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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Schick, Dr. Hinterwirth und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde der Dkfm. Mag. W in W, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundeskanzlers vom 22. Juni 2001, Zl. 105.481/2-I/2/2000, betreffend Zurechnung gemäß § 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965 (PG), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die 1946 geborene Beschwerdeführerin steht als Ministerialrätin in Ruhe in einem öffentlich-rechtlichen Ruhegenussverhältnis zum Bund; ihre letzte Dienststelle war das Bundeskanzleramt, wo sie als Abteilungsleiterin tätig war.
Auf Grund einer Wirbelsäulenerkrankung, die sich (nach Angaben der Beschwerdeführerin) ab April 1992 drastisch verschlechterte, trat ab diesem Zeitpunkt eine Häufung von Krankenständen auf (Krankenstände im Jahr 1992: 106 Tage - davon 21 Tage Kuraufenthalt; 1993: 148 Tage - davon 21 Tage Kuraufenthalt; 1994: 213 Tage. Zum Vergleich: 1991 machten die Krankenstände der Beschwerdeführerin 15 Tage, 1990 17 Tage aus). Sie befand sich ab April 1992 auch mehrfach in Spitalsbehandlung (u.a. drei Spitalsaufenthalte 1992 und 1993 im Orthopädischen Spital in Speising, ein Spitalsaufenthalt 1993 im Glain Glwyd Hospital in England).
Mit Schreiben vom 4. Dezember 1994 stellte sie den Antrag, sie aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand zu versetzen und die Voraussetzungen für die Zurechnung nach § 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965 (PG) zu prüfen. Die umfassenden und intensiv durchgeführten Therapien (werden näher aufgezählt) würden ihr zwar vorübergehend Erleichterung bringen, jedoch keine nachhaltige Besserung des Gesundheitszustandes herbeiführen. Vor allem das Sitzen verursache ihr starke Schmerzen und Verspannungen, sodass nach relativ geringen Belastungen Lumbalgien und Ischialgien ausgelöst werden würden. Die sie behandelnden Ärzte hätten ihr von einer Operation abgeraten und die Fortsetzung konservativer Therapien sowie eine Änderung der beruflichen Situation empfohlen. Ihr gesundheitlicher Zustand bringe, gemessen an den Bedingungen und Anforderungen an ihrem Arbeitsplatz, eine auf Dauer unerträgliche Belastung mit sich; die Fortsetzung ihrer beruflichen Dienstleistungen lasse die Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes erwarten.
Über Veranlassung der belangten Behörde erstattete der Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie Dr. Sch. sein Gutachten vom 31. Jänner 1995, in dem er zum Ergebnis gelangte, die Beschwerdeführerin sei derzeit "vollschichtig" dienstfähig. Ein weiterer Krankenstand sei nicht gerechtfertigt. Dem schloss sich der Vertrauensarzt der belangten Behörde an. Daraufhin erteilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 14. Februar 1995 (ihr am 16. Februar 1995 zugestellt) die schriftliche Weisung, ihren Dienst an dem der Übernahme dieses Schreibens nächstfolgenden Arbeitstag anzutreten. Sollte sie wegen einer akuten Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes diese Weisung nicht befolgen können, habe sie sich ohne weitere Aufforderung der belangten Behörde spätestens an dem der Nichtbefolgung der Weisung nächstfolgenden Ordinationstag beim Vertrauensarzt zu einer vertrauensärztlichen Untersuchung einzufinden. Die Beschwerdeführerin trat ihren Dienst nicht an, suchte jedoch in Befolgung der genannten Weisung den Vertrauensarzt am 21. Februar 1995 auf.
Außerdem nahm die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 20. Februar 1995 zum Gutachten Dris. Sch. vom 31. Jänner 1995, das die Grundlage für die Aufforderung zum Dienstantritt gebildet hatte, unter Vorlage der Stellungnahme ihres Arztes Dr. P. vom 20. Februar 1995 Stellung, in der dieses Gutachten (mit näherer Begründung) als fachlich nicht haltbar bewertet wurde. Außerdem ergänzte sie ihren Antrag vom 4. Dezember 1994 und führte dazu u. a. aus:
"Seit April 1992 setzen schwerwiegende Lendenwirbelsäulenbeschwerden ein, d.h. ständige Schmerzen bis zur totalen Blockierung von Wirbelsäulensegmenten mit extrem starken Schmerzen und Bewegungsunfähigkeit. ...
Die Blockierungen setzen schlagartig ein, kündigen sich jedoch in der Regel durch vorgehende stärkere Kreuzschmerzen und Bewegungseinschränkungen an. Ich brauchte in solchen Fällen sofort fachärztliche Hilfe in Form von Manipulationen, Epiduralstichen, Akkupunktur.
Auslösende Faktoren für diese Beschwerdefälle sind vor allem längeres Sitzen, Stress, Gehen auf Asphalt, Tragen oder Heben von bereits relativ geringen Gewichten, Kuppeln beim Autofahren und insbesondere das Fehlen von für mich notwendigen Ruhepausen."
Die belangte Behörde zog hierauf den Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie Dr. R. als weiteren Gutachter bei. Auf Grund der von ihm am 15. März 1995 durchgeführten Untersuchung und verschiedener Befunde kam Dr. R. in seinem Gutachten vom 5. April 1995 zu folgendem Ergebnis:
"Diagnosen:
1)
Lumbosakralgie
2)
Lumboischialgie m. Ausstrahlung nach li
3)
Osteochondrose L4/5 und Verteprostenose L4/5
4)
Osteochondrose L5/S1 mit Verteprostenose und rechtsseitiger Neuroforamenstenose
5)
Inzipiente Coxarthrose li
6)
Discusprolaps L4/5 und Protrusion L3/4 und L5/S1.
