TE OGH 1987/9/8 10ObS35/87

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Veröffentlicht am 08.09.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Bauer als Richter sowie Dr. Günther Schön und Hon.Prof. Dr. Gottfried Winkler als fachkundige Laienrichter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter P***, 4600 Wels, Römerstraße 116, vertreten durch Dr. Johannes Grund und Dr. Wolf D. Polte, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei S*** DER

G*** W***, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86,

vertreten durch Dr. Christian Kuhn, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausgleichszulage infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. Februar 1987, GZ. 12 Rs 1003/87-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für Oberösterreich in Linz vom 19. November 1986, GZ. 1 a C 100/86-5 (nunmehr 24 Cgs 5/87 Kreisgericht Krems), abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahingehend abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes zur Gänze wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 1.100,-- bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten S 100 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen. Die beklagte Partei ist weiter schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.829,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 257,25 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei gewährt dem verheirateten Kläger eine Alterspension, die im Jahre 1984 S 5.345,70 betrug. Die Gattin des Klägers bezog im Jahre 1984 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Betrag von S 127.627,--; aus einem Gewerbebetrieb (Marktfierantin) entstand im Jahre 1984 ein Verlust von S 122.369,--. Da die Höhe des Einkommens der Gattin des Klägers noch nicht feststand, gewährte die beklagte Partei dem Kläger für das Jahr 1984 zur Alterspension eine Ausgleichszulage, die es als jederzeit verrechenbaren Vorschuß bezeichnete, im Betrag von insgesamt S 10.492,60. Mit Bescheid vom 16. Juli 1986 stellt die beklagte Partei nach Vorliegen der die Gattin des Klägers betreffenden Steuerbescheide für das Jahr 1984 fest, daß ein Anspruch auf Ausgleichszulage für dieses Jahr nicht bestehe und sprach aus, daß der unter diesem Titel vorschußweise gewährte Betrag von S 10.492,60 mit der zu erbringenden laufenden Pensionsleistung aufgerechnet werde.

Der Kläger begehrte die beklagte Partei zu verpflichten, ihm für die Zeit vom 1. Jänner 1984 bis 31. Dezember 1984 eine Ausgleichszulage von monatlich S 913,30 zu gewähren sowie von der Rückverrechnung der vorschußweise erbrachten Leistung Abstand zu nehmen. Er brachte dazu vor, daß bei Ausgleich des Verlustes aus dem Gewerbebetrieb der Gattin mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung das Nettoeinkommen seiner Gattin lediglich S 5.258,-- betragen habe, sodaß die Voraussetzung für die Gewährung der Ausgleichszulage in der begehrten Höhe erfüllt seien. Im weiteren anerkannte der Kläger das Zurechtbestehen des Rückforderungsanspruches hinsichtlich eines Vorschußbetrages von S 3.278,40 und modifizierte das Klagebegehren dahin, daß die Beklagte schuldig sei, ihm für das Jahr 1984 eine Ausgleichszulage von S 475,14 monatlich zu gewähren und von der Rückforderung eines Überbezuges von S 7.214,20 Abstand zu nehmen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und brachte vor, daß ein Ausgleich des Verlustes aus dem Gewerbebetrieb mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht stattzufinden habe. Die letztgenannten Einkünfte der Gattin des Klägers hätten im Jahr 1984 einen Nettobetrag von S 127.627,-- erreicht, sodaß die Voraussetzungen für die Gewährung der Ausgleichszulage nicht erfüllt seien.

Außer Streit steht, daß die beklagte Partei dem Kläger im Jahr 1984 einen Ausgleichszulagenvorschuß im Betrag von insgesamt S 10.492,60 gewährte sowie, daß einer Berücksichtigung eines Nettoeinkommens der Gattin des Klägers von nur S 5.258,-- ein Rückforderungsbegehren der beklagten Partei von S 7.214,20 entspricht.

Das Erstgericht erkannte im Sinn des modifizierten Begehrens des Klägers die beklagte Partei schuldig, dem Kläger für das Jahr 1984 eine Ausgleichszulage von monatlich S 475,14 zu leisten und die Rückforderung hinsichtlich eines Vorschußbetrages von S 7.214,20 zu unterlassen. Im übrigen verpflichtete es den Kläger (unangefochten), der beklagten Partei den Vorschußbetrag von S 3.278,40 abzüglich der darauf bereits einbehaltenen Beträge im Aufrechnungsweg zu erstatten. Es führte dazu aus, daß sich § 149 Abs 3 GSVG textlich am Gesetzeswortlaut des § 2 Abs 2 EStG orientiere. Die der steuerlichen Diktion nachgebildete Unterscheidung zwischen Einkommen und Einkünften lege es nahe, daß die Zulassung des Verlustausgleiches hier wie dort die gleiche Bedeutung habe und daher anrechenbares Nettoeinkommen nur der Aktivsaldo aus allen Einkunftsarten sein dürfe. Der fürsorgerechtliche Charakter der Ausgleichszulage lasse eine teleologische Reduktion im Sinn der Rechtsmeinung der beklagten Partei nicht zu. Der Prüfung des Ausgleichszulagenanspruches sei daher nur die Differenz zwischen den Einkünften der Gattin des Klägers aus Vermietung und Verpachtung und den Verlusten aus dem Gewerbebetrieb zugrundezulegen. Hievon ausgehend erweise sich das letztlich aufrechterhaltene Klagebegehren als berechtigt.

