TE OGH 1987/7/23 6Ob593/87

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Veröffentlicht am 23.07.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Egermann, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maimo S***, Pensionistin, 9210 Pörtschach, Annastraße 39, vertreten durch Dr. Michael Stern, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Leonhard di G***, öffentlicher Notar, 9232 Rosegg, vertreten durch Dr. Wolfgang Gewolf, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 554.318,40 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 12. Februar 1987, GZ 3 R 182/86-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 16. August 1986, GZ 25 Cg 38/86-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 16.009,07 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.455,37 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Josef und Ingeborg P*** waren je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 1045 KG Velden am Wörthersee mit dem darauf errichteten Wohnhaus in Göriach Nr. 64. Auf dieser Liegenschaft waren am 22. Oktober 1979 folgende Pfandrechte einverleibt:

1) Unter C-OZ 1 auf Grund der Pfandbestellungsurkunde vom 29. September 1966 ein Pfandrecht für die Darlehensforderung von 367.500 S sA und eine Nebengebührensicherstellung von 55.000 S zugunsten der Girozentrale und Bank der Österreichischen Sparkassen Aktiengesellschaft;

2) Unter C-OZ 2 auf Grund der Schuldund Pfandbestellungsurkunde vom 11. August 1967 ein Pfandrecht für die Darlehensforderung von 183.750 S sA und eine Nebengebührensicherstellung von 27.500 S zugunsten der Girozentrale und Bank der Österreichischen Sparkassen Aktiengesellschaft;

3) Unter C-OZ 32/36 ein Pfandrecht für die Darlehensforderung von 600.000 S sA und eine Nebengebührensicherstellung von 120.000 S zugunsten der Raiffeisenkasse Velden und Umgebung registrierte Genossenschaft mbH;

4) Unter C-OZ 33 auf Grund der Versäumungsurteile des Landesgerichtes Salzburg vom 29. Dezember 1978, 3 Cg 544/78 und 3 Cg 545/78, ein Pfandrecht für die vollstreckbaren Forderungen von zusammen 120.000 S sA und der Kosten von 3.009,66 S, 3.009,66 S, 1.632,31 S, 1.632,31 S und 3.941,65 S zugunsten des Bankhauses Daghofer & Co.

Die Klägerin und ihr Lebensgefährte Dr. Husein G*** suchten in der Wörthersee-Gegend eine Mietwohnung. Dr. Husein G*** wurde mit dem Ehepaar Josef und Ingeborg P*** bekannt, welches die Vermietung der im Obergeschoß ihres Wohnhauses befindlichen Räume beabsichtigte. Da sich die Eheleute Josef und Ingeborg P*** damals in finanziellen Schwierigkeiten befanden, vereinbarte Dr. Husein G*** mit ihnen die Gewährung eines bis längstens 31. Dezember 1984 rückzahlbaren Darlehens von 200.000 S gegen Einräumung eines unentgeltlichen, grundbücherlich sicherzustellenden Wohnungsrechtes an der gesamten im ersten Stock gelegenen Wohnung bis zur vollständigen Darlehensrückzahlung. Außerdem verpflichteten sich Josef und Ingeborg P***, für den Umbau dieser im ersten Stock gelegenen Wohnung, insbesondere die Installierung einer Küche, einen Betrag von höchstens 100.000 S aufzuwenden und nach Beendigung des Wohnungsrechtes über Verlangen der Klägerin und des Dr. Husein G*** einen Mietvertrag über diese Wohnung auf unbestimmte Zeit abzuschließen. Über Vorschlag des Josef P*** kam man überein, diese mündlich geschlossene Vereinbarung von einem Notar schriftlich festhalten zu lassen. Am 19. Oktober 1979 brachten die Eheleute Josef und Ingeborg P*** die Klägerin und Dr. Husein G*** mit ihrem PKW von Pörtschach in die Notariatskanzlei des Beklagten nach Rosegg. Dort informierten Josef P*** und Dr. Husein G*** den Beklagten über die bereits mündlich getroffenen Vereinbarungen und beauftragten ihn, hierüber einen schriftlichen Vertrag zu verfassen. Die Ehegatten Josef und Ingeborg P***, Dr. Husein G*** und die Klägerin hatten damit gerechnet, daß dieser Vertrag sogleich errichtet und von ihnen unterschrieben werden könne. Der Beklagte erklärte ihnen jedoch, daß er vorher noch beim Bezirksgericht Villach den Grundbuchsstand der Liegenschaft erheben müsse. Mit dieser Aufgabe betraute der Beklagte den bei ihm als Notariatskandidaten tätigen Mag. Wolf A***.

