TE OGH 1987/7/30 7Ob27/87

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Veröffentlicht am 30.07.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Kodek und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter H*****, vertreten durch Dr. Günther Dobretsberger, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei D*****Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Eduard Saxinger und Dr. Peter Baumann, Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung der Deckungspflicht (Streitwert 100.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 4. Februar 1987, GZ 3 R 291/86-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Linz vom 26. Juni 1986, GZ 7 Cg 18/86-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der klagenden Partei auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist bei der Beklagten haushalts- und haftpflichtversichert. Nach Art 19 Abs 7 Z 1 der Allgemeinen Bedingungen für Haushaltsversicherungen (ABH) in der Fassung 1973 sind Schadenersatzansprüche gegen alle Personen, die vorsätzlich den Schaden, für den sie dem Dritten verantwortlich sind, rechtswidrig herbeigeführt haben, von der Versicherung ausgeschlossen. Dem Vorsatz wird eine Handlung oder Unterlassung gleichgehalten, welche die betreffende Person nicht vermeidet, obwohl sie die wahrscheinlichen schädlichen Folgen voraussehen musste, diese jedoch in Kauf genommen hat.

Im Zuge eines Raufhandels verletzte der Kläger am 27. 1. 1984 den Franz R***** durch vorsätzliches Versetzen von Faustschlägen und Fußtritten schwer. Er wurde deshalb des Vergehens der schweren körperlichen Verletzung nach §§ 83 Abs 2, 84 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Das Strafgericht konnte nicht feststellen, dass der Kläger den Franz R***** bewusst und gewollt verletzen habe wollen bzw dass er ernstlich mit der Möglichkeit einer Verletzung gerechnet und sich damit abgefunden habe.

Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage die Feststellung, dass die Beklagte aus dem Vorfall vom 27. 1. 1984 deckungspflichtig sei. Die Beklagte habe die Deckung zu Unrecht abgelehnt, weil er den Verletzungserfolg nicht in Kauf genommen habe.

Die Beklagte bestritt ihre Deckungspflicht. Der Kläger habe eine Verletzung seines Kontrahenten im Zuge des Raufhandels zumindest billigend in Kauf genommen. Sie sei daher gemäß Art 19 Abs 7 Z 1 ABH leistungsfrei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im zweiten Rechtsgang statt. Es stellte im Wesentlichen fest, dass der Kläger den Franz R***** im Zuge des Raufhandels nicht bewusst und gewollt verletzen oder allenfalls schwer verletzen habe wollen und dass er nicht ernstlich mit der Möglichkeit einer Verletzung gerechnet und sich damit abgefunden habe. Rechtlich leitete das Erstgericht aus Art 19 Abs 7 Z 1 ABH ab, dass der Ausschluss von der Haftpflichtversicherung nur gegeben sei, wenn der versicherte Haftpflichtige die Handlungen, die zum Versicherungsfall geführt haben, vorsätzlich gesetzt und sich sein Wissen und Wollen zumindest bedingt auch auf die Folgen erstreckt habe. Letzteres sei beim Kläger aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht der Fall gewesen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands 60.000 S nicht aber 300.000 S übersteigt und dass die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und billigte auch dessen Rechtsansicht.

Rechtliche Beurteilung

Die auf den Rechtsmittelgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision der Beklagten ist nicht zulässig.

Die Beklagte vertritt rechtlich die Auffassung, für den Ausschluss nach Art 19 Abs 7 Z 1 ABH genüge es, dass der Kläger die wahrscheinlichen schädlichen Folgen fahrlässig nicht vorausgesehen habe. Dass er sich mit den schädlichen Folgen abgefunden habe, ergebe sich daraus, dass er den Angriff in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der schädlichen Folgen nicht vermieden habe. Schließlich biete die Feststellung, der Kläger habe mit einer Verletzung ernstlich nicht gerechnet und habe sich mit dem Eintritt einer Verletzung auch nicht abgefunden, keinen Anhaltspunkt für ihre Deckungspflicht. Aus der Gesamtheit der Feststellungen ergebe sich nämlich, dass der Kläger den Raufhandel vorsätzlich begonnen habe. Er habe sich auch durch den Verlust seiner Brille nicht von dessen Fortsetzung abhalten lassen. Daraus ergebe sich der Ausschluss von der Versicherung.

Nach ständiger Rechtsprechung genügt für den Ausschluss nach Art 19 Abs 7 Z 1 ABH nicht eine vorsätzliche Handlungsweise. Dieser erfordert vielmehr auch eine vorsätzliche Schadenszufügung (VersR 1978, 532; VersRdSch 1979, 68; VersR 1981, 665 und 1044; VersR 1984, 1182 und 1197). Die Formulierung dieser Bestimmung stellt klar, dass der Täter den Schaden zumindest bedingt vorsätzlich zufügen muss, um den Ausschluss zu bewirken. Bewusste Fahrlässigkeit reicht dazu nicht aus.

Ob der (haftpflichtversicherte) Täter die Schadenszufügung in Kauf genommen hat, ist eine Tatfrage (VersR 1978, 532; VersR 1981, 665 und 1044; VersR 1984, 1182). Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung ergibt sich das Fehlen einer bedingt vorsätzlichen Schadenszufügung im vorliegenden Fall aus den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen. Dass der Kläger den Raufhandel vorsätzlich begann und fortsetzte, sagt über die Vorsätzlichkeit der Schadenszufügung noch nichts aus. Die entgegenstehenden Revisionsausführungen gehen somit nicht vom festgestellten Sachverhalt, an den der Oberste Gerichtshof gebunden ist, aus.

Auch in der vom Berufungsgericht zur Begründung der Zulässigkeit der Revision herangezogenen Entscheidung 7 Ob 70/77 (veröffentlicht in VersRdSch 1979, 68) sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass in der Haftpflichtversicherung für den Haftungsausschluss (im Anlassfall nach Art 5 III lit 1 a AHVB 1963) zumindestens bedingt vorsätzlich Schadenszufügung erforderlich ist. Da die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu dieser Frage nicht uneinheitlich ist, liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision iSd § 502 Abs 4 Z 1 ZPO, die das Berufungsgericht nur in einer uneinheitlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs erblickte, nicht vor.

Mangels Bindung des Revisionsgerichts an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 3 ZPO (§ 508a Abs 1 ZPO) war daher die Revision als unzulässig zurückzuweisen.

Da der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung diese Unzulässigkeit der Revision nicht geltend machte, konnten ihm keine Kosten zugesprochen werden.

Textnummer

E103528

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0070OB00027.87.0730.000

Im RIS seit

04.04.2013

Zuletzt aktualisiert am

04.04.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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