TE OGH 1987/8/27 8Ob20/87

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.08.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Maier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christian P***, geboren am 7. Juli 1968, Schüler, Bahnweg 12, 8720 St. Margarethen, vertreten durch Dr. Egon Duschek, Rechtsanwalt in Knittelfeld, wider die beklagten Parteien 1) Franz M***, ÖBB-Bediensteter, Schulgasse 15, 8720 Knittelfeld, und 2) Z*** K***

V***-AG, Schwarzenbergplatz 15, 1015 Wien, beide vertreten durch Dr. Kurt Konopatsch, Rechtsanwalt in Leoben, wegen S 500.000,-- s.A. und Feststellung (S 70.000,--), Revisionsstreitwert S 559.867,--, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 1. Dezember 1986, GZ 2 R 173/86-48, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 25. August 1986, GZ 6 Cg 258/85-40, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 17.625,45 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 1.602,30, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 25. August 1982 ereignete sich gegen 17,50 Uhr im Ortsgebiet von St. Margarethen im Bereich der Einmündung der Schulgasse in die Landesstraße 553 ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Lenker des Motorrollers mit dem Kennzeichen St 18.108 und der Erstbeklagte als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen St 317.574 beteiligt waren. Die Zweitbeklagte ist der Haftpflichtversicherer des letztgenannten Kraftfahrzeuges. Die beiden Fahrzeuge kollidierten, als der Kläger den aus der Landesstraße nach links in die Schulgasse abbiegenden PKW links überholt. Dabei wurde die am Soziussitz des vom Kläger gelenkten Motorrollers mitfahrende Marianne O*** getötet; der Kläger wurde schwer verletzt (Querschnittlähmung). Beide Fahrzeuge wurden beschädigt. Wegen dieses Verkehrsunfalles wurde zu 18 Vr 1390/82 des KG Leoben gegen die beiden beteiligten Lenker ein Strafverfahren eigeleitet. Gegen den Erstbeklagten wurde es gemäß § 90 StPO eingestellt. Der Kläger wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 8. April 1983 des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB schuldig erkannt. Es wurde ihm zur Last gelegt, eine überhöhte Geschwindigkeit eingehalten und wegen seines durch mangelnde Fahrpraxis und mangelndes Fahrkönnen bedingten Unvermögens, den Motorroller hinter dem ordnungsgemäß nach links abbiegenden vom Erstbeklagten gelenkten PKW abzubremsen, versucht zu haben, den nach links abbiegenden PKW zu überholen.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 500.000,-- s.A. (das ist ein Drittel der vom Kläger für angemessen erachteten Beträge an Schmerzengeld und Verunstaltungsentschädigung von insgesamt S 1,500.000,--); überdies stellte er ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand (der Zweitbeklagten nur im Rahmen des den vom Erstbeklagten gelenkten PKW betreffenden Haftpflichtversicherungsvertrages) für ein Drittel seiner künftigen Unfallschäden gerichtetes Feststellungsbegehren. Dem Grunde nach stützte der Kläger sein Begehren im wesentlichen darauf, daß ihn zwar selbst ein mit zwei Dritteln zu bewertendes Mitverschulden an diesem Verkehrsunfall treffe, daß der Erstbeklagte aber ein mit einem Drittel zu bewertendes Verschulden zu vertreten habe, weil er das von ihm gelenkte Fahrzeug nicht ordnungsgemäß eingeordnet und unmittelbar vor dem Beginn des Linksabbiegens einen erforderlichen zweiten Rückblick unterlassen habe.

Die Beklagten wendeten dem Grunde nach im wesentlichen ein, das Alleinverschulden an diesem Verkehrsunfall treffe den Kläger, der den ordnungsgemäß nach links abbiegenden Erstbeklagten vorschriftswidrig links überholt habe. Schließlich wendeten die Beklagten mit der Behauptung, daß diese Forderung dem Erstbeklagten zediert worden sei, eine Schadenersatzforderung der Eigentümerin des PKW, der Gattin des Erstbeklagten Erika M***, aus diesem Verkehrsunfall in der Höhe von S 15.200,--(Fahrzeugschaden, Ummeldespesen) aufrechnungsweise gegen die Klagsforderung ein. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte zum Unfallsablauf im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Der Unfall ereignete sich auf einem nahezu geradlinig eben in Ost-Westrichtung verlaufenden Stück der in einer Breite von 6,2 m asphaltierten Landesstraße 553, die nur für den Lokalverkehr Bedeutung hat und daher nur schwach frequentiert ist, im Ortsgebiet von St. Margarethen bei Knittelfeld. Entlang des nördlichen Fahrbahnrandes verläuft ein 0,3 m breites gepflastertes Rigol, das durch die Bordsteinkante eines anschließenden Gehsteiges begrenzt ist. An den südlichen Fahrbahnrand schließt ein Bankettstreifen an, auf dem weiße Plastikleitpflöcke stehen.