Gegenüber den SV-GA von Dr. Sch., der der Patientin eine volle Arbeitsfähigkeit adjustiert, bin ich der Ansicht, dass auf Grund der massiven Veränderungen der LWS bei der Patientin eine nur eingeschränkte Arbeitsfähigkeit vorliegt.
Da Frau ... (die Beschwerdeführerin) eine leitende Tätigkeit
ausübt, in der sie keinen Zwangshaltungen ausgesetzt ist, und sie
dabei auch in der Lage ist, ihre Tätigkeit großteils selbst
einteilen zu können, sehe ich nicht die Notwendigkeit einer
vorzeitigen Pensionierung. Da diese Veränderungen im Bereiche der
WS einengender Natur sind, bin ich ... der Meinung, dass bei
vorherrschender Therapieresistenz eine operative Sanierung
langfristig am sinnvollsten wäre.
Zusammengefasst ist Frau ... (die Beschwerdeführerin) in der
Lage, folgende Tätigkeiten auszuüben: Sitzende Tätigkeit mit verlängerten Pausen und der Möglichkeit, eine Lageveränderung durchzuführen. Zu vermeiden sind: das Tragen von Gewichten über 6 kg, Stiegensteigen, das Besteigen von Leitern. Die Anfahrtswege im Stadtbereich mit öffentl. Verkehrsmitteln sind ihr zumutbar. Kuraufenthalt jährlich muss der Patientin zugestanden werden. Anzustreben wäre entweder eine etwas reduzierte Arbeitszeit und die Möglichkeit, alle 2 Stunden eine Pause von 15 Minuten einlegen zu können.
Insgesamt wäre eine Stressreduktion für Frau ... (der Beschwerdeführerin) anzustreben, um ihre reduzierte Arbeitsfähigkeit zu erhalten."
Der Vertrauensarzt der belangten Behörde gelangte in seinem Gutachten vom 12. April 1995 zum Ergebnis, bei der Beschwerdeführerin sei auf Grund dieses Fachgutachtens derzeit und zumindest auch in absehbarer Zukunft die körperliche Eignung für die ganztägige Ausübung einer Leitungsfunktion nicht gegeben. Aus diesem Gutachten gehe jedoch eindeutig hervor, dass stundenweise sitzende Tätigkeiten zu Erwerbszwecken mit entsprechenden Pausen weiterhin zumutbar seien.
In ihrer Stellungnahme vom 5. Mai 1995 stimmte die Beschwerdeführerin den Ausführungen zu ihrer Dienstunfähigkeit zu, vertrat aber zur Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit eine andere Auffassung als die belangte Behörde. Sie wies darauf hin, dass die vom BKA gewährten Arbeitserleichterungen (Einlegen von Arbeitspausen; frühzeitige Beendigung des Dienstes bei Auftreten von Beschwerden, um nach Hause bzw. zur Behandlung gehen zu können) nicht zu einer Verringerung der Krankenstände in den Jahren 1992 bis 1994 geführt hätten. Es sei abzusehen, dass auch in Zukunft Krankenstände von mindestens sieben Wochen pro Jahr (tatsächlich voraussichtlich wesentlich mehr - der Durchschnitt der letzten drei Jahre habe 22 Wochen betragen) auftreten würden. Dies bedeute unter Berücksichtigung ihres Urlaubsanspruches von jährlich sechs Wochen einen Ausfall von mindestens 13 bis 14 Wochen pro Jahr. Das stelle eine Grenze zur Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dar. Sie sei daher auf Grund der langen Absenzen vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen und daher aus diesem Grund erwerbsunfähig.
Mit Bescheid vom 9. Juni 1995 sprach die belangte Behörde im Spruchpunkt 1. die Ruhestandsversetzung der Beschwerdeführerin gemäß § 14 Abs. 1 Z 1 BDG 1979 mit Ablauf des 30. Juni 1995 aus. Im Spruchpunkt 2. verfügte sie, dass eine Zurechnung im Sinne des § 9 Abs. 1 PG nicht erfolge. In der Begründung verwies die belangte Behörde im Wesentlichen auf das Gutachten Dris. R. vom 5. April 1995. Dieser habe eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass die Beschwerdeführerin, wenn auch eingeschränkt, arbeitsfähig sei. Auf Grund dieses Gutachtens über den Leidenszustand sowie unter Bedachtnahme auf die Betätigung, die die Beschwerdeführerin nach ihrer körperlichen und geistigen Konstitution noch zu verrichten im Stande sei, werde von der belangten Behörde festgestellt, dass die ihr "verbliebene körperliche und geistige Leistungsfähigkeit die Ausübung einer ihrer Ausbildung (Studium der Betriebswirtschaften) zum Diplomkaufmann entsprechende erwerbsmäßige Büroarbeit, wie z.B. Kalkulationsarbeit, ermöglicht".
In seinem Erkenntnis vom 16. Dezember 1998, Zl. 95/12/0194, mit dem Spruchpunkt 2. des Bescheides der belangten Behörde vom 9. Juni 1995 aufgehoben wurde, führte der Verwaltungsgerichtshof u. a. aus, der Begriff der Erwerbsunfähigkeit bedeute, trotz des beruflich einschränkenden Zustandes, der Dienstunfähigkeit bewirkt habe, doch in der Lage zu sein, durch eigene Arbeit einen wesentlichen Beitrag zum Lebensunterhalt zu verdienen. Diese Fähigkeit sei abstrakt zu beurteilen; es komme also nicht darauf an, ob gerade ein Bedarf an der Verweisungstätigkeit bestehe oder nicht. Maßgebend sei vielmehr, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Fähigkeit des Einsatzes für bestimmte Tätigkeiten gegeben seien. Hiebei sei auch zu berücksichtigen, ob die Einsatzfähigkeit im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse der Arbeitswelt (z.B. Einhaltung der Arbeitszeit, Fähigkeit zur Selbstorganisation) gegeben sei (mit Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 8. Juni 1994, Zl. 93/12/0150).
