Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §19 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde der BP in Wien, vertreten durch Dr. Johannes Hübner und Dr. Gerhard Steiner, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Brucknerstraße 8/3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 27. Oktober 2004, Zlen. UVS-05/K/38/5876/2004/18 und UVS-05/V/38/5878-5881/2004, betreffend Übertretungen des Wiener Parkometergesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird hinsichtlich des Schuldspruches als unbegründet abgewiesen. Im Übrigen, also hinsichtlich des Ausspruches über die verhängte Strafe und die diesbezüglichen Kosten des Berufungsverfahrens, wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis vom 7. Juni 2004 wurde die Beschwerdeführerin in fünf näher umschriebenen Fällen schuldig erkannt, ein dem behördlichen Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug zu näher angeführten Zeiten (zwischen 24. Oktober 2003 und 5. November 2003) an einem näher angeführten Ort in Wien in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt zu haben, ohne für die Kennzeichnung mit einem ordnungsgemäß angebrachten Parkkleber gemäß § 5 Abs. 1 i. V.m. Anlage I der Verordnung der Wiener Landesregierung vom 3. Juli 1995, LGBl. für Wien Nr. 53/95 in der geltenden Fassung, gesorgt zu haben, da dieser nicht gut lesbar in der rechten oberen Ecke hinter der Windschutzscheibe angebracht gewesen sei. Die Beschwerdeführerin habe dadurch in allen fünf genannten Fällen eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 3 der zitierten Verordnung vom 3. Juli 1995 begangen, weshalb über sie gemäß § 4 Abs. 3 des Wiener Parkometergesetzes Geldstrafen in der Höhe von je EUR 35,-- (sowie Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt wurden.
1.2. In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, das "Parkpickerl" sei an der Windschutzscheibe rechts unten gut sichtbar angebracht gewesen; rechts unten habe das "Pickerl" deshalb angebracht werden müssen, weil es in der rechten oberen Ecke durch den "Sonnenschutz" nicht lesbar gewesen wäre. Sie sei - so die Beschwerdeführerin weiter - ihrer Verpflichtung nach § 5 Abs. 3 der "Pauschalierungsverordnung" nachgekommen. Die Tatsache, dass der "Parkkleber" gekauft und auch angebracht gewesen sei, könnten drei näher genannte Zeuginnen, "die das Auto jeden Tag sehen können", bestätigen. Eine Strafe sei daher nicht gerechtfertigt.
Die belangte Behörde führte am 7. Oktober 2004 eine mündliche Berufungsverhandlung durch, bei der u.a. die fünf Meldungsleger vernommen wurden. Zu dieser war die Beschwerdeführerin nicht erschienen; sie hatte mit Schreiben, datiert vom "06.09.2003", erklärt, sie ersuche um "Kenntnisnahme", dass sie den Termin am 7. Oktober 2004 nicht wahrnehmen könne, weil sie zu diesem Zeitpunkt "dienstlich auf einer Messe eingesetzt" und "leider nicht vertretbar" sei.
1.3. Mit ihrem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 27. Oktober 2004 gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge und bestätigte das angefochtene Straferkenntnis.
Begründend führte die belangte Behörde u.a. aus, die Angaben der Parkraumüberwachungsorgane, die übereinstimmend angegeben hätten, sie hätten dann, wenn ein "Parkkleber" an der Windschutzscheibe - egal wo - angebracht gewesen wäre, von einer Anzeige Abstand genommen, sie hätten aber keinen "Parkkleber" wahrgenommen, seien überzeugend. Die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung sei daher (jeweils) als erwiesen anzunehmen. Beim Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrer Berufung handle es sich "lediglich um eine Schutzbehauptung". Der Beweisantrag auf Einvernahme der in der Berufung angeführten Zeugen stelle sich "mangels konkreter Behauptungen ('diese könnten das Fahrzeug jeden Tag sehen') als reiner Erkundungsbeweis dar", weshalb ihm nicht gefolgt worden sei.
1.4. Mit Beschluss vom 11. März 2005, B 1558/04-3, lehnte der dagegen zunächst angerufene Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung im Sinne des Art. 144 Abs. 3 B-VG ab.
