TE OGH 1987/7/24 15Os103/87

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Veröffentlicht am 24.07.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.Juli 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Swoboda als Schriftführer in der Strafsache gegen Alois M*** und Wolfgang M*** wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 131 erster Fall StGB sowie einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen beider Angeklagter sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16.April 1987, GZ 5 d Vr 11076/86-66, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Es wird der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Wolfgang M*** und teilweise auch jener des Angeklagten Alois M*** Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch laut Pkt. 1. und im Strafausspruch (einschließlich des darauf beruhenden Ausspruches nach § 38 StGB) aufgehoben sowie die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen.

Ansonsten wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten M*** zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden beide Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten M*** auch die durch den erfolglos gebliebenen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil - das auch andere Entscheidungen enthält - wurden Alois M*** und Wolfgang M*** (1.) des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 131 erster Fall StGB sowie (2.) des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB schuldig erkannt.

Darnach haben sie am 26.September 1986 in Wien (zu 1.) in Gesellschaft als Beteiligte dem Kemal V*** fremde bewegliche Sachen und zwar zwei bis drei Kilogramm Obst und Gemüse mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei sie, beim Diebstahl auf frischer Tat betreten, gegen Sevim V*** Gewalt anwendeten, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten, indem sie die Genannte zu Boden rissen sowie mit Händen und Füßen auf sie einschlugen, und (zu 2.) fremde Sachen teils zerstört, teils beschädigt und teils unbrauchbar gemacht, indem sie mehrere vor dem Geschäft des Kemal V*** gestandene Kisten mit Obst und Gemüse umstießen sowie deren auf die Straße und auf den Gehsteig gefallenen Inhalt zertraten und beschmutzten.

Zur Begründung sämtlicher Urteilsfeststellungen begnügte sich das Erstgericht mit der floskelhaften Bezugnahme "auf die übereinstimmenden und glaubwürdigen Aussagen der" - eingangs und zum Teil auch im Text - "genannten Zeugen", wonach jene "ihre Angaben in den entscheidungswesentlichen Punkten sicher und zu ihren Angaben im Vorverfahren widerspruchsfrei" abgelegt haben sollen (US 4). In Wahrheit waren aber die (insoweit allein aktuellen) Darstellungen der Zeuginnen Sevim V*** und Acime V*** über den Tathergang zum Faktum 1. - ohne daß mit dieser Richtigstellung eine Bewertung ihrer Aussagen verbunden wäre - in den verschiedenen Verfahrensstadien insgesamt weder übereinstimmend noch sicher noch widerspruchsfrei:

das Schöffengericht hat diese Diskrepanzen und Unsicherheiten jedoch offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen und ist dadurch seiner Verpflichtung zu deren Würdigung (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) nicht nachgekommen. Daß die Täter mit der Beute geflüchtet seien, wurde überhaupt von keinem der Zeugen bekundet. Zur Aufklärung dieser Diskrepanzen wird im fortgesetzten Verfahren auch im Hinblick auf offenkundig bestehende Sprachschwierigkeiten (vgl. S 103) die - bisher unterbliebene - Beiziehung eines allgemein beeideten gerichtlichen Dolmetschers (§§ 13 f SDG) für die türkische Sprache zu veranlassen sein.

Rechtliche Beurteilung

In rechtlicher Hinsicht ist dem Erstgericht zudem entgangen (US 5), daß zur Qualifikation nach § 131 StGB auf der subjektiven Tatseite (arg. "um ... zu") Absicht (§ 5 Abs. 2 StGB) erforderlich ist. Die von den Angeklagten mit ihren - von M*** auf Z 5 und 9 lit. a sowie von M*** auf Z 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten - Nichtigkeitsbeschwerden im Kern zutreffend aufgezeigten groben Begründungsmängel des Urteils (Z 5) betreffen die Feststellung ihres Diebstahlsvorsatzes, der Tatbestandsvollendung sowie des Umfangs der Diebsbeute und erfordern ebenso wie der in Ansehung der Deliktsqualifikation unterlaufene Rechtsirrtum (Z 10) zu diesem Faktum die Anordnung der Verfahrenserneuerung in erster Instanz.

Dahin war demnach beiden Nichtigkeitsbeschwerden nach Anhörung der Generalprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sogleich Folge zu geben (§ 285 e StPO).

Im zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein, daß die Annahme eines räuberischen Diebstahls im Sinn des § 131 StGB nur dann in Betracht kommt, wenn die Gewaltanwendung durch die Täter zumindest auch in der Absicht, sich die weggenommenen Sachen zu erhalten (vgl. SSt. 49/17 ua), und bei deren Betretung auf frischer Diebstahls-Tat, also nach der Erlangung (hier:) des Mitgewahrsams daran durch deren "heimliches" - das heißt unbemerkt bleiben sollendes - Ergreifen in Realisierung eines nicht auch den allfälligen Einsatz räuberischer Mittel zur Beschaffung des Alleingewahrsams miteinschließenden Tatplanes (vgl. SSt. 53/13 ua), vorgenommen wurde. Für den Fall einer (zumindest bedingt) vorausgeplanten Anwendung von Gewalt zu dem in Rede stehenden Zweck oder deren Ausübung ohne "Heimlichkeit" eines zuvor begonnenen (und allenfalls danach vollendeten) Gewahrsamsbruchs hingegen wird das Vorliegen der Voraussetzungen eines (im Fall eines vorsätzlichen Zusammenwirkens der Täter nach § 143 erster Fall StGB qualifzierten) Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB zu prüfen sein. Für diesen Fall wird auf § 261 Abs. 1 StPO sowie auf das - nur für den Sanktionenbereich geltende (vgl. RZ 1986/32 ua) - Verschlechterungsverbot (§§ 293 Abs. 3, 290 Abs. 2 StPO) hingewiesen.

Von einer bloßen Scheinbegründung (Z 5) des Schuldspruchs zum Faktum

2. wegen der Wendung, die Beschwerdeführer hätten es "offensichtlich" in Kauf genommen, die Ware zu beschädigen (US 5), hingegen kann mit Rücksicht darauf, daß das Schöffengericht solcherart deutlich genug einen (nach allgemeiner Lebenserfahrung vollauf gerechtfertigten) Rückschluß vom äußeren Tatgeschehen her auf den Vorsatz der Täter umschrieb, nach Lage des Falles nicht gesprochen werden.

In diesem Umfang war daher die insoweit offenbar unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten M*** gleichfalls nach Anhörung der Generalprokuratur bereits in nichtöffentlicher Sitzung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs. 1 Z 2 StPO).

Mit ihren Berufungen waren beide Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf die Anordnung der Erneuerung auch des Strafausspruchs in erster Instanz zu verweisen.

Anmerkung

E11520

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0150OS00103.87.0724.000

Dokumentnummer

JJT_19870724_OGH0002_0150OS00103_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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