Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 23.Juli 1987 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Lachner, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Sailler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Walter Jürgen H*** wegen des Vergehens der Förderung gewerbsmäßiger Unzucht nach § 215 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengerichts vom 12. März 1987, GZ. 19 Vr 1462/85-132, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwalts Dr. Hauptmann, des Angeklagten Walter Jürgen H*** und des Verteidigers Dr. Berger zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Gemäß § 290 Abs 1 StPO. wird das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen Vergehens der Zuhälterei nach § 216 Abs 1 StGB. n.F. betreffend den Zeitraum vom Februar 1984 bis zum 1.August 1984 sowie im Strafausspruch (ausgenommen den Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft) aufgehoben und in diesem Umfang gemäß § 288 Abs 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:
Walter Jürgen H*** wird von der Anklage, von Februar 1984 bis zum 1.August 1984 in Dornbirn mit dem Vorsatz, sich aus der gewerbsmäßigen Unzucht einer anderen Person, nämlich seiner Frau Cornelia H***, eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, diese Person ausgebeutet zu haben, indem er sich von ihr zur Gänze aushalten ließ, ihr den aus der gewerbsmäßigen Unzucht erzielten Gewinn bis auf Kleinigkeiten, die sie für sich behalten durfte, abnahm und sie zeitweilig auch gegen ihren Willen auf die Straße schickte, wobei er Gewalt und Drohungen gegen sie einsetzte, gemäß § 259 Z. 3 StPO.
freigesprochen.
Walter Jürgen H*** wird für den aufrecht gebliebenen Schuldspruch wegen des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs 1 StGB., des Vergehens der Förderung gewerbsmäßiger Unzucht nach § 215 StGB. und des Vergehens der Zuhälterei nach § 216 Abs 1 StGB. n.F. nach § 217 Abs 1 StGB. unter Anwendung des § 28 StGB. zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt. Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Walter Jürgen H***, im ersten Rechtsgang bereits des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs 1 StGB. rechtskräftig schuldig gesprochen, wurde im zweiten Rechtsgang auch noch der Vergehen der Förderung gewerbsmäßiger Unzucht nach § 215 StGB. und der Zuhälterei nach § 216 Abs 1 StGB. (in der Fassung der Strafgesetznovelle 1984, BGBl. 295) schuldig erkannt. Ihm liegt diesbezüglich zur Last, in Dornbirn seine (damalige) Gattin Cornelia H***
1. im Februar 1984 der gewerbsmäßigen Unzucht zugeführt zu haben, indem er sie dazu überredete, der Prostitution nachzugehen, um für sie beide den Unterhalt zu verdienen, wobei er ihr Anweisungen gab, wie sie sich zu verhalten und was sie dabei je Geschlechtsverkehr zu verlangen hatte, ihr Präservative verschaffte und ihr die Standplätze bekanntgab, an denen sie sich zu prostituieren hatte;
2. von Februar 1984 bis Jänner 1986 mit dem Vorsatz, sich aus ihrer gewerbsmäßigen Unzucht eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, ausgenützt zu haben.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z. 5 und 9 lit a StPO. gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Zu § 215 StGB.:
Soweit der Beschwerdeführer den ihn belastenden Aussagen der Zeugen Maria L*** und Anton Z*** über von ihm selbst und seiner (ehemaligen) Gattin gemachte Äußerungen, wonach letztere von ihm "auf den Strich geschickt" wurde (für ihn "auf den Strich ging"), deshalb die Beweiskraft abspricht, weil die Zeugen "ihre Wahrnehmungen erst zu einem späteren Zeitpunkt machten", zeigt er keinen Verstoß gegen die formelle Begründungspflicht (§§ 270 Abs 2 Z. 5, 281 Abs 1 Z. 5 StPO.) auf, sondern bekämpft lediglich nach Art einer gegen Urteile eines Schöffensenats unzulässigen Schuldberufung die tatrichterliche Beweiswürdigung. Da die von den Zeugen wiedergegebenen Äußerungen eine geradezu typische Zuführungshandlung im Sinn des § 215 StGB. umschreiben (13 Os 144/86), fehlt es, der Mängelrüge zuwider, auch nicht an einer logisch vertretbaren Begründung der betreffenden Urteilskonstatierung.
Die ferner vom Beschwerdeführer vermißten Feststellungen darüber, wann und in welcher Art der Angeklagte seine Gattin durch gezielte Einflußnahme zur Prostitution veranlaßt hat, sind ohnehin getroffen worden; ist doch das Erstgericht ausdrücklich davon ausgegangen, daß der Angeklagte die bis zur Eheschließung (im Feber 1984) als Fabriksarbeiterin einen geregelten Verdienst beziehende Frau dazu überredet hat, der Prostitution nachzugehen, um für sei beide den Unterhalt zu verdienen, sowie daß er ihr Verhaltensanweisungen, insbesondere über den zu fordernden Schandlohn, erteilt, ihr Präservative beschafft und sie zu den Standplätzen gebracht hat. Wenn der Angeklagte demgegenüber behauptet, das Beweisverfahren habe nur hervorgebracht, daß er zumindest seit Sommer 1984 von der Ausübung der Prostitution durch seine Gattin gewußt habe, führt er auch die Rechtsrüge nicht prozeßordnungsgemäß - nämlich nicht von der Sachverhaltsgrundlage des angefochtenen Urteils ausgehend - aus.