Am 22. Oktober 1979 brachten die Eheleute Josef und Ingeborg P*** die Klägerin und Dr. Husein G*** neuerlich in die Notariatskanzlei des Beklagten, wo Mag. Wolf A*** zunächst mit ihnen noch eine weitere Information aufnahm. Nachdem er die Klägerin und Dr. Husein G*** vorher noch auf die auf der Liegenschaft haftenden Pfandrechte aufmerksam gemacht hatte, diktierte er den Vertrag vor den Parteien auf Tonband, las ihnen diesen Vertrag nach dessen Ausfertigung in Maschinschrift vor und legte ihn zur Unterschrift vor. Er äußerte sich gegenüber der Klägerin und Dr. Husein G*** weder über den Wert der Liegenschaft noch über die Höhe der noch aushaftenden Hypothekarschulden, da ihm diese nicht bekannt waren. Hiezu wurde er auch nicht befragt. Er wies jedoch die Eheleute Josef und Ingeborg P*** darauf hin, daß sie nach Bezahlung dieser pfandrechtlich sichergestellten Schulden die dafür haftenden Pfandrechte löschen lassen müßten und nahm in den Vertrag auch deren Löschungsverpflichtung bezüglich der Vorpfandrechte auf.

Der von Mag. Wolf A*** errichtete und von der Klägerin und Dr. Husein G*** sowie den Eheleuten Josef und Ingeborg P*** am 22. Oktober 1979 unterfertigte "Schuldschein und Dienstbarkeitsvertrag" hatte auszugsweise folgenden Wortlaut:

" § 1

Die Ehegatten Josef P*** und Ingeborg P*** anerkennen hiemit, von Herrn Dr. Husein G*** am 22. 10. 1979 aus dem Titel eines Gelddarlehens den Betrag von S 200.000 in Worten: Schilling zweihunderttausend bar zugezählt erhalten zu haben und diesen Betrag dem Herrn Dr. Husein G*** zu schulden.

§ 2

Die Schuldner verpflichten sich zur ungeteilten Hand, den oben genannten Darlehensbetrag bis längstens 31. Dezember 1984 dem Gläubiger zurückzuzahlen, wobei die Schuldner auch berechtigt sind, das Darlehenskapital in Teilbeträgen, jedoch nicht unter S 10.000, zu tilgen.

§ 3

Die Rückzahlung des genannten Darlehensbetrages hat wertgesichert auf der Basis des vom Österreichischen Statistischen Zentralamt in Wien herausgegebenen Verbraucherpreisindex 76 zu erfolgen, so daß sich die Höhe der zurückzuzahlenden Beträge nach Maßgabe der Indexzahl am heutigen Tag und an den jeweiligen Zahlungstagen verändert. Sollte der Verbraucherpreisindex 76 nicht mehr verlautbart werden, so tritt an seine Stelle der jeweilige amtliche Nachfolgeindex; sollte auch ein solcher nicht mehr verlautbart werden, so entscheidet über die Geldwertänderung ein für die Vertragsteile unanfechtbares Gutachten eines gerichtlich beeideten Sachverständigen.

§ 4

Die Darlehensnehmer räumen dem Darlehensgeber und dessen Lebensgefährtin Maimu S*** bis zur gänzlichen Rückzahlung des eingangs beschriebenen Darlehens das unentgeltliche Wohnrecht an der gesamten im 1. Stock des Hauses Göriach 64 gelegenen Wohnung ein, verbunden mit dem angemessenen Mitbenützungsrecht am Stiegenhaus, Hausgarten, Hof des genannten Hauses und auch an der allenfalls noch zu errichtenden Garage, wobei jedoch die Ehegatten Josef und Ingeborg P*** zur Errichtung dieser Garage keine Verpflichtung trifft.