Die Beschwerde rüge - so der Verfassungsgerichtshof in seiner Begründung - die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 MRK und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art. 2 StGG. Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen seien zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - ergänzte - Beschwerde - nach Aktenvorlage unter Verzicht auf die Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde - erwogen:
2.1. Das Gesetz über die Regelung der Benützung von Straßen durch abgestellte mehrspurige Fahrzeuge (Parkometergesetz), LGBl. für Wien Nr. 47/1974 in der Fassung durch die Novelle LGBl. Nr. 28/2000, regelt die Entrichtung einer Abgabe für das Abstellen von mehrspurigen Fahrzeugen in Kurzparkzonen. Nach § 2 Abs. 1 erster Satz leg. cit. hat der Gemeinderat die Parkometerabgabe durch Verordnung festzusetzen. § 2 Abs. 2 leg. cit. lautet wie folgt:
"(2) Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung kann der Magistrat mit den Abgabepflichtigen Vereinbarungen über die Höhe und die Form der zu entrichtenden Abgabe treffen. Hiebei können insbesondere Pauschalierungsvereinbarungen und Vereinbarungen über die Fälligkeit getroffen werden. Zur Erleichterung und Vereinheitlichung dieser Vereinbarungen hat die Landesregierung durch Verordnung Pauschalierungsrichtlinien festzulegen, die auf das unterschiedliche Abstellverhalten der Wohnbevölkerung im Gebiet, die gemäß § 43 Abs. 2a StVO 1960, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 423/1990, verordnet sind, des Wirtschaftsverkehrs und des sonstigen Verkehrs Bedacht nehmen."
Gemäß § 4 Abs. 1 des Wiener Parkometergesetzes sind Handlungen oder Unterlassungen, durch die die Abgabe hinterzogen oder fahrlässig verkürzt wird, als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu EUR 210,-- zu bestrafen. Nach § 4 Abs. 3 leg. cit. sind die sonstigen Übertretungen der Gebote und Verbote dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu EUR 70,-- zu bestrafen.
Die Verordnung der Wiener Landesregierung über die pauschale Entrichtung der Parkometerabgabe, LGBl. Nr. 53/1995 in der Fassung durch die Novelle LGBl. Nr. 17/2001, nennt in ihrem § 5 Abs. 1 als Hilfsmittel zur Kontrolle der Abgabenentrichtung u.a. einen "Parkkleber"; dieser in Abs. 1 genannte Parkkleber ist gemäß § 5 Abs. 3 erster Satz der zitierten Verordnung bei Kraftfahrzeugen mit einer Windschutzscheibe hinter dieser und durch diese gut lesbar, in der rechten oberen Ecke anzubringen.
2.2. Die Beschwerdeführerin bringt vor dem Verwaltungsgerichtshof unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides vor, der "Parkkleber" sei nur ein Hilfsmittel zur Kontrolle für die Entrichtung der Parkgebühr. Die belangte Behörde sei - zutreffend -
davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin (bzw. der Kraftfahrzeughalter für das Kraftfahrzeug) die Parkometerabgabe entrichtet habe; schon deshalb erweise sich der Bescheid der belangten Behörde als rechtlich unrichtig.
Die Beschwerdeführerin übersieht hierbei, dass ihr mit dem Bescheid der belangten Behörde nicht Handlungen oder Unterlassungen, durch die die Abgabe hinterzogen oder fahrlässig verkürzt wurde nach § 4 Abs. 1 des Wiener Parkometergesetzes zur Last gelegt wurden, sondern sonstige Übertretungen der Gebote und Verbote nach § 4 Abs. 3 leg. cit. im Zusammenhang mit der zitierten Verordnung der Wiener Landesregierung über die pauschale Entrichtung der Parkometerabgabe.
Die Beschwerdeführerin bringt vor dem Verwaltungsgerichtshof übereinstimmend mit ihren Angaben vor den Verwaltungsstrafbehörden vor, sie habe den gegenständlichen Parkkleber nicht in der rechten oberen Ecke, sondern in der rechten unteren Ecke angebracht, weil dieser in der oberen Ecke nicht gut erkennbar gewesen wäre. Sie geht damit selbst davon aus, dass sie dadurch der Anordnung des § 5 Abs. 3 erster Satz der erwähnten Verordnung der Wiener Landesregierung über die pauschale Entrichtung der Parkometerabgabe nicht entsprochen und somit den Tatbestand der Übertretung in objektiver Hinsicht hergestellt hat. Davon ausgehend erweist sich der Schuldspruch jedoch als begründet.
