TE OGH 1987/9/3 8Ob613/87

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Veröffentlicht am 03.09.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Stefanie V***, Hilfsarbeiterin, 1190 Wien, Rummelhardtgasse 1/1/5, vertreten durch Dr. Heinz Damian, Rechtsanwalt in Wien, wider den Antragsgegner Alexander V***, Pensionist, 1190 Wien, Starkfriedgasse 62, vertreten durch Dr. Mag. Harald Jellinek, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung der Rechtsmäßigkeit der vorübergehenden gesonderten Wohnungsnahme gemäß § 92 Abs 2 ABGB, infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 9.April 1987, GZ 47 R 243/87-19, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 6.März 1987, GZ 2 F 2/87-16, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin beantragte die Feststellung, daß ihre vorübergehende gesonderte Wohnungsnahme gerechtfertigt sei und brachte zusammengefaßt vor, sie sei vom Antragsgegner wiederholt bedroht und geschlagen worden, wobei die ehelichen Auseinandersetzungen am 23.Februar 1986 ihren Höhepunkt erreicht hätten.

Der Antragsgegner beantragte die Abweisung des Feststellungsbegehrens bzw. die Feststellung, daß die gesonderte Wohnungsnahme der Antragstellerin nicht gerechtfertigt war, bestritt, daß er die Antragstellerin geschlagen oder bedroht habe und brachte vor, daß der Vorfall am 23.Februar 1986 ein von der Antragstellerin und den beiden gemeinsamen Kindern der Streitteile gegen ihn gerichtetes Komplott gewesen sei.

Das Erstgericht gab dem Antrag statt, wobei es von folgenden wesentlichen Feststellungen ausging:

Der Antragsgegner hat die Antragstellerin bereits seit Jahren wiederholt geschlagen. Schon vor zwei oder drei Jahren stieß er sie gegen einen Kasten. Ein anderes Mal schlug er ihr ins Gesicht, stellte ihr ein Bein, sodaß sie hinfiel und drohte, ihr das Genick zu brechen und zwar so, daß niemand von einem Fremdverschulden etwas merken würde. Zwischen den Streitteilen bestehen schon seit Jahren Streitigkeiten. Diese intensivierten sich, als gegen Ende des Jahres 1985 die Unterhaltspflicht des Antragsgegners der Antragstellerin gegenüber rechtskräftig festgestellt wurde. So kam der Antragsgegner etwa im Jänner 1986 in die Küche, legte einen Zettel und das Geld hin und sagte, daß ihm die Antragstellerin Radio- und Fernsehgebühr bezahlen soll. Der Antragsgegner schrie herum, stieß die Antragstellerin auch und diese hat ihm, bloß um einen Streit zu vermeiden, den Betrag von S 361,-- für diese Gebühren ersetzt. Ab Dezember 1985 sprachen die Streitteile auch nichts mehr miteinander. Sie lebten beide in der Ehewohnung, jedoch in der Form getrennt, daß die Antragstellerin ihre Freizeit nach Arbeitsschluß in der im selben Haus befindlichen Wohnung ihrer Mutter verbrachte, dort noch die Nachrichten um 19,30 Uhr im Fernsehen ansah und um 20,00 Uhr in die Ehewohnung zurückkehrte. Hier sperrte sie sich dann im Schlafzimmer ein, weil sie sich vor dem Antragsgegner fürchtete. Die beiden Kinder der Streitteile, Alexandra und Andreas V***, wußten von diesen Streitigkeiten zwischen den Eltern, es war ihnen bekannt, daß der Antragsgegner die Antragstellerin wiederholt geschlagen und bedroht hatte. Aus diesem Grunde begleitete die Tochter der Streitteile in den letzten Monaten vor dem 23.Februar 1986 die Antragstellerin, wenn sie bis gegen 22,00 Uhr Nachtdienst hatte, nach Hause und wartete anschließend unter dem Gartenfenster, bis die Antragstellerin wohlbehalten im Schlafzimmer angekommen war. Durch das gekippte Schlafzimmerfenster verabschiedete sich dann die Antragstellerin von ihrer Tochter. Während die Tochter der Streitteile diese Begleitdienste regelmäßig ausführte, kam der Sohn der Streitteile, je nachdem, wie es sein Dienst zuließ, ab und zu ebenfalls mit. Dies taten die Kinder der Streitteile deshalb, weil sie wußten, daß sich die Antragstellerin vor dem Antragsgegner fürchtet und weil sie Angst um die Antragstellerin hatten. Alexandra und Andreas V*** haben zur Antragstellerin ein sehr gutes Verhältnis, während ihr Verhältnis zum Antragsgegner, also zu ihrem Vater, nur als denkbar schlecht bezeichnet werden kann. Auch sie selbst waren vom Antragsgegner, als sie bis vor 2 oder 3 Jahren noch im ehelichen Haushalt lebten, geschlagen worden. Am 23.Februar 1986 kam es am Nachmittag vor dem Haus, in welchem sich die Ehewohnung der Streitteile befindet, zwischen dem Antragsgegner und seinen beiden Kindern zu massiven wörtlichen Auseinandersetzungen. Dies teilten die Kinder dann auch der Antragstellerin mit und gaben ihrer Besorgnis Ausdruck, daß da heute noch etwas passieren könnte. Nachdem die beiden Kinder der Streitteile das Haus am Nachmittag verließen - sie hatten sich vorher in der Wohnung der Großmutter aufgehalten - machten sie sich aus, daß sie am Abend noch vorbeischauen würden, weil sie den Antragsgegner in seinem rabiaten Zustand fürchteten und meinten, der Mutter könnte etwas passieren. Die Kinder der Streitteile kamen dann gegen 20,00 Uhr wieder zum Haus, in dem sich die Ehewohnung befindet. Diesen Zeitpunkt wählten sie deshalb, weil sie wußten, daß sich die Antragstellerin in der Wohnung ihrer Mutter noch die Nachrichten um 19,30 Uhr üblicherweise ansah, um dann in die Ehewohnung zurückzukehren. Die Kinder der Streitteile nahmen unter den gartenseitigen Fenstern Aufstellung. Andreas V*** begab sich jedoch dann schon in Richtung Hauseingangstor, um allenfalls rascher zur Stelle zu sein, wenn etwas passiert. Wohnungsschlüssel hatten sie nicht, wohl aber Haustorschlüssel. Tatsächlich begab sich die Antragstellerin ca. um 20.00 Uhr, wenige Minuten nachdem die Kinder angekommen waren, wieder in die Ehewohnung. Die Antragstellerin wußte nichts davon, daß die Kinder an diesem Tage ebenfalls anwesend waren. Als sich die Antragstellerin mit einem Wasserglas durch das Wohnzimmer in das Schlafzimmer begeben wollte, stieß sie der Antragsgegner, der in einem Fauteuil saß und die Füße auf dem Tisch hatte, mit dem Fuß gegen den Oberarm. Eine Verletzung erlitt die Antragstellerin nicht, doch verschüttete sie Wasser. Der Antragsgegner hatte vorher noch eine Bemerkung über die gemeinsamen Kinder im Zusammenhang mit dem nachmittägigen Streit fallen lassen. Nach dem Tritt und nach dem Verschütten des Wassers sagte der Antragsgegner zur Antragstellerin, sie solle doch die Polizei rufen. Nun rief die Antragstellerin tatsächlich um Hilfe, woraufhin die Kinder der Streitteile zur Wohnungstür kamen und es dann zwischen den Kindern und dem Antragsgegner zu einer tätlichen Auseinandersetzung kam, die Gegenstand des Strafverfahrens zu 10 U 2522/86 des Strafbezirksgerichtes Wien war und mit einem Freispruch des Antragsgegners endete. Ab diesem Zeitpunkt nächtigte die Antragstellerin in der im selben Haus befindlichen Wohnung ihrer Mutter, wobei auch die Tochter der Streitteile mehrmals dort nächtigte. Ab 10.März 1986 hatte die Antragstellerin eine Woche Urlaub und zog endgültig aus der Ehewohnung aus.

Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, gemäß § 92 Abs 2 ABGB könne ein Ehegatte vorübergehend gesondert Wohnung nehmen, solange ihm das Zuammenleben mit dem anderen Ehegatten, besonders wegen körperlicher Bedrohung, unzumutbar sei. Das Gericht habe im Verfahren außer Streitsachen festzustellen, ob die gesonderte Wohnungsnahme rechtmäßig gewesen sei oder noch sei. Es habe bei der Entscheidung auf die gesamten Umstände der Familie Bedacht zu nehmen. Allerdings wäre der Vorfall vom 23.Februar 1986 für sich allein betrachtet noch nicht Grund genug, den Auszug der Antragstellerin aus der Ehewohnung als gerechtfertigt zu betrachten. Dieser Vorfall sei im Verhältnis der beiden Streitteile zueinander gesehen eher geringfügig gewesen, doch sei er nur der letzte Anlaß gewesen, der "das Faß zum Überlaufen brachte". Diesem Vorfall seien nämlich durch viele Jahre immer wieder vorkommende Bedrohungen und Beschimpfungen der Antragstellerin durch den Antragsgegner vorausgegangen. Es habe sich die Situation in den letzten Monaten vor diesem Vorfall besonders zugespitzt, das Verhältnis zwischen den beiden Streitteilen sei gespannter denn je zuvor gewesen. Es sei zu Drohungen und auch zu Mißhandlungen, etwa im Jänner 1986 gekommen. Die Antragstellerin habe sich vor dem Antragsgegner gefürchtet und sich auch täglich in ihrem Schlafzimmer eingesperrt. Sie sei überhaupt nur in die Ehewohnung gekommen, um dort zu schlafen. So sei es verständlich, daß der Antragstellerin am 23.Februar 1986 klar wurde, daß sie das weitere Zusammenleben mit dem Antragsgegner in einer Wohnung nicht mehr aushalte. Tatsächlich sei es ihr ab diesem Zeitpunkt unzumutbar gewesen, weiter mit dem Antragsgegner hier zu wohnen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Antragsgegners blieb erfolglos. Das Rekursgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung und billigte auch die rechtliche Beurteilung der ersten Instanz.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners aus dem Anfechtungsgrund der Nullität im Sinn des § 16 Abs 1 AußStrG mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Abweisung des Antrages der Antragstellerin. Der Antragsgegner führt in seinem Rechtsmittel aus, er habe bereits in seinem Rekurs gegen den Beschluß des Erstgerichtes vorgebracht, daß die von der Antragstellerin behaupteten Geschehnisse vom 23. Februar 1986 schon aufgrund seiner körperlichen Konstitution in der von der Antragstellerin geschilderten Art und Weise nicht stattgefunden haben könnten. Hiezu sowie zum Beweis seines Gesamtvorbringens habe er zwei weitere Beweisanträge (Einvernahme der Zeugin Berta P*** und Vornahme eines Lokalaugenscheins) gestellt. Das Rekursgericht habe sich mit seinen im Rekurs gestellten Beweisanträgen ebensowenig auseinandergesetzt wie mit seinem Vorbringen. Beweisziel sei der Nachweis gewesen, daß die Antragstellerin und auch die einvernommenen Zeugen, insbesondere bezüglich der Ereignisse vom 23.Februar 1986, nicht die Wahrheit gesagt hätten und ihnen daher keine Glaubwürdigkeit zugekommen sei. Er habe weder am 23.Februar 1986 noch vor- oder nachher ein Verhalten gesetzt, das den Auszug der Antragstellerin aus der ehelichen Wohnung gerechtfertigt hätte.

