Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christian Kleemann und Erich Reichelt als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Manfred S***, Angestellter, Hallein, Neulandweg 2, vertreten durch Dr. Günther Stanonik und Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei R*** C*** G*** MBH, Bergheim, Lengfelden 148, vertreten durch Dr. Dietmar Lirk, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 139.044,17 sA (Revisionsstreitwert S 102.044,17 sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 22. Dezember 1986, GZ 31 Cg 77/85-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Salzburg vom 22. August 1985, GZ Cr 766/84-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird zum Teil Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Urteil einschließlich des unangefochtenen und bestätigten Teils insgesamt zu lauten hat:
"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 6.301,69 zuzüglich 4 % Zinsen seit 25. September 1984 binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.
Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 132.742,48 sA binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 30.055,40 (darin S 2.501,40 Umsatzsteuer und S 2.540,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.871,90 (darin S 642,90 Umsatzsteuer und S 1.800,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 6.043,80 (darin S 385,80 Umsatzsteuer und S 1.800,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war bei der Beklagten seit 15. April 1979 als Vertreter für das Gebiet des westlichen Niederösterreichs mit einem monatlichen Fixum von netto S 15.145 und Provisionsanspruch angestellt. Nach dem Dienstvertrag konnte er die Reisepläne zwar selbst erstellen, war aber verpflichtet, sich bei seiner Arbeitseinteilung im Sinne und Interesse einer optimalen Geschäftsvermittlung an die durch die Kunden vorgegebenen Besuchszeiten zu orientieren. Die Erfüllung seiner Tätigkeit wurde von der Beklagten anhand der einzureichenden Besuchs- und Tagesberichte kontrolliert, die auch die Grundlage für die Ermittlung der Spesenansprüche bildeten. Am 24. September 1984 wurde der Kläger entlassen.
Mit der Behauptung, er sei grundlos entlassen worden, verlangte der Kläger von der Beklagten einen für das Revisionsverfahren noch maßgeblichen Betrag von S 102.044,17 sA an Kündigungsentschädigung, anteiligen Sonderzahlungen, Urlaubsentschädigung und Abfertigung. Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Der Kläger sei im Juli 1984 schon einmal verwarnt worden, weil er in einer Spesenabrechnung nicht erbrachte Reisezeiten ausgewiesen habe. Am 17. September 1984 habe er erklärt, aus dienstlichen Gründen dringend nach Niederösterreich fahren zu müssen, sei aber noch bis Mittag in Salzburg gewesen. Auf den Tagesberichten habe er dann Firmenbesuche vorgetäuscht. Die Entlassung sei gerechtfertigt erfolgt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und wies lediglich ein nicht mehr verfahrensgegenständliches Mehrbegehren ab. Es war der Ansicht, daß der Vorfall vom Juli 1984 nur auf einem Irrtum des Klägers beruht habe und Unwahrheiten im Reisebericht vom 17. September 1984 nicht hätten festgestellt werden können. Der Kläger habe zwar unkorrekt gehandelt, aber nicht so intensiv, daß eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgen hätte müssen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es führte das Verfahren gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch und traf im wesentlichen folgende Feststellungen:
Als der Kläger im Sommer 1984 mit seinen Spesen- und Provisionsabrechnungen etwa zweieinhalb Monate im Rückstand war, forderte ihn der Geschäftsführer der Beklagten Robert B*** am 2. Juli 1984 auf, diese Abrechnung sofort nachzuholen. Der Kläger kam diesem Auftrag nach. Er verrechnete aber für Donnerstag und Freitag der Vorwoche (28. und 29. Juni 1984) Nächtigung, Diäten und Kilometergeld, obwohl er bereits am Donnerstag an seinen Wohnort zurückgekehrt war. Wegen dieser fälschlichen Verrechnung erteilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 16. Juli 1984 eine schriftliche Verwarnung, in der sie zum Ausdruck brachte, daß eine Entlassung geplant gewesen sei, sie dem Kläger aber noch ein letztes Mal die Möglichkeit gebe, sich neuerlich zu "profilieren". In diesem Schreiben wurde dem Kläger auch aufgetragen, seine Aufträge mit dem Tagesbericht vom Vortag täglich an die Beklagte zu senden. Am Montag, den 17. September 1984 ersuchte der Geschäftsführer Robert B*** den Kläger, Ölmuster für das Lager nach Wien mitzunehmen. Der Kläger lehnte dies mit dem Hinweis ab, daß er einen dringenden Termin bei der