Die auf die von den Wohnberechtigten alleine benützten Räumlichkeiten entfallenden Kosten für Beheizung, Beleuchtung, anderweitigen Stromverbrauch, Wasserverbrauch, Müll- und Fäkalienabfuhr sowie für Rauchfangkehrerarbeiten haben diese selbst zu tragen, und zwar ohne Ersatzanspruch gegenüber den Ehegatten Josef und Ingeborg P***.

§ 5

Es wird ausdrücklich festgehalten, daß das eben beschriebene Wohnrecht ein höchstpersönliches Recht zugunsten des Dr. Husein G*** bzw. der Frau Maimu S*** ist, welches auf Seiten der Berechtigten auch nicht auf deren Erben und Rechtsnachfolger übergeht.

§ 6

Die von Herrn Dr. Husein G*** und Frau Maimu S*** zu benützende Wohnung muß noch umgebaut werden. Die Ehegatten Josef und Ingeborg P*** verpflichten sich, einen Geldbetrag von höchstens S 100.000 in Worten: Schilling einhunderttausend für den Umbau der genannten Wohnung auf eigene Kosten, jedoch im Einvernehmen mit den Wohnberechtigten, aufzuwenden, mit welchem Betrag in erster Linie der Einbau einer Zentralheizung, einer Wohnungstüre und einer Kücheneinrichtung sowie der Ausbau von Bad und WC bezahlt werden müssen.

Es ist den Wohnberechtigten gestattet, Umbauarbeiten an der genannten Wohnung auch über den oben genannten Gesamtbetrag von S 100.000 hinaus vorzunehmen, dies jedoch nur auf eigene Kosten und ohne Ersatzanspruch gegenüber den Ehegatten Josef und Ingeborg P***. Diese wiederum sind verpflichtet, sämtliche Maurer-, Tapezierer-, Maler- und Bodenlegerarbeiten, die durch den genannten Umbau der im 1. Stock des Hauses Göriach 64 gelegenen Wohnung erforderlich werden, selbst sach- und fachgerecht auszuführen, wobei jedoch das hiefür erforderliche Material, soweit es den oben genannten Betrag von S 100.000 übersteigt, von den Wohnberechtigten auf eigene Kosten und ohne Ersatzanspruch gegenüber den Ehegatten Josef P*** und Ingeborg P*** beigestellt werden muß.

§ 7

Die Ehegatten Josef P*** und Ingeborg P*** verpflichten sich, mit Herrn Dr. Husein G*** und Frau Maimu S*** nach dem Erlöschen des eingangs beschriebenen Wohnrechtes auf deren Verlangen einem Mietvertrag hinsichtlich der im 1. Stock des Hauses Göriach Nr. 64 gelegenen Wohnung auf unbestimmte Zeit nach Maßgabe des in diesem zukünftigen Zeitpunkt geltenden Mietengesetzes abzuschließen, wobei jedoch auch in diesem Fall eine Übertragung des Mietrechtes auf Erben und Rechtsnachfolger der zukünftigen Mieter ausgeschlossen werden soll, soweit dies überhaupt möglich ist. Die Höhe des Mietzinses ergibt sich aus dem genannten Mietengesetz.

§ 8

Die Vertragsteile haben Kenntnis, daß die eingangs beschriebene Wertsicherung des Darlehens von S 200.000 im Grundbuch nicht sichergestellt werden kann.

............

                             § 11

Zur Sicherung der Darlehensforderung des Gläubigers im Betrage

von S 200.000 und einer für eine allfällige Klags- und

Exekutionsführung hiemit vereinbarte Nebengebührenkaution bis zum

Höchstbetrage von S 40.000 bestellen die Darlehensnehmer die ihnen

je zur Hälfte gehörige Liegenschaft in EZ. 1045 KG. Velden,

bestehend aus dem Grundstück 104/2 Acker, zum Pfand.

................