Zu § 216 Abs 1 StGB. (n.F.):
Soweit der Angeklagte auf seine eigene Verantwortung verweist, aus anderen Quellen als aus dem Schandlohn seiner Gattin, nämlich aus eigenem Arbeitseinkommen und aus Zuwendungen seiner Mutter, die gemeinsamen Lebensbedürfnisse bestritten zu haben, geht er erneut nicht vom Urteilssachverhalt aus, wie dies die gesetzmäßige Ausführung einer Rechtsrüge (Z. 9 lit a) voraussetzt; er macht aber auch keinen Begründungsmangel (Z. 5) geltend, indem er sich auf die Wiedergabe seiner eigenen Verantwortung, wie sie sich insbesondere aus dem (in der neu durchgeführten Hauptverhandlung am 12.März 1987 gar nicht verlesenen; Band II S. 259 oben) Hauptverhandlungsprotokoll vom 16.Juni 1986 (Band II S. 40, 41) ergibt, beschränkt, ohne auf die Argumentation des Schöffengerichts einzugehen. Soweit er aber - hier wenigstens in prozeßordnungsgemäßer Ausführung der Rechtsrüge - vermeint, zur Überprüfung des Tatbestandsmerkmals des Ausnützens hätte es eingehenderer Feststellungen über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie über die wirtschaftliche Lage seiner Gattin in der fraglichen Zeit bedurft, ist sein Beschwerdevorbringen inhaltlich nicht begründet: Mit dem durch die Strafgesetznovelle 1984, BGBl. 295, eingeführten Begriff des Ausnützens sollte Schmarotzertum im Vorfeld der Ausbeutung, nämlich die Annahme (über trinkgeldartige Einnahmen hinausgehender) materieller Vorteile von einer Prostituierten erfaßt werden, denen keine entsprechenden Gegenleistungen des Nehmers gegenüberstehen oder die sonst Interessen der Prostituierten verletzen oder beeinträchtigen (Leukauf-Steininger2, Ergänzungsheft 1985, § 216 StGB. RN. 6 a; LSK. 1986/3 zu § 216 Abs 1 StGB.). Ob und in welchem Umfang solche Zuwendungen der Befriedigung von Lebensbedürfnissen des Täters dienen, ist für die Verwirklichung des Tatbilds nach § 216 Abs 1 StGB. n.F. nicht entscheidend (Leukauf-Steininger a. a.O.).
Den Urteilsannahmen zufolge hat nun der Angeklagte in der fraglichen Zeit lediglich zeitweise Gelegenheitsarbeiten verrichtet, den gemeinsamen (damit auch seinen) Lebensunterhalt aber mit Geldern bestritten, welche er aus den fortlaufenden Einkünften seiner Gattin aus der Prostitution kassiert hat. Demnach hat er nicht unbedeutende, durch keine Gegenleistungen aufgewogene materielle Vorteile von der Prostituierten Cornelia H*** angenommen. Von einer bloßen Beitragsleistung der Letztgenannten zu den Kosten gemeinsamer Lebensführung kann mithin, der Beschwerde zuwider, keine Rede sein.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.
Zur Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO.:
Soweit allerdings der Schuldspruch wegen Vergehens nach § 216 Abs 1 StGB. n.F. auch einen vor dem Inkrafttreten der Strafgesetznovelle 1984 mit dem 1.August 1984 gelegenen Begehungszeitraum erfaßt, ist die neu geschaffene Bestimmung auf ein Verhalten angewendet worden, welches zur betreffenden Zeit (Feber 1984 bis einschließlich Juli 1984) noch nicht gerichtlich strafbar war. Da nach Ansicht des Erstgerichts dem Angeklagten hinsichtlich dieser Zeitspanne eine Ausbeutung der Prostituierten Cornelia H*** nicht nachgewiesen werden konnte, scheidet für diesen Zeitraum auch ein strafbares Verhalten nach § 216 StGB. a.F. (der auf eine solche Ausbeutung abgestellt hat) aus. Der Beginn der Tatzeit zum Schuldspruch wegen Vergehens der Zuhälterei nach § 216 Abs 1 StGB. n.F. war demnach zeitmäßig mit dem Inkrafttreten dieser Bestimmung (1.August 1984) zu fixieren. Für die Zeit vorher war nach diesbezüglicher Kassierung des Schuldspruchs mit einem Freispruch von der Anklage (teilweise C, ON. 67) vorzugehen (§ 290 Abs . 1 StPO.).
Zur Sanktion:
Bei der nach § 217 Abs 1 StGB., unter Beachtung des § 28 StGB. gebotenen Strafneubemessung waren erschwerend, daß der Angeklagte mehrere strafbare Handlungen verschiedener Art begangen und die beiden Vergehen durch längere Zeit fortgesetzt hat; mildernd war hingegen, daß er durch seine Aussage nicht unwesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat.
Unter Berücksichtigung dieser Strafzumessungsgründe sowie des Umstands, daß Opfer aller drei Straftaten die (geschiedene) Gattin des Angeklagten war, die sich nunmehr der Aussage entschlagen und diesem damit ersichtlich verziehen hat, erschien die nunmehr verhängte Strafe trotz des bis zu fünf Jahren reichenden Strafsatzes noch tat- und tätergerecht.
Die Staatsanwaltschaft war mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.
Anmerkung
E11513European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0130OS00072.87.0723.000Dokumentnummer
JJT_19870723_OGH0002_0130OS00072_8700000_000