Bei der Beurteilung der Frage, ob der Beamte im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse der Arbeitswelt einsatzfähig sei bzw. ob seine verbliebene Restarbeitsfähigkeit noch am Arbeitsmarkt verwertet werden könne, seien längere Krankenstände (von mindestens sieben bis acht Wochen pro Jahr), mit denen in Zukunft gerechnet werden müsse, bedeutsam. Die Prüfung dieser Frage habe unabhängig von einer speziellen beruflichen Tätigkeit und deren Ausmaß zu erfolgen. Die belangte Behörde hätte somit die von der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom 5. Mai 1995 untermauerte Einschätzung von zu erwartenden Krankenständen von mindestens sieben bis acht Wochen jährlich prüfen müssen. Es sei nicht erkennbar, dass Dr. R die Restarbeitsfähigkeit auch unter dem Gesichtspunkt dieser Krankenstände, die zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung aus medizinischer Sicht erfahrungsgemäß zu erwarten seien, beurteilt habe. Dies sei als sekundärer Verfahrensmangel zu werten.
Im fortgesetzten Verfahren befasste die belangte Behörde das Bundespensionsamt und ersuchte dieses, auf Grund des ärztlichen und berufskundigen Fachwissens einen Befund sowie ein Gutachten bezüglich eines zumutbaren Erwerbes der Beschwerdeführerin gemäß § 9 PG zu erstellen. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. R. wäre dahin zu ergänzen, ob eine "Restarbeitsfähigkeit" unter Berücksichtigung des Aspektes künftiger Krankenstände erfahrungsgemäß zu erwarten sei. Ebenso wäre zu prüfen, ob die Vortragstätigkeit der Beschwerdeführerin an der Verwaltungsakademie, welche sie trotz ihrer Krankenstände durchgeführt habe, auf eine allfällige Erwerbsfähigkeit schließen lasse. Die Beschwerdeführerin habe im Jahr 1994 213 Krankenstandstage aufgewiesen, wobei auffalle, dass sie während und unmittelbar nach Krankenständen (näher bezeichnete) Vortragstätigkeiten geleistet habe. Schließlich möge ermittelt werden, ob die Beschwerdeführerin, sollte sie im Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand (1. Juli 1995) erwerbsunfähig gewesen sein, diese Fähigkeit zu einem zumutbaren Erwerb wieder erlangt habe.
Der leitende Arzt des Bundespensionsamtes Dr. Z. erstattete hierauf am 2. Dezember 1999 ein Gutachten zur Leistungsfeststellung, in dem er ausführte wie folgt:
"Diagnosen (nach Relevanz hinsichtlich Arbeitsfähigkeit)
1. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit Bandscheibenschäden,
mit Lumbosacralgie und Lumboischialgie mit Ausstrahlung nach links, bei Osteochondrose und Vertebrostenose L4/L5 und L5/S1 mit rechtsseitiger Neuroforamenstenose
und Diskusprolaps L4/L5 und Protrusion L3/L4 und L5/S1
2. degenerative Hüftgelenksveränderungen, mäßig links, beginnend rechts
3. Gastritisneigung, berichteterweise Leistungskalkül
Restarbeitsfähigkeit: Ja
Begründung:
Es bestehen erhebliche degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und der Bandscheiben im Lendenwirbelbereich. Die Beschwerdeangaben stimmen mit den in bildgebenden Verfahren erhobenen Befunden und mit den vorhandenen klinischen Untersuchungsbefunden überein. Die Zunahme der Beschwerden seit 1992, sowie die Zunahme der Krankenstände trotz fachgerecht durchgeführter konservativ-orthopädischer Behandlungen weisen auf eine Chronizität der Leidenszustände infolge der Veränderungen am Bewegungsapparat. Eine Besserung ist nicht mehr zu erwarten, stationäre Heilverfahren und Kuraufenthalte brachten nur vorübergehende Besserung, sind aber zur Stabilisierung notwendig. Die Beschwerden bestehen dauernd, und werden durch Belastungen wie dauerndes, oder längeres Sitzen, Stehen, Gehen sowie Hebe- und Tragearbeiten verstärkt. Es treten plötzliche Verschlimmerungen auf, die mit Schmerzzunahme und Bewegungsunfähigkeit einhergehen, im Zeitraum 1992-1995 war dies insgesamt 6 x der Fall, dabei wird sofort fachärztliche Hilfe benötigt. Stressbelastungen, fehlende Ruhepausen sowie Betätigung des Kupplungspedals beim Autofahren führen zum Beispiel zur Verschlimmerung.
Durch physikalische Maßnahmen ist immer wieder eine weitgehende Beschwerdeminderung, wie zum Zeitpunkt der Untersuchung bei Dr. Sch., zu erzielen, insgesamt ist aber ein Weiterbestehen des Symptomenkomplexes Schmerz-Bewegungseinschränkung mit zunehmender Häufigkeit des Auftretens plötzlicher Schmerzzustände zu erwarten. Einmal im Jahr ist ein 4- wöchiger Kuraufenthalt angezeigt, dabei ist eine vorübergehende Besserung zu erzielen. Zusätzlich sind, unter der Annahme der Einwirkung einer leichten körperlichen Arbeitsbelastung, wie sie zum Beispiel bei üblicher Büroarbeit auftritt, Krankenstände im Ausmaß von 2-3 Wochen im Jahr zu erwarten.