Aus Norden mündet annähernd rechtwinklig die 4,5 m breite asphaltierte Schulgasse in einem 5 m tiefen Trichter in die Landesstraße ein, der sich von 0,8 m östlich bis 10 m westlich der Bezugslinie (Normale zur Fahrbahnlängsachse der Landesstraße auf Höhe eines in der Nordostecke dieses Trichters befindlichen Lichtmastes) erstreckt. Im Bereich dieser Einmündung verbreitert sich das Rigol entlang des nördlichen Fahrbahnrandes der Landesstraße auf 1 m. Im Unfallsbereich befinden sich keine Verkehrszeichen; es sind auch keine Bodenmarkierungen vorhanden. Nördlich der Landesstraße und westlich der Schulgasse liegt das Firmengelände des A*** G***, dessen Betriebsgebäude sich von 13 bis 66 m westlich der Bezugslinie erstreckt. Für einen aus Richtung Westen kommenden Verkehrsteilnehmer ist der Unfallsbereich erstmals aus einer Entfernung von etwa 200 m westlich der Bezugslinie einsehbar, wobei Sicht bis auf etwa 130 m östlich der Bezugslinie gegeben ist. In dieser Fahrtrichtung kann ab einer Position 84 m westlich der Bezugslinie die markante Unterbrechung des nördlichen Gehsteiges im Bereich der Einmündung der Schulgasse erkannt werden.

Am Unfallstag fuhr der am 7. Juli 1968 geborene und damals daher 14jährige Kläger mit seinem Fahrrad nach St. Margarethen, um dort seinen Bekannten Josef O*** zu besuchen. Als er vor dessen Wohnhaus einen Motorroller abgestellt sah, fragte er ihn, ob er das Fahrzeug benützen dürfe, was ihm Josef O*** mit der Auflage, damit nur im Bereich des Wohnhauses und des dazu gehörigen Grundstückes zu fahren, gestattete. Daraufhin setzte sich der Kläger, der über keine Lenkerberechtigung verfügte und bis dahin noch nie mit einem Motorroller gefahren war, auf das Fahrzeug, startete und fuhr einige Runden auf dem Grundstück des O***. Während dieser Fahrt erblickte er die damals 18jährige Marianne O***, eine Schwester des Josef O***, weshalb er den Motorroller anhielt und Marianne O*** zum Mitfahren einlud. Nachdem sie auf dem Soziussitz Platz genommen hatte, setzte er den Motorroller wieder in Betrieb. Nachdem er kurze Zeit wiederum auf dem Grundstück des O*** gefahren war, verließ er dieses plötzlich, fuhr von dort zur Landesstraße und auf dieser durch das Ortsgebiet von St. Margarethen in Richtung Osten, wobei er eine für das Ortsgebiet überhöhte Geschwindigkeit (60 - 70 km/h, im Mittel daher 65 km/h) einhielt.

