Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Dr. Werner P***, Wirtschaftstreuhänder, 7132 Frauenkirchen,
Josefistraße 14, vertreten durch Dr. Georg Fialka, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei I*** U***- UND
S*** AG, 1010 Wien, Tegetthoffstraße 7, vertreten
durch Dr. Hans Litschauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 901.983,60 s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 26. November 1986, GZ 17 R 233/86-75, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 19.Mai 1986, GZ 39 e Cg 260/82-66, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 17.594,40 (darin S 1.200,-- Barauslagen und S 1.490,40 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 17.Mai 1979 ereignete sich gegen 20,25 Uhr auf der Bundesstraße B 59 zwischen Eisenstadt und Schützen am Gebirge ein Verkehrsunfall, bei dem der Kläger aus dem Alleinverschulden des Versicherungsnehmers der Beklagten, Herbert T***, schwer verletzt wurde.
Der Kläger forderte von der Beklagten an Schadenersatz insgesamt S 901.983,60, darin unter anderem den Ersatz von Verdienstentgang aus unselbständiger Erwerbstätigkeit im Betrage von S 18.968,60 und aus selbständiger Erwerbstätigkeit für die Jahre 1979 bis 1983 im Betrage von S 869.000,--; als Eventualbegehren forderte er die Bezahlung einer abstrakten Rente von S 5.000,-- monatlich ab Juni 1979; der Kläger stellte auch ein Feststellungsbegehren, dem mit Teilurteil stattgegeben wurde.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung, bestritt vor allem die Höhe des geltend gemachten Verdienstentganges und wendete ein, der Kläger habe sich Leistungen des Sozialversicherungsträgers in unzulänglichem Ausmaß angerechnet.
Das Erstgericht sprach dem Kläger in Stattgebung des Hauptbegehrens S 709.765,40 s.A. zu und wies das Mehrbegehren von S 192.218,40 s.A. ab, wobei es zusammengefaßt im wesentlichen von folgenden Feststellungen ausging:
Der Kläger erlitt beim Unfall einen Bruch des linken inneren Fußknöchels mit Zerreißung des inneren Außenbandes am oberen Sprunggelenk und einen Schienbeinkopftrümmerbruch innen und außen am rechten Bein. Der Kläger wurde zunächst ins Krankenhaus Eisenstadt eingeliefert und nach zwei Operationen am 22.Juni 1979 mit einem Unterschenkelgehgipsverband links und einer Oberschenkelgipshülle rechts entlassen. Der Unterschenkelgips wurde sechs Wochen nach dem Unfall, der Oberschenkelgips am 22.September 1979 entfernt. In der Zwischenzeit lagen ambulante Behandlungen, auch danach erfolgte eine physikalische Nachbehandlung im Rehabilitationszentrum St. Andrä bis Jänner 1980 und eine weitere im physikalischen Institut in Wien. Zur Entfernung des Synthesemetalls aus dem Schienbeinkopf befand sich der Kläger vom 10. bis 16.September 1980 neuerlich stationär im Krankenhaus Eisenstadt. Zur Zeit der Untersuchung durch den gerichtlichen Sachverständigen am 22.Juni 1981 bestanden noch Zeichen der Verletzung des vorderen Kreuzbandes am rechten Kniegelenk mit Bewegungsbehinderung mäßigen Grades, eine Muskelschwäche des rechten Oberschenkels mäßigen Grades, eine leichte Gangbehinderung sowie glaubhafte subjektive Beschwerden. Mit Sicherheit bleibt eine Behinderung der Gebrauchsfähigkeit des rechten Beines zurück, die im wesentlichen in einer Beugehemmung besteht. Arbeitsunfähigkeit bestand vom Unfallstag bis zum 4. November 1979. Auf Grund des Unfalles ist beim Kläger für die Folgezeit eine 30 %-ige Minderung der Erwerbsfähigkeit eingetreten. Die schwere Gelenksverletzung am rechten Knie kann eine Verschlimmerung im Sinne einer zunehmenden Arthrose mit sich bringen.
Der am 14.April 1952 geborene Kläger übt den Beruf eines Wirtschaftstreuhänders und Steuerberaters aus. Er wurde im Juli 1978 in die Liste der Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater eingetragen und war zur Unfallszeit in diesem Beruf selbständig tätig. Daneben übte er eine unselbständige Tätigkeit bei der Firma A*** (A*** W*** M.B.H) mit dem Sitz in Wien aus.