§ 13

Es erteilen schließlich die Vertragsteile ihre ausdrückliche Einwilligung, daß auch auf alleiniges Ansuchen nur eines von ihnen auf Grund dieser Urkunde im Grundbuch des Bezirksgerichtes Villach nachstehende Eintragungen vorgenommen werden:

Bei der Liegenschaft in EZ. 1045 KG. Velden

1) die Einverleibung des Pfandrechtes für die Darlehensforderung im Betrage von S 200.000 samt einer Nebengebührenkaution bis zum Höchstbetrag von S 40.000 zugunsten des Dr. Husein G***, geb. am 13. 12. 1919;

2) die Einverleibung der Dienstbarkeit der Wohnung nach Inhalt dieses Vertrages zugunsten des Dr. Husein G***, geb. am 13. 12. 1919, und der Maimu S***, geb. am 14. 11. 1906. Die Darlehensnehmer verpflichten sich, im Sinne des § 469 a ABGB die bei der Liegenschaft in EZ. 1045 KG. Velden zugunsten der Girozentrale und Bank der Österreichischen Sparkassen Aktiengesellschaft unter C-OZ. 1 und C-OZ. 2 eingetragenen Pfandrechte für die Darlehensforderungen von S 367.500 s.A. und

S 183.750 s.A., das unter C-OZ. 33 zugunsten des Bankhauses D*** & Co., 5020 Salzburg, eingetragene Pfandrecht für die vollstreckbare Forderung von S 120.000 s.A. und das unter C-OZ. 36 zugunsten der Raiffeisenkasse Velden und Umgebung, registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, eingetragene Pfandrecht für die Darlehensforderung von S 600.000 s.A. nach Maßgabe der Tilgung vorbehaltslos löschen zu lassen und erteilen gleichzeitig ihre ausdrückliche Einwilligung zur grundbücherlichen Anmerkung dieser Löschungsverpflichtung bei der Liegenschaft in EZ. 1045 KG. Velden.

.............."

Am 8. September 1981 ist Josef P*** ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung verstorben. Das Bezirksgericht Villach übermittelte mit Verfügung vom 7. Oktober 1981 dem Beklagten den Verlassenschaftsakt A 1036/81 zur Durchführung der Abhandlungspflege als Gerichtskommissär. Wegen dessen Verhinderung führte Mag. Wolf A***, der mit Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Klagenfurt vom 20. November 1981, Jv 4.627-13/81, zum Dauersubstituten des Beklagten bestellt wurde, die Verlassenschaftsabhandlung als Gerichtskommissär durch. Das reine Nachlaßvermögen nach Josef P*** betrug 751,65 S. Seine beiden nach dem Gesetz zu je einem Drittel erbberechtigten mj. Kinder entschlugen sich ihres gesetzlichen Erbrechtes zugunsten ihrer Mutter Ingeborg P***, schlossen aber, vertreten durch einen Kollisionskurator, mit dieser ein von Mag. Wolf A*** in der Verhandlungsschrift vom 2. Februar 1982 protokolliertes Pflichtteilsübereinkommen, wonach ihnen auf die Dauer ihres "ledigen Standes" an je einem Zimmer im Parterre des Wohnhauses ein unentgeltliches Wohnrecht eingeräumt wurde. Dieses Pflichtteilsübereinkommen ist mit Beschluß des Bezirksgerichtes Villach vom 16. Februar 1982 pflegschaftsbehördlich genehmigt worden. Im Zuge eines von der Raiffeisenbank Velden und Umgebung registrierte Genossenschaft mbH betriebenen Realexekutionsverfahrens, dem das Bankhaus D*** & Co beigetreten war, kam es am 9. Dezember 1983 beim Bezirksgericht Villach zur Versteigerung der Liegenschaft EZ. 1045 KG. Velden. Dem Versteigerungsverfahren lag ein Schätzwert der Liegenschaft von 1,932.900 S zugrunde, in welchem die zugunsten der Klägerin und Dris. Husein G*** sowie der Kinder Manfred und Brigitte P*** einverleibten Wohnungsrechte mit 628.636,80 S berücksichtigt waren. Nach den Versteigerungsbedingungen waren alle Dienstbarkeiten, Ausgedinge und Reallasten, sowie die auf der Liegenschaft haftenden Forderungen vom Ersteher nur insoweit zu übernehmen, als sie nach der ihnen zukommenden Rangordnung in der Verteilungsmasse Deckung finden. Die Liegenschaft wurde dem Dr. Husein G*** gegen ein Meistbot von 1,150.000 S zugeschlagen. Daraus wurden als Vorzugsposten eine rückständige Grundsteuerforderung der Marktgemeinde Velden am Wörthersee von 5.399,10 S und in der bücherlichen Rangordnung auf Grund von Pfandrechtseinlösungen des Dr. Husein G*** die Pfandrechte unter C-OZ 1 und 2 über 367.500 S und 72.708,36 S durch Übernahme (Vereinigung) berichtigt. Ein Restbetrag von 704.392,54 S wurde zur teilweisen Berichtigung der Pfandforderung C-OZ 32 verwendet. Dadurch war das Meistbot erschöpft.

