TE OGH 1987/9/3 8Ob522/87

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Veröffentlicht am 03.09.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma R*** Betriebsberatungsgesellschaft m.b.H., nunmehr KG, Hermanngasse 3, 1070 Wien, vertreten durch Dr. Johann Fontanesi, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Firma C*** Betriebsberatungsgesellschaft m.b.H., Landstraße 45, 4020 Linz, vertreten durch Dr. Eduard Saxinger und Dr. Peter Baumann, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 359.858,65 s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 30.September 1986, GZ 3 R 188/86-38, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 30.April 1986, GZ 10 Cg 82/83-32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 12.861,45 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Barauslagen von S 960,- und Umsatzsteuer von S 1.081,95) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin hatte Filialen in Linz, Salzburg und Innsbruck. Im Zuge von Überlegungen, die keinen Gewinn bringenden Filialen zu veräußern, gründeten der Prokurist der Klägerin Dr. Georg P***, der Komplementär der Klägerin Dr. L*** und der ehemalige Kommanditist der Klägerin Mag. A*** die R***-M*** Betriebsberatungsgesellschaft m.b.H. (im folgenden kurz R***-M*** genannt). Mit Vertrag vom 28./29.6.1978 übernahm dann die R***-M*** von der Klägerin die Filialen Linz und Salzburg. Es wurde in diesem Vertrag ein Kaufpreis von S 500.000,- für die Überlassung der Möbel und Einrichtungsgegenstände in Linz und Salzburg, die Überlassung des Mietvertrages und die Genehmigung des Wortes R*** vereinbart. Weiters wurde in diesem Vertrag bedungen, daß sich die R***-M*** verpflichtet, sämtliche Inserate über die U***-Werbung Gesellschaft m.b.H. in Wien (im folgenden kurz als U*** bezeichnet), eine Tochterfirma der Klägerin, oder eine etwa für Linz zu gründende U***-Gesellschaft m.b.H. mitteln zu lassen. Die U*** sollte 5 % des Inseratenwertes erhalten; das Dubiosenrisiko sollte die R***-M*** tragen.

Mit 8.3.1980 richtete der Geschäftsführer der R***-M***, Mag. A***, an die Klägerin ein Schreiben, das er als "Kündigung unseres Vertrages per März, 31." bezeichnete und in dem er die Inseratenmittlungsvereinbarung unter Hinweis auf Unzukömmlichkeiten "für nichtig erklärte". Der Komplementär der Klägerin Dr. L*** und ihr Prokurist Dr. P***, die miteinander zeichnungsberechtigt waren, unterfertigten eine an den Geschäftsführer der R***-M*** gerichteten und mit 8.4.1980 datierte Aktennotiz, daß sie eine Aufkündigung der Zusammenarbeit zwischen den genannten Firmen bei Verständnis der geäußerten Bedenken akzeptierten.

