Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Grieshler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als weitere Richter in der Mietrechtssache der antragstellenden Mieter 1) Franz M***, Schmied, 2) Franz L***, Pensionist, 3) Maria D***, Pensionistin, 4) Barbara H***, Pensionistin, 5) Christine R***, Handelsangestellte, 6) Hermine K***, Chemiearbeiterin,
7) Erika W***, Verpackerin, 8) Roland M***, Hilfsarbeiter, und 9) Herbert S***, Schlosser, alle 4222 St. Georgen an der Gusen Nr. 164, 10) Maria D***, Hausfrau, 11) Erhart H***, Dreher, und 12) Monika M***, Küchengehilfin, alle 4222 St. Georgen Nr. 165, 13) Friedrich G***, Beamter, 14) Gustav M***, Pensionist, 15) Thomas G***, Pensionist, 16) Margarete P***, Pensionistin, und 17) Anna F***, Pensionistin, alle 4222 St. Georgen Nr. 165 a, alle vertreten durch Wolfgang W*** Sekretär des Mieterschutzverbandes Österreichs, Museumstraße 5, 4020 Linz, sowie der weiteren Mieter 18) Anton R***, und 19) Gerda K***, beide 4222 St. Georgen an der Gusen Nr. 164, 20) Karl S***, und 21) Christiane H***, beide 4222 St. Georgen an der Gusen Nr. 165, 22) K*** Ö***, Landwiedstraße 125, 4020 Linz, und 23) Ludwig P***, 4222 St. Georgen an der Gusen Nr. 165 a, wider die Vermieterin und Antragsgegnerin E*** G*** W*** "H*** G*** MBH",
Gärtnerstraße 9, 4020 Linz, vertreten durch Dr. Winfried Mörth, Rechtsanwalt in Linz, wegen Zulässigkeit des begehrten Mietzinses, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin und Vermieterin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 10. September 1986, GZ 13 a R 598/86-21, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Mauthausen vom 2. Mai 1986, GZ Msch 1/83-17, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die Antragsteller sind Hauptmieter von Wohnungen in den der Antragsgegner, einer gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft mbH, gehörigen Häusern der Wohnungsanlage in St. Georgen an der Gusen. Diese Wohnungsanlage wurde nach dem 1. Oktober 1940, aber noch während der Zeit des 2. Weltkrieges, von der D*** E*** S*** GMBH errichtet. Seit 2. Juni 1982 ist die Antragsgegnerin Eigentümerin der Wohnungsanlage.
Ab Jänner 1982 schreibt die Antragsgegnerin den antragstellenden Hauptmietern Beträge für Instandhaltungsreserve und Verwaltungskosten zuzüglich Umsatzsteuer nach dem WGG vor, weil sie der Ansicht ist, die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 3 MRG sei anwendbar: die D*** ERD- UND S*** GMBH mit dem Sitz in Berlin sei gemäß § 28 WGG 1940 als Organ der staatlichen Wohnungspolitik anerkannt gewesen und habe dadurch die gleiche Rechtsstellung wie ein als gemeinnützig anerkanntes Wohnungsunternehmen erhalten.
Die antragstellenden Hauptmieter begehrten die Feststellung, daß die Antragsgegnerin durch die Vorschreibung von Beträgen für Instandhaltungsreserve und Verwaltungskosten das gesetzlich zulässige Zinsausmaß um insgesamt S 53.854,19 überschritten habe, und der zulässige Erhaltungsbeitrag für ihre Wohnungen ab 1. Juli 1984 S 3,70 je Quadratmeter Wohnfläche für Wohnungen der Kategorie D und S 7,30 je Quadratmeter für Wohnungen der Kategorie C betrage: sie stellten während des Verfahrens den Zwischenantrag auf Feststellung, daß die strittigen Wohngegenstände zur Gänze den Bestimmungen des MRG unterliegen.
Das Erstgericht hat dem Zwischen-Feststellungsantrag Folge gegeben und ausgesprochen, daß die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 3 MRG auf die Mietverträge über die Wohnungen in dieser Wohnungsanlage nicht anzuwenden seien.