Das Berufungsgericht änderte über Berufung der beklagten Partei dieses Urteil im Sinn einer gänzlichen Klageabweisung ab und verpflichtete den Kläger, der beklagten Partei den für das Jahr 1984 gewährten Ausgleichszulagenvorschuß von S 10.492,60 (abzüglich der darauf bereits einbehaltenen Beträge) im Aufrechnungswege zu erstatten.

Es führte dazu aus, der spezielle Fürsorgecharakter der Ausgleichszulage gebiete eine auf diesen Zweck abgestimmte Einkommensberechnung des Pensionsbeziehers beziehungsweise seines Ehegatten, die sich nicht unbedingt mit steuerrechtlichen Grundsätzen decken müsse. Leistungen aus der Pensionsversicherung sollten entgangenes Erwerbseinkommen ersetzen, nicht aber dem Pensionisten oder dessen Ehegatten ermöglichen oder auch nur erleichtern, sich auf verlustreiche Geschäfte einzulassen. Dieser von der Judikatur entwickelte Gedanke gelte nicht nur für die Einkommensermittlung bei Einkünften aus einem landwirtschaftlichen Betrieb einerseits und Verlusten aus einer anderen (selbständigen) Erwerbstätigkeit, sondern allgemein für alle Fälle, in denen der Pensionsbezieher oder sein Ehegatte Einkünfte aus unterschiedlichen Quellen beziehe. Das Ausgleichszulagenrecht kenne daher nur einen Ausgleich mit Verlusten im Rahmen der Ermittlung des Nettoeinkommens aus gleichartigen, nicht aber auch aus verschiedenartigen Tätigkeiten. Die Übertragung von Verlusten aus einer auf eine andere Einkunftsart sei ausgeschlossen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz aufzuheben, der Berufung der beklagten Partei keine Folge zu geben und das Urteil des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für Oberösterreich zu bestätigen; erkennbar wird damit die Abänderung des angefochtenen Berufungsurteiles im Sinne einer Wiederherstellung des Urteiles des Gerichtes erster Instanz begehrt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Gemäß § 149 Abs 1 GSVG hat der Pensionsberechtigte nach Maßgabe der Bestimmungen des dritten Unterabschnittes des Abschnittes III des zweiten Teiles des GSVG, solange er sich im Inland aufhält, Anspruch auf eine Ausgleichszulage, wenn seine Pension zuzüglich eines aus den übrigen Einkünften des Pensionisten erwachsenden Nettoeinkommens und der gemäß § 151 zu berücksichtigenden Beträge nicht die Höhe des für ihn geltenden Richtsatzes (§ 150 GSVG) erreicht. Gemäß § 149 Abs 2 GSVG ist bei Feststellung des Anspruches auf Ausgleichszulage auch das gesamte Nettoeinkommen der im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegattin zu berücksichtigen. Nettoeinkommen im Sinn dieser Bestimmung ist - die anderen im § 149 Abs 3 genannten Fälle kommen hier nicht in Betracht - die Summe sämtlicher Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Ausgleich mit Verlusten. Streitentscheidend ist die Frage, ob in einem Fall, in dem mehrere Einkunftsquellen bestehen, Verluste aus einer dieser Einkunftsquellen mit Gewinnen aus anderen Einkunftsquellen auszugleichen sind und das wirtschaftliche Gesamtergebnis unter Berücksichtigung sämtlicher Einkunftsarten zu ermitteln und dieser Saldo bei Prüfung des Ausgleichszulagenanspruches zugrundezulegen ist.