Seine Steuerberatungskanzlei hat ihren Sitz in Frauenkirchen, einer Gemeinde mit 3000 Einwohnern. Sie befand sich im Unfallszeitpunkt im Anlaufstadium. Eine Steuerberatertätigkeit beinhaltet Beratungen im Büro, aber auch Klientenbesuche in deren Betriebsstätten und Wohnungen sowie die Wahrnehmung von Fremdterminen bei Finanzbehörden, Sozialversicherungsanstalten, Banken etc. Bei den Außendiensten müssen Treppen gestiegen und Lasten getragen werden, insbesondere Taschen und Aktenunterlagen. Während seines Angestelltenverhältnisses bei A*** arbeitete der Kläger 40 Wochenstunden, wobei in den ersten Monaten 1982 vorwiegend Innendienst geleistet wurde. An den Dienstvertrag schloß sich ein Werkvertragsverhältnis des Klägers zu A*** an. Bei den Krankenständen nach dem Unfall hatte der Kläger nach längerem Sitzen oder Gehen und Tragen von Lasten Schmerzen, benötigte jedoch keine Bettruhe.
Bei der Untersuchung im Dezember 1983 ergab sich folgender Zustand: der linke Unterschenkel ist gegenüber dem rechten um 1,5 cm schmächtiger, der rechte Oberschenkel um einen cm. Die Beugbarkeit des rechten Knies hat sich geringfügig gebessert, das rechte Kniegelenk ist jedoch etwas verdickt. Neu aufgetreten sind klinische Zeichen einer vorzeitigen Abnützung im rechten Kniegelenk mit deutlicher Krepitation bei Bewegung. Die 30 %-ige Minderung der Erwerbsfähigkeit besteht weiter und wird auch in Zukunft bleiben. Die herabgesetzte Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit des rechten Kniegelenkes und im geringen Ausmaß auch des linken Sprunggelenkes bewirken eine Einschränkung der Berufsfähigkeit des Klägers. Seine Gehleistung ist, belastet wie auch unbelastet, dauernd behindert. Der Kläger braucht dadurch ein höheres Maß an Energie und muß größere Anstrengungen auf sich nehmen. Erfahrungsgemäß neigen derartig verletzte Gelenke zu vorzeitiger und verstärkter Ausbildung von Abnützungserscheinungen und können künftig vermehrte Beschwerden mit einer weiteren Minderung der Gehleistung verursachen. Im Jahre 1978 erzielte der Kläger durch eine Halbtagstätigkeit bei A*** monatlich brutto S 6.000,-- = netto S 4.000,--. Im Jahre 1979 erzielte er beim gleichen Arbeitgeber samt Überstundenpauschale in den ersten vier Monaten ein Einkommen von je S 16.000,-- brutto = S 11.293,10 netto. Ab Mai 1979 erhielt er ein Bruttoeinkommen von S 25.000,-- = netto S 16.735,-- und ab November 1979 S 30.000,-- brutto = S 19.525,90 netto. Der Dienstgeber bezahlte dem Kläger zunächst das Entgelt bis 10. August 1979 weiter, in den letzten vier Monaten vor diesem Termin allerdings nur in halber Höhe. Der laufende Bezug des Klägers für Mai bis November 1979 wäre S 122.726,30 netto, S 47.496,70 an Urlaubsgeld und S 27.688,50 an Weihnachtsgeld gewesen, dann erzielte er ab Dezember 1979 wieder netto S 19.525,90. Das Angestelltenverhältnis bei der Firma A*** währte von 1973 bis 1982, von 1979 bis 1982 war er auch Gesellschafter dieses Unternehmens. Der Dienstgeber setzte das Gehalt des Klägers während seines unfallsbedingten sommerlichen Krankenstandes im Jahre 1979 