TE OGH 1987/9/2 9ObA59/87

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Veröffentlicht am 02.09.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag als Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Christian Kleemann und Erich Reichelt als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Manfred B***, Angestellter, Wien 1., Börsegasse 7/14, vertreten durch Dr. Gustav Teicht und Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei F*** (Austria) Aktiengesellschaft, Wien 1., Rathausstraße 20, vertreten durch Dr. Peter Kisler und DDr. Karl Pistotnik, Rechtsanwälte in Wien, wegen 96.675,11 S brutto s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. März 1987, GZ 33 Ra 1013/87-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 24. Februar 1986, GZ 4 Cr 1025/85-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.243,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 385,80 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 1. Februar 1974 bis 23. Jänner 1985 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Angestellter beschäftigt. Bei der Konstituierung des Betriebsrates am 30. Juni 1983 wurde der Kläger zum Betriebsratsobmann gewählt.

Der Kläger begehrt 96.675,11 S brutto sA an Kündigungsentschädigung und brachte vor, daß er am 23. Jänner 1985 den vorzeitigen Austritt erklärt habe, weil er am 11. Jänner 1985 anläßlich einer Vorsprache in seiner Funktion als Betriebsratsobmann von der Prokuristin M*** gröblich beschimpft, tätlich angegriffen und bedroht worden sei. Dies habe er am 12. Jänner 1985 schriftlich dem Vorstand bekannt gegeben und ersucht, ihn vor derartigen Handlungen durch Mitbedienstete zu schützen. Mit Schreiben vom 21. Jänner 1985 habe die Beklagte den begehrten Schutz abgelehnt.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Der vorzeitige Austritt des Klägers sei unberechtigt erfolgt. Dieser habe Rosemarie M*** provoziert und sie als "hysterische Kuh" bezeichnet, sodaß für ihr Verhalten ein Entschuldigungsgrund vorliege. Darüber hinaus habe der Kläger nicht etwa ein Schutzersuchen gestellt, sondern sei vom Betriebsrat im Hinblick auf angebliche Angriffe auf die Betriebsratsinstitution eine Bestrafung der Prokuristin verlangt worden. Dennoch habe die Beklagte Rosemarie M*** aufgefordert, auch bei Provokationen in Hinkunft derartige Vorfälle zu vermeiden. Ferner sei die Austrittserklärung verspätet, weil dem Kläger bekannt gewesen sei, daß der Vorstand der Beklagten sofort nach Bekanntwerden des Vorfalles die Angelegenheit mit Rosemarie M*** erörtert und sie darauf hingewiesen habe, solche Vorfälle auch dann zu vermeiden, wenn sie sich im Recht fühle. Das Erstgericht wies die Klage ab und stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Am Freitag, dem 11. Jänner 1985, fragte die seit Dezember 1984 bei der Beklagten beschäftigte Roswitha M*** ihre Arbeitskollegin Edith H***, ob sie ein auf drei Monate befristetes Dienstverhältnis abgeschlossen habe oder lediglich eine Probezeit von drei Monaten vereinbart worden sei. Der Kläger schaltete sich in dieses Gespräch ein und erklärte, daß es ein dreimonatiges Probeverhältnis nicht gebe; Roswitha M*** solle sich von der Prokuristin Rosemarie M*** einen Dienstzettel ausstellen lassen. Diese sprach daraufhin bei der Prokuristin vor, die ihr die Ausstellung des Dienstzettels für Nachmittag desselben Tages zusagte. Roswitha M*** ersuchte den Kläger nicht um eine Intervention in dieser Angelegenheit. Einige Zeit später betrat der Kläger den Kassenraum, in dem Rosemarie M*** saß, und rief ihr bereits von der Tür her aus einer Entfernung von ca. 10 Metern zu, warum sie Frau M*** nicht den Dienstzettel gebe. Die Prokuristin stand von ihrem Schreibtisch auf, ging zum Kläger hin und erklärte ihm, daß sie mit Frau M*** über den Dienstzettel gesprochen habe und daß diese ihn noch am selben Tag erhalten werde. Der Kläger fragte darauf, warum der Dienstzettel nicht sofort ausgestellt werde; es sei das gute Recht der Frau M***, den Dienstzettel zu erhalten. Rosemarie M*** erklärte dann dem Kläger, daß er "immer nur mit dem Recht komme, wo denn die Pflichten seien". Sie warf ihm dabei vor, daß er im Jahre 1984 67 Arbeitstage krank gewesen und unter Berücksichtigung des Urlaubes und des Pflegeurlaubes insgesamt 94 Arbeitstage nicht in der Bank gewesen sei. Im Zuge dieser lautstark geführten Kontroverse sagte dann der Kläger zu Frau M***, daß er mit einer "hysterischen Kuh" nicht rede und ging wieder in sein Zimmer zurück. Einige Zeit später kam Rosemarie M*** sehr erregt in das Zimmer des Klägers, in dem auch Edith H*** ihren Arbeitsplatz hat, und in dem weiters noch Dr. Johannes L***, der Vorgesetzte des Klägers, anwesend war. Sie sagte dem Kläger sehr lautstark, daß er sich nicht einmischen solle. Obwohl der Kläger vergeblich versuchte, auf Rosemarie M*** beruhigend einzuwirken, schrie sie weiterhin mit ihm, ging dann aus dem Zimmer und kam kurze Zeit später zurück, schrie wieder mit dem Kläger und sagte, daß er ein Trottel sei; sie werde ihm das nächste Mal "eine herunterhauen, der Kläger könne ihr den Buckel herunterrutschen". Dann verließ der Kläger das Zimmer. Zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und Rosemarie M*** kam es nicht.