Firma U*** in Reisenberg (Niederösterreich) habe und er sofort in sein Gebiet fahren müsse. Er verließ das Unternehmen der Beklagten zwar zwischen 9.30 Uhr und 10.00 Uhr, begab sich aber nicht auf die Fahrt nach Niederösterreich, sondern verwendete den Vormittag zum privaten Einkauf in Salzburg. Gegen 12.15 Uhr wurde er noch in der Bahnhofsgegend gesehen, als er sich auf dem Weg zur Westautobahn befand. Der davon in Kenntnis gesetzte Geschäftsführer B*** ordnete an, vorerst noch den Tagesbericht abzuwarten. Der Kläger fuhr am Nachmittag des 17. September 1984 nach Brunn am Gebirge, wo er die Firma N*** aufsuchte, aber niemanden mehr antraf. Auch das Betriebsgelände der Firma W*** war schon geschlossen. Nach 16.15 Uhr begab er sich zur Firma S*** in Biedermannsdorf, welche um 16.15 Uhr schließt. Es ist möglich, daß der Kläger den Firmeninhaber auf der Straße sah und ihm mitteilte, daß er am nächsten Tag wiederkommen werde. Daraufhin fuhr der Kläger weiter zur Firma I*** in Laxenburg, deren Büro ebenfalls schon geschlossen war. Er konnte aber mit dem Lagerleiter S*** eine Bestellung vorbesprechen. Nach einer Übernachtung in Schwechat besuchte der Kläger am 18. September 1984 wiederum die Firmen N***, S*** und I*** und schickte die Bestellung mit dem Tagesbericht über den 17. September 1984 an die Beklagte. Dieser Bericht langte am 20. September 1984 bei der Beklagten ein; an diesem Tag war der Geschäftsführer B*** bei einem Seminar in der Schweiz. Im Bericht gab der Kläger fälschlich an, er habe bei der Firma N*** mit dem Büro verhandelt. Weiters berichtete er, daß er bei der Firma W*** niemand angetroffen und bei der Firma S*** mit dem Chef und bei der Firma I*** mit Herrn S*** verhandelt habe. Als am 21. September 1984 der Tagesbericht über den 18. September 1984 eintraf, fiel auf, daß er teilweise Firmen auswies, die schon im Bericht über den 17. September 1984 aufschienen. Die verzeichneten Kilometerleistungen entsprachen den zurückgelegten Reisestrecken. Telefonische Nachfragen bei den Firmen S*** und I*** ergaben keine Bestätigung, daß sie vom Kläger zweimal aufgesucht worden wären. Der noch am 21. September 1984, einem Freitag, fernmündlich informierte Geschäftsführer der Beklagten erteilte die Anweisung, den Kläger mit 24. September 1984 zu entlassen. Am Montag, dem 24. September 1984, wurde die Entlassung dem Kläger schriftlich zugestellt und auch mündlich mitgeteilt. Bei seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen der Beklagten hatte der Kläger noch Anspruch auf Resturlaub, der für das Urlaubsjahr 1983/84 3,5 und für das Urlaubsjahr 1984/85 26 Werktage betrug. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Unrichtigkeiten in dem vom Kläger vorgelegten Reisebericht keine wesentlichen Umstände betroffen hätten. Der Kläger hätte keinen Arbeitstag vorgespiegelt, sondern seinem Arbeitgeber vorerst nur eine Eile vorgegeben, die tatsächlich nicht bestanden habe; er habe überdies verschwiegen, die Kunden zu spät aufgesucht zu haben. Damit habe er zwar nicht integer gehandelt, aber es habe noch kein objektiver Grund dafür bestanden, daß eine Gefährdung der Interessen des Arbeitgebers zu befürchten gewesen sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidung der Vorinstanzen im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, das Urteil des Berufungsgerichtes zu bestätigen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist, soweit sie sich gegen die Zuerkennung der von der Rechtswirksamkeit der Entlassung abhängigen Ansprüche wendet, berechtigt.
Nach § 27 Z 1 AngG, dritter Tatbestand, ist es als wichtiger Grund, der den Arbeitgeber zur vorzeitigen Entlassung des Angestellten berechtigt, anzusehen, wenn sich der Angestellte einer Handlung schuldig macht, die ihn des Vertrauens des Arbeitgebers unwürdig erscheinen läßt. Bei diesem Entlassungsgrund kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber tatsächlich geschädigt wurde, sondern darauf, ob für den Arbeitgeber vom Standpunkt vernünftigen kaufmännischen Ermessens die objektiv gerechtfertigte Befürchtung bestand, daß seine Belange durch den Angestellten gefährdet seien, weil er befürchten muß, daß der Angestellte seine Pflichten nich mehr getreulich erfüllen werde (Kuderna, Entlassungsrecht 88 f; Martinek-Schwarz AngG6 604 ff; Arb. 5.813, 6.360, 7.078, 7.687, 9.091 ua). Hiebei muß das gesamte Verhalten des Arbeitnehmers berücksichtigt werden; bei einem Angestellten mit einer größeren Vertrauensstellung ist ein strengerer Maßstab hinsichtlich der Vertrauenswürdigkeit anzulegen als bei Arbeitnehmern mit untergeordneten Tätigkeiten (Arb. 5.813, 10.017; Ind 1978 Nr. 4 1110 ua).