Dr. Husein G*** trat der Klägerin die ihm allenfalls gegen den Beklagten zustehenden Ansprüche ab.

Die Klägerin begehrte vom Beklagten den Ersatz des ihr bzw. dem Dr. Husein G*** entstandenen Schadens von zumindest 554.318,40 S s.A. Sie behauptete, die vom Notariatskandidaten Mag. Wolf A*** errichtete Vertragsurkunde sei von ihr und Dr. Husein G*** nach anfänglicher Ablehnung wegen der Höhe der vorrangigen Belastungen nur deshalb unterfertigt worden, weil Mag. Wolf A*** erklärt habe, daß die mehr als 10 Jahre alten Hypotheken in C-OZ 1 und 2 forderungsentkleidet wären. Überdies habe er versichert, daß der Klägerin und Dr. Husein G*** wegen des hohen Wertes der Liegenschaft nichts mehr passieren könne, sobald ihre Rechte im Grundbuch einverleibt wären. Der Beklagte habe als Gerichtskommissär die Verlassenschaftsabhandlung nach dem am 8. September 1981 verstorbenen Josef P*** geführt und über seine bzw. des Mag. Wolf A*** Empfehlung hätten sich die Kinder des Josef P*** der Erbschaft entschlagen und das Pflichtteilsübereinkommen abgeschlossen. Durch diesen "pflichtwidrigen Rat" habe die Liegenschaft rund 314.318,40 S an Wert verloren. Ohne das vom Beklagten pflichtwidrig empfohlene Pflichtteilsübereinkommen wäre das Meistbot im Zwangsversteigerungsverfahren um zumindest diesen Betrag höher ausgefallen. Hätte der Beklagte pflichtgemäß auch die Interessen der Klägerin und des Dr. Husein G*** wahrgenommen, so wäre die Darlehenszuzählung unterblieben. Auch wären die grundbücherlich einverleibten und mit 314.318,40 S geschätzten Wohnrechte durch den Liegenschaftswert sichergestellt und durch das Meistbot gedeckt bzw. befriedigt worden. Erst anläßlich der Versteigerung am 9. Dezember 1983 hätten die Geschädigten diesen Schaden "erahnen" können.