Einige Zeit nach diesem Vorfall erklärte Rosemarie M*** der Edith H***, daß sie sich sehr aufgeregt habe und nicht mehr wisse, was sie dem Kläger gesagt habe.

Der gesamte Vorfall war vom Kläger provoziert worden. Zu diesem Zeitpunkt suchte er längst einen anderen Posten. Seit 1. April 1985 übt er auch tatsächlich eine andere Tätigkeit aus.

Vorstandsmitglieder waren am 11. Jänner 1985 in der Bank nicht anwesend.

Am 11. Jänner 1985 wurde folgendes Telegramm an das Vorstandsmitglied Herta K*** gesandt:

"Der Betriebsrat der F*** AG muß Sie davon in Kenntnis setzen, daß der Obmann des Betriebsrates, Manfred B*** von Frau Prokurist M*** heute, Freitag, 11. Jänner 1985 um 11,15 Uhr in Ausübung seiner Funktion nicht nur auf das gröblichste beschimpft, sondern auch tätlich angegriffen und bedroht wurde. Wir sehen darin nicht nur einen Angriff auf den Dienstnehmer Manfred B***, der sich wegen des Vorfalles sämtliche rechtlichen Schritte vorbehält, sondern vor allem auf die gesetzlichen Interessenvertretung der Belegschaft. Wir fordern den Vorstand der F*** AG eindringlich auf, daß die Verantwortliche dafür entsprechend belangt wird und verlangen dafür Sorge zu tragen, daß derartige Vorfälle in Zukunft hintangestellt werden. Eine ständige Behinderung der Ausübung der Obliegenheiten des Betriebsrates darf und kann nicht weiter akzeptiert werden. Auch behält sich der Betriebsrat Konsequenzen unter Beratung mit seiner gewerkschaftlichen Interessenvertretung vor. Gezeichnet: J. D***-R. Muhr-M. B***."