Ein darüber hinausreichendes Ausmaß an Krankenständen wäre durch gezielte, regelmäßige konservativ-orthopädische Behandlungen unter aktiver Mitarbeit bei der konsequenten Durchführung von u.a. die Muskulatur kräftigenden körperlichen Übungen, zu verhindern. Die Tatsache, dass kurz nach den Krankenständen oder auch während der Krankenstände eine Vortragstätigkeit ausgeübt wurde, berechtigt aus medizinischer Sicht nicht, davon prinzipiell das Vorhandensein einer Arbeitsfähigkeit im Rahmen einer, wenn auch geringer belastenden, aber regelmäßigen Tätigkeit abzuleiten. Bei der ausgeübten Vortragstätigkeit kommt es zu einer nur kurzen, wenn auch mäßigen körperlichen Beanspruchung, die durch die beschriebene hohe Motivation sicher bewältigt und ausgeglichen werden konnte. Derartige Belastungen sind nur kurzfristig möglich, keinesfalls aber im Rahmen einer regelmäßigen Tätigkeit, wo anschließend weitere Arbeiten verrichtet werden müssen. Die auftretende Belastung zur Durchführung der Vorbereitungsarbeit für die Vortragstätigkeit ist als gering einzuschätzen, und kann nicht beispielhaft dafür verwendet werden, eine zumutbare Arbeitsleistung anschaulich zu machen. Gleiches gilt auch für den Anmarschweg, der nicht jeden Tag erfolgen musste.
Im orthopädischen Gutachten Dr. R. ist eine zutreffende Beurteilung der vorhandenen Arbeitsfähigkeit enthalten:
Anzustreben wäre eine etwas reduzierte Arbeitszeit und die Möglichkeit, alle 2 Stunden eine Pause von 15 Minuten einlegen zu können. Daraus folgt, dass eine regelmäßige Tätigkeit innerhalb eines 8-Stundentages auch unter schonenderen Bedingungen auf Dauer nicht mehr möglich ist. Geistig mittelschwere und schwere Arbeiten sind beim durchschnittlichem Zeitdruck durchführbar, eine körperlich leichte Tätigkeit kann in wohltemperierten Räumen bei wechselnder Körperhaltung erfolgen. Dieses Leistungskalkül ist seit der Ruhestandsversetzung auf Dauer anzunehmen.
Zusammen mit einer notwendigen weitgehenden Stressreduktion ist die Erhaltung einer reduzierten Arbeitsfähigkeit unter diesen Voraussetzungen zu erwarten. Berufliche Umstellbarkeit besteht ohne Einschränkung, ein Anmarschweg von 500 Metern ist innerhalb einer halben Stunde zu bewältigen."
Hierauf gestützt erstattete der berufkundige Sachverständige Dr. S. am 20. Jänner 2000 ein Gutachten, in dem er zur ergonomischen Eignung und zur beruflichen Verweisbarkeit der Beschwerdeführerin ausführte:
"Es bestehen erhebliche degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und der Bandscheiben im Lendenwirbelbereich. Eine Besserung ist nicht mehr zu erwarten, stationäre Heilverfahren und Kuraufenthalte brachten nur vorübergehende Besserung, sind aber zur Stabilisierung notwendig. Die Beschwerden bestehen dauernd und werden durch Belastungen wie dauerndes oder längeres Sitzen, Stehen, Gehen sowie Hebe- u. Tragearbeiten verstärkt. Einmal im Jahr ist ein 4-wöchiger Kuraufenthalt angezeigt, dabei ist eine vorübergehende Besserung zu erzielen. Zusätzlich sind, unter der Annahme der Einwirkung einer leichten körperlichen Arbeitsbelastung wie bei üblicher Büroarbeit, Krankenstände im Ausmaß von 2 bis 3 Wochen im Jahr zu erwarten.
Im orthopädischen Gutachten Dr. R. ist eine zutreffende Beurteilung der vorhandenen Arbeitsfähigkeit enthalten:
anzustreben wäre eine etwas reduzierte Arbeitszeit und die Möglichkeit, alle 2 Stunden eine Pause von 15 Minuten einlegen zu können. Daraus folgt, dass eine regelmäßige Tätigkeit innerhalb eines 8-Stundentages auch unter schonenderen Bedingungen auf Dauer nicht mehr möglich ist. Geistig mittelschwere und schwere Arbeiten sind bei durchschnittlichem Zeitdruck durchführbar, eine körperlich leichte Tätigkeit kann in wohltemperierten Räumen bei wechselnder Körperhaltung erfolgen. Dieses Leistungskalkül ist seit der Ruhestandsversetzung auf Dauer anzunehmen.
Zusammen mit einer notwendigen weitgehenden Stressreduktion ist die Erhaltung einer reduzierten Arbeitsfähigkeit unter diesen Voraussetzungen zu erwarten. Berufliche Umstellbarkeit besteht ohne Einschränkung, ein Anmarschweg von 500 m ist innerhalb einer halben Stunde zu bewältigen.
Berufskundlicher Befund:
Die vorliegende Berufsanamnese zeigt, dass Frau ... (die Beschwerdeführerin) das Studium der Betriebswirtschaft abgeschlossen hat und seit 14 Jahren im Bundeskanzleramt beschäftigt ist, dabei zuletzt als Abteilungsleiterin für Verwaltungsreformen (seit 30.6.1995 im Ruhestand). Nebenbei war sie als Vortragende an der Verwaltungsakademie des Bundes tätig (Organisationslehre).
Insgesamt kann die angeführte Tätigkeit der Verwendungs- (Beschäftigungs-)Gruppe V (5) zugeordnet werden (KV für Handels-, Industrie- u. Privatangestellte):
Angestellte, die besonders verantwortungsvolle Arbeiten selbständig ausführen, wozu umfangreiche und überdurchschnittliche Spezialkenntnisse und mehrjährige praktische Erfahrung notwendig sind. Ferner sind sie regelmäßig und dauernd mit der verantwortlichen Führung, Unterweisung und Beaufsichtigung von über 5 Angestellten beauftragt.
Vergleichbare Arbeitsplätze am allgemeinen Arbeitsmarkt (ohne Vollständigkeitscharakter): Bilanzbuchhalter, Leiter von Personalbüros, EDV-Analytiker, Leitende Konstrukteure, Sachbearbeiter für besondere technische Aufgaben, Sicherheitstechniker, Lagerleiter, Leiter von wissenschaftlichen Abteilungen (Archiv-, Bibliotheks- u. Dokumentarwesen u.dgl.).
