Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Maier als Richter in der Verlassenschaftssache Josef K***, verstorben am 15. Mai 1985, infolge Revisionsrekurses der Anna D***, Gewerbebetreibende, Lambichl Nr. 39, 9073 Viktring, vertreten durch Dr. Wolfgang Gewolf, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 8. Mai 1987, GZ 1 R 232/87-46, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 19. April 1987, GZ 1 A 467/85-42, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Josef K*** verstarb am 15. Mai 1985. Er hinterließ als einzigen gesetzlichen Erben seine Schwester Rosa L***. In seinem schriftlichen Testament vom 16. Oktober 1963 setzte er zu seiner Alleinerbin seine Lebensgefährtin Anna D*** ein. Auf Grund dieses Testamentes gab diese zum gesamten Nachlaß die unbedingte und vom Erstgericht bereits rechtskräftig angenommene Erbserklärung ab. In der Folge brachte die erblasserische Schwester Rosa L*** vor, daß der Erblasser am 19. oder 21. Juni 1983, eher am 19. Juni 1983, ein mündliches Testament in Gegenwart der Zeugen Erik S***, Irmgard S*** und Anton K*** errichtet habe, worin er sie, seine Schwester, zur Alleinerbin eingesetzt habe. Gestützt auf dieses Vorbringen gab Rosa L*** "auf Grund des Gesetzes und in eventu auf Grund des mündlichen Testamentes vom Juni 1983" die unbedingte Erbserklärung ab. Nach Vernehmung der Testamentszeugen nahm das Erstgericht die von der erblasserischen Schwester abgegebene Erbserklärung an und teilte die Klägerrolle in dem auf Grund der widersprechenden Erbserklärungen abzuführenden Erbrechtsstreit der Anna D*** zu. Es räumte dieser zur Einbringung der Klage eine Frist von vier Wochen ab Rechtskraft dieses Beschlusses ein. Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß sowohl das schriftliche Testament vom 16. Oktober 1963 als auch das mündliche Testament, daß der Verstorbene zwischen dem 19. und 21. Juni 1983 errichtete, formgültig seien. Da sich die erblasserische Lebensgefährtin Anna D*** auf ein älteres Testament und somit auf den schwächeren Erbrechtstitel stützt, falle ihr die Klägerrolle zu. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Anna D*** nicht Folge, sondern bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung. Die Erbserklärung von Rosa L*** sei unter Berücksichtigung ihres dargelegten Standpunktes dahin zu verstehen, daß sie sich jedenfalls auch auf den Titel des mündlichen Testamentes stützt. Durch die im wesentlichen übereinstimmenden Aussagen von drei Testamentszeugen sei dargetan, daß der Erblasser vor drei Personen, die nicht offenbar von der Funktion eines Testamentszeugen im Sinne der §§ 591 ff ABGB ausgeschlossen sind, seinen letzten Willen kundgetan und dabei die äußere Form eingehalten habe. Das mündliche Testament sei gegenüber dem schriftlichen Testament vom 16. Oktober 1963 der jüngere und damit grundsätzlich der stärkere Titel, weshalb die Klägerrolle der Rekurswerberin als der Erbansprecherin aus dem älteren Testament zuzuweisen sei.
Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs Anna D***, in welchem sie sich auf die Anfechtungsgründe der offenbaren Gesetzwidrigkeit und Nichtigkeit beruft und beantragt, die Beschlüsse der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß die Klägerrolle der erblasserischen Schwester zugewiesen werden möge; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist unzulässig.
Als offenbar gesetzwidrig bezeichnet die Rekurswerberin die Ansicht des Rekursgerichtes, daß sich Rosa L*** wirksam auf den Erbrechtstitel eines mündlichen Testamentes berufen habe. Die Auslegung über den Sinn der relevanten Parteienerklärung durch das Gericht zweiter Instanz findet aber zumindest im Zusammenhang mit den übrigen Erklärungen Rosa L*** ihre aktenmäßige Rechtfertigung, so daß von einer offenbaren Gesetzwidrigkeit nicht die Rede sein kann. Auch die weitere Ansicht des Rekursgerichtes, daß gegen die äußere Form des mündlichen Testamentes keine Bedenken bestehen, ist im Gegensatz zu den Ausführungen der Rechtsmittelwerberin nicht offenbar gesetzwidrig:
Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt vielmehr nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit in Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (SZ 39/103; 8 Ob 564/85 uza.). Davon kann bei der hier vorgenommenen, der endgültigen Klärung im streitigen Verfahren nicht vorgreifenden Beurteilung des zwischen dem 19. und 21. Juni 1983 errichteten mündlichen Testamentes (vgl. 6 Ob 2, 3/84 ua) nicht die Rede sein. Abschließend behauptet die Rechtsmittelwerberin, daß ihr die Möglichkeit genommen wurde, an die vernommenen "Testamentszeugen" Fragen zu richten, weshalb ihr das rechtliche Gehör verweigert worden und das Verfahren nichtig sei. Von einer Verweigerung des rechtlichen Gehörs kann aber nur gesprochen werden, wenn der Rechtsmittelwerberin keine Gelegenheit eingeräumt worden wäre, ihren Standpunkt mündlich oder schriftlich zu vertreten. Sie hatte aber im gesamten erstgerichtlichen und anschließenden Rechtsmittelverfahren durchaus Gelegenheit sich zu äußern und ihre Auffassung klar zum Ausdruck zu bringen. Sie hat dies auch ausgiebig getan. Eine Nichtigkeit des Verfahrens wird mit den Behauptungen der Rechtsmittelwerberin daher nicht dargetan. Ihr außerordentlicher Revisionsrekurs erweist sich somit nicht stichhältig, weshalb er wie im Spruch zurückzuweisen war.
Anmerkung
E11845European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0080OB00599.87.0827.000Dokumentnummer
JJT_19870827_OGH0002_0080OB00599_8700000_000