Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christian Kleemann und Erich Reichelt als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Rudolf L***, Rechtsanwalt in Graz, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der S***-D*** Import-Export Gesellschaft mbH, Graz, Hans-Sachs-Gasse 4, wider die beklagte Partei S***-D*** Betriebs- und Vermögensberatungsgesellschaft mbH, Graz, Hans-Sachs-Gasse 4, vertreten durch Dr. Ulrich Daghofer, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 100.000 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Februar 1987, GZ 7 Ra 1007/87-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Graz vom 17. November 1986, GZ 2 Cr 388/85-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.243,80 (darin S 385,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Abgabenschuld von S 1,876.908,08 ordnete das Finanzamt Graz-Stadt mit Bescheid vom 14. September 1983 die Pfändung und Überweisung zur Einziehung der dem Verpflichteten Bernhard L*** gegen die Beklagte als Drittschuldnerin angeblich zustehenden Forderung auf in Geld zahlbares Arbeitseinkommen an. Dieser Exekutionsbescheid wurde dem Verpflichteten und der Beklagten zwischen dem 14. und 20. September 1983 zugestellt. In ihrer Drittschuldneräußerung vom 20. September 1983 gab die Beklagte den Entgeltanspruch des Verpflichteten mit monatlich S 1.850 netto zuzüglich freier Station an und verwies darauf, daß dessen Einkommen unter dem Existenzminimum liege.
Mit Beschluß vom 23. Mai 1985 bewilligte das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz der Gemeinschuldnerin zur Hereinbringung ihrer vollstreckbaren Forderung von S 458.398 sA unter anderem ebenfalls die Exekution durch Pfändung des dem Verpflichteten Bernhard L*** gegen die Beklagte zustehenden Arbeitseinkommens. Das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz überwies mit Beschluß vom 28. Mai 1985 die gepfändeten Bezüge der Gemeinschuldnerin zur Einziehung. Diese Beschlüsse wurden der Beklagten am 13. Juni 1985 zugestellt. Nach der von ihr erstatteten Drittschuldnererklärung verneinte die Beklagte die Zahlungsbereitschaft, da der Verpflichtete bei ihr gegen ein Entgelt von lediglich monatlich S 2.507,10 zuzüglich freier Station angestellt sei und seine Bezüge damit unter dem Existenzminimum lägen. Die Beklagte nahm keinerlei Überweisungen vor.
Mit der am 16. Dezember 1985 eingebrachten Drittschuldnerklage verlangte der zum Masseverwalter der Gemeinschuldnerin bestellte Kläger von der Beklagten S 100.000 sA an in der Zeit von Juni bis Dezember 1985 fällig gewordenen Überweisungsbeträgen. Der Verpflichtete leiste bei der Beklagten Dienste, die nach Art und Umfang üblicherweise mit mindestens S 15.000 bis S 20.000 monatlich netto zu vergüten seien. Die Beklagte hätte unter Berücksichtigung der freien Station in sieben Monaten mindestens S 15.000 pro Monat einbehalten und überweisen müssen.
Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Der angebliche Entgeltanspruch des Verpflichteten Bernhard L*** sei vor der Exekution durch den Kläger bereits von anderen Gläubigern gepfändet und an diese überwiesen worden. Im übrigen arbeite der Verpflichtete nur täglich ein bis zwei Stunden für die Beklagte; die an ihn erbrachten Geld- und Naturalleistungen gingen über die Freigrenzen nach dem Lohnpfändungsgesetz nicht hinaus.
Der Kläger brachte dazu ergänzend vor, daß das Finanzamt Graz-Stadt ihm nach dem 16. Juni 1986 für sein Pfandrecht den Vorrang eingeräumt habe. Die anderen Exekutionen gingen seinem Pfandrecht im Rang nicht vor.
Die Beklagte wendete ergänzend ein, daß sie von einer solchen Vorrangseinräumung nie verständigt worden sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß dem finanzbehördlichen Pfandrecht gemäß § 300 EO der Vorrang vor jenem des Klägers zukomme. Einem Überweisungsgläubiger stehe weder eine Zessionsbefugnis zu noch habe er das Recht, einen anderen den Vorrang einzuräumen. Selbst wenn der behauptete Entgeltanspruch des Verpflichteten zu Recht bestünde, könnte daher dem Kläger auf Grund der Höhe der besserrangigen Forderung des Finanzamtes kein Überweisungsbetrag zukommen. In der Zeit von Juni bis Dezember 1985 hätte die Beklagte allenfalls vorhandene pfändbare Beträge dem Finanzamt überweisen müssen. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß es allein darauf ankomme, daß nach wie vor die beiden Lohnexekutionen anhängig seien und die Beklagte als Drittschuldnerin an die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse gebunden sei. Demnach sei sie ungeachtet eines allenfalls außergerichtlich zustande gekommenen Rangtausches dem Rang der exekutiv begründeten Pfandrechte und der gerichtlichen Überweisungsanordnung entsprechend verpflichtet, allenfalls pfändbares Arbeitseinkommen des Verpflichteten noch vor dem Kläger an das Finanzamt zu zahlen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung der Vorinstanzen im Sinne des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Auf die Mängelrüge, die sich auf die Unterlassung der Bewertung der Leistungen des Verpflichteten bezieht, ist aus rechtlichen Erwägungen nicht einzugehen.