Der Beklagte hielt dem entgegen, weder er noch Mag. Wolf A*** hätten von forderungsentkleideten Hypotheken oder davon gesprochen, daß wegen des hohen Wertes der Liegenschaften nichts mehr passieren könne, sobald die Rechte der Klägerin und des Dr. Husein G*** im Grundbuch einverleibt wären. Die Parteien seien vielmehr im Zuge der Vertragserrichtung genau über den Vertragsinhalt und den damaligen Grundbuchsstand aufgeklärt worden. Die im Vertrag festgehaltene Löschungsverpflichtung des Ehepaares Josef und Ingeborg P*** hinsichtlich der Vorpfandrechte wäre nicht erforderlich gewesen, wenn diese bereits löschungsreif gewesen wären. Es sei auch unrichtig, daß die Klägerin und Dr. Husein G*** von der Unterzeichnung hätten Abstand nehmen wollen. Vielmehr habe Dr. Husein G*** auf eine rasche Unterfertigung des Vertrages gedrängt. Das von den mj. Kindern im Verlassenschaftsverfahren nach Josef P*** abgeschlossene und pflegschaftsbehördlich genehmigte Pflichtteilsübereinkommen habe der Beklagte nicht beeinflußt. Im Versteigerungsverfahren habe Dr. Husein G*** die Liegenschaft ersteigert und lastenfrei übernommen. Wäre das Meistbot höher ausgefallen, hätte er für den Liegenschaftserwerb höhere Mittel aufwenden müssen. Er habe sich daher etwas erspart und sei nicht zu Schaden gekommen. Ein allfälliger Anspruch der Klägerin sei überdies verjährt. Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es traf im wesentlichen die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß Mag. Wolf A*** bei Abfassung der Vertragsurkunde am 22. Oktober 1979 als Erfüllungsgehilfe des Beklagten tätig geworden sei. Die Klagsbehauptungen über seine Erklärungen betreffend die Vorpfandrechte und den Wert der Liegenschaft seien nicht erwiesen worden. Auch eine sonstige Verletzung der dem Beklagten und Mag. Wolf A*** oblegenen Sorgfaltspflichten bei der Errichtung des Schuldscheines und Dienstbarkeitsvertrages vom 22. Oktober 1979 liege nicht vor. Mag. Wolf A*** habe sich vor Errichtung dieses Vertrages durch Nachschau im Grundbuch davon überzeugt, daß dieser Vertrag auf dieser Liegenschaft überhaupt sichergestellt werden könne. Er habe die Klägerin und Dr. Husein G*** auf die eingetragenen Pfandrechte aufmerksam gemacht und in den Vertrag auch die Löschungsverpflichtung der Darlehensnehmer aufgenommen. Da auch der Darlehensbetrag weder dem Beklagten noch Mag. Wolf A*** ausgehändigt worden sei, habe gar keine Möglichkeit bestanden, für eine Berichtigung von Vorpfandrechten Sorge zu tragen. Eine Prüfungspflicht hinsichtlich des Wertes der Liegenschaft bzw. der Fähigkeit und des Willens der Darlehensnehmer zur Rückzahlung des Darlehens habe nicht bestanden. Anläßlich der Verlassenschaftsabhandlung nach Josef P*** sei Mag. Wolf A*** als Notarsubstitut des Beklagten tätig geworden. Als solcher habe er das öffentliche Amt unter eigener Verantwortung ausgeübt und der Beklagte hafte für ihn nur bei culpa in eligendo. Das Pflichtteilsübereinkommen sei über Anraten des Pflegschaftsrichters geschlossen und von Mag. Wolf A*** nur beurkundet worden. Darin könne weder ein pflichtwidriger Rat noch eine Verletzung von Sorgfaltspflichten erblickt werden.