Die Beklagte ist die Rechtsnachfolgerin der R***-M***. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte die Klägerin mit ihrer am 21.10.1981 eingebrachten Klage von der Beklagten Schadenersatz wegen rechtswidriger Kündigung des Inseratenmittlungsvertrages durch die Beklagte vor Ablauf des Geschäftsjahres in der Höhe des Klagsbetrages. Sie brachte im wesentlichen vor, daß der vereinbarte Kaufpreis von S 500.000,- die Kosten der Filialgründung nicht gedeckt habe. Es sei daher beiden Teilen schon aus der Natur und dem Zweck der Vereinbarung klar gewesen, daß die R***-M*** den Vertrag bezüglich der Inseratenmittlung durch die U*** solange nicht kündigen dürfe, bis durch die Erlöse der U*** aus dieser Tätigkeit zusammen mit dem Barkaufpreis ein angemessener Kaufpreis erreicht werde. Die Beklagte habe sich daher konkludent zumindest für die Dauer von 5 Jahren zur Auftragserteilung an die U*** verpflichtet. Im übrigen sei es in der Werbemittlung Brauch, Jahresverträge abzuschließen, die wegen der sonstigen Rückverrechnung des eingräumten Rabattes nicht vorzeitig aufgelöst werden könnten. Die U*** sei als Tochter der Klägerin verpflichtet gewesen, die vereinbarte Provision der Klägerin gutzubringen bzw. rückzuerstatten; ihr Provisionsanspruch sei bereits vor diesem Rechtsstreit zur Gänze an die Klägerin abgetreten worden. Einer Kündigung des Vertrages habe die Klägerin nie zugestimmt. Die Beklagte wendete im wesentlichen ein, daß der Klägerin die aktive Klagslegitimation fehle. Nach der getroffenen Vereinbarung stehe die Provision nicht der Klägerin, sondern der U*** zu. Der Vertrag sei in keiner Weise befristet gewesen, sondern auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden. Er habe dementsprechend auch gekündigt werden können. Ein Handelsbrauch, auf den sich die Klägerin hinsichtlich der behaupteten Unkündbarkeit vor Jahresende berufe, bestehe in dieser Branche nicht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte, abgesehen von dem bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt, im wesentlichen fest, daß Dr. L*** den Gesellschaftern der Klägerin Dr. F*** und Dr. H*** gegenüber mittels vertraulicher Aktennotiz den Verkauf der Filialen als die beste Möglichkeit dargestellt hatte, da die Mittlungsprovision der U*** von 5 % für die Klägerin eine "ewige Rente" darstelle und langfristig mehr als die Kosten der Filialgründung hereinbringe. Daß Dr. P*** oder Mag. A*** seitens der Beklagten diese Aktennotiz vor Abschluß des Vertrages bekannt geworden wäre, steht nicht fest. Weiters steht nicht fest, daß etwa mündlich eine Unkündbarkeit der Werbemittlungsverpflichtung vereinbart wurde. Bei Durchführung der Inseratenmittlung der R***-M*** durch die U*** kam es in den letzten ein bis zwei Jahren vor der Kündigung immer wieder zu Fehlern. Manchmal erschienen die Inserate nicht rechtzeitig oder es wurden Rechnungen öfter gerade an die Leute geschickt, deren Arbeitsplatz mit Hilfe der Inserate neu besetzt werden sollte. Es kam auch dazu, daß Zeitungen wegen verspäteter Zahlungen Inseratensperren androhten und teilweise auch durchführten. Mit Schreiben vom 27.3.1980 bestätigte Dr. H*** als Geschäftsführer der Klägerin den Erhalt des Kündigungsschreibens. Er verwies dazu auf eine Prüfung durch einen Rechtsanwalt und stellte Schadenersatzansprüche in Aussicht.

Ein Handelsbrauch, wonach Werbemittlungsverträge nur zum Jahresende aufgekündigt werden können, besteht nicht. Es ist vielmehr auch handelsüblich, solche Verträge während des Jahres aufzulösen, wenn bei dem Werbemittlungsunternehmen Verzögerungen in der Anbotslegung, Provisionsabrechnung und Inseratenmittlung unterlaufen oder zu befürchten sind.

Daß die U*** die geltend gemachte Schadenersatzforderung der Klägerin zediert hätte, kann nicht festgestellt werden. Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß der Klägerin der geltend gemachte Anspruch schon deshalb nicht zustehe, weil sie keine Zession der Forderung an sie nachweisen habe können. Der Klagsanspruch sei aber auch deshalb nicht begründet, weil Dauerschuldverhältnisse jedenfalls unter Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist aufgelöst werden könnten. Die Beklagte habe eine Kündigungsfrist von etwa drei Wochen eingehalten. Die Klägerin habe nicht einmal behauptet, daß diese Frist unangemessen kurz gewesen sei.

Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung der Klägerin gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte rechtlich im wesentlichen aus, da der von den Streitteilen abgeschlossene Werbemittlungsvertrag ein Obligationsverhältnis darstelle, bei dem ein durch längere Zeit andauerndes Verhalten geschuldet werde, liege ein Dauerschuldverhältnis vor, das in analoger Anwendung des § 1118 ABGB grundsätzlich vorzeitig aufgelöst werden könne. Die Auflösung des Mittlungsvertrages sei daher möglich gewesen, wenn ein Ereignis eingetreten sei, das die Fortführung des Dauerschuldverhältnisses unzumutbar gemacht habe. Das sei hier der Fall. Wenn bei einer Personalwerbung Inserate nicht rechtzeitig erschienen, wenn Inseratenrechnungen an Personen geschickt würden, deren Arbeitsplatz durch das Inserat neu besetzt werden solle, wenn von Zeitungen Inseratensperren angedroht und sogar durchgeführt würden, so seien das so schwerwiegende geschäftsschädigende Vorkommnisse, daß die Beklagte zu Recht ihr Vertrauen in die Mittlertätigkeit der U*** verlieren habe müssen. Daß diese vom Erstgericht zusammengefaßten Vorwürfe nicht geringfügig seien, sondern massive Fehler darstellten, werde sogar vom Geschäftsführer der Klägerin selbst nicht bestritten. Habe aber solchermaßen ein wichtiger Grund für die Auflösung des Inseratenmittlungsvertrages bestanden, wäre selbst eine vereinbarte Unkündbarkeit belanglos. Einer Rüge oder Nachfristsetzung habe es nicht bedurft. Der Klägerin stünde sohin auch dann kein Anspruch auf Ersatz eines Schadens wegen rechtswidriger Kündigung durch die Beklagte zu, wenn ihr der Anspruch der U*** zediert worden wäre oder sie ihre Rechte aus einem Vertrag zugunsten Dritter geltend machte. Einer weiteren Erörterung, inwieweit durch die "Annahme der Kündigung" durch zeichnungsberechtigte Organe der Klägerin eine einvernehmliche Auflösung des Werbemittlungsvertrages herbeigeführt worden sei, bedürfe es bei dieser Sach- und Rechtslage nicht.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin. Sie bekämpft es erkennbar aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben bzw. "das Urteil des Berufungsgerichtes dahin abzuändern, daß das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und dem Erstsgericht die Verfahrensergänzung und neuerliche Entscheidung aufgetragen wird."

