Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Klinger, Dr. Egermann und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Georg H***, Schreinermeister, Böhmischbruck, Etzgersrieth 46, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Utho Hosp und Dr. Wolfgang Weis, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Alois H***, Pensionsinhaber, Steinbach, Unterroith 1, vertreten durch Dr. Wolfgang Dartmann, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 475.000,-- sA und Feststellung (Gesamtstreitwert S 515.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 9. April 1987, GZ R 257/87-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 10. Dezember 1986, GZ 2 C 326/86-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 15.911,78 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.446,53 an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger befand sich am 7. Jänner 1984 als Gast in der Fremdenpension des Beklagten. Er stürzte beim Versuch, in der Gaststube der Pension auf einen der Tische zu steigen, und zog sich Schnittverletzungen an der linken Hand zu.
Der Kläger begehrt auf Grund dieses Unfalles unter Einräumung eines Eigenverschuldens von 50 % S 475.000,-- sA für Schmerzengeld und Verdienstentgang sowie die Feststellung, daß ihm der Beklagte für alle künftigen Schäden aus dem Unfall zu 50 % hafte. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf folgende Feststellungen:
Der Beklagte betreibt seit 1973 eine Fremdenpension. In der Gaststube stehen unter anderem zwei Tische aus Massivholz mit einer 120 x 80 cm großen und 22 mm starken Tischplatte. Diese Tischplatte ruht auf zwei massiven Holzpfeilern, die mit einer 1 x 0,5 m großen und 0,5 cm starken Metallplatte fest verankert sind. "Ende der Siebzigerjahre" montierte der Beklagte an beiden Tischen eine Ausziehvorrichtung, sodaß die Tischplatten an den Längsseiten durch je zwei 25 cm breite und 40 mm starke Zusatzplatten verlängert werden können. Die aus eisernen Führungsschienen mit seitlich angeschweißten Laschen bestehenden Ausziehvorrichtungen ließ der Beklagte von einem Schmied fertigen. Um die Ausziehvorrichtungen montieren zu können, wurden zunächst an der Unterseite der Tischplatte von einem Tischler entlang der Breitseiten 18 mm starke furnierte Spanplatten mit insgesamt zehn 30-mm-Schrauben befestigt, um einen Niveauausgleich zwischen der Tischplatte und den Seitenteilen herzustellen. Auf den Spanplatten wurden sodann beiderseits je zwei etwa 50 cm lange Führungsschienen mit Schranken befestigt, wobei die Befestigung durch an beiden Enden der Führungsschiene senkrecht angeschweißte Doppellaschen erfolgte. An die Unterseiten der Ausziehteile wurden "Tragschienen" angeschraubt, sodaß durch Einführen der Tragschienen in die Führungsschienen die Seitenteile an die Hauptplatte angeschoben werden konnten. Die Fixierung erfolgte durch einen Federsplint.
Am 7. Jänner 1984 hielt sich der Kläger mit einer Reisegruppe ab etwa 19 oder 20 Uhr in der Gaststube auf. Die Gruppe saß an einem der beiden Ausziehtische, der bei einer Eckbank stand. Da der Platz nicht für alle Mitglieder der Gruppe reichte, wurde noch ein anderer Tisch an die Längsseite des Ausziehtisches gestellt; es waren Tischtücher aufgelegt. Die Gruppe befand sich in fröhlicher Stimmung, man sang und tanzte zu Plattenmusik. Der Kläger, der von 10,30 Uhr an 8 Weißbier und 2 Whisky-Cola konsumiert hatte, wollte gegen 24 Uhr einige Personen fotografieren und stieg zu diesem Zweck von der an der Längsseite des Ausziehtisches befindlichen Eckbank mit beiden Beinen auf den Ausziehteil dieses Tisches. Durch das Gewicht des etwa 85 kg schweren Klägers löste sich die Verschraubung zwischen den Ausgleichsspanplatten und der Hauptplatte, sodaß der Kläger mit dem Ausziehteil zu Boden fiel. Während des Sturzes fiel er mit der linken Hand auf ein auf dem zweiten Tisch stehendes Bierglas, das zerbrach. Dabei erlitt der Kläger eine Durchtrennung der Sehnen an Zeige-, Mittel- und Ringfinger der linken Hand und eine Nervendurchtrennung im Bereich der linken Hand. Die Sehnendurchtrennung hat eine dauernde Unbeweglichkeit des Mittelfingers zur Folge.