Das Gericht zweiter Instanz gab mit dem angefochtenen Urteil der von der Klägerin erhobenen Berufung keine Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung und erachtete auch dessen Rechtsausführungen als zutreffend. Es führte dazu noch aus, der von der Klägerin behauptete Sorgfaltsverstoß sei nicht erwiesen worden. Im übrigen habe ein Notar als Verfasser einer Privaturkunde eigenberechtigte Personen keineswegs gleich einem Kurator zu überwachen und zu bestimmen. Er sei auch nicht verpflichtet, auf deren Willensentschluß einzuwirken. Seine Sorgfaltspflicht dürfe nicht überspannt werden. Im vorliegenden Fall habe vor allem mit Rücksicht auf die Tatsache, daß die Parteien mit einem mündlich errichteten Vertrag beim Beklagten erschienen seien und Dr. Husein G*** gar keinen Wert auf einen schriftlichen Vertrag gelegt bzw. sich auch nicht um die Belastung der Liegenschaft gekümmert habe, keine besondere Prüfungspflicht des Vertragsverfassers über die Bonität der Darlehensnehmer, den Wert der Pfandliegenschaft und die Sicherung der Darlehensgeber bestanden. All dies und die Tatsache, daß Dr. Husein G*** promovierter Jurist sei, hätten vielmehr beim Beklagten bzw. Mag. Wolf A*** den Eindruck erwecken können, ihm und der Klägerin gehe es weniger um die Sicherstellung des zugezählten Darlehens als um die Einräumung des Wohnungsrechtes, für das sie ja auch nach dem abgeschlossenen Vertrag im ungünstigsten Fall 100.000 S riskiert hätten, was aber durch die Tatsache des zugleich für die Dauer von fünf Jahren unentgeltlich eingeräumten Wohnungsrechtes überdies gemildert worden sei. Die Überprüfung des Grundbuchsstandes und die Aufnahme der im § 469 a ABGB vorgesehenen Verpflichtung der Liegenschaftseigentümer sowie das Aufmerksammachen auf die vorhandenen Pfandrechte hätten sohin zur Erfüllung der dem Beklagten bzw. Mag. Wolf A*** oblegenen Sorgfaltspflichten ausgereicht. Unerklärlich sei, warum der Beklagte bzw. Mag. Wolf A*** die Bestellung zum Gerichtskommissär im Verlassenschaftsverfahren nach dem verstorbenen Josef P*** hätten ablehnen sollen. Auch hier sei die Klagsbehauptung, daß der Beklagte (bzw. Mag. Wolf A***) das Pflichtteilsübereinkommen pflichtwidrig empfohlen habe, nicht erwiesen worden. Dieses sei vielmehr von der Witwe des Verstorbenen mit ihren durch einen Kollisionskurator vertretenen mj. Kindern im Einverständnis und nach vorheriger Absprache mit dem Pflegschaftsrichter geschlossen und von Mag. Wolf A*** in seiner Eigenschaft als Gerichtskommissär im Verlassenschaftsverfahren lediglich protokolliert und beurkundet worden. Da Mag. Wolf A*** hier als Notarsubstitut eingeschritten sei, könne der Beklagte überdies für dessen Sorgfaltspflichtsverletzung nur für ein Auswahlverschulden haften. Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des Urteiles im Sinne einer gänzlichen Klagsstattgebung, hilfsweise auf Aufhebung der Urteile beider Vorinstanzen.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die beiden einzigen, von der Klägerin konkret behaupteten und dem Beklagten zum Vorwurf gemachten Pflichtwidrigkeiten, er bzw. Mag. Wolf A*** hätten am 22. Oktober 1979 erklärt, daß die mehr als 10 Jahre alten Hypotheken in C-OZ 1 und 2 forderungsentkleidet wären, überdies könne wegen des hohen Wertes der Liegenschaft nach grundbücherlicher Einverleibung nichts mehr passieren, und sie hätten weiters den Abschluß des Pflichtteilsübereinkommens im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens pflichtwidrig empfohlen, sind nicht erwiesen worden. Die Ausführungen der Vorinstanzen, wonach der als Urkundsverfasser einen Vertrag formulierende Notar beiden Vertragsparteien gegenüber zur sorgfältigen Wahrung ihrer Interessen verpflichtet ist, soferne er von beiden Teilen ins Vertrauen gezogen wird bzw. diese davon ausgehen dürfen, daß er unparteiisch formuliert, und zwar auch dann, wenn er - anders als im vorliegenden Fall - nur Bevollmächtigter eines Teiles ist, entsprechen der herrschenden Ansicht. Als Urkundenverfasser haben Notare nicht nur die rechtlichen, sondern auch die wirtschaftlichen Auswirkungen zu berücksichtigen (Reischauer in Rummel, ABGB Rdz 8 zu § 1299; SZ 43/221; JBl 1975, 328; MietSlg. 32.229, 33.225). Allerdings darf der Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB nicht überspannt werden, demzufolge nur für die Sorgfalt eines durchschnittlichen Fachmannes des jeweiligen Gebietes einzustehen ist (Reischauer aaO Rdz 2; SZ 38/165; JBl 1970, 621; EvBl 1982/3). Insbesondere dann, wenn die Parteien den Vertrag bereits errichtet haben und ihn nur mehr in die entsprechende juristische Form bringen wollen, hat der Vertragserrichter in der Regel lediglich die Pflicht, das Vereinbarte entsprechend zu formulieren und sinnvolle Ergänzungen vorzunehmen (Reischauer aaO). Es ist dann nicht seine Aufgabe, auf eine Abänderung des abgeschlossenen Vertrages hinzuwirken (vgl. SZ 28/57) oder gar, einen Teil von der Vertragsunterzeichnung abzuhalten.