Der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß bei Prüfung eines Ausgleichszulagenanspruches ein Ausgleich mit Verlusten nur innerhalb einer Einkunftsart in Frage kommt, kann nicht beigetreten werden. § 149 Abs 1 GSVG ordnet die Berücksichtigung eines aus übrigen Einkünften erwachsenden Nettoeinkommens an. Die Definition des Nettoeinkommens findet sich im § 149 Abs 3 GSVG. Unter "der Summe sämtlicher Einkünfte .... nach Ausgleich mit Verlusten" kann nur das verstanden werden, was einer Person letztlich zur Verfügung steht; auch wenn sie mehrere Einkunftsarten hat, das was ihr letztlich insgesamt zukommt. Daß in Fällen, in denen eine Person über mehrere Einkunftsarten verfügt, eine Trennung in der Form vorzunehmen wäre, daß jeweils nur die Einkunftsart zu berücksichtigen wäre, bei der Überschüsse erzielt werden, während Einkunftsarten, bei denen sich Verluste ergeben, zu vernachlässigen wären, läßt sich aus dem Gesetz nicht ableiten. Die Verwendung des Wortes Nettoeinkommen (Einzahl) weist ebenso wie die Zitierung des § 2 Abs 2 EStG in den Gesetzesmaterialien zur 29. ASVG-Novelle zur Neufassung des (dem § 149 Abs 3 GSVG entsprechenden) § 292 Abs 3 ASVG (404 Blg. StenProt. NR XIII zu Art. IV Z 39 - 42) darauf hin, daß in die Prüfung sämtliche Einkunftsarten einzubeziehen sind, und nur das Gesamtergebnis unter Berücksichtigung auch von Verlusten aus einzelnen Einkunftsarten der Entscheidung zugrundezulegen ist. Dies entspricht auch der ratio legis. Es soll sichergestellt werden, daß der Pensionsberechtigte (gemeinsam mit seinem Ehegatten) über ein Einkommen verfügt, das nach Ansicht des Gesetzgebers den für die Sicherung der Existenz erforderlichen Mindestbetrag erreicht. Dies ist aber nur dann sichergestellt, wenn dem Pensionsberechtigten aus Pensionseinkommen und sonstigem Einkommen insgesamt dieser Mindestbetrag zufließt.

Die Begründung der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung SSV 21/32 steht mit diesem Ergebnis nicht in Widerspruch. Dieser Entscheidung lag ein Fall zugrunde, bei dem neben pauschal zu berücksichtigenden Einkünften aus einem landwirtschaftlichen Betrieb (§ 140 Abs 5 und 7 BSVG) - diese Bestimmung entspricht § 149 Abs 5 und 7 GSVG) - Verluste aus einem Gewerbebetrieb entstanden waren. Das Berufungsgericht sprach aus, daß Verluste aus anderen Nettoeinkunftsarten auf Nettoeinkünfte, welche gemäß § 140 Abs 5 und 7 BSVG pauschal zu berücksichtigen seien, nicht stattzufinden habe. Der im weiteren in dieser Entscheidung vertretenen Rechtsansicht, daß generell nur Einkünfte der selben Art nach § 140 Abs 3 BSVG (entsprechend § 149 Abs 3 GSVG) mit Verlusten aus eben dieser Einkunftsquelle ausgeglichen werden können, kann ebenso wie der Begründung der Entscheidung SV-Slg. 27.971 mit Rücksicht auf die oben dargestellten Ausführungen nicht beigetreten werden. Der von der beklagten Partei im Verfahren unter Berufung auf die bisherige Judikatur vertretene Einwand, es werde durch die Berücksichtigung von Verlusten aus einer anderen Einkommensquelle bei Ermittlung des Nettoeinkommens dem Pensionswerber die Möglichkeit eröffnet, verlustreiche Geschäfte zu führen, überzeugt nicht. Durch die Berücksichtigung von Verlusten aus anderen Einkommensquellen kann der Anspruch auf Ausgleichszulage gegenüber einem Fall, in dem der Pensionswerber neben dem Pensionseinkommen über keinerlei Einkünfte verfügt, nicht erhöht werden. In gleicher Weise wie der Pensionswerber nicht verpflichtet ist, zur Verminderung des Ausgleichszulagenanspruches ein Einkommen zu erwerben, ist er auch nicht verpflichtet, sich auf Einkunftsarten zu beschränken, die ausschließlich Erträge abwerfen, sofern nicht in rechtsmißbräuchlicher Weise eine Tätigkeit nur betrieben wird, um Gewinne aus anderen Einkunftsarten aufzufangen und dadurch die Voraussetzungen für die Gewährung der Ausgleichszulage zu schaffen. In dieser Richtung wurde aber im Verfahren eine Behauptung nicht aufgestellt.

Daß das negative Ergebnis des Betriebes der Gattin des Klägers zur Gänze oder zum Teil nur auf die Berücksichtigung von steuerlich gewinnmindernden Abzugsposten zurückzuführen sei und nicht einem tatsächlichen Betriebsverlust entspräche, wurde von der beklagten Partei nicht eingewendet. Eine Erörterung der damit in Zusammenhang stehenden Fragen ist daher entbehrlich.

Die Höhe des Betrages, hinsichtlich dessen der Rückforderungsanspruch der beklagten Parei bei Berücksichtigung der bloßen Differenz der Einkünfte der Gattin des Klägers nicht zu Recht besteht, steht außer Streit. Auch die Höhe des Ausgleichszulagenbetrages, ausgehend von einem Nettoeinkommen der Gattin des Klägers von jährlich S 5.258,--, ist nicht strittig. Das angefochtene Urteil war daher im Sinn einer Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a, Abs 2 ASGG.

Anmerkung

E11895

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:010OBS00035.87.0908.000

Dokumentnummer

JJT_19870908_OGH0002_010OBS00035_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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