Bei Beachtung seines Vorbringens, Aufnahme und Würdigung der von ihm angebotenen Beweise hätte das Rekursgericht zum Ergebnis kommen müssen, daß die gesonderte Wohnungsnahme der Antragstellerin nicht gerechtfertigt sei. Die Nichtbeachtung seines Vorbringens und seiner Beweisanträge im Rekurs durch das Rekursgericht bewirkten eine Nichtigkeit des rekursgerichtlichen Verfahrens.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Da es sich um einen bestätigenden Beschluß des Rekursgerichtes handelt, ist der Rechtsmittelwerber auf die in § 16 AußStrG genannten Anfechtungsgründe beschränkt, von welchen er jenen der Nullität geltend macht (vgl. EFSlg.32.703). Er erachtet diesen Anfechtungsgrund durch die Unterlassung der von ihm in seinem Rekurs gegen den Beschluß des Erstgerichtes beantragten Beweisaufnahmen hinsichtlich der Vorfälle vom 23.Februar 1986 durch das Rekursgericht verwirklicht. Das Erstgericht ist hinsichtlich der Vorfälle vom 23.Februar 1986, insbesondere hinsichtlich des Stoßes, den der Antragsgegner der Antragstellerin mit dem Fuß gegen den Oberarm versetzte, nicht der Aussage des Antragsgegners, sondern vor allem jener der Antragstellerin im Zusammenhang mit den Aussagen der Kinder der Streitteile gefolgt. Der Antragsgegner hat in seinem Rekurs gegen den Beschluß des Erstgerichtes die Vornahme eines Lokalaugenscheines in der ehelichen Wohnung zum Beweis dafür beantragt, daß der von der Antragsgegnerin behauptete Tritt am 23. Februar 1986 aus der Sitzposition, die der Antragsgegner damals eingenommen hatte, faktisch unmöglich gewesen sei. Das Rekursgericht hat sich jedoch der Beweiswürdigung des Erstgerichtes angeschlossen und dessen Feststellungen übernommen, wobei es ausführte, der Antragsgegner hätte bereits im erstinstanzlichen Verfahren dieses Vorbringen zu erstatten und die entsprechenden Beweisanträge zu stellen gehabt. Die Ausführungen des Rechtsmittelwerbers vermögen jedoch keinesfalls einen so gravierenden Verfahrensmangel des Rekursgerichtes aufzuzeigen, dem das Gewicht einer Nullität beizumessen wäre, sie stellen sich vielmehr lediglich als Versuch der Bekämpfung der Beweiswürdigung der Vorinstanzen hinsichtlich der Feststellungen über die Vorfälle am 23.Februar 1986 dar; die Bekämpfung der Beweiswürdigung ist jedoch in einem Revisionsrekurs nach § 16 AußStrG nicht zulässig (EFSlg.47.206, 44.640 ua.). Mangels Vorliegens eines der im § 16 AußStrG genannten Anfechtungsgründe war der Revisionsrekurs somit als unzulässig zurückzuweisen.

Anmerkung

E11841

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0080OB00613.87.0903.000

Dokumentnummer

JJT_19870903_OGH0002_0080OB00613_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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