auf das gesetzliche Mindestmaß herab. Der Kläger ließ sich während seines Krankenstandes in seinen beruflichen Belangen durch die Firma A*** vertreten, welche ihm ein Substitutionspauschale berechnete. Am 10. April 1979 übernahm der Kläger Geschäftsanteile in der Firma A*** mit Nominale S 54.000,-- bei einem Stammkapital von S 200.000,--. Seine Gegenleistung war die Verpflichtung zur Zahlung einer Rente an die Mutter des A***-Geschäftsführers Dr. Udo S***. Der Großteil der Klienten des Klägers stammt aus den umliegenden Ortschaften von Frauenkirchen. Seine Berufstätigkeit ist mit Besuchen bei Klienten, Ämtern und Banken verbunden. Der Kläger kann auch nach dem Unfall noch mit einem serienmäßig ausgestatteten PKW fahren. Es bereiten ihm längere Autofahrten jedoch Beschwerden. Besonders anstrengend für ihn ist das Tragen von Aktentaschen. Aber auch längeres Sitzen führt zu Beschwerden. Er kann im Außendienst auf niedrigen Stühlen nicht lange sitzen. Praktisch legt er jetzt nach dem Unfall zusätzlich zur Mittagspause noch ein bis zwei Stunden täglich Arbeitspausen ein, in denen er zumindest ein Bein ruhig lagert. In seinem Büro hat er eine Liegegelegenheit, in der Zeit der Pausen kann er nicht Akten bearbeiten. Vor dem Unfall arbeitete der Kläger 55 bis 60 Stunden wöchentlich. Abzüglich der unselbständigen Tätigkeit bei der Firma A*** verblieben noch 15 bis 20 Stunden für sein Büro. Nach dem Unfall kommt er mit Ruhepausen auf ca. 9 Stunden tägliche Arbeitszeit und arbeitet 6 bis 7 Tage die Woche. In der Zeit nach dem Unfall war der Kläger vorerst wegen der Liegegipshülle am rechten Bein nicht in der Lage, zu gehen. Zur Unfallszeit war seine Kanzlei ein Einmannbetrieb, erst im Juli 1979 nahm er eine Halbtagskraft auf. 1981 oder 1982 verlor der Kläger infolge seiner mangelhaften Mobilität zwei Klienten aus dem Korneuburger Raum, die zu einem ortsansässigen Konkurrenten wechselten. Unfallsbedingt gab der Kläger seine unselbständige Tätigkeit bei der Firma A*** auf. Er bewältigte dort weder die Außendienste noch die ständige Anwesenheitspflicht. Am 20.Dezember 1983 wurde die Dr. Werner P***
W***-G*** M.B.H. gegründet. 1984 betrugen
deren Einkünfte S 34,-- und ihre Aufwendungen ca. S 34.000,--. 1985 gab es Aufwendungen von S 200.000,--, die aber direkt an die Klienten des Klägers weiterverrechnet wurden. Die Gründung der Gesellschaft erfolgte einerseits zur Versorgung der Familie, andererseits zur Schaffung eines weiteren Standortes, da Wirtschaftstreuhänder grundsätzlich "nur einen Standort" haben dürfen. Daneben ist der Kläger noch für die A*** DER W*** Ö*** tätig, was auch mit körperlichen
Anstrengungen verbunden ist. Er organisiert die Berufsausbildung von späteren Steuerberatern. Sein Werkvertragsverhältnis mit der Akademie begann am 1.Jänner 1986 und ist mit 31.Dezember 1986 befristet. Sein monatliches Honorar beträgt S 40.000,-- zuzüglich Umsatzsteuer 12 mal im Jahr. Sein Werkvertragsverhältnis zur Firma A*** ab 1.Juni 1982 besteht in der Bearbeitung von Spezialfragen im Zusammenhang mit seiner früheren Klientenberatung.