Gutachtliche Stellungnahme:
Berufskundlicherseits erscheint aufgrund des vorliegenden Leistungskalküls der zuletzt besetzte Arbeitsplatz nicht mehr zumutbar, Unfähigkeit nach § 9 PG 1965 besteht für die Beamtin jedoch nicht.
Bei einer - schon gängigen - Reduktion der Wochenarbeitszeit auf etwa 30 Stunden kann Frau ... (die Beschwerdeführerin) durchaus höhere bis leitende Arbeiten in den genannten wissenschaftlichen Abteilungen (siehe Berufskundlicher Befund!) leisten - ohne Überschreitung des gegebenen Kalküls.
Des Weiteren wäre im Rahmen einer selbständigen Erwerbstätigkeit eine (schon während des Krankenstandes ausgeübte!) Lehr- und Vortragstätigkeit als Lektorin an Akademien, Fachhochschulen u.dgl. möglich. Eine selbständige Berufsausbildung im Rahmen einer Beratungs- od. Werbeagentur erscheint aufgrund der vorliegenden Qualifikation ebenfalls denkbar."
Die Beschwerdeführerin erstattete - nach Aufforderung durch die belangte Behörde - am 16. März 2000 und am 26. Juli 2000 Stellungnahmen. Darin wandte sie sich gegen die dargestellten Ausführungen der Sachverständigen. Die Krankenstandsprognose sei insofern nicht nachvollziehbar, als in ihren letzten Dienstjahren trotz weitgehender Rücksichtnahme durch den Dienstgeber (wenn auch das nunmehr vorgegebene Leistungskalkül nicht einzuhalten gewesen sei) sowie trotz intensiv-konservativ-orthopädischer und physikalischer Behandlungen und jährlicher Kuraufenthalte Krankenstände von durchschnittlich 22 Wochen pro Jahr aufgetreten seien. Es sei daher nicht nachvollziehbar, dass "bei Einhaltung dieses Leistungskalküls" eine Reduzierung der Krankenstände auf unter 7 Wochen zu erwarten wäre. Die vom medizinischen Sachverständigen angegebene Restarbeitsfähigkeit sei durch das Erfordernis leichter körperlicher Arbeitsbelastung bei weitgehender Stressreduktion mehrfach beschränkt. Betrachte man die soziale Stellung der Beschwerdeführerin als Abteilungsleiterin, komme man zum Ergebnis, dass es weder in der Privatwirtschaft noch im öffentlichen Dienst eine Tätigkeit als Führungskraft gebe, die bei Einhaltung einer auf 30 Wochenstunden reduzierten Arbeitszeit und eines reduzierten Arbeitseinsatzes ausgeübt werden könne. Eine Teilzeitarbeit für Führungskräfte unter Ausschluss von Überstunden sei ebenso wenig denkbar wie eine Führungsarbeit, die gänzlich ohne Stressbelastung verrichtet werden könne. Sehe man von den unbeachtlichen Rechtsausführungen des berufskundigen Sachverständigen ab, gebe es somit keinen möglichen Verweisungsberuf, der von ihr unter Berücksichtigung ihres Leistungskalküls zumutbarer Weise noch verrichtet werden könnte.
Dazu komme, dass schon der medizinische Sachverständige zu krankheitsbedingten Abwesenheiten von 7 Wochen im Jahr gelange. Um weitere Abwesenheiten zu vermeiden, die in keinem Zusammenhang mit ihren Wirbelsäulenbeschwerden stünden, dürften somit keine sonstigen Krankenstände (beispielsweise durch Grippe) anfallen. Bei Verweisung auf Berufstätigkeiten in der Privatwirtschaft übersehe der berufskundige Sachverständige, dass schon ihre bisherige Tätigkeit im Bundeskanzleramt infolge der Vielzahl von Krankenständen nicht gefragt gewesen sei. Anforderungen an den Gesundheitszustand könnten in der Privatwirtschaft nicht so viel geringer sein als im Bereich öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse. Vortragstätigkeiten im Bereich der belangten Behörde (an der Verwaltungsakademie) habe sie nur unter besonderen Anstrengungen und vorübergehend ausgeübt (wird näher ausgeführt). Keinesfalls könnten in diesem Umfang regelmäßige Tätigkeiten vorgenommen werden.
Infolge Unterbleibens einer Entscheidung durch die belangte Behörde erhob die Beschwerdeführerin in dieser Sache am 26. März 2001 die zur hg. Zl. 2001/12/0071 protokollierte Säumnisbeschwerde. Das Verfahren hierüber wurde nach Erlassung des nunmehr bekämpften Bescheides mit Beschluss vom 13. September 2001 eingestellt.
Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde - ohne Ergänzung des Ermittlungsverfahrens - aus wie folgt:
"SPRUCH
Der Bundeskanzler gelangt nach Erfassung und Beurteilung des Sachverhaltes zu dem Schluss, dass Sie zu einem zumutbaren Erwerb fähig sind. Eine Zurechnung von Zeiten im Sinne des § 9 Abs. 1 Pensionsgesetz 1965, BGBl. Nr. 340, zur Erlangung eines höheren Ruhegenusses erfolgt nicht."