In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, der Beklagte habe nicht damit rechnen müssen, daß seine Gäste die Tische in der Gaststube besteigen. Das Verhalten des Klägers sei für ihn nicht vorhersehbar gewesen, sodaß er für den eingetretenen Schaden nicht hafte.
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, zusammen mit dem in einem Geldbetrag bestehenden Teil insgesamt S 300.000,-- übersteige. Ausgehend von den unbekämpften Tatsachenfeststellungen schloß sich das Berufungsgericht der Rechtsansicht des Erstgerichtes an. Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es aufzuheben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen oder es dahin abzuändern, daß festgestellt werde, der Anspruch des Klägers bestehe dem Grunde nach zu Recht. Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Kläger hält an seiner Meinung fest, der Beklagte habe den Tisch, der von seiner Konstruktion her einen massiven Eindruck mache, durch Anbringen einer Ausziehvorrichtung in einer Weise verändert, daß seine Stabilität verlorengegangen sei; dies sei für einen Dritten nicht erkennbar gewesen. Der Beklagte habe hiedurch für seine Gäste eine Gefahrerhöhung geschaffen; denn es sei nicht unüblich, daß alkoholisierte Gäste einen Tisch besteigen, um etwa von einer Eckbank aus ins Freie gelangen zu können, ohne die übrigen am Tisch sitzenden Personen zum Aufstehen zu nötigen. Das Revisionsgericht schließt sich dieser Ansicht nicht an. Nach einhelliger Ansicht von Lehre und Rechtsprechung (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 1294; SZ 47/124 uva) hat derjenige, der, wenn auch erlaubterweise, eine Gefahrenquelle schafft, dafür zu sorgen, das heißt, die entsprechende Sorgfalt aufzuwenden, daß daraus kein Schaden entsteht. In diesem Sinn sind die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um Schädigungen nach Tunlichkeit zu vermeiden. Es sind jedoch nur zumutbare Maßnahmen zu ergreifen. Die Sorgfaltspflichten dürfen nicht überspannt werden; es würde sonst in Wahrheit eine vom Verschulden losgelöste Haftung begründet werden. Im Einzelfall kommt es auch auf die Wahrscheinlichkeit einer Schädigung an. Das Ausmaß der Sorgfaltspflicht wird im vorliegenden Fall durch den Umstand, daß der Beklagte als Pensionsinhaber dem Kläger als seinem Gast gegenüber auch aus dem mit diesem abgeschlossenen Beherbergungsvertrag verpflichtet war, für die gefahrlose Benützung der seinen Gästen zugänglichen Räume und Einrichtungen zu sorgen, nicht verändert. Auch die Benützer der zur Verfügung gestellten Einrichtungen sind zur Anwendung der verkehrsüblichen Aufmerksamkeit, bei Vorliegen besonderer Umstände zu erhöhter Aufmerksamkeit, verpflichtet (EvBl 1974/248).
Es ist keine Frage, daß die Belastbarkeit des vom Beklagten angebrachten Verlängerungsteils nicht dieselbe war wie jene des übrigen Tisches. Entgegen den Darlegungen des Klägers kann aber auch nicht ernstlich in Zweifel gezogen werden, daß die bestimmungsgemäße Verwendung des Tisches nicht darin bestand, daß Gäste ihn besteigen - sei es nun, um zu fotografieren, um zu "dirigieren" oder um aus irgendeinem Grund von einem Ecksitz aus ins Freie zu gelangen. Der Beklagte brauchte deshalb bei Anwendung eines verkehrsüblichen Maßstabes nicht damit rechnen, daß einer seiner Gäste auf den Tisch steigen werde - schon gar nicht an der Schmalseite, da dies den Tisch, wäre nicht eine Verlängerung angebracht gewesen, leicht zum Kippen bringen konnte - , und keine Maßnahmen treffen um ein gefahrloses Besteigen des Tisches zu ermöglichen. Hat daher der Kläger ohne Bedacht auf das von ihm als Gast zu erwartende Verhalten und ohne sich zuvor davon zu überzeugen, ob und in welcher Form dies unter Berücksichtigung der Konstruktion des Tisches möglich sei, den Tisch bestiegen, so hat die Folgen allein sich selbst zuzuschreiben.
Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E11740European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0030OB00555.87.0902.000Dokumentnummer
JJT_19870902_OGH0002_0030OB00555_8700000_000