TE OGH 1987/7/30 7Ob637/87

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Veröffentlicht am 30.07.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Kodek und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Liese P***, Angestellte, Groß Eibenstein 134, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Komm. Rat Hans W***, Kaufmann, Wien 1., Rudolfsplatz 5, Nebenintervenient auf Seite der beklagten Partei Claudia A***, Angestellte, Wien 9., Tendlergasse 3/5, vertreten durch Dr. Wolfgang Kluger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 24. März 1987, GZ 41 R 554/86-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 16. Juli 1986, GZ 4 C 548/85-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der Nebenintervenientin die mit S 2.414,72 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 219,52 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist aufgrund eines Vermächtnisses des Voreigentümers Karl W*** Eigentümerin des Hauses Wien 18., Sternwartestraße 11. Der am 18. März 1985 verstorbene Johann W*** und dessen vorverstorbene Lebensgefährtin Hermine G*** waren Mieter einer Wohnung in diesem Haus. Der Beklagte ist Erbe nach Johann W***.

Die Klägerin kündigte die Wohnung aus den Gründen des § 30 Abs. 2 Z 5 und 6 MRG auf und begehrte die Räumung des Bestandobjektes.

Der Beklagte wendete mangelnde Passivlegitimation ein. In dem Mietvertrag sei ein Eintrittsrecht der Claudia A*** vereinbart worden. Diese habe den Eintritt erklärt und sei daher Mieterin geworden.

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtsunwirksam und wies das Räumungsbegehren ab. Nach seinen Feststellungen wurde der Mietvertrag am 27. Juli 1981 mit dem damaligen Hauseigentümer Karl W*** abgeschlossen. Er enthält unter anderem die Bestimmung, daß Claudia A***, geboren am 2. August 1965, in den Mietvertrag nach den Bestimmungen des Mietengesetzes eintrittsberechtigt ist. Diese Vereinbarung wurde getroffen, weil die Wohnung wegen der infolge des hohen Alters der Mieter voraussichtlich geringen Nutzungsdauer, der Höhe der Ablöse und der Investitionskosten für Claudia A*** gesichert werden sollte. Claudia A*** erklärte nach dem Tod der beiden Mieter den Eintritt in den Bestandvertrag. Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes könne die vereinbarte Eintrittsklausel weder als bloßer Hinweis auf die mietengesetzliche Eintrittsregelung noch auch dahin verstanden werden, daß die materiellen Eintrittsvoraussetzungen (gemeinsamer Haushalt und dringendes Wohnungsbedürfnis) jedenfalls gegeben sein müßten, weil bei Vertragsabschluß evident gewesen sei, daß die Begünstigte diese Voraussetzungen nicht erfülle. Nach der Parteienabsicht sollte die Wohnung wegen der hohen Ablöse und der Investitonen gleichsam für die Begünstigte reserviert werden. Da der Erwerber eines Bestandobjektes in alle Bestimmungen des Bestandvertrages mit Ausnahme jener über die Dauer eintrete, auch wenn er sie nicht kenne, sei die Klägerin an das vereinbarte Eintrittsrecht gebunden. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000, nicht aber S 300.000 übersteigt. Es erklärte die Revision für zulässig. Die Bestimmung des § 2 Abs. 1 Satz 3 MRG, wonach der Rechtsnachfolger im Eigentum an Nebenabreden ungewöhnlichen Inhalts nur gebunden sei, wenn er sie kannte oder kennen mußte, beziehe sich nur auf den Einzelrechtsnachfolger. Die Klägerin sei zwar Einzelrechtsnachfolger nach Karl W***, könne sich auf diese Bestimmung aber nicht mit Erfolg berufen, weil die hier zu beurteilende Nebenabrede keine ungewöhnliche sei. Die Einräumung der Befugnis zur gänzlichen Untervermietung oder Weitergabe des Bestandobjektes sei nach herrschender Ansicht keine ungewöhnliche Nebenabrede. Die im vorliegenden Fall getroffene Abrede stelle nur eine beschränkte Art der Befugnis zur Weitergabe des Bestandobjektes dar und könne dann umso weniger als ungewöhnliche Nebenabrede angesehen werden. In der Auslegung der Eintrittsklausel hinsichtlich der Eintrittsvoraussetzungen teilte das Berufungsgericht die Rechtsansicht des Erstgerichtes. Es lehnte die Rechtsmeinung des Klägers ab, daß es sich um einen eigenen Vertrag zugunsten Dritter handle und daß jedenfalls mangels Einhaltung der Formvorschriften für letztwillige Verfügungen die Eintrittsklausel rechtsunwirksam sei.

Den Zulässigkeitsausspruch begründete das Berufungsgericht damit, daß zur Frage, ob das vereinbarte Eintrittsrecht eine ungewöhnliche Nebenabrede sei, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Enthält ein Hauptmietvertrag Nebenabreden ungewöhnlichen Inhalts, so ist der Rechtsnachfolger im Eigentum gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 MRG an diese Nebenabreden nur gebunden, wenn er sie kannte oder kennen mußte. Nach Würth (in Rummel, ABGB, Rdz 7 zu § 2 MRG) kann die Frage, welche Nebenabreden ungewöhnlich sind, trotz der anscheinenden Objektivierbarkeit nur im Einzelfall beurteilt werden, ob nämlich nach den konkreten Umständen (der Art des Mietgegenstandes, der Höhe des Mietzinses und dgl.) eine derartige Abrede keinesfalls erwartet werden durfte (ähnlich Würth-Zingher MRG2 3 Anm. 1). Der Oberste Gerichtshof trat dieser Ansicht insoweit bei, als es für die Beurteilung der Ungewöhnlichkeit des Inhalts einer Nebenabrede zweifellos auch auf die Art des Mietgegenstandes und den Inhalt des konkreten Vertrages ankommt. In diesem konkreten Beurteilungsrahmen ist aber der Begriff des ungwöhnlichen Inhalts einer Nebenabrede objektivierbar. Ungewöhnlich ist eine solche Nebenabrede, wenn sie bei vergleichbaren Mietgegenständen und vergleichbaren Vertragsinhalten nicht oder jedenfalls nur äußerst selten vereinbart wird, etwa weil ein Bedürfnis nach einer solchen Vereinbarung nicht oder kaum besteht oder weil sie der typischen Interessensituation der beteiligten Parteien nicht entspricht (JBl. 1986, 386). In diesem Sinn wurde die Einräumung der Befugnis zur Weitergabe des Bestandobjektes nicht als ungewöhnliche Nebenabrede angesehen (ImmZ 1986, 354).

Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß nach den oben dargelegten Grundsätzen im vorliegenden Fall die Vereinbarung eines Eintrittsrechtes an eine nach dem Gesetz nicht eintrittsberechtigte Person keine ungewöhnliche Nebenabrede darstellt. Aus den Feststellungen der Vorinstanzen ergibt sich, daß die Vertragsparteien wegen des hohen Alters der Mieter nur mit einer geringen Nutzungsdauer gerechnet haben, die Mieter jedoch über die Zahlung des laufenden Mietzinses hinaus Investitionskosten und eine Ablösezahlung übernommen haben. Die Vornahme von Investitionen am Mietobjekt durch den Mieter und die Bereitschaft zur Zahlung einer Ablöse trotz voraussichtlich geringer Nutzungsdauer ist bei der Miete einer Wohnung keine ungewöhnliche Situation. Unter solchen Umständen entspricht es der typischen Interessenlage der Vertragsparteien, daß dem Mieter in bestimmten Grenzen die Befugnis eingeräumt wird, über den Mietgegenstand zu verfügen. Richtig ist zwar, daß in solchen Fällen dem Mieter vielfach das Recht eingeräumt wird, einen Nachmieter namhaft zu machen. Daß ein solches Weitergaberecht keine ungewöhnliche Nebenabrede darstellt, wird von der Revisionswerberin auch nicht bestritten. Sie macht für ihren Standpunkt geltend, daß ein solches Weitergaberecht hier nicht vorliege und ein solches Recht auch nicht auf den Rechtsnachfolger übergehen würde. Das mag zutreffen, ist aber nicht entscheidend. Bei der oben dargestellten Interessensituation bei Abschluß des Mietvertrages werden auch andere Rechte des Mieters als das der Namhaftmachung eines Nachmieters nicht selten vereinbart, wie etwa das Recht zur Untervermietung aber auch ein Eintrittsrecht für gesetzlich nicht eintrittsberechtigte Personen (vgl. MietSlg. 35.236, 34.272, 30.232). Bei voraussichtlich kurzer Mietdauer, der Vornahme von Investitionen durch den Mieter und der Zahlung einer Ablöse ist auch die Vereinbarung eines Eintrittsrechtes für gesetzlich nicht eintrittsberechtigte Personen keine ungewöhnliche Nebenabrede im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 3 MRG.

Wird die Revision gemäß § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO für zulässig erklärt, ist der Revisionswerber nicht auf jene Rechtsfragen beschränkt, die das Berufungsgericht zur Begründung für seine Zulässigkeitsentscheidung angeführt hat. Werden vom Revisionswerber andere Rechtsfragen, auf die die Voraussetzungen der genannten Gesetzesstelle zutreffen, angeführt und behandelt, so ist die Prüfung, falls die Voraussetzungen des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO tatsächlich vorliegen, auch auf diese Rechtsfragen zu erstrecken (JBl. 1985, 173). Solche Rechtsfragen werden hier aber von der Klägerin nicht geltend gemacht. Bei der Auslegung der Nebenabrede sind die Vorinstanzen der Rechtsprechung und Lehre zu den Auslegungsregeln der §§ 914 f ABGB gefolgt. Dies wird auch von der Klägerin nicht in Abrede gestellt. Sie versucht lediglich abweichend von den Feststellungen der Vorinstanzen ("erklärtermaßen wurde nur das fehlende Verwandtschaftsverhältnis ersetzt") zu einem anderen Ergebnis zu gelangen. Zur Frage der fehlenden pflegschaftsbehördlichen Genehmigung ist die Revisionswerberin darauf hinzuweisen, daß deren Mangel (falls eine pflegschaftsbehördliche Genehmigung überhaupt erforderlich gewesen wäre) nicht die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäftes zur Folge hätte. Es läge nur ein schwebend unwirksames Rechtsgeschäft vor. Ein solcher Mangel wird durch die Erklärung des voll Geschäftsfähigen geheilt (Rummel in Rummel ABGB Rdz 9 zu § 865 mwN). Eine ausdrückliche Versagung der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung wurde nicht einmal behauptet. Unerörtert bleiben kann auch die Formbedürftigkeit des der Nebenintervenientin eingeräumten Eintrittsrechtes nach Testamentsrecht, weil ein solcher Mangel nur eine "relative Nichtigkeit" (Anfechtbarkeit) zur Folge hätte (Welser in Rummel ABGB Rdz 4 zu § 601 mwN) und ein solcher Einwand in erster Instanz gar nicht erhoben wurde (zum Erfordernis der Geltendmachung vgl. Krejci in Rummel ABGB Rdz 248 zu § 879 mwN). Aus diesem Grunde kann es auch dahingestellt bleiben, ob die Klägerin überhaupt zum Kreis der Anfechtungsberechtigten gehört (vgl. hiezu Welser aaO). Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E11828

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0070OB00637.87.0730.000

Dokumentnummer

JJT_19870730_OGH0002_0070OB00637_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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