Nach Darstellung des bisherigen Verfahrens, der eingeholten Gutachten und der Rechtslage führte die belangte Behörde aus, "neben den Diagnosen und dem Leistungskalkül" gehe der leitende Arzt des Bundespensionsamtes Dr. Z. genau auf die zu erwartenden Krankenstände (von 2 bis 3 Wochen jährlich neben einem 4-wöchigen Kuraufenthalt) ein. Gerade das bewirke nach ständiger Judikatur keinen Ausschluss vom allgemeinen Arbeitsmarkt. Der Rückgriff auf die im Dienststand in den letzten Jahren aufgelaufenen Krankenstände (22 Wochen pro Jahr) diene der Untermauerung der für den Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand anzustellenden Prognose betreffend künftige Krankenstände. Nach der Ergänzung der Sachverständigen-Beweise sei für die Zukunft ein ähnliches Ausmaß an Krankenständen nicht zu erwarten. Die Dienstbehörde schließe sich der Meinung des Sachverständigen Dr. Z. an, wonach längere Krankenstände durch gezielte regelmäßige konservativ-orthopädische Behandlung unter aktiver Mitarbeit bei der konsequenten Durchführung von u.a. die Muskulatur kräftigenden körperlichen Übungen verhindert würden. Der berufskundige Sachverständige Dr. S. habe ausreichend adäquate Verweisungstätigkeiten genannt (wird näher dargestellt). Bei einer Reduktion der Wochenarbeitszeit auf etwa 30 Stunden komme es nicht zu einer Überschreitung des gegebenen Kalküls.
Durch das Studium der Betriebswirtschaft und durch ihre Führungsfunktion als Leiterin der Abteilung für Verwaltungsreformen habe sich die Beschwerdeführerin umfangreiche Spezialkenntnisse angeeignet, mit denen sie sowohl in den vom berufskundigen Sachverständigen demonstrativ aufgezählten Arbeitsplätzen, als auch in vielen anderen Vergleichsarbeitsplätzen ohne langjährige Ausbildung in eine Führungsposition hätte einsteigen können. Der Begriff der Erwerbsunfähigkeit sei weiter als der der Dienstunfähigkeit. Ersterer werde schon dadurch ausgeschlossen, in der Lage zu sein, durch eigene Arbeit einen wesentlichen Beitrag zum Lebensunterhalt zu verdienen. Diese Fähigkeit sei abstrakt zu beurteilen. Es komme also nicht darauf an, ob gerade ein Bedarf an der Verweisungstätigkeit bestehe oder nicht. Maßgebend sei vielmehr, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen "für die Fähigkeit des Einsatzes für bestimmte Tätigkeiten" gegeben seien. Die vom Sachverständigen Dr. S. herangezogenen Vergleichsberufe kommen der früheren dienstlichen Stellung der Beschwerdeführerin annähernd gleich und könnten ihr daher zugemutet werden. Weiters bilden trotz Krankenstandes oder in unmittelbarem Anschluss daran ausgeübte Vortragstätigkeiten ein Indiz für die Erwerbsfähigkeit. Es erfolge somit keine Anrechnung von Zeiten gemäß § 9 des Pensionsgesetzes 1965 zur Erlangung eines höheren Ruhegenusses.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften releviert.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gegenstand des im zweiten Rechtsgang erlassenen angefochtenen Bescheides vom 22. Juni 2001 ist ausschließlich die Zurechnung von Jahren im Sinn des § 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965 (PG).
Im Beschwerdefall ist auf Grund des zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (26. Juni 2001) geltenden § 62j Abs. 2 Satz 1 in der Fassung des Pensionsreformgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 95 (siehe nunmehr § 96 Abs. 2 Satz 1 PG 1965 idF BGBl. I Nr. 119/2002) wegen des bereits vor dem 1. Oktober 2000 entstandenen Anspruches der Beschwerdeführerin auf Ruhegenuss nach dem PG 1965 dessen § 9 in der am 30. September 2000 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.
Diese Bestimmung lautet (in der Fassung des Art. I Z. 4 der 8. Pensionsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 426/1985):
"(1) Ist der Beamte ohne sein vorsätzliches Verschulden zu einem zumutbaren Erwerb unfähig geworden, so hat ihm die oberste Dienstbehörde aus Anlass der Versetzung in den Ruhestand den Zeitraum, der für die Erlangung des Ruhegenusses im Ausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage erforderlich ist, höchstens jedoch zehn Jahre, zu seiner ruhegenussfähigen Bundesdienstzeit zuzurechnen."
Nach der Verfahrensbestimmung des § 36 Abs. 1 Satz 3 PG 1965 idF der am 1. September 1998 in Kraft getretenen 1. Dienstrechts-Novelle 1998, BGBl. I Nr. 123, sind bei der Zurechnung von Zeiträumen gemäß § 9 vom Bundespensionsamt - ausgenommen für die der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft zugewiesenen Beamten - Befund und Gutachten zu erstatten, soweit die Beurteilung eines Rechtsbegriffes von der Beurteilung von Fragen abhängt, die in das Gebiet ärztlichen oder berufskundlichen Fachwissens fällt (vgl. dazu ausführlich das hg. Erkenntnis vom 13. September 2002, Zl. 2000/12/0232, mwN der Vorjudikatur).
Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Zurechnung von Jahren zur ruhegenussfähigen Bundesdienstzeit nach § 9 Abs. 1 PG 1965 in der im Jahr 1995 geltenden Fassung durch unrichtige Anwendung dieser Norm sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung (§§ 1 und 8 DVG, §§ 37, 39 und 60 AVG) verletzt.
Im Mittelpunkt der Beschwerde steht die Frage, ob die Dauer der zu erwartenden Krankenstände, deren Prüfung sich aus dem den ersten Rechtsgang abschließenden Erkenntnis vom 16. Dezember 1998, Zl. 95/12/0194, wegen der Bedeutung für die Bejahung der Erwerbstätigkeit (siehe dazu die obige Sachverhaltsdarstellung) für das mit dem angefochtenen Bescheid abgeschlossene fortgesetzte Verfahren ergab, von der belangten Behörde in einem den Anforderungen des AVG genügenden Verfahren zutreffend beurteilt wurde.
