Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 5.August 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner und Dr. Felzmann als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kleindienst-Passweg als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Manfred G*** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des (damaligen) Kreisgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 21.Juni 1985, GZ 15 Vr 544/82-122, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tschulik, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Mittag zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 2 1/2 (zweieinhalb) Jahre herabgesetzt. Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem (auch andere Entscheidungen enthaltenden) angefochtenen Urteil wurde Manfred G*** (I.) des Vergehens (richtig: der Vergehen) der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 Z 1 und Z 2 StGB sowie (II.) des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er
(zu I.) in Wien und Kirchstetten als geschäftsführender Gesellschafter der Manfred G*** Ges.m.b.H. & Co KG, die Schuldner mehrerer Gläubiger war, fahrlässig
(1.) von 1980 bis zum 30.Juni 1981 durch unseriöse Nachlaßgewährungen an Kunden, Dispositionsfehler beim Wareneinkauf und (zu ergänzen: Erwirken der) Bevorschussung nicht einbringlicher Forderungen durch F***-Firmen die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft herbeigeführt sowie
(2.) vom 30.Juni 1981 bis Anfang April 1982 in Kenntnis dieser Zahlungsunfähigkeit die Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger oder wenigstens eines Teiles von ihnen vereitelt oder geschmälert, indem er neue Schulden einging und die Eröffnung des Konkurses nicht rechtzeitig beantragte; sowie ferner
(zu II.) vom September 1981 bis zum 25.März 1982 in Böheimkirchen mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der dortigen R*** durch das Vorspiegeln seiner Zahlungsfähigkeit zur Annahme einer Vielzahl von nur kurzfristig ungedeckt scheinenden Schecks über zusammen ca. 180 Millionen S und zur Gutschrift der Schecksummen, also durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, welche das bezeichnete Kreditinstitut um 14,021.852 S am Vermögen schädigten.
Von einem Anklagepunkt - wegen Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs. 1 und 2 StGB - wurde der Angeklagte rechtskräftig freigesprochen.
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28 Abs. 1, 147 Abs. 3 StGB zu viereinhalb Jahren Freiheitsstrafe, auf die es gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 StGB eine in dieser Strafsache erlittene Vorhaft anrechnete.
Bei der Strafbemessung wertete es den hohen Schaden von mehr als 14 Mio S als erschwerend, als mildernd hingegen den bisher untadeligen Wandel des Angeklagten sowie die aufstoßende Gelegenheit, die ihm durch die mangelnde Kontrolle seitens der Organe der geschädigten Bank geboten war.
Der Angeklagte hat gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung erhoben. Das erstgenannte Rechtsmittel wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluß vom 7.Juli 1987, GZ 10 Os 166/86-6, bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückgewiesen. Im Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung war demnach nur noch über die Berufung des Angeklagten zu entscheiden, mit der er einerseits eine Herabsetzung des Ausmaßes der Freiheitsstrafe - unter Anwendung der Bestimmung des § 41 Abs. 1 Z 4 StGB auf das dort vorgesehene Mindestmaß - und anderseits auch deren bedingte Nachsicht anstrebt.
Der Berufung kann teilweise Berechtigung nicht abgesprochen werden.
Rechtliche Beurteilung
Das Erstgericht hat bei der Ermittlung der Strafzumessungsgründe das Vorliegen von weiteren erschwerenden und mildernden Umständen übersehen.
Einen weiteren Erschwerungsgrund stellt das Zusammentreffen von zwei strafbaren Handlungen sowie die Tatwiederholung dar. Wenn der Angeklagte in diesem Zusammenhang darauf verweist, daß ihm in Ansehung dieser weiteren erschwerenden Umstände "das Verschlechterungsverbot in analoger Weise zugute" käme, ist ihm zu entgegnen, daß sich das auf den Sanktionen-Bereich beschränkte Verschlimmerungs- (oder Verschlechterungs-) Verbot im Sinn der §§ 293 Abs. 3, 290 Abs. 2 StPO (ÖJZ-LSK 1986/17 ua) nur auf die absolute Strenge der Strafe, also bei Freiheitsstrafen auf deren Dauer bezieht (Mayerhofer/Rieder, StPO2, E 39 zu § 293). Es liegen aber auch weitere, vom Erstgericht unberücksichtigte Milderungsgründe vor.
Nicht gefolgt werden kann zwar zunächst den Ausführungen des Berufungswerbers insofern, als er offensichtlich, wie sich aus der Zitierung des § 34 Z 3 StGB ergibt, für sich in Anspruch nimmt, aus achtenswerten Gründen gehandelt zu haben. Dem steht doch eindeutig die, wie das Erstgericht zutreffend darlegt, Art der Ausführung der Betrugstaten "mit äußerstem Raffinement" entgegen (US 32). Angesichts dieses Umstandes kann auch keineswegs von einem Handeln aus Unerfahrenheit gesprochen werden. Die Berücksichtigung einer "Notlage des Unternehmens" ist dem Gesetz an sich fremd. Ein Milderungsgrund kann darin aber auch schon angesichts des Umstandes, daß es ja der Angeklagte selbst war, der die in Rede stehenden Unternehmungen durch seine unwirtschaftliche Vorgangsweise in die Insolvenz führte, ebensowenig erblickt werden wie in der von ihm als Schadensverringerung relevierten Mitwirkung an der Verwertung des noch vorhandenen Warenlagers.