Am 12. Jänner 1985 richtete der Kläger an den Vorstand der Beklagten folgendes Schreiben:

"Wie ich bereits gestern Frau Vorstandsdirektor K*** telegraphisch mitgeteilt habe, wurde ich gestern, Freitag, 11. Jänner 1985, von Frau Prokurist M*** gröblichst beschimpft, tätlich angegriffen und bedroht. Ich hatte sie als Betriebsratsobmann auf die Bitte von Kollegin Fräulein M*** höflich ersucht, dieser bald den Dienstzettel bzw. -vertrag auszuhändigen. Frau Prokurist M*** begann darauf grundlos zu schreien und war nicht zu beruhigen. Ich habe sie immer wieder gebeten, sich zu mäßigen, weil ich es sonst ablehne, mit ihr weiterzureden. Sie ließ sich aber nicht besänftigen und ging schreiend Richtung Auslandsabteilung. Begonnen hatte diese Szene im Kassensaal vor dem Kopierraum. Es waren auch Kunden im Kassensaal anwesend. Ich ging in mein Arbeitszimmer zurück, in welches Frau M*** kurz darauf weiterschreiend eintrat. Ich bat sie neuerlich, sich zu beruhigen ansonsten ich das Zimmer verlassen würde. Da sie auf meine Bitte nicht entsprechend reagierte und weiterschrie, ging ich langsam Richtung Ausgangstüre, die halb offenstand, sodaß man das Geschrei bis in den Kassensaal und in die Auslandsabteilung hören konnte. In weiterer Folge ihres ungebührlichen Benehmens beschimpfte mich Frau Prokurist M*** vor Kollegen und Kunden "Trottel". Sie begnügte sich aber nicht mit dieser Ehrenbeleidigung, sondern ging sogar soweit, daß sie mir beim Nachgehen in den Kassenraum einen Faustschlag auf den linken Oberarm versetzte und dabei die Drohung ausstieß "das nächste Mal haue ich Ihnen eine ins Gesicht!". Ich sagte zu ihr, daß ich über ihr Benehmen schockiert sei und daß dieser Vorfall für sie Konsequenzen haben werde. Wie ich im Telegramm betont habe, stellt diese Vorgangsweise nicht einen Angriff auf mich als Person dar, worüber ich Strafanzeige erstattet habe und wofür sich Frau M*** vor Gericht verantworten wird müssen, sondern auch einen Angriff auf mich als Betriebsratsobmann, somit auf den Betriebsrat als gesetzliche Interessenvertretung der Belegschaft. In meinem und im Namen des Betriebsrates fordere ich den Vorstand der F*** AG auf, Maßnahmen zu treffen, daß die Verantwortliche für ihr ungeheuerliches Benehmen zur Rechenschaft gezogen wird. Weiters sollen Sie dafür Sorge tragen, daß solche Angriffe auf Angestellte in Zukunft hintangestellt werden. Von den getroffenen Maßnahmen wollen Sie mich bitte unverzüglich verständigen."

Am 21. Jänner 1985 nahm die Beklagte durch ihre Anwälte gegenüber dem Kläger mit einem Schreiben Stellung, in dem es unter anderem heißt:

"......Es ergibt sich somit aus den vorliegenden Berichten, daß es Ihr provokantes Agieren war, das diese Situation herbeigeführt hat und sieht der Vorstand daher nicht geringsten Anlaß, gegen andere Dienstnehmer aus einem solchen Vorfall, der son ihnen ganz offensichtlich mutwillig herbeigeführt wurde, in irgendeiner Weise die Konsequenzen zu ziehen....."

Am 23. Jänner 1985 erklärte der Kläger schriftlich seinen Austritt gemäß § 26 Z 4 AngG unter Wahrung seiner Ansprüche. Er sei am 11. Jänner 1985 von Frau Prokurist M*** in seiner Ehre erheblich verletzt und tätlich angegriffen worden; von der Beklagten werde ihm der verlangte Schutz im Sinne des Angestelltengesetzes verweigert.