Unter diesem Gesichtspunkt bringt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, der ergänzte medizinische Sachverständigenbeweis habe kein fundiertes und nachvollziehbares Ergebnis zur Prognosebeurteilung einer Reduzierung der Krankenstände auf weniger als ein Fünftel des bis zur Versetzung in den Ruhestand unstrittigen Ausmaßes erbracht. Dies gelte umso mehr deshalb, weil der medizinische Sachverständige andererseits selbst davon ausgehe, dass eine Besserung ihres Zustandes nicht mehr zu erwarten sei. Seine Ausführungen, Krankenstände über dem von ihm prophezeiten Maß seien durch bestimmte therapeutische Maßnahmen vermeidbar, sei unklar, weil er hiebei anscheinend stillschweigend voraussetze, ihre bisherige therapeutische Behandlung hätte Mängel aufgewiesen oder doch nicht jene besondere Qualität gehabt, die er nunmehr vorgebe. Dies hätte allerdings im Detail ausgeführt werden müssen, weil sie erst dadurch Gelegenheit gehabt hätte, konkret auf die Ausführungen des Sachverständigen zu erwidern und seine Annahmen zu widerlegen. Alles, "was seiner Meinung nach auf einmal die wunderbare Besserung bringen soll", sei im Rahmen ihrer Heilbehandlung schon berücksichtigt worden und habe nicht den vom Sachverständigen als erzielbar angenommenen Erfolg gehabt. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen seien demnach nicht sachkonform.
Ebenso habe der Sachverständige nicht ausdrücklich behauptet, dass sie als Folge einer beruflich weniger belastenden Tätigkeit seltener krankheitsbedingt dienstunfähig würde. Auch dies wäre höchst unwahrscheinlich. Im Vordergrund stünden bei ihr nämlich körperliche Beeinträchtigungen, wobei bereits der Beamtendienst nicht sonderlich belastend gewesen sei. Die herangezogenen Verweisungsberufe hätten keine erkennbar unterschiedliche Charakteristik. Auch sei es völlig unrealistisch anzunehmen, dass allein eine Beschränkung der Arbeitszeit auf 30 Wochenstunden den eingangs dargestellten Erfolg mit sich bringen könnte. Unverzichtbar wäre es jedenfalls gewesen, dass der Sachverständige genau und auf eine für einen Laien begreifbare Weise dargelegt hätte, wovon er in dieser Beziehung ausgegangen sei und nach welchen fachwissenschaftlichen Einsichten seine Folgerungen gezogen worden seien. Das Fehlen entsprechender Ausführungen hätte die belangte Behörde zur Ergänzung des Sachverständigenbeweises veranlassen müssen.
Schon mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Recht.
Ein Sachverständigenbeweis nach § 52 AVG hat aus einem Befund und dem Urteil, also dem Gutachten im engeren Sinn, zu bestehen. Hiebei hat der Befund all jene Grundlagen und die Art ihrer Beschaffung zu nennen, die für das Gutachten, das sich auf den Befund stützende Urteil, erforderlich sind. Dieses Urteil muss so begründet sein, dass es auf seine Schlüssigkeit hin überprüft werden kann. Zu diesem Zweck muss der Sachverständige darlegen, auf welchem Weg und unter Verwendung welcher wissenschaftlicher Grundlagen er zu seinen Schlussfolgerungen gekommen ist. Ein Sachverständigengutachten, das diese Ableitung nicht erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar. Die Behörde, die eine derartige Äußerung ihrer Entscheidung zu Grunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes gemäß § 37 AVG nicht gerecht (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, E 70a und 71a zu § 52 AVG; ebenso in Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8, die in Rz 359 in den Fußnoten wiedergegebene ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).
Diesen Anforderungen wird das Ergänzungsgutachten Dris. Z vom 2. Dezember 1999 nicht gerecht.
Zwar geht dieses ergänzende Gutachten bei seiner Einschätzung der Dauer der Krankenstände (2-3 Wochen) in einem anderen Beruf nach seinen Annahmen von anderen Voraussetzungen aus, als sie der letzten Tätigkeit der Beschwerdeführerin im Aktivstand entsprachen (nämlich keine Vollbeschäftigung im Ausmaß von täglich 8 Stunden; jährlicher vierwöchiger Kuraufenthalt statt wie bisher nicht jährlicher dreiwöchiger Kuraufenthalt; Annahme einer leichten körperlichen Arbeitsbelastung, wie sie z.B. bei üblicher Büroarbeit auftrete; regelmäßige konservativorthopädische Behandlungen unter aktiver Mitarbeit der Beschwerdeführerin).
Das Gutachten lässt aber nicht erkennen, von welchem Ausmaß der Einschränkung der Arbeitszeit (aus medizinischer Sicht) auszugehen ist; die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung im Ausmaß von 30 Wochenstunden stammt erst vom berufskundlichen Gutachter.
Offen ist auch geblieben, weshalb nur von einer üblichen Büroarbeit und der damit verbundenen Arbeitserleichterung (in physischer Sicht) ausgegangen wurde. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass es im Beschwerdefall um die Beurteilung der Zumutbarkeit eines Erwerbs - gemessen an der sozialen Stellung, die die Beschwerdeführerin in ihrer letzten Verwendung im Aktivstand als Beamtin erreicht hat - geht und somit von eine leitenden Stellung auszugehen ist. Zum einen ist damit klärungsbedürftig geblieben, warum nur übliche Büroarbeiten als Ausgangspunkt für die Beurteilung der Belastungen gewählt wurden. Zum anderen sind mit einer leitenden Stellung typischerweise nicht unerhebliche psychische Belastungen (Stress) verbunden. Da die Stressbelastung nach den Feststellungen im Ergänzungsgutachten Dris. Z als Beispiel für die Verschlimmerung des Wirbelsäulenleidens der Beschwerdeführerin angeführt würde, ist das Gutachten ergänzungsbedürftig geblieben, weil offenbar nur die physische, nicht aber auch die psychische Belastungskomponente geprüft wurde, ohne dass hiefür eine nähere Begründung gegeben wird.