Einzuräumen ist dem Angeklagten jedoch, daß er durch seine Angaben, insbesondere durch seine Informationen an den Sachverständigen, einen wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung geleistet hat und daß ihm des weiteren zugute zu halten ist, daß seit Beendigung der Straftaten ein Zeitraum von mehr als fünf Jahren verstrichen ist und er sich seither wohlverhalten hat. In seiner Nichtigkeitsbeschwerde hat der Angeklagte darüber hinaus noch etliche zu seinen Gunsten sprechende Umstände releviert, mit denen er bei der Erledigung jenes Rechtsmittels auf das Berufungsverfahren verwiesen worden ist.
So hatte ihm das Erstgericht im Urteilsspruch das Vergehen der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 Z 1 StGB auch als durch "Dispositionsfehler im Wareneinkauf" begangen angelastet und sich in der Urteilsbegründung auf den bloßen - im übrigen gänzlich unsubstantiierten - Hinweis beschränkt, daß er auch "im Ein- und Verkauf tätig" gewesen sei (US 10); zutreffend verweist der Angeklagte nun darauf, daß Harald B*** nach seinen eigenen Angaben nicht nur bei der "Fa. B***", sondern zeitweise auch bei der "Fa. G***" für den Einkauf zuständig gewesen sei. Im übrigen nimmt auch das Erstgericht selbst darauf Bezug, daß B*** bei der Fa. G*** KG den Einkauf innehatte (erneut US 10). Es hat daher tatsächlich bei der Strafbemessung dieser - wie schon in der Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde erwähnt, als eine von mehreren alternativen Begehungsarten der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 Z 1 StGB weder für die Schuldfrage noch für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes relevante und demnach auch nicht mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpfbare - Umstand in Wegfall zu kommen, wodurch aber auch in Ansehung dieses Vergehens die für die Strafbemessung mitaktuelle Intensität der Tatbegehung (§ 32 Abs. 3 StGB) weniger schwer ins Gewicht fällt.
Schließlich war aber im Rahmen der Berufungsentscheidung auch das die Schadenshöhe beim Betrugsfaktum betreffende Vorbringen in der Nichtigkeitsbeschwerde zu berücksichtigen, worauf bereits in der dazu ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (S 23) verwiesen worden ist; Bedacht zu nehmen war auf den - außerhalb des deliktischen Geschehens vereinbarten - Kreditrahmen von einer Mio S sowie auf den vom Zeugen G*** in der Hauptverhandlung (S 243 Bd. XII) erwähnten internen Kreditrahmen von zwei Mio S. Hiebei kann dahingestellt bleiben, ob in diesem letzterwähnten internen Kreditrahmen von 2 Mio S der erstgenannte vereinbarte Kreditrahmen von einer Mio S enthalten war.
Unter Zugrundelegung aller dieser für die Strafzumessung bedeutsamen Faktoren scheint das gewählte Strafmaß überhöht, wobei vor allem dem Umstand erhöhtes Gewicht beizumessen ist, daß diese Straftaten nunmehr bereits mehr als fünf Jahre zurückliegen und sich der Angeklagte seither wohlverhalten hat. Es konnte daher in teilweiser Stattgebung der Berufung die Strafhöhe reduziert werden. Das aus dem Spruch ersichtliche Strafmaß von zweieinhalb Jahren entspricht nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes angesichts der raffinierten Vorgangsweise bei der Verübung des Betruges und der mit rund 11 Mio S immer noch beträchtlich hohen Schadenssumme dem durchaus schweren Schuld- und Unrechtsgehalt der Straftaten. Eine weitergehende Herabsetzung, wie sie vom Angeklagten auf die "Mindeststrafe im Sinn des § 41 Abs. 1 Z 4 StGB" - demnach auf eine Freiheitsstrafe in der Dauer eines Monates - angestrebt wird, konnte nicht in Betracht gezogen werden.
Ungeachtet des Umstandes, daß zahlenmäßig nach dem Vorgesagten mehrere - teils auch recht erhebliche - Milderungsgründe vorliegen, kann schon von der inneren Gewichtung her gesehen nicht davon gesprochen werden, daß diese die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen. Vielmehr muß angesichts des hohen Schuld- und Unrechtsgehaltes beim Betrugsfaktum das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anwendung des § 41 StGB überhaupt verneint werden (vgl. hiezu Pallin im WK, Rz. 2 und 4 zu § 41 StGB mit Judikaturzitaten).
Da somit bei der gegebenen Sachlage eine weitere Herabsetzung der Strafdauer nicht einmal in jenen Bereich, der von Gesetzes wegen auch die Gewährung bedingter Strafnachsicht nach § 43 StGB ermöglichen würde, in Betracht gezogen werden kann, war der Berufung demnach im übrigen ein Erfolg zu versagen.
Anmerkung
E11630European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0100OS00166.86.0805.000Dokumentnummer
JJT_19870805_OGH0002_0100OS00166_8600000_000