Zur gleichen Zeit fuhr auf der Landesstraße der Erstbeklagte mit dem seiner Ehefrau Erika M*** gehörigen PKW gleichfalls durch das Ortsgebiet von St. Margarethen in Richtung Osten, wobei er eine zwischen 40 und 50 km/h (im Mittel daher 45 km/h) liegende Geschwindigkeit einhielt. Der Kläger fuhr erst zu einem Zeitpunkt in die Landesstraße ein, als der Erstbeklagte die Einfahrtstelle des Klägers bereits passiert hatte. Da der Erstbeklagte die Absicht hatte, von der Landesstraße nach links in die Schulgasse abzubiegen, blickte er - etwa 60 m westlich der Bezugslinie mit einem Seitenabstand von 0,5 m zum rechten Fahrbahnrand fahrend - zunächst in den Innenspiegel, setzte sodann den linken Blinker und schaute anschließend - etwa 55 m westlich der Bezugslinie fahrend - auch in den Außenspiegel. Dabei sah er in größerer Entfernung hinter sich einen PKW nachfahren, an dem gleichfalls der linke Blinker eingeschaltet war. Durch diesen PKW, der anschließend westlich des Betriebsgebäudes des A*** G*** von der Landesstraße nach links abbog, wurde dem Erstbeklagten die Sicht auf den diesem PKW folgenden Motorroller des Klägers verstellt. Nach diesen beiden Beobachtungen des Nachfolgeverkehrs reduzierte der Erstbeklagte die Geschwindigkeit seines Fahrzeuges bis auf 20 bis 30 km/h (im Mittel daher 25 km/h), wobei er gleichzeitig seine Fahrlinie allmählich so weit nach links verlagerte, daß die rechte Flanke des 1,8 m breiten PKW rund 42 m westlich der Bezugslinie zum rechten Fahrbahnrand einen Abstand von etwa 1,3 m erreicht hatte. Sodann reduzierte er sein Tempo allmählich weiter bis auf ca. 15 km/h, mit welcher Geschwindigkeit er sodann aus der beschriebenen Fahrlinie (linke PKW-Flanke in der Fahrbahnmitte) etwas mehr als 10 m westlich der Bezugslinie nach links abzubiegen begann, ohne vorher nochmals in den Rückspiegel geblickt zu haben.

Der Kläger, der sich infolge der von ihm eingehaltenen Geschwindigkeit dem Heck des vom Erstbeklagten gelenkten PKW immer mehr genähert hatte, wollte diesen PKW links überholen, weshalb er seine Fahrlinie so weit nach links verlagerte, daß er etwa in der Fahrbahnmitte zu fahren kam. Zufolge Unaufmerksamkeit bemerkte er den am PKW eingeschalteten linken Blinker nicht. Als er sich noch mit etwa 50 bis 60 km/h (im Mittel daher 55 km/h) fahrend nur mehr etwa 9 m hinter dem Heck des PKW befand, wurde dieser nach links gelenkt, um in die Schulgasse einzufahren. Der mit der Bedienung des Motorrollers nicht vertraute Kläger konnte den Motorroller nicht mehr abbremsen, sondern ihn nur um etwa 1,5 m nach links auslenken. Dessen ungeachtet prallte der Motorroller mit seinem Vorderrad etwa 10 m, westlich der Bezugslinie und ca. 4,5 m vom südlichen Fahrbahnrand gegen die linke Flanke des PKW, der zu diesem Zeitpunkt eine Schrägstellung von etwa 40 Grad nach links (bezogen auf die Längsachse der Landesstraße) erreicht hatte. Dabei wurden der Kläger und Marianne O*** vom Motorroller geschleudert.

Der Erstbeklagte, der vom letzten Blick in den Rückspiegel bis zum Erreichen der Kollisionsstelle eine Zeitspanne von 6 Sekunden benötigte, wurde erst durch das Kollisionsgeräusch auf den vom Kläger gelenkten Motorroller aufmerksam, worauf er sofort den PKW anhielt.

Der in St. Margarethen aufgewachsene Kläger war mit den örtlichen Verhältnissen im Bereich der Unfallstelle vertraut und wußte, daß dort von Norden her die Schulgasse einmündet. Er gab vor dem beabsichtigten Überholen des vom Erstbeklagten gelenkten PKW weder ein Handzeichen noch ein Hupsignal.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß der Kläger das Alleinverschulden an dem Unfall zu verantworten habe. Man könne im allgemeinen nicht verlangen, daß ein den Erfordernissen des § 11 Abs 1 und Abs 2 StVO nachkommender Lenker beim Einbiegen nach links in eine leicht erkennbare Straßeneinmündung neuerdings sein Augenmerk dem nachfolgenden Verkehr zuwenden müsse, weshalb dem Erstbeklagten die Unterlassung eines weiteren Rückblickes unmittelbar vor dem Linksabbiegen nicht als Verschulden angelastet werden könne.

Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000,-- übersteigt.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und führte rechtlich im wesentlichen aus, der Grundsatz, daß der Lenker eines Kraftfahrzeuges, der seine Absicht, nach links abzubiegen, rechtzeitig angezeigt und, nachdem er sich davon überzeugt habe, daß niemand zum Überholen ansetzt, sein Fahrzeug ordungsgemäß eingeordnet habe, nicht verpflichet sei, unmittelbar vor dem Abbiegen nach links noch einmal den Nachfolgeverkehr zu beobachten, gelte nur mit der Einschränkung, daß nicht besondere Gründe dem Linksabbieger eine Gefahr erkennen ließen und damit besondere Vorsicht erforderlich machten. Ob die Unterlassung eines weiteren Rückblickes unmittelbar vor dem Linkseinbiegen ein Verschulden begründe, hänge letztlich von den besonderen Umständen des Einzelfalles ab. Solche besonderen Umstände seien hier aber nicht vorgelegen. Der Erstbeklagte habe rechtzeitig den linken Blinker betätigt und seine ursprünglich eingehaltene Fahrlinie um 80 cm bis zur Fahrbahnmitte hin verlagert, wobei er diese Linie schon mehr als 30 m vor dem Unfallspunkt eingehalten habe, sodaß von einer augenfälligen zeitgerechten Einordnung zur Fahrbahnmitte gesprochen werden könne. Es habe für ihn daher auch keine Veranlassung bestanden, den nachfolgenden Verkehr nochmals zu beobachten, da sich das einzige wahrnehmbare Fahrzeug in einer größeren Entfernung hinter ihm befunden habe und den linken Blinker gesetzt gehabt habe, sodaß der Erstbeklagte mit Recht davon ausgehen habe können, daß der Lenker dieses PKW sein Einordungsmanöver beachten oder bereits vorher nach links abbiegen werde. Es habe daher für den Erstbeklagten keine Verpflichtung bestanden, nach seiner letzten Rückspiegelbeobachtung dies nochmals vor dem Beginn seines Abbiegemanövers zu tun.

Daraus ergebe sich das Alleinverschulden des Klägers an diesem Unfall.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers. Er bekämpft sie aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Klagsforderung mit S 500.000,-- und die eingewendete Gegenforderung mit S 10.133,-- als zu Recht bestehend erkannt werde, daß die Beklagten daher zur ungeteilten Hand zur Zahlung eines Betrages von S 489.867,-- s.A. an den Kläger verurteilt werden und daß seinem Feststellungsbegehren stattgegeben werde; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag. Die Beklagten haben eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision des Klägers keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Hinblick auf die Höhe des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ohne die im § 503 Abs 2 ZPO normierte Einschränkung der Revisionsgründe zulässig, sachlich aber nicht berechtigt. Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausführte, hat die Rechtsprechung, ausgehend von den Vorschriften der §§ 11, 12 StVO, den Grundsatz entwickelt, daß der Lenker eines Kraftfahrzeuges, der seine Absicht, nach links abzubiegen, rechtzeitig anzeigt (§ 11 Abs 2 StVO) und, nachdem er sich davon überzeugte, daß niemand zum Überholen ansetzt, sein Fahrzeug ordnungsgemäß eingeordnet hat (§ 12 Abs 1 StVO), nicht verpflichtet ist, unmittelbar vor dem Abbiegen nach links noch einmal den Nachfolgeverkehr zu beobachten (ZVR 1975/240; ZVR 1985/24 uva.).

