung grundsätzlich "eine Beteiligung gemäß dem § 12 StGB ... nach nunmehr hA auch beim Fahrlässigkeitsdelikt des § 159 StGB" unter der Voraussetzung, daß den Beitragstäter eine eigene spezifische Sorgfaltspflicht trifft (mit umfangreichen Judikaturund Literaturangaben), zählte anschließend mehrere Beispiele einer derartigen Sorgfaltspflicht auf, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben (arg: "etwa"), und meinte ua, es werde bezweifelt, ob auch Kreditinstitute bei Kreditgewährung eine solche Pflicht treffen könne; die Meinung Mayerhofers (sh. Rechtliche Grenzen der Kreditgewährung, Sondertagung des ÖJT 1983), es gebe keine Beteiligung von kreditgewährenden Banken oder Kreditinstituten, müsse nicht für die beklagte Partei gelten, die (im Anlaßfall) nicht nur die Funktion eines Kreditgebers hatte.

Anmerkung

E11507

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0110OS00079.87.0721.000

Dokumentnummer

JJT_19870721_OGH0002_0110OS00079_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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