In diesem Sinne ist den Vorinstanzen beizupflichten, daß Mag. Wolf A*** als Notariatskandidat des Beklagten, für den dieser nach § 1313 a ABGB haften würde, bei der Vertragserrichtung am 22. Oktober 1979 seiner Beratungs- und Belehrungspflicht in ausreichendem Maße nachgekommen ist. Das Ehepaar Josef und Ingeborg P*** einerseits und die Klägerin sowie Dr. Husein G*** andererseits hatten bereits eine mündliche Vereinbarung getroffen, die von ihm nur entsprechend zu formulieren war. Dies ist auch geschehen und die Klägerin und Dr. Husein G*** sind von Mag. Wolf A*** auch ausdrücklich auf die auf der Liegenschaft haftenden Vorpfandrechte gemäß dem von ihm erhobenen Grundbuchsstand aufmerksam gemacht worden. Im übrigen war dem Dr. Husein G*** beim vorangegangenen Abschluß der mündlichen Vereinbarung mit dem Ehepaar Josef und Ingeborg P*** bereits bekannt, daß sich dieses in finanziellen Schwierigkeiten befand. Mag. Wolf A*** hat durch die Aufnahme der Löschungsverpflichtung der Liegenschaftseigentümer in bezug auf die Vorhypotheken in den Vertrag und deren grundbücherliche Anmerkung den Interessen der Klägerin und des Dr. Husein G*** Rechnung getragen. Kein Anlaß bestand für ihn, die Klägerin und Dr. Husein G*** von der Vertragsunterzeichnung abzuhalten. Dazu wäre er bloß verpflichtet gewesen bzw. hätte er seine Mitwirkung beim Abschluß des Geschäftes zu versagen gehabt, wenn er aus den Umständen hätte annehmen müssen, daß es sich um ein verbotenes, verdächtiges oder zum Scheine vorgegebenes Geschäft im Sinne des § 5 Abs 3 NO handelte, bei dem die Beiden nicht bloß das mit dem Geschäft üblicherweise verbundene wirtschaftliche Wagnis übernehmen, sondern von den anderen Vertragsteilen übervorteilt werden sollten (6 Ob 505/84). Derartiges ist aber von der Klägerin weder behauptet worden noch wäre solches nach den Feststellungen für Mag. Wolf A*** erkennbar gewesen. Die Klägerin vermag denn auch in ihrer Revision keine sonstige konkrete Pflicht- oder Sorgfaltsverletzung des Mag. Wolf A*** bei der Vertragserrichtung am 22. Oktober 1979 aufzuzeigen. Soweit sie aber in diesem Zusammenhang nunmehr erstmalig die Behauptung aufstellt, Dr. Husein G*** sei der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig gewesen und habe den vollen Inhalt des Vertrages und seine Folgen nicht voll erfassen können, weshalb der Notar einen Gerichtsdolmetsch der serbokroatischen Sprache hätte beiziehen müssen, um Übervorteilungen einer Partei zu vermeiden, liegt eine unzulässige und daher unbeachtliche Neuerung vor.

Die Tätigkeit des Mag. Wolf A*** als Gerichtskommissär im Verlassenschaftsverfahren nach dem am 8. September 1981 verstorbenen Josef P*** kann im Gegensatz zur Meinung der Klägerin und der Vorinstanzen überhaupt zur Gänze außer Betracht bleiben. Mag. Wolf A*** ist nämlich nach den Feststellungen als Substitut des Beklagten gemäß § 119 NO eingeschritten. Als solcher war er nicht etwa ein Substitut des Beklagten nach § 1010 ABGB, für den dieser allenfalls für culpa in eligendo haften würde (vgl. SZ 40/68), sondern ein amtlich bestellter "Ersatzmann", gleichsam ein Notar "auf Zeit" oder "auf Widerruf", der schon wegen seiner amtlichen Bestellung nicht Substitut gemäß § 1010 ABGB sein kann (Stanzl in Klang2 IV/1, 828). Für einen solchen Notarsubstituten gemäß § 119 NO kann den Beklagten überhaupt keine Haftung treffen (Kostner, Handkommentar zur Notariatsordnung 150).

Der Revision mußte daher ein Erfolg versagt bleiben. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E11600

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0060OB00593.87.0723.000

Dokumentnummer

JJT_19870723_OGH0002_0060OB00593_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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