Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 3.September 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Levnaic-Iwanski als Schriftführer, in der Strafsache gegen Slavko M*** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 128 Abs 2, 129 Z 1, 130 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Ivan S*** sowie die Berufung des Slavko M*** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12.Juni 1987, GZ 7 a Vr 98/87-87, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Über die Berufungen wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Ivan S*** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 128 Abs 2, 129 Z 1, 130 zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Darnach hat er in der Zeit vom 22. August 1986 bis Ende Dezember 1986 in Wien und anderen Orten in Gesellschaft des Slavko M*** und der Radmila T*** Bargeld, Schmuck und Wertgegenstände in einem 100.000 S übersteigenden Wert zum Teil durch Einbruch den im Urteilsspruch angeführten Personen mit Bereicherungsvorsatz weggenommen, wobei er gewerbsmäßig handelte.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Das Gericht nahm als erwiesen an, daß der Angeklagte zwar leichtgradig schwachsinnig, aber doch zurechnungsfähig sei. Diese Feststellung stützte das Gericht auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. Rolf Karl J*** (I S 277 ff), der zum Ergebnis kam, daß der angeborene Schwachsinn nur leichtgradig, die praktische Intelligenz aber gut ausgebildet ist, sodaß dieser die Einsichtsfähigkeit nicht aufgehoben hat (I S 295; II S 89). Es hat diese Konstatierung auch damit begründet, daß der Beschwerdeführer die Diebstahlsorte ausspionierte und der "Motor" für die Begehung der Diebstähle war, welche durchaus zielstrebig begangen wurden, er seine Mittäter zum Mitmachen motivieren konnte sowie auch in der Lage war, im Inland die Führerscheinprüfung abzulegen, was ihm - wäre er tatsächlich zurechnungsunfähig - sicherlich nicht möglich gewesen wäre (II S 115).
Mit der Verfahrensrüge (Z 4) rügt der Angeklagte die Abweisung seines in der Hauptverhandlung am 12.Juni 1987 gestellten Antrags auf Einvernahme eines informierten Vertreters der jugoslawischen Botschaft zum Beweise dafür, "daß die Bezeichnungen über die Tauglichkeit oder Untauglichkeit im Militärdienst gerade in Jugoslawien außerordentlich streng sind", der Angeklagte mehrmals der zuständigen Kommission vorgeführt und mit Rücksicht auf seine geistige Debilität für den militärischen Dienst untauglich erklärt wurde (II S 91/92).
Das Erstgericht hat jedoch ohnedies festgestellt, daß der Beschwerdeführer vermutlich wegen seines leichtgradigen Schwachsinns nicht zum jugoslawischen Heer eingezogen wurde (II S 114) und sich im Rahmen der Beweiswürdigung auch mit diesem Umstand auseinandergesetzt, wobei es zu dem Ergebnis gelangt, daß solches keinesfalls die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten ausschließe, zumal bei der Truppe eben andere Voraussetzungen gegeben seien. Es dürfe in diesem Zusammenhang - so fährt das Erstgericht fort - auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß der Angeklagte höchstens zwei Jahre die Schule besucht habe und schon deshalb in einem modernen Heer kaum Verwendung finden könne (S 115). Auch der Sachverständige Dr. J*** hat diese Frage erörtert und - nach Einsicht in eine Ablichtung des sogenannten "Gesundheitsbuches" - dargetan, warum die dort festgehaltene "debilitas mentis" einer Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten nicht entgegenstehe (vgl. II S 88/89). Inwiefern dieses Beweisthema zur Änderung der gegebenen Beweislage, insbes. zur Entkräftung des eingeholten Sachverständigengutachtens von Bedeutung sein sollte, ist dem Antrag nicht zu entnehmen. Da die Relevanz des in Rede stehenden Beweisthemas im gegebenen Sachzusammenhang keineswegs auf der Hand liegt, wäre es erforderlich gewesen, schon anläßlich der Antragstellung in erster Instanz begründet darzutun, was daraus für die Schuldfrage zu gewinnen ist; da dies nicht geschehen ist, verfiel der Antrag zu Recht der Abweisung. Als unzureichend begründet bekämpft die Mängelrüge (Z 5) die Urteilskonstatierung, die Nichtzulassung des Beschwerdeführers zum Militärdienst spreche keineswegs für eine Unzurechnungsfähigkeit. Die oben wiedergegebenen Urteilsüberlegungen decken aber jedenfalls - zumal nicht nur zwingende, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse das Gericht nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu Tatsachenschlüssen berechtigen (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr. 26 zu § 258) - die angeführte Annahme. Damit läuft das Beschwerdevorbringen aber lediglich auf eine Bekämpfung der Beweiswürdigung hinaus, sodaß die Mängelrüge nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt ist.
Auch mit dem Vorbringen zur Rechtsrüge - das Gericht hätte die wahre Ursache der Militäruntauglichkeit feststellen müssen, sodann wäre zu prüfen gewesen, ob die damals festgestellte Nervenerkrankung sich zur Tatzeit so verschlechtert haben kann, daß eine Unzurechnungsfähigkeit gegeben war - wird ein materieller Nichtigkeitsgrund nicht aufgezeigt, sondern im Ergebnis nur versucht, die Verfahrensergebnisse in einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Sinn zu deuten.
Die Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich somit teils als offenbar unbegründet, teils als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt, sodaß sie gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 (in Verbindung mit § 285 a Z 2) StPO bzw. § 285 d Abs 1 Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen war.
Über die Berufungen des Angeklagten und des Slavko M*** wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.
Anmerkung
E11925European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0120OS00109.87.0903.000Dokumentnummer
JJT_19870903_OGH0002_0120OS00109_8700000_000