Der Revisionswerber vertritt in seiner Rechtsrüge im wesentlichen weiterhin die Ansicht, daß die zwischen ihm und dem Finanzamt Graz-Stadt vereinbarte Vorrangeinräumung an den bestehenden Rechten anderer Forderungsgläubiger nichts ändere. Es sei dem Kläger vom Finanzamt lediglich die Möglichkeit der vorrangigen Befriedigung unter Berücksichtigung der Rechte des Verpflichteten eingeräumt worden. Der Kläger habe damit die Rolle des führenden Gläubigers übernommen; es sei allein Aufgabe der Überweisungsgläubiger, auf die wechselseitigen Überweisungsforderungen Bedacht zu nehmen.
Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten: Wie schon die Vorinstanzen zutreffend darlegten, richtet sich die Rangordnung der Pfandrechte auch im Falle des Zusammentreffens einer finanzbehördlichen mit einer gerichtlichen Zwangsvollstreckung (§ 80 Abs 1 AbgEO) nach dem Zeitpunkt, in welchem die erlassenen Zahlungsverbote an den Drittschuldner zugestellt worden sind (§ 69 Abs 2 AbgEO, § 300 Abs 2 EO; Reeger-Stoll, Die Abgabenexekutionsordnung 167). Die dem Verpflichteten allenfalls gegenüber der Beklagten zustehende Forderung auf Arbeitsentgelt wurde aber nicht nur gepfändet, sondern den betreibenden Gläubigern auch zur Einziehung überwiesen (§ 71 Abs 3 AbgEO, § 305 Abs 1 EO). Die Überweisung zur Einziehung ermächtigt und verpflichtet den betreibenden Gläubiger unter der Sanktion des § 74 Abs 2 AbgEO bzw. § 310 Abs 3 EO, die gepfändete Forderung im Namen des Verpflichteten einzuziehen, allenfalls einzuklagen und exekutiv einzutreiben (§ 73 Abs 1 AbgEO, § 308 EO). Dem Drittschuldner wird durch die ihm zugestellte Überweisung der gepfändeten Forderung die Möglichkeit einer Zahlung an seinen ursprünglichen Gläubiger genommen; er hat vielmehr ausschließlich an den betreibenden Gläubiger zu leisten. Entspricht er diesem exekutiven Gebot nicht, riskiert er eine (neuerliche) Inanspruchnahme durch den Überweisungsgläubiger. Unabhängig davon, ob der Kläger mit dem Finanzamt Graz-Stadt außergerichtlich einen "Rangtausch" vereinbarte oder ob das Finanzamt im Sinne des § 311 EO, der allerdings im Abgabenvollstreckungsrecht kein Pendant hat (Reeger-Stoll aaO 178 und 332), auf die durch die Überweisung erworbenen Rechte verzichtete, erfordert es der Schutz des Drittschuldners, daß ihm gegenüber eine klare und eindeutige vollstreckungsrechtliche Lage geschaffen und daß seine Rechtsposition nicht verschlechtert wird. Ihm kann nicht die Last einer Überprüfung behaupteter materieller Rechtsübergänge und das mit einer solchen Überprüfung verbundene Risiko aufgebürdet werden. Die Beklagte ist nach der Abgabenexekutionsordnung nach wie vor an den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt, dem eindeutig Priorität vor der Exekution durch den Kläger zukommt, gebunden. Der Kläger hat bisher nicht einmal behauptet, daß die von ihm geltend gemachten interne Vereinbarung eines "Rangtausches" der Beklagten überhaupt zugegangen sei. Eine für die Beklagte zweifelsfreie Beseitigung des behördlichen Gebotes kann in der Regel aber nur durch eine behördliche Verständigung erfolgen. So können etwa die verfahrensrechtlichen Wirkungen des Verzichtes auf die Rechte aus der Überweisung erst durch eine Mitteilung an das Gericht eintreten und die Aufhebung der Überweisung der Forderung an den säumigen Gläubiger muß gemäß § 80 Abs 3 AbgEO ausdrücklich erfolgen. Erst wenn diese verfahrensrechtlichen Wirkungen eingetreten sind, ist der Drittschuldner an die Überweisung nicht mehr gebunden (vgl. EvBl 1977/114).
Aus diesen Erwägungen geht dem Anspruch des Klägers daher weiterhin die überwiesene Forderung des Finanzamtes Graz-Stadt vor. Bestünde allenfalls ein pfändbares Arbeitseinkommen des Verpflichteten, hätte es die Beklagte nicht an den Kläger, sondern an das Finanzamt Graz-Stadt abzuführen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E12175European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:009OBA00022.87.0902.000Dokumentnummer
JJT_19870902_OGH0002_009OBA00022_8700000_000