Ebenso fehlt ein Eingehen auf die Frage, ob die vom Sachverständigen Dr. Z. vorgeschlagene Therapie (gezielte regelmäßige konservativ-orthopädische Behandlungen unter aktiver Mitarbeit der Beschwerdeführerin bei der konsequenten Durchführung von u.a. die Muskulatur kräftigenden körperlichen Übungen) bereits früher versucht wurde sowie aus welchen Gründen jedenfalls bis zum Jahr 1995 entweder solche Versuche oder hieraus erwachsende Erfolge unterblieben sind. Anzumerken ist, dass die belangte Behörde (in ihrer Gegenschrift) die schon aus § 79 Abs. 5 des BDG 1979 folgende Gleichstellung von Kuraufenthalten und Krankenständen zutreffend nicht in Zweifel zieht, zumal auch die Auswirkungen beider Abwesenheiten vom Dienst auf die Einsatzfähigkeit und Selbstorganisation und damit für die Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt identisch sind.
Das Gutachten ist damit in mehrfacher Hinsicht ergänzungsbedürftig geblieben. Die auf diesen Feststellungen aufbauende, unter der ausdrücklichen Feststellung, eine Besserung des Zustandsbildes der Beschwerdeführerin sei nicht zu erwarten, gezogene Schlussfolgerung, die in Bezug auf die zu erwartenden Krankenstände - verglichen mit den Krankenständen in den letzten Jahren ihres Aktivdienstes (unbestritten im Durchschnitt 22 Wochen) - in der Prognose zu einer drastischen Verringerung derselben führte, ist damit nicht nachvollziehbar.
Soweit die belangte Behörde erstmals in ihrer Gegenschrift die Rechtfertigung des Ausmaßes der Krankenstände der Beschwerdeführerin im Aktivstand mit allgemeinen rechtlichen Ausführungen in Zweifel zieht, ist darauf nicht weiter einzugehen. Abgesehen davon fehlt es an konkreten Feststellungen, aus welchen Gründen und in welchem Ausmaß dies nach Auffassung der belangten Behörde nicht der Fall gewesen sein soll. Im Übrigen schiene es bei einem Festhalten an diesem Argument auch in hohem Grade klärungsbedürftig, warum die angeblich ungerechtfertigte Inanspruchnahme eines "Krankenstandes" nicht bereits während des Aktivstandes der Beschwerdeführerin aufgegriffen und zu entsprechenden Maßnahmen der Dienstbehörde (Disziplinaranzeige; Entfall der Bezüge nach § 13 Abs. 3 GehG) geführt hat, sondern erst Jahre später im Verfahren nach § 9 Abs. 1 PG 1965 herangezogen wird (offenbar zum Nachweis dafür, dass selbst bei Ausübung ihrer Funktion im öffentlichen Dienst ihr Gesundheitszustand bloß ein wesentlich geringeres Ausmaß gerechtfertigter "Krankenstände" als von ihr in den letzten Jahren vor ihrer Ruhestandsversetzung in Anspruch genommenen, nach sich gezogen hat).
Die Schlüssigkeit des auf dem medizinischen Gutachten aufbauenden berufskundlichen Gutachtens musste nicht gesondert erörtert werden (vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2001, Zl. 96/12/0081). Bemerkt wird aber, dass im fortgesetzten Verfahren (sollte die Restarbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin aus medizinischer Sicht zu bejahen sein) auch zu prüfen sein wird, ob für die (einer Leitungsfunktion im öffentliche Dienst als vergleichbar angesehenen) Verweisungsberufe eine Teilzeitbeschäftigung (zur Zulässigkeit des Verweises auf eine Teilzeitbeschäftigung vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2001, Zl. 96/12/0081, mwH auf die Rechtsprechung des OGH) am Arbeitsmarkt überhaupt (an sich) nachgefragt wird; der in den Ausführungen des berufskundlichen Gutachters enthaltene Hinweis ("Bei einer - schon gängigen - Reduktion der Wochenarbeitszeit auf etwa 30 Stunden ...") beantwortet diese Frage nicht hinreichend.
Soweit sich die belangte Behörde auf die während des Aktivstandes von der Beschwerdeführerin von Jänner bis Mai 1994 zum Teil während oder knapp vor oder nach Krankenständen ausgeübte Vortragstätigkeit an der Verwaltungsakademie des Bundes bezieht und darauf zusätzlich ihre Auffassung stützt, die Beschwerdeführerin sei (im maßgebenden Zeitpunkt ihrer Ruhestandsversetzung) erwerbsfähig gewesen, ist sie auf die (in diesem Punkt schlüssigen) Ausführungen im Ergänzungsgutachten Dris. Z vom 2. Dezember 1999 zu verweisen, der aus dieser Tätigkeit (aus medizinischer Sicht) die Möglichkeit eines Rückschlusses auf das Vorhandensein einer "Arbeitsfähigkeit" (mit näherer Begründung) verneinte. Schon deshalb ist dieses Argument nicht geeignet, die Auffassung der belangten Behörde zu stützen. Es braucht daher nicht auf die (weitere) Frage eingegangen zu werden, welche Bedeutung dem vergleichsweise langen Zeitraum ab der Beendigung der kurzfristigen Vortragstätigkeit an der Verwaltungsakademie (Mai 1994) bis zum maßgebenden Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung (1. Juli 1995) zukommt.
Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nach § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem § 3 Abs. 2 anzuwendenden VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Die Umrechnung des für die Gebühr noch verzeichneten Schillingbetrages gründet sich auf § 3 Abs. 2 Z 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000. Wien, am 9. September 2005
Schlagworte
Anforderung an ein Gutachten Besondere Rechtsgebiete Beweismittel Sachverständigenbeweis Medizinischer SachverständigerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2001120147.X00Im RIS seit
13.10.2005