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes lehnte der Kläger am 17. September 1984 das dienstliche Ersuchen des Geschäftsführers der Beklagten, Ölmuster für das Lager nach Wien mitzunehmen, mit der unrichtigen Behauptung ab, er habe es eilig, da er einen dringenden Termin bei der Firma U*** wahrnehmen müsse. In Wirklichkeit verbrachte der Kläger die nächsten Stunden noch zu privaten Zwecken in Salzburg und suchte eine Firma U*** weder an diesem noch am folgenden Tag auf. Er machte sich vielmehr so spät auf den Weg in sein Gebiet, daß er keine Bestellungen mehr entgegennehmen konnte. Auch eine Vorbesprechung mit einem Lagerleiter änderte nichts an der Notwendigkeit, am nächsten Tag rechtzeitig wiederzukommen. Dennoch täuschte der Kläger in seinem Tagesbericht gegenüber der Beklagten vor, er habe mit dem Büro der Firma N***, bei der Firma S*** mit dem Chef und bei der Firma I*** mit Herrn S*** verhandelt. Sein "Geschäftserfolg" war entgegen seinem Bericht jedenfalls nicht nennenswert.
Berücksichtigt man, daß die Arbeit eines angestellten Reisenden eine besondere Vertrauenswürdigkeit voraussetzt, da weder eine exakte Überwachung der Arbeitszeit noch eine genaue Kontrolle seiner Tätigkeit möglich ist, sondern der Arbeitgeber im wesentlichen auf die Richtigkeit der Berichte und Angaben des Reisenden angewiesen ist (Arb. 10.017; Ind 1978 H 4 1110), kann die mehrfache dienstliche Irreführung des Geschäftsführers der Beklagten durch den Kläger nicht mehr als bloße Unkorrektheit angesehen werden. Dazu kommt, daß das Vertrauen des Arbeitgebers bei wiederholten Verfehlungen auch schrittweise verloren gehen kann (Kuderna aaO 89). Der Kläger wurde bereits etwa zwei Monate vorher unter der Androhung der Entlassung schriftlich verwarnt, weil er fälschlich Diäten und Kilometergeld verrechnet hatte, und es wurden ihm detaillierte Anweisungen über die Erstattung der Berichte erteilt. Ihm mußte daher klar sein, daß die Beklagte falsche Berichte nicht mehr tolerieren werde. Bei Würdigung des Gesamtverhaltens des Klägers und der neuerlichen Pflichtverletzung binnen kurzer Zeit ist daher entgegen der Ansicht der Vorinstanzen davon auszugehen, daß für die Beklagte die objektiv gerechtfertigte Befürchtung bestand, daß ihre Interessen und Belange durch den Kläger gefährdet seien. Seine Entlassung war gerechtfertigt (vgl. Martinek-Schwarz aaO 608 und 611). Die Entlassung erfolgte entgegen der Ansicht des Klägers nicht verspätet, da sie vom ortsabwesenden Geschäftsführer der Beklagten sofort nach Kenntnis der Unrichtigkeit der Angaben im Tagesbericht am Freitag, dem 21. September 1984, angeordnet und dem Kläger am Montag, dem 24. September 1984, als dem nächsten Werktag übermittelt wurde. Dadurch hat die Beklagte weder auf ihr Entlassungsrecht verzichtet noch zu erkennen gegeben, daß ihr die Weiterbeschäftigung des Klägers nicht mehr unzumutbar sei (vgl. Kuderna aaO 25 ff und 28 f; Martinek-Schwarz aaO 590). Dem Kläger stehen daher keine Ansprüche auf Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung und Abfertigung zu, wohl aber auf eine (restliche) Urlaubsabfindung nach § 10 Abs 1 UrlG. Diese beträgt für das Urlaubsjahr 1983/84 S 3.723,10 und für das Resturlaubsjahr 1984 S 12.233,04, wovon eine bereits ausgezahlte Urlaubsabfindung von S 9.654,45 abzuziehen ist. Die Kostenentscheidungen gründen sich auf § 43 Abs 2 ZPO bzw. auf die §§ 43 Abs 2 und 50 ZPO.
Anmerkung
E11788European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:014OBA00065.87.0902.000Dokumentnummer
JJT_19870902_OGH0002_014OBA00065_8700000_000