In den Jahren 1978 bis 1981 erzielte der Kläger aus seiner
Kanzlei in der Reihenfolge der genannten Jahre folgende Einnahmen:
S 144.300,--, S 169.300,--, S 474.200,-- und S 559.700. Dem stehen
Ausgaben wie folgt gegenüber:
S 177.700,--, S 188.500,--, S 326.800,-- und S 546.400,--. Dies ergibt in den beiden ersten Jahren je einen Verlust von S 33.400,-- und S 10.200,-- und in den letzten beiden Gewinne von S 147.700,-- und S 13.300,--. Unter Bedachtnahme auf die jeweils beschäftigten Angestellten entfielen im Jahre 1979 vom Jahresumsatz von
S 169.300,-- auf die Arbeitskraft des Klägers S 124.300,--, im Jahre 1980 S 306.200,--, im Jahre 1981 S 144.700,--. Der Kläger war erst im Jahre 1980 wieder voll einsatzfähig. Die Kosten seiner Kanzlei wären bei seiner vollen Arbeitsfähigkeit kaum angestiegen, sondern hätten höchstens 10 % des Mehrumsatzes ausgemacht. Der Verdienstentgang für 1979 errechnet sich mit S 116.000,--, der Verdienstentgang von 1980 mit S 118.000,-- und für 1981 mit
S 56.000,--. Insgesamt erlitt der Kläger von 1979 bis 1981 einen Verdienstentgang von S 290.000,--. Bei der Beurteilung des Verdienstentganges des Klägers sind zwei weitere Umstände zu berücksichtigen, nämlich einmal der Imageverlust des Klägers bei potentiellen Klienten wegen der schweren körperlichen Behinderung nach dem Unfall. Die Gesundheitsschädigung konnte gerade in ländlichen Kreisen nicht unbekannt bleiben, was dazu führte, daß Unternehmen, die einen Steuerberaterwechsel durchführen wollen oder neu beginnen, den Kläger nicht wählen, weil sie befürchten, er werde bei dringenden Situationen nicht zur Verfügung stehen. Des weiteren der Verlust der Aufbauphase 1979, als die Wirtschaftssituation allgemein besser war als in den Folgejahren, weil der Konkurrenzdruck im Beruf des Klägers zunehmend stärker wurde und der Zugang zur Berufsgruppe des Klägers seit 1979 überproportional anstieg. Beide angeführten Aspekte führen zu einem geschätzten Verdienstentgang von S 70.000,-- pro Jahr; für drei Jahre somit
S 210.000,--. Insgesamt erlitt der Kläger von 1979 bis 1981 einen Verdienstentgang von S 500.000,--.
Der Verdienstentgang ab 1981 errechnet sich wie folgt, wobei berücksichtigt ist, daß der Kläger seit 1982 mit drei Angestellten und einer Praktikantin, je ganztags, arbeitet: Umsatz: drei Ganztagsdienstnehmer: 3.600 Std. zu je S 200,-- = S 720.000,--; eine Ganztagspraktikantin: 1.000 Std. zu je S 100,-- = S 100.000,--; Normalleistung eines 100%-ig gesunden Steuerberaters: 2.000 Std. zu je S 300,-- = S 600.000,--. Daher ist der Umsatz die Summe von S 1,420.000,--. Für die Erwerbsminderung des Klägers von 30 % ist ein Abschlag von S 180.000,-- einzusetzen (30 % von S 600.000,--). Daher beträgt der tatsächlich erzielbare Umsatz S 1,240.000,--. Da bei der Kanzleigröße des Klägers bei seiner vollen Arbeitsfähigkeit nahezu keine zusätzlichen Kosten produziert worden wären, ist der entgangene Umsatz mit dem Verdienstentgang ident. In der vorläufigen Einnahmen-Ausgaben-Rechnung des Klägers für 1982 wurden Honorare von S 657.000,-- für 8 Monate erzielt. Das ergibt auf ein Jahr hochgerechnet S 985.500,--. Die Differenz zur Schätzung erklärt sich daraus, daß der Kläger seit 1.Juni 1982 nur noch selbständig ist und im Werkvertrag von A*** S 400,-- pro Stunde erhält, als Angestellter aber nur ca. S 300,-- erzielte. Ein angestellter Steuerberater arbeitet effektiver als ein sonstiger Dienstnehmer. Der Verdienstentgang ab dem Jahre 1982 und in den folgenden Jahren beträgt daher S 180.000,-- pro Jahr und ist jährlich mit mindestens 5 % zu valorisieren. Die angeführten Beträge verstehen sich brutto ohne Abzug der Einkommenssteuerbelastung. Von der W*** G*** erhielt der Kläger an
Krankengeld bzw. Teilkrankengeld insgesamt S 30.618,88. Außerdem übernahm die G*** seine Anstaltspflegekosten im Krankenhaus der B*** B*** in Eisenstadt und zwar vom 17. Mai bis 22.Juni 1979 mit täglich S 546,-- und vom
10. bis 16.September 1980 mit täglich S 586,--, jeweils zuzüglich 8 % Umsatzsteuer. Der Steuerberater hat auch in ländlichen Gegenden kein Monopol. Die Zahl der Klienten steigt jährlich um 5 bis 6 %. Der Kläger ist ein Steuerberater, der über beste Kenntnisse verfügt und seinen Beruf sehr ernst nimmt. Ein gesunder junger Wirtschaftsprüfer im Burgenland hätte ohne Unfall in der maßgeblichen Zeit um 30 % mehr erwirtschaften können, als der Kläger tatsächlich erzielte. Die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung des Klägers widerlegt in keiner Weise die medizinisch begutachtete 30 %-ige Verminderung der Erwerbsfähigkeit für den speziellen Beruf des Klägers. Von der AUVA erhielt der Kläger Rentenleistungen, die einschließlich der Sonderzahlung für Mai 1983 S 135.539,80 betragen. Darüber hinaus erhält er eine 30 %-ige Rente als Dauerrente, eine ärztliche Nachuntersuchung ist nicht vorgesehen.
Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, der Verdienstentgang sei auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens errechnet worden und stimme mit der medizinischen Einschätzung und mit den Statistiken der K*** DER W*** überein. Auf den Verdienstentgang müsse sich der Kläger allerdings die Rentenleistungen anrechnen lassen. Auf den Verdienstentgang aus unselbständiger Tätigkeit müsse sich der Kläger jedoch eine Teilzahlung von S 13.390,74 anrechnen lassen. Dies könne nicht, wie es der Kläger wünsche, auf "weitere Heilungskosten" angerechnet werden, weil solche im genannten Betrag nicht geltend gemacht worden und daher nicht verfahrensgegenständlich seien. Weiters müsse sich der Kläger eine zusätzliche Zahlung der Krankenkasse von S 12.028,82 anrechnen lassen, da die Krankenkasse insgesamt Spitalsbehandlungskosten von S 26.248,32 geleistet habe, wovon der Kläger nur S 14.220,-- in seiner Klage berücksichtige. Die Einkünfte des Klägers als Fachschriftsteller, Vortragender und als Firmengesellschafter seien irrelevant, weil er diese mit und ohne Unfall gehabt hätte.
Das Gericht zweiter Instanz gab der gegen den stattgebenden Teil des Urteiles des Erstgerichtes erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge; hingegen wurde der Berufung des Klägers teilweise Folge gegeben und das Urteil des Erstgerichtes, das im übrigen bestätigt wurde, hinsichtlich der Abweisung von S 25.419,06 s.A. sowie bezüglich der Kostenentscheidung ohne Beisetzung eines Rechtskraftvorbehaltes aufgehoben. Bezüglich des stattgebenden Teiles des Urteiles des Erstgerichtes erachtete das Berufungsgericht das erstgerichtliche Verfahren als mängelfrei, übernahm in diesem Umfang die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und billigte auch dessen rechtliche Beurteilung.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes, soweit damit der klagsstattgebende Teil des Ersturteiles bestätigt wurde, richtet sich die Revision der Beklagten aus den Anfechtungsgründen nach § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag auf Aufhebung und Rückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an eine der Vorinstanzen; hilfsweise wird Abänderung im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens auf Ersatz des Verdienstentganges beantragt.
Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 2 ZPO liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
In der Rechtsrüge bekämpft die Beklagte die Unterlassung von Feststellungen über die Einkünfte des Klägers aus seiner Tätigkeit als Fachschriftsteller, seinen Beteiligungen an der "A***" sowie aus der Dr. Werner P*** W*** M.B.H. und
aus seiner Tätigkeit im Rahmen der Ausbildungsakademie der K*** DER W*** Ö***. Die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß nur jene Bereiche zu prüfen seien, in welchen der Kläger eine Einkommensminderung behauptet habe, nämlich hinsichtlich seiner Tätigkeit als Steuerberater und Wirtschaftstreuhänder, sei unrichtig. Im Rahmen der Schadensminderungspflicht müsse auch dem Umstand Rechnung getragen werden, daß ein Einkommensrückgang in einem Tätigkeitsbereich, etwa auf dem Gebiete der Steuerberatungstätigkeit, allein darauf zurückzuführen sei, daß der Kläger in anderen Tätigkeitsbereichen seine Erwerbsfähigkeit vermehrt eingesetzt und dort höhere Einkünfte erzielt habe. Es wären vielmehr die gesamten Einkommensverhältnisse des Klägers vor und nach dem Unfall einander gegenüberzustellen gewesen. Der Kläger habe einen konkreten Verdienstentgang, d.h. den Verlust infolge Behinderung der Ausnützung seiner Arbeitskraft geltend gemacht; aus den Feststellungen, insbesonders hinsichtlich "Imageverlust des Klägers bei potentiellen Klienten", "Verlust der Aufbauphase 1979, als die Wirtschaftssituation allgemein besser war als in den Folgejahren, weil der Konkurrenzdruck im Beruf des Klägers zunehmend stärker wurde und der Zugang zur Berufsgruppe des Klägers seit 1979 überproportional anstieg", ergebe sich jedoch eindeutig, daß es sich bei dem vom Sachverständigen "geschätzten Verdienstentgang" in Wahrheit um entgangenen Gewinn handle, zu dessen Ersatz die Beklagte gemäß den §§ 1293 ff. ABGB nicht verpflichtet sei. Darüber hinaus hätte das Erstgericht bei richtiger rechtlicher Beurteilung aber auch den zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung konkret vorliegenden Verdienstentgang bestimmen müssen und nicht einfach die vom Sachverständigen für die Zukunft errechneten Beträge von jährlich S 180.000,-- zugrunde legen dürfen, da eine wahlweise Geltendmachung eines abstrakten Verdienstentganges (und um einen solchen handle es sich zweifellos bei den geschätzten Beträgen) statt bzw. neben bereits konkret eingetretenem Verdienstentgang nicht zulässig sei. Der Kläger habe schließlich den von ihm behaupteten und zu beweisenden Verdienstentgang nicht unter Beweis stellen können, weil er weder dem Gericht noch dem Sachverständigen die Einkommensteuererklärungen und -bescheide vorgelegt habe. Dadurch seien Feststellungen über den konkreten Verdienstentgang für den Zeitraum von 1982 bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz (2.April 1986) unterblieben. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.
Was zunächst die Berücksichtigung von weiteren Tätigkeiten des Klägers neben seiner selbständigen Tätigkeit als Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater anlangt, hat der Kläger lediglich den Ersatz des unfallsbedingten Verdienstentganges aus der letztgenannten Tätigkeit bis zum 31.Dezember 1983 geltend gemacht. Nur dieser ist daher Gegenstand des Rechtsstreites. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Geschädigte nach der sich aus den §§ 403, 1036, 1043 und 1304 ABGB und anderen gesetzlichen Bestimmungen ergebenden Schadensminderungspflicht verhalten, seinen Schaden möglichst gering zu halten, wenn und soweit ihm ein konkretes Verhalten zugemutet werden kann (SZ 45/5; SZ 39/170 u.a.). Der Geschädigte hat die zur Schadensminderung erforderlichen Maßnahmen von sich aus und ohne Rücksicht auf das Verhalten des Schädigers zu treffen (ZVR 1975/165; ZVR 1973/110). Was zugemutet werden kann, bestimmt sich nach den Interessen beider Teile im Einzelfall und nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs (ZVR 1973/110 u.a.). Die Behauptungs- und Beweislast für eine Verletzung der Schadensminderungspflicht durch den Geschädigten trifft den Schädiger (vgl. ZVR 1982/160 u.a.). Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes war der Kläger in der Zeit von 1973 bis 1982 Angestellter der Firma "A***", von 1979 bis 1982 auch Gesellschafter dieses Unternehmens. Der von ihm für die Zeit vom Mai bis November 1979 geltend gemachte Verdienstentgang aus seiner unselbständigen Tätigkeit bei der Firma "A***" ist nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens. Mit Juni 1982 gab der Kläger seine unselbständige Tätigkeit bei der genannten Firma auf und bearbeitet seither in einem Werkvertragsverhältnis zu dieser Firma noch einzelne Spezialfragen, die mit seiner früheren Klientenberatung im Zusammenhang stehen. Der Kläger war ab 10.April 1979 bis 1982 Gesellschafter der A*** GesmbH, jedoch erhielt er aus dieser Gesellschafterstellung keine Kapitalausschüttungen. Die unselbständige Erwerbstätigkeit des Klägers bei der Firma "A***" wurde vom Sachverständigen bei der Berechnung seines Verdienstentganges aus seiner selbständigen Tätigkeit als Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater berücksichtigt. Die Dr. Werner P*** W***
G*** M.B.H. wurde am 20.Dezember 1983 gegründet und am 9. Jänner 1984 im Handelsregister eingetragen. Für das Jahr 1984 betrugen die Einkünfte S 34,--, die Aufwendungen ca. S 34.000,--. Durch die Gründung dieser Gesellschaft entstand für den Kläger kein Umsatzzuwachs und es werden dadurch auch nicht mehr Klienten angesprochen. Nicht festgestellt wurde, daß der Kläger durch seine Tätigkeiten als Fachschriftsteller und Vortragender in seiner Tätigkeit als selbständiger Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater über seine unfallsbedingte Behinderung hinaus beeinträchtigt ist. Hieraus folgt aber, daß der Beklagten der Beweis, daß der Kläger infolge seiner Nebentätigkeiten einen geringen Verdienst aus seiner Tätigkeit als selbständiger Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater erzielte und ihm damit eine Verletzung seiner Schadenminderungspflicht zur Last fällt, nicht gelungen ist. Es bedurfte daher keiner weiteren Feststellungen über seine Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Fachschriftsteller und als Vortragender. Seine Einkünfte aus seiner Tätigkeit bei der A*** DER W*** wurden ohnehin festgestellt.