Die Beklagte hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision der Klägerin keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Hinblick auf die Höhe des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ohne die im § 503 Abs 2 ZPO normierte Einschränkung der Revisionsgründe zulässig, sachlich aber nicht berechtigt. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß Dauerschuldverhältnisse aus wichtigen Gründen aufgelöst werden können, wenn einem Teil die Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses billigerweise nicht mehr zugemutet werden kann (SZ 45/20; SZ 46/109; SZ 48/77; JBl 1985,350 uva.). Selbst die vereinbarte Unkündbarkeit steht der Auflösung des Dauerschuldverhältnisses aus einem wichtigen Grund nicht entgegen (SZ 46/109; EvBl 1982/187; JBl 1985,350 ua.). Ein derartiger wichtiger Grund liegt vor, wenn die einem Dauerschuldverhältnis immer zugrundeliegende Vertrauensbasis weggefallen ist (SZ 46/109; SZ 48/77; EvBl 1980/175; JBl 1985,350 ua.) und von einem Vertragspartner ein Verhalten gesetzt wird, das dem anderen die Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses billigerweise nicht mehr zumutbar erscheinen läßt (SZ 45/29; JBl 1982,142; EvBl 1983/12 uva.). Einer Nachfristsetzung bedarf es in derartigen Fällen grundsätzlich nicht (SZ 45/29; JBl 1974,618; MietSlg.31.110 ua.). Allerdings ist im Falle eines Kündigungsverzichtes bei der Beurteilung, ob ein wichtiger Grund zur vorzeitigen Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses vorliegt, ein strenger Maßstab anzulegen (JBl 1985,350).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen kam es bei der Durchführung der Inseratenmittlung der R***-M*** durch die U*** in den letzten ein bis zwei Jahren vor der Auflösung des Vertragsverhältnisses immer wieder zu Fehlern. Die Inserate erschienen manchmal nicht rechtzeitig; es wurden Rechnungen öfter gerade an die Leute geschickt, deren Arbeitsplatz mit Hilfe der Inserate neu besetzt werden sollte; Zeitungen drohten wegen verspäteter Zahlungen Inseratensperren an und führten sie teilweise auch durch. Dieser festgestellte Sachverhalt bedarf entgegen den Revisionsausführungen keiner Ergänzung und reicht für eine erschöpfende rechtliche Beurteilung durchaus hin. Aus ihm ergibt sich ein den Interessen der R***-M*** grob widerstreitendes Verhalten der U***, das durch einen längeren Zeitraum fortgesetzt wurde. Es war auch bei Anlegung eines strengen Maßstabes durchaus geeignet, die Vertrauensbasis zwischen diesen beiden Unternehmen zu untergraben; die Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses war der R***-M*** unter diesen Umständen billigerweise nicht zumutbar. Im Sinne der oben wiedergegebenen ständigen Rechtsprechung berechtigte dieses Verhalten der U*** die R***-M*** zur Auflösung des eingegangenen Dauerschuldverhältnisses aus einem wichtigen Grund selbst dann, wenn Unkündbarkeit dieses Dauerschuldverhältnisses vereinbart worden wäre, wobei es der Setzung von Fristen nicht bedurfte. Schon aus diesem Grund haben die Vorinstanzen mit Recht das Klagebegehren abgewiesen. Auf die weiteren in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen braucht nicht eingegangen zu werden. Der Revision der Klägerin muß unter diesen Umständen ein Erfolg versagt werden.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E11848

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0080OB00522.87.0903.000

Dokumentnummer

JJT_19870903_OGH0002_0080OB00522_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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