Am Montag, dem 14. Jänner 1985, hatte das Vorstandsmitglied Dkfm. Dr. S*** das Telegramm vom 11. Jänner 1985 und das Schreiben vom 12. Jänner 1985 vorgefunden. Er erklärte Rosemarie M***, sie solle Zusammenstöße mit dem Kläger in Hinkunft unterlassen, selbst dann, wenn sie von ihm provoziert werde. Ein Gespräch mit dem Kläger führte Dkfm. Dr. S*** nicht. Der Kläger arbeitete noch bis 23. Jänner 1985, ohne daß es zu weiteren Auseinandersetzungen zwischen dem Kläger und Rosemarie M*** kam.

Rechtlich folgerte"das Erstgericht, daß die Apostrophierung mit "Trottel" zwar an sich eine erhebliche Ehrverletzung darstelle; diese sei aber entschuldbar, weil sie vom Kläger durch sein vorangegangenes Verhalten provoziert worden sei. Darüber hinaus habe die Beklagte dem Kläger nicht den Schutz verweigert, sondern lediglich die vom Kläger verlangten Konsequenzen gegenüber der Prokuristin M*** abgelehnt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und übernahm dessen Feststellungen. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß der Kläger die Beklagte nicht um Schutz ersucht sondern verlangt habe, daß Rosemarie M*** zur Rechenschaft gezogen werde; darauf habe er keinen Anspruch. Der Vorstandsvorsitzende der Beklagten habe eine entsprechende Maßnahme dadurch getroffen, daß er die Prokuristin angewiesen habe, in Hinkunft Zusammenstöße mit dem Kläger selbst dann zu unterlassen, wenn sie von diesem provoziert werde.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die behauptete Mangelhaftigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Im Ergebnis zu Unrecht wendet sich der Revisionswerber auch gegen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger ein Schutzansuchen an die Beklagte gestellt hat und ob die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, den Kläger von der getroffenen Maßnahme zu verständigen. Primär stellt sich die Frage, ob in dem vom Kläger provozierten Verhalten von Rosemarie M*** eine erhebliche Ehrverletzung im Sinne des § 26 Z 4 AngG zu erblicken ist bzw. der Kläger im Hinblick auf sein eigenes vorangegangenes Verhalten schutzwürdig ist. Tatsächlich hat der Kläger - ohne daß Rosemarie M*** durch ihr Verhalten gegenüber Roswitha M*** hiezu berechtigten Anlaß gegeben hätte und ohne daß er von dieser zu einem Einschreiten ersucht worden wäre - gegenüber der Prokuristin M*** ein grob ungehöriges und bewußt provozierendes Verhalten gezeigt, indem er sie zunächst auf eine Entfernung von etwa 10 Meter im Kassensaal zur Rede stellte und sie im Rahmen des anschließenden Wortwechsels als "hysterische Kuh" beschimpfte.

Wenn die durch diese bewußte Provokation erregte Arbeitskollegin - wenn auch ein wenig später aber in unmittelbarem Zusammenhang - den Kläger mit "Trottel" apostrophierte und ihm für das nächste Mal eine Ohrfeige androhte, stand diese Reaktion zumindest nicht in einem solchen Mißverhältnis zum Verhalten des Klägers, daß dieser Anspruch auf Schutz durch den Arbeitgeber hatte (vgl. Arb. 6.041, 7.961, 8.428; SozM I Ad 969, 1289 sowie Kuderna, Entlassungsrecht 78).

Wenn nun der Arbeitgeber dennoch Maßnahmen traf, um künftig derartige Vorfälle hintanzuhalten, handelte er nicht in Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung gegenüber dem Kläger, sodaß sich dieser durch das Unterbleiben einer Verständigung über die getroffene Vorkehrung nicht mit Recht beschwert erachten kann. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.

Anmerkung

E11879

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:009OBA00059.87.0902.000

Dokumentnummer

JJT_19870902_OGH0002_009OBA00059_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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