Dieser Grundsatz gilt allerdings nur mit der Einschränkung, daß nicht besondere Umstände dem Linksabbieger eine Gefahr erkennen lassen und daher besondere Vorsicht erforderlich machen. Ob somit die Unterlassung eines weiteren Rückblickes unmittelbar vor dem Linksabbiegen ein Verschulden begründet, hängt letztlich von den besonderen Unständen des Einzelfalles ab (ZVR 1974/152; ZVR 1975/136; ZVR 1985/24 uva.). In diesem Sinne wurde in der Rechtsprechung die Verpflichtung des Linksabbiegers zu einem zweiten Rückblick unmittelbar vor dem Beginn des Linksabbiegens in Fällen bejaht, in denen die Stelle des geplanten Linksabbiegens nicht, wie etwa auf einer Straßenkreuzung, ohne weiteres klar war (ZVR 1978/276 ua.); auch in Fällen, in denen der Linksabbieger sein Fahrzeug nicht ordnungsgemäß eingeordnet hatte oder infolge der Fahrbahnbreite bzw. der Breite seines Fahrzeuges nicht für den nachfolgenden Verkehr augenfällig zur Fahrbahnmitte zu einordnen konnte, wurde seine Verpflichtung zu einem zweiten Rückblick unmittelbar vor dem Beginn des Linksabbiegens ebenso bejaht (ZVR 1981/230; ZVR 1985/24 ua.) wie schlechthin dann, wenn er im Hinblick auf die gegebenen Umstände mit der Entstehung einer unklaren Verkehrslage für den Nachfolgeverkehr rechnen mußte (siehe dazu Dittrich-Veit-Schuchlenz StVO3 § 11 Anm. 21 a und die dort angeführte Judikatur). All dies traf aber nach den Feststellungen der Vorinstanzen auf den Erstbeklagten nicht zu. Er beabsichtigte, an einer Straßenkreuzung nach links abzubiegen, wobei die Einmündung der Schulgasse schon auf größere Entfernung erkennbar (und überdies dem ortskundigen Kläger bekannt) war. Der Hinweis der Revision auf das Firmengelände des Autohauses G*** ist nicht recht verständlich; aus den Feststellungen der Vorinstanzen ergibt sich nicht, daß im weiteren Bereich der Unfallstelle eine Zufahrt zu diesem Firmengelände bestanden hätte, in die der Erstbeklagte nach links hätte abbiegen können. Daß also die Stelle des vom Erstbeklagten geplanten Linksabbiegens irgendwie unklar gewesen wäre, ergibt sich aus den Feststellungen der Vorinstanzen nicht. Wenn der Erstbeklagte nach den Feststellungen der Vorinstanzen, nachdem er ursprünglich eine Fahrlinie mit einem Seitenabstand des PKW zum rechten Fahrbahnrand von 0,5 m eingehalten hatte, das von ihm gelenkte Fahrzeug schon 42 m vor der Bezugslinie so weit nach links versetzt hatte, daß es nunmehr mit der linken Flanke in der Fahrbahnmitte fuhr, dann lag bei einer Fahrzeugbreite von 1,8 m und der halben Fahrbahnbreite von 3,1 m durchaus ein augenfälliges Einordnen zum Linksabbiegen vor. Der Zeitraum vom letzten Rückblick des Erstbeklagten bis zur Kollision betrug nach den Feststellungen der Vorinstanzen 6 Sekunden; daraus ergibt sich, daß der Zeitraum vom letzten Rückblick bis zum Beginn des Linksabbiegens jedenfalls unter 5 Sekunden lag, weil der Erstbeklagte vom Beginn des Linksabbiegens bis zum Erreichen der Kollisionsstelle noch jedenfalls mehr als eine Sekunde benötigte (vgl. Sachverständiger Dr. P*** ON 33 S 269). In diesem kurzen Zeitraum mußte der Erstbeklagte, der bei seinem letzten Rückblick auf der weithin übersichtlichen Landesstraße nur in größerer Entfernung einen PKW nachkommen sah, an dem gleichfalls der linke Blinker eingeschaltet war, keinesfalls mit dem Entstehen einer unklaren Verkehrssituation hinter seinem nach links abbiegenden Fahrzeug rechnen.

Wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten, lagen unter diesen Umständen die Voraussetzungen für einen erforderlichen zweiten Rückblick des Erstbeklagten unmittelbar vor Beginn des Linksabbiegens nicht vor. Dem Erstbeklagten kann somit ein für den eigetretenen Schaden des Klägers ursächliches schuldhaftes Fehlverhalten nicht angelastet werden. Eine Haftung des Erstbeklagten, der nicht Halter des von ihm gelenkten PKW war und demnach nur im Fall seines Verschuldens schadenersatzpflichtig werden könnte, für die dem Kläger entstandenen Schäden kommt daher nicht in Betracht. Die Zweitbeklagte hätte allerdings auch für eine allfällige Haftung des Halters einzustehen. Eine solche kommt aber nach § 11 Abs 1 EKHG im Hinblick auf das bindend (§ 268 ZPO) feststehende Verschulden des Klägers gleichfalls nicht in Betracht; nach der in dieser Gesetzesstelle normierten Rangordnung wird in der Regel die gewöhnliche Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge als Zurechnungskriterium durch das Verschulden eines Beteiligten zurückgedrängt (ZVR 1980/329; ZVR 1982/308 uva.).

Der Revision des Klägers muß daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E11854

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0080OB00020.87.0827.000

Dokumentnummer

JJT_19870827_OGH0002_0080OB00020_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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