Zur Begründung führte das Erstgericht im wesentlichen an:
Es habe nicht festgestellt werden können, ob die D*** ERD- UND S*** GMBH durch Anerkennungsbescheid gemäß § 28 WGG 1940 als Organ der staatlichen Wohnungspolitik die gleiche Rechtsstellung wie ein als gemeinnützig anerkanntes Wohnungsunternehmen erlangt habe; die Antragsgegnerin sei trotz der langen Verfahrensdauer nicht in der Lage gewesen, einen solchen Bescheid vorzulegen, und es erscheine zweifelhaft, wenngleich nicht völlig ausgeschlossen, ob die beantragte Befragung von seinerzeitigen führenden Funktionären der in diese Frage Klarheit bringen könne. Sollte es einen solchen Bescheid gegeben haben, so sei nach dem Wortlaut des § 1 Abs 3 MRG zu verneinen, ob eine derartige Gleichstellung aus jener Zeit auch jetzt wirksam sei, denn es fehle ein ausdrücklicher Hinweis auf diese Absicht des Gesetzgebers des MRG und es könne diesem auch nicht unterstellt werden, daß er Baumaßnahmen im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Konzentrationslagers, wie dies hier der Fall gewesen sei, als gemeinnützig anerkennen wollte.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte den Sachbeschluß des Erstgerichtes und erklärte den weiteren Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig, weil anzunehmen sei, daß es in Österreich mehrere vergleichbare Fälle gebe. Es begründete seine Entscheidung im wesentlichen so:
Nach ständiger Rechtsprechung seien Ausnahmetatbestände vom MRG von demjenigen zu behaupten und zu beweisen, der daraus Rechte ableite; dies gelte auch für das Tatbestandsmerkmal der Errichtung des Mietgegenstandes durch eine gemeinnützige Bauvereinigung in § 1 Abs 3 MRG (MietSlg 36.242). Im vorliegenden Fall sei die Gemeinnützigkeit nach den zur Zeit der Errichtung des Mietgegenstandes geltenden Gesetzen zu beurteilen: dies sei das WGG 1940 samt DVO, insbesondere jener vom 23. Juli 1940, d RGBl I 1940, 1012. Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes genüge auch eine Anerkennung der D*** ERD- UND S*** GMBH als Organ der staatlichen Wohnungspolitik gemäß § 28 Abs 1 WGG 1940, um den Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 3 MRG zu erfüllen, denn § 1 Abs 1 WGG 1940 stelle ausdrücklich die nach § 28 Abs 1 WGG 1940 anerkannten Unternehmen und Verbände den als gemeinnützig anerkannten Wohnungsunternehmen gleich. Dem Erstgericht sei jedoch in der Ansicht beizustimmen, daß der Beweis für eine Anerkennung der D*** ERD- UND S*** GMBH als gemeinnütziges Wohnungsunternehmen oder als Organ der staatlichen, Wohnungspolitik nicht erbracht worden sei, wozu die beweispflichtige Antragsgegnerin durch mehr als zwei Jahre Gelegenheit gehabt habe; während dieser Zeit habe sich auch die Antragsgegnerin nie an das Erstgericht um Hilfe bei ihren Nachforschungen gewandet, sondern schließlich nur behauptet, daß das "Anerkennungsdekret" vermutlich bei der Zerstörung Berlins vernichtet worden sei. Der Antrag der Vermieterin auf Vernehmung zahlreicher Zeugen, von denen sie nicht einmal habe angeben können, welcher noch am Leben sei, wie sie ausgeforscht werden könnten und warum ihr selbst die Ausforschung in mehr als zwei Jahren nicht gelungen sei, stelle keinen tauglichen Beweisantrag dar, denn es genüge nicht, "einfach irgendwelche Namen aus Geschichtsbüchern abzuschreiben, um das Gericht zu Nachforschungen zu veranlassen".
Das Verfahren erster Instanz sei also nicht mangelhaft gewesen. Die Vermieterin als Antragsgegnerin bekämpft den Sachbeschluß des Gerichtes zweiter Instanz mit Revisionsrekurs aus den Anfechtungsgründen Nichtigkeit des Verfahrens wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs und unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache; sie stellt den Hauptantrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung in die erste Instanz zurückzuverweisen, und begehrt hilfsweise, in Abänderung der angefochtenen Entscheidung auszusprechen, daß die Ausnahmeregelung des § 1 Abs 3 MRG auf die zwischen den Parteien bestehenden Mietvertragsverhältnisse anwendbar sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Der als Nichtigkeitsgrund geltend gemachte Verfahrensmangel (Unterbleiben der beantragten Zeugenvernehmungen) wurde bereits in zweiter Instanz vergeblich gerügt: hat das Gericht zweiter Instanz aber einen Mangel des Verfahrens erster Instanz - aus welchen Gründen auch immer - verneint, so kann auch im Außerstreitverfahren dieser Mangel nicht mehr im Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden.
In der materiellrechtlichen Beurteilung der Sache ist dem Rekursgericht kein Fehler unterlaufen, denn es hat mit Recht die allein erhebliche Frage, ob die Vermieterin für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Annahme des Ausnahmetatbestandes § 1 Abs 3 MRG beweispflichtig ist, mit zutreffendem Hinweis auf die herrschende Rechtsprechung (zuletzt JBl 1986, 386 mwN) und Literatur (Würth-Zingher, MRG2 Anm. 1 zu § 1; dieselben in MRG '86 E Nr. 2 zu § 1 im Anh.; Würth in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 1 MRG) bejaht hat aber den Beweis auf der unverrückbaren Sachverhaltsgrundlage des Verfahrens erster Instanz als nicht erbracht angesehen.
Aus diesen Erwägungen mußte der Revisionsrekurs der Vermieterin erfolglos bleiben.
Anmerkung
E11586European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0050OB00001.87.0901.000Dokumentnummer
JJT_19870901_OGH0002_0050OB00001_8700000_000