2.3. Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerdeführerin, sie sei zwar zur mündlichen Verhandlung geladen worden; trotz ihres Entschuldigungsschreibens habe aber eine Verhandlung ohne ihr Beisein stattgefunden und es sei ihr nicht Gelegenheit gegeben worden, sich zu den bei diesem Verhandlungstermin getätigten Zeugenaussagen der Parkraumüberwachungsorgane zu äußern.
Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:
Gemäß § 51f Abs. 2 VStG hindert, wenn eine Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist, dies weder die Durchführung der Verhandlung noch die Fällung des Erkenntnisses.
Nach dem auch im Verwaltungsstrafverfahren (vgl. § 24 VStG) anzuwendenden § 19 Abs. 3 AVG hat, wer nicht durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Das Vorliegen eines der in § 19 Abs. 3 AVG genannten Gründe rechtfertigt das Nichterscheinen des Geladenen. Liegt ein solcher Rechtfertigungsgrund vor, könnte in Bezug auf die behördliche Ladung allenfalls nicht von einer "ordnungsgemäßen Ladung", die gemäß § 51f Abs. 2 VStG zur Durchführung der Verhandlung auch in Abwesenheit der Partei berechtigt, gesprochen werden. Das Vorliegen des geltend gemachten Rechtfertigungsgrundes ist von der Behörde von Amts wegen zu erforschen (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 30. Jänner 2004, Zl. 2003/02/0223, sowie das hg. Erkenntnis vom 19. März 2003, Zl. 2001/03/0025, je mit weiteren Nachweisen).
Mit dem Hinweis auf die berufliche Unabkömmlichkeit im Zuge einer Messeveranstaltung hat die Beschwerdeführerin jedoch keinen in der Rechtsprechung anerkannten Grund, der das Fernbleiben von der Verhandlung im Sinne der dargestellten Gesetzeslage rechtfertigen würde, geltend gemacht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. September 2000, Zl. 2000/03/0163, m.w.N.; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 19. März 2002, Zl. 2000/10/0143 m.w.N.).
Die belangte Behörde war deshalb gemäß § 51f Abs. 2 VStG berechtigt, auch in Abwesenheit der Beschwerdeführerin zu verhandeln; der behauptete Verfahrensmangel liegt daher nicht vor.
2.4. Die Beschwerde rügt jedoch zutreffend - gleichfalls unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften - die Unterlassung der Einvernahme der in der Berufung angeführten Zeugen. Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Berufung die Einvernahme dieser Zeugen nämlich ausdrücklich dazu beantragt, der "Parkkleber" sei auf dem Auto auch angebracht (rechts unten gut sichtbar) gewesen. Der Hinweis, die beantragten Zeugen könnten das Fahrzeug täglich sehen, diente im gegebenen Zusammenhang nur der Plausibilität dieser Antragstellung. Keinesfalls ist dieser Hinweis jedoch - wie dies offenbar die belangte Behörde annimmt - dahin zu verstehen, die Zeugen könnten dazu keine konkreten Angaben betreffend die jeweiligen Tatzeitpunkte machen.
Die Einvernahme der beantragten Zeugen hätte - ausgehend von dem zu Grunde zu legenden Beweisthema - allenfalls erbringen können, dass - entgegen der Wahrnehmung der Parkraumüberwachungsorgane - dennoch ein Parkkleber an der Windschutzscheibe (ausgehend von den Behauptungen der Beschwerdeführerin: rechts unten) angebracht war; dieser Umstand wäre aber zweifellos bei der Strafbemessung entsprechend zu berücksichtigen, wobei auch die Anwendung des § 21 VStG nicht von vornherein ausgeschlossen wäre.
Da somit bei der Ermittlung des festzustellenden Sachverhaltes Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
2.5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
2.6. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen. Wien, am 8. September 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2005170081.X00Im RIS seit
20.12.2005Zuletzt aktualisiert am
08.04.2014