Soweit die Beklagte vorbringt, der Sachverständige hätte durch die Berücksichtigung des "Imageverlustes des Klägers bei potentiellen Klienten" und des "Verlustes der Aufbauphase 1979" durch die Unfallfolgen in Wahrheit einen entgangenen Gewinn ermittelt, ist ihr entgegenzuhalten, daß die Bedachtnahme auf diese Umstände lediglich eine zusätzliche Komponente zur Ermittlung des Verdienstentganges des Klägers darstellt. Verdienstentgang ist aber grundsätzlich positiver Schaden und nicht entgangener Gewinn (vgl. ZVR 1974/221 uva.).
Soweit die Beklagten vorbringen, das Erstgericht hätte den zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung konkret vorliegenden Verdienstentgang feststellen und nicht einfach die vom Sachverständigen für die Zukunft errechneten Beträge des jährlichen Verdienstentganges zugrunde legen dürfen, der Kläger habe seinen Verdienstentgang überhaupt nicht beweisen können, sind sie zunächst darauf zu verweisen, daß der Kläger den Ersatz des Verdienstentganges nur bis zum Ende des Jahres 1983 forderte und daher Feststellungen des Verdienstentganges über diesen Zeitpunkt hinaus nicht zu treffen waren.
Bei der Beurteilung der Frage, ob einem Geschädigten ein Verdienstentgang im Sinne des § 1325 ABGB entstanden ist, ist darauf Bedacht zu nehmen, welchen Verdienst der Geschädigte ohne Unfall bei gewöhnlichem Verlauf der Dinge voraussichtlich erzielt hätte (ZVR 1979/232 u.a.). Welches Einkommen der Geschädigte bei Ausnützung seiner Erwerbsfähigkeit ohne die Unfallsfolgen erzielt hätte, kann nur auf Grund hypothetischer Feststellungen über einen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Geschehensablauf beurteilt werden. Derartige Feststellungen betreffen aber trotz ihres hypothetischen Charakters ausschließlich den Tatsachenbereich (SZ 25/280; SZ 26/155 u.a.) und können daher im Revisionsverfahren nicht mit Erfolg bekämpft werden, es sei denn, sie beruhten auf Schlußfolgerungen, die mit den Denkgesetzen unvereinbar wären, in welchem Fall sie mit der Rechtsrüge angefochten werden könnten (RZ 1967, 105 u.a.). Das Erstgericht ist bei der Ermittlung des Verdienstentganges dem Gutachten des Sachverständigen gefolgt; das Berufungsgericht hat diese Feststellungen als unbedenklich übernommen. Einen Verstoß des Sachverständigen gegen die Denkgesetze bei Erstellung seines Gutachtens vermochte die Beklagte in keiner Weise aufzuzeigen. Die Revisionsausführungen stellen sich daher in diesem Umfang lediglich als im Revisionsverfahren unzulässiger Versuch der Bekämpfung der Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen dar.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E12029European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0020OB00019.87.0908.000Dokumentnummer
JJT_19870908_OGH0002_0020OB00019_8700000_000