TE OGH 1987/7/24 15Os95/87

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Veröffentlicht am 24.07.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.Juli 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Swoboda als Schriftführer in der Strafsache gegen Werner G*** wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1, Abs. 2 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 30.März 1987, GZ 25 Vr 539/87-9, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das erstgerichtliche Urteil, das in seinem freisprechenden Teil als unangefochten unberührt bleibt, im Schuldspruch und demzufolge im Strafausspruch aufgehoben und die Strafsache - zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang - an das Erstgericht zurückverwiesen.

Darauf wird der Angeklagte mit seiner Berufung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem - auch einen unangefochten gebliebenen Freispruch enthaltenden - im Schuldspruch angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1, Abs. 2 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Darnach liegt ihm zur Last, zwischen dem 9.Mai 1986 und dem 19. Jänner 1987 in Tarrenz sich ein ihm anvertrautes Gut mit dem Vorsatz zugeeignet zu haben, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, indem er eine am 9.Mai 1986 bei Egon B*** unter Eigentumsvorbehalt angekaufte Motorsäge im Wert von 8.640 S ohne Bezahlung des Kaufpreises an eine unbekannte Person weiterveräußerte (in den Entscheidungsgründen - US 8 - ging das Schöffengericht allerdings auch von der Möglichkeit aus, die Säge befinde sich nach wie vor im Besitz des Angeklagten).

Der auf Gründe der Z 5, 6 (gemeint: 8) und 11 (gemeint: 10) des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen den Schuldspruch kann, was den erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund betrifft, Berechtigung nicht versagt werden.

Rechtliche Beurteilung

Unzutreffend ist allerdings - was der Vollständigkeit halber festgehalten sei - die Rüge einer Anklageüberschreitung (Z 8). Wenngleich die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift dem Angeklagten das Herauslocken der Motorsäge am 9.Mai 1986 unter Vortäuschen seiner Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit, somit Betrug, anlastet, liegt in einer Verurteilung wegen einer in der Zeit zwischen dem 9.Mai 1986 und dem 19.Jänner 1987 verübten Veruntreuung eben derselben Säge keine Anklageüberschreitung. Denn der Vorfall, den der Ankläger zum Anlaß für die Anklage nimmt, ist vom Gericht nach allen Richtungen und in allen Umständen, die für den - hier vermögensrechtlichen - Erfolg ursächlich sind, nach allen begleitenden und rechtlich bedeutsamen Umständen zu erforschen und dem Gesetz zu unterstellen, das bei richtiger Auslegung darauf anzuwenden ist; hiebei ist ein Hinausgreifen über den Tatsachenkreis, den die Anklage zieht, oft unvermeidlich, insbesondere sind dabei auch Umstände zu berücksichtigen, die von der Anklagetat zeitlich und räumlich getrennt sind (vgl. Mayerhofer/Rieder, StPO2, E 29 und 60 zu § 262 uvam). Die nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls tatsächlich unterlassene Anhörung der Parteien über einen vom Schöffengericht in Aussicht genommenen geänderten rechtlichen Gesichtspunkt (§ 262 StPO) ist hinwieder nicht mit Nichtigkeit bedroht (Mayerhofer/Rieder, aaO, E 109 zu § 262).

Die Rechtsrüge (Z 10) des Angeklagten ist - wie gleichfalls festgehalten sei - hingegen nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie die (wenn auch mit einem Nichtigkeit im Sinn der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO bewirkenden Begründungsmangel behaftete) Urteilsfeststellung (US 10) negiert, daß der Wert der Motorsäge (im Tatzeitpunkt) 5.000 S überstieg.

Berechtigt ist die Nichtigkeitsbeschwerde jedoch, soweit sie dem schöffengerichtlichen Urteil Begründungsmängel (Z 5) vorwirft. Das Schöffengericht hielt die Verantwortung des Angeklagten, die Motorsäge sei durch den Gebrauch während eines halben Jahres derart abgenützt worden, daß sie nicht mehr verwendbar gewesen und von ihm deshalb weggeworfen worden sei (S 61), als "jeglicher Lebenserfahrung" widersprechend und daher für unglaubhaft (US 9). Diese Begründung ist offenbar unzureichend, denn Defekte an Maschinen sind auch bei neuwertigen Geräten keineswegs völlig auszuschließen, geschweige denn bei - vom Angeklagten behaupteten (S 61) - häufigem Gebrauch. Der bloße Hinweis auf eine Lebenserfahrung ohne Begründung, weshalb in concreto dieser Lebenserfahrung und nicht der dazu konträren Verantwortung des Angeklagten gefolgt wird, genügt nicht (Mayerhofer/Rieder, StPO2 E 124 und 125 zu § 281 Abs. 1 Z 5).

Mit Recht wird, wie schon oben erwähnt, auch ein Begründungsmangel zur Feststellung des Erstgerichtes gerügt, daß die Maschine im Zeitpunkt der Veruntreuung einen 5.000 S übersteigenden Wert gehabt hätte.

Das Schöffengericht ging (ersichtlich) vom Kaufpreis der (neuen) Motorsäge aus (vgl. hiezu Aussage des Zeugen B*** S 57) und unterließ jegliche Begründung dafür, weshalb es trotz deren folgenden Gebrauches eine Wertminderung nicht annahm, die nach Lage des Falles allenfalls sogar so weit gegangen sein könnte, daß in dem - vom Schöffengericht nicht näher präzisierten - Zeitpunkt der dem Angeklagten angelasteten Veruntreuung der Wert der Maschine (möglicherweise) 5.000 S nicht mehr überstieg.

Die aufgezeigten Begründungsmängel nötigen daher den Obersten Gerichtshof zur Aufhebung des Schuldspruches und damit auch des Strafausspruches.

Der Angeklagte war mit seiner Berufung auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E11312

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0150OS00095.87.0724.000

Dokumentnummer

JJT_19870724